KARO - HEAVY BIRTHDAY


Label:FRONTROW
Jahr:1988
Running Time:39:04
Kategorie: Classics
 

Heavy Birthday" ist heutzutage ein weit verbreiteter Geburtstagsgruß in unseren Kreisen. Woher dieser Ausdruck eigentlich stammt, beziehungsweise wann er zum ersten Mal aufgetaucht ist, vermag ich nicht zu sagen. Mir ist der Begriff erstmals vor ziemlich genau dreißig Jahren zu Ohren gekommen. Ebenfalls zu dieser Zeit hielt ich auch dieses schicke LP-Cover in meinen Händen. Wie es damals noch eine durchaus gängige Praxis war, hatte man Musik noch nach Cover-Artworks beurteilt und gekauft. Internet gab es nicht, und bei den Bewertungen in den Musikzeitschriften wurde auch früher schon so manche Perle zerrissen. Da hat man sich lieber auf seine eigenen Erfahrungswerte besinnt. Eine deutsche Band mit einem glühenden Kuchen aus Stahl - das musste einfach gut sein! Ich weiß aber noch ganz genau, dass ich mich wegen dem Bandfoto auf der Rückseite der Hülle auf einen Scorpions- oder Bonfire-artigen Sound eingestellt hatte. Das es zeitweilig noch eine ganze Ecke kommerzieller ausgefallen ist, und man Karo tendenziell eher mit US-Bands wie Autograph, Night Ranger oder Loverboy in einen Topf werfen konnte, überraschte mich dann doch. Ungeachtet dessen erkannte ich recht flott, was für ein starkes Stück Musik sich hinter dem keyboardlastigen Melodic Hard Rock verbarg.

Schon beim Eröffnungstitel Wanna Be Loved" hat man die Messlatte sehr hoch gelegt und einen vorzüglichen Mitsing-Refrain verwurstet. Die Keyboards sind vielleicht ein wenig zu poppig und dominant, aber die Gitarre erhält noch ausreichend Raum zur Entfaltung. Etwas dynamischer, aber unverändert hochmelodisch, geht es dann beim treffsicheren One Of A Kind" zu, bevor es mit der Ballade Still Hate To Loose" eine Portion Zuckerguss gibt. Spätestens jetzt sollte jedem bewusst sein, mit welchem famosen Gesangsakrobaten wir es hier zu tun haben. Ich behaupte, dass dieses Lied auf jedem Europe-Album ein absolutes Highlight gewesen wäre. Ja, nicht ganz unabsichtlich habe ich bei diesem Schmachtfetzen die schwedische Supergroup mit Joey Tempest als Vergleich herangezogen. Richtig gute Laune verbreitet auch die Single Auskopplung Sister Sister", eine Radio-Rockhymne von allererster Güte, die ich jedem unbedingt als Anspieltipp ans Herz legen möchte. Mit einer präsenten Gitarrenfront und richtig starken, abwechslungsreichen Songstrukturen kann das ideenreiche Ball Of Fire" aufwarten. Danach wurde Call Of The Wild" in die Rillen gepresst. Irgendwie erinnert mich das hier an die Mittachtziger-Auswüchse von Siebziger Jahre-Recken wie UFO (Misdemeanor") und Uriah Heep (Equator"), welche damals mit mehr als nur einem Auge auf den amerikanischen Markt geschielt hatten; musikalisch über jeden Zweifel erhaben. Auch einen echten Nackenbrecher hat Heavy Birthday" vorzuweisen: Beim schmissigen No-Man´s Land" kann jeder Alt-Rocker die noch verbliebenen Haare ordentlich abschütteln; ein richtig geiler Track, der dieses Werk auch mal in eine komplett andere Richtung lenkt. Einen weiteren Höhepunkt setzen die Berliner mit dem druckvollen Heavy Rocker Out On The Line", für welchen eine Band wie beispielsweise Quiet Riot getötet hätte!

Ein wenig länger braucht das anschließende Cold Shoulder" um richtig zu zünden, erweist sich aber mit all seinen Finessen letztendlich auch noch als würdevoller Vertreter. Noch einmal waschechte Spielfreude (und einen heftig wippenden Fuß) verbreitet hinterher der Rausschmeißer Nobody´s Fool". Wenn ich an deutsche AOR-/Hardrock-Mucke aus den Achtziger Jahren denke, dann fällt mir immer sofort dieser, leider oft unterschätzte, Volltreffer ein. Mit diesem sagenhaften Gespür für brilliante Melodien und dieser großen Eingängigkeit, ist es für mich völlig unverständlich, dass es bedauerlicherweise nicht mehr für einen Nachfolger gereicht hat. Dabei gibt es eindrucksvolles, unveröffentlichtes Material für Heavy Birthday II”, welches erdig und ungeschliffen klingt und im letzten Jahr als Download im Netz auftauchte. Ich habe jedoch noch nie für dieses lieblose digitale Format Geld bezahlt und rufe deshalb die Plattenfirmen auf, das Material schnellstens in physischer Form zu veröffentlichen! Bis dahin nutze ich die Repeat-Taste und erfreue mich weiter an dieser kleinen Sternstunde.

Note: 9 von 10 Punkten
Autor: Dirk Determann


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