Andreas: Hallo Chris! Erst einmal herzlichen Dank, dass du dir Zeit für ein Interview mit CROSSFIRE nimmst. Ich finde das super interessant, Dich heute als Support von Iced Earth in der Zeche in Bochum zu erleben. Mein letzter Gig mit Euch war nämlich beim Metal Hammer Paradise am Weissenhäuser Strand, Ende 2016, eine Woche bevor „Master Of Light" released wurde. Ihr seid damals für Iced Earth, die krankheitsbedingt ausfielen, als Ersatz eingesprungen. Erinnerst Du dich noch daran?
Chris: Jaja, auf jeden Fall. Wir waren tatsächlich gerade dabei, unsere Releaseparty zu feiern in Nürnberg, und als ich die E-Mail bekommen hatte, ob wir auf dem Metal Hammer Paradise einspringen können, eben für Iced Earth, haben wir uns natürlich sehr geehrt gefühlt, weil wir ja direkt in den Slot eingestiegen sind. Aber natürlich schwamm auch immer der Gedanke mit, dass die Iced Earth-Fans das wahrscheinlich nicht so geil finden, weil wir natürlich auch ein bisschen konträre Musikrichtungen spielen.
Andreas: Der Gig hat aber doch super geklappt, und ihr seid toll angekommen.
Chris: Natürlich, und letztendlich sind ja dann da auch die Leute, die ihren Spaß haben wollen auf so einem Festival. Und für uns war es, wie schon gesagt, eine Ehre, da rein zu hüpfen.
Andreas: Wann habt ihr denn die Info bekommen?
Chris: Einen Tag vorher, und dann sind wir von Nürnberg losgefahren. Ich weiß das noch ganz genau. Am 11.November 2016 hatten wir die Release-Party, und am 12.November 2016 waren wir beim Metal Hammer Paradise. Lach, das war eine super spontane Geschichte.
Andreas: Ihr habt Euch 1998 gegründet und mit „Master Of Light" - ich nehme mal das „Best Of" - namens "Ages Of Light" und die beiden Live-Scheiben raus, bis dato zehn Studio-Alben, so im Rhythmus von ein-zwei Jahren veröffentlicht. Demnach dürften wir bald das nächste Album erwarten, zumal wir ja dieses Jahr das zwanzigste Band-Jubiläum haben.
Chris: Ich habe da eine andere Zeitrechnung. Ich rechne das nämlich nach dem Release des ersten Albums („Stairway To Fairyland" von 1999 - Anmerkung des Autors). Also wir haben uns 1998 gegründet, aber da erst unsere Ideen reingebracht. Richtig los ging es erst 1999.
Andreas: Okay. Dann dürfte ich den neuen Output also im Jahre 2019 erwarten.
Chris: Ich denke ja. Und dadurch, dass wir auch ständig unterwegs waren auf Tour, haben wir nicht so viel Zeit. Ich denke, es gibt Bands, die spielen nicht so viel. Die haben dann auch viel mehr Zeit für das Studio. Also bei uns dauert das noch etwas. Zuhause arbeiten wir schon an neuem Material. Wir spielen jetzt die Iced Earth-Tour, dann sind wir noch in England unterwegs, danach die 70.000 Tons Of Metal Cruise, und das sind alles so Zeitfresser. Und ganz oben auf der Liste steht natürlich, dass das Album auch wieder die Qualität besitzen soll, die die Leute von uns gewohnt sind. Da dürfen nur die wirklich ausgesuchten Songs rein und nicht einfach ein Sammelsurium von irgendwelchen Stücken.
Andreas: Du und Ilker seid die letzten beiden verbliebenen Gründungsmitglieder. Ihr wart vorher bei Moon´Doc, zusammen mit Hermann Frank (ex-Accept, ex-Sinner, ex-Victory). Ilker stieg 2005 aus und 2013 wieder ein. Seitdem seid ihr mit Lars an der Gitarre und Ramy an den Drums - ich weiß jetzt, dass Ramy heute nicht dabei ist - eigentlich eine ganz stetige Besetzung, die sich insbesondere eine ganze Reihe neuer Fans erspielt habt. Bis 2001 war Sascha Gerstner dabei, der heute bei Helloween spielt. Habt Ihr noch Kontakt. Und wie ist das überhaupt mit den übrigen, ehemaligen Mitgliedern. Bleibt man da in Verbindung?
Chris: Ja, den Sascha treffen wir immer wieder auf Festivals, und es hat natürlich immer einen Grund, warum jemand aussteigt. Meistens sind es ganz profane Gründe, wie Job oder Familienzuwachs, Heirat oder Umzug.
Andreas: Ist Ramy deshalb nicht dabei, weil er einen Familienzuwachs erwartet?
Chris: (lacht) Ja, es ist eine positive Familienangelegenheit. Aber man trifft sich immer wieder. Oder auch den „Cede" (Cédric „Cede“ Dupont von 2001 bis 2005, Gitarre - Anmerkung des Autors), den treffen wir immer wieder, insbesondere, wenn wir in der Schweiz sind. Das ist auch ein freundschaftliches Verhältnis. Und so ist eigentlich mit allen. Man läuft sich irgendwo und immer wieder über den Weg, und da freuen wir uns auch drüber. Aber solange das jetzt kein Status ist, wo richtig Geld fließt, das man wirklich sagen kann, das ist ein Job, mit dem man wirklich sein Leben komplett finanzieren muss, ist es natürlich immer so, dass die Leute da auch mal schauen müssen, weil die Interessen sich im Laufe der Jahre ja auch verschieben. Und natürlich steht ein solider Job im Vordergrund, wenn du eine Familie ernähren musst. Das ist eigentlich ganz normal.
Andreas: Warum ist Ilker überhaupt ausgestiegen und war von vornherein klar, dass er wieder zurückkommt?
Chris: Nein, nein. Das war schon ein kompletter Ausstieg. Er hat ja dann auch seine eigene Band Powerworld gegründet. Und ich kann das auch verstehen. Er wollte einfach mehr Songwriting machen, weil das ja bei Freedom Call hauptsächlich Daniel (Dan Zimmermann, Drums - Anmerkung des Autos) und ich gemacht haben. Seine Art, Songs zu schreiben, hat sich bei Freedom Call halt nicht ganz so eingefügt, und da hat er seine eigene Band gegründet, und die bestand ja auch einige Jahre. Aber es ist halt alles nicht so einfach. Dann kam die Zeit, als unser damaliger Bassist Vater wurde und dann hieß es: „Ja okay, so einzelne Shows schon". Aber das passte halt nicht, weil wir ja ständig auf Tour sind.
Andreas: Wie würdest Du Dich eigentlich vom Typen her selbst beschreiben? Musikalisch bist du auf jeden Fall sehr ehrgeizig, und wie man hört, sehr begeisterungsfähig, aufgeschlossen neuen Dingen gegenüber und überhaupt nicht nachtragend.
Chris: Hahaha. Ja, das lass ich so stehen. Nachtragend zu sein, ist eine ganz schlechte Eigenschaft. Das ist fürchterlich, wenn man Sachen einfach nicht abschließen und nicht wieder eine Balance herstellen kann.
Andreas: Die ersten drei Alben von Freedom Call nahmen das Thema Fantasy auf. Auch „Legend Of The Shadowking" von 2010 behandelt die Figur des Merlin aus der Artussage, Babylon und die Figur Ludwig II von Bayern, während „Circle Of Life" den Komplex Mensch und Gesellschaft vereinnahmt und auch über die Klimakatastrophe hattet ihr schon referiert. Ich nehme mal, du schreibst hauptsächlich die Texte.
Chris: Jetzt ja. Das war aber nicht immer so.
Andreas: Woher nimmst du Deine Themen, und warum mal Fantasy und mal Menschheit, Soziales und Politik?
Chris: Früher war das Daniel Zimmermann, der auch bei Gamma Ray getrommelt hat und auch Mitbegründer von Freedom Call ist. Wir haben uns so geeinigt, dass er sich um die Texte kümmert und ich mich um die Musik. Natürlich bin ich als Sänger immer sehr involviert in das Textschreiben, denn ich muss es ja singen. Auch dieser Umbruch, dass wir uns dann um reelle und sozialpolitische Sachen kümmern, wie auf der „Circle Of Life". Das lag eher an Daniel, der einfach mal etwas anderes ausprobieren wollen. Für mich war das okay, dass er das so macht. Und seit der „Land Of The Crimson Dawn" schreibe ich die ganzen Texte.
Andreas: Gibt es bei Freedom Call ein Album, auf was Du besonders stolz bist, sprich welche Platte ist Dein Lieblings-Album?
Chris: Ich höre ja keine eigenen Platten. Ich spiele die Songs ja die ganze Zeit live und höre sie mir an und kann mich dann natürlich dafür begeistern. Es ist halt immer die Musik, der man am nächsten steht, die man richtig mag. Das ist in diesem Fall das neuste Album „Master Of Light", weil man da halt noch so richtig dabei ist. Ich höre mir die alten Alben nicht mehr an, aber spiele natürlich alte Songs. Und wenn ich doch mal zufällig dazu komme, die Platten zu hören, dann erschrickt man sich manchmal zu Tode und denkt: „Ach so geht das!" Es schleichen sich einfach so Routine-Teufel ein, die nicht falsch sind, aber nicht ganz dem Original auf der LP entsprechen. Aber das macht ja nichts, weil man ja im Laufe der Jahre eine andere Empfindung dafür bekommt. Das wird ja bei dir auch so sein, wenn du Fotos anschaust, und du dabei sagst, das würde ich jetzt ganz anders machen. Und so ist es auch mit der Musik. Wir verändern natürlich nicht unseren Stil, aber man geht ein bisschen reifer an die Sache ran oder verändert sich halt. Deswegen sind die neueren Sachen auch ein bisschen ausdrucksstärker.
Andreas: Das würdest Du so sagen? Ich mag die früheren Alben lieber. Das liegt wahrscheinlich daran, dass man die viel besser kennt und so geläufiger sind.
Chris: Das ist ja absolut ein Thema, über das man in der Musik philosophieren sollte, was die Musik überhaupt ausmacht. Weil für mich ist Musik eher ein Werkzeug, um Erinnerungen aufzurufen. Ich höre auch im Auto kein Radio. Das nervt mich. Weil ich es als Musiker analysieren muss. Wenn du den ganzen Tag im Studio sitzt und du bastelst dann an Kleinigkeiten rum und du hörst dann irgendwie Radio, dann denkst du: Wie klingt die Snare? Wie klingen die Bassdrums? Wie haben die das gemischt? Und das hat halt immer sofort einen Arbeitscharakter. Und wenn ich alte Titel höre, mit denen ich aufgewachsen bin, als ich Musik noch als solche genießen durfte, dann verbinde ich ja gewisse Songs mit ganz klaren Erfahrungen oder Ereignissen, die ich gemacht habe, ja mit irgendwelchen emotionalen Empfindungen, die man hat. Ob das Freude, ob das Trauer ist oder ob man das erste Mal verliebt war, und die Musik ist einfach nur die Brücke dafür. Und diese Brücke rufe ich mit der Musik einfach auf. Das geht jedem so. Wenn du die Musik hörst, wirst du ja sofort in diese Zeit zurückkatapultiert und kannst diese emotionale Phase fast mitempfinden. Also zusammenfassend ist Musik für mich mehr ein Tool, um Erinnerungen aufzurufen.
Andreas: Was hörst Du eigentlich privat selber für Musik? Vorwiegend Metal oder auch ganz andere Sachen?
Chris: Ich höre natürlich schon Musik, aber dann im Hintergrund eher was Chilliges. Das muss jetzt kein Jazz sein. Ab und zu kann es auch mal Klassik sein. Die habe ich kürzlich wieder für mich entdeckt; oder Piano-Musik, wie zum Beispiel von George Winston oder Brasilectro.
Andreas: Wie bereits oben erwähnt, bist Du mit Freedom Call eigentlich sehr beschäftigt. Neben den Releases gehört ihr zu den am fleißigsten, tourenden Bands und springt auch mal ein, wenn Not am Mann ist. Warum überhaupt ein Solo-Album? Kannst Du Dich bei Freedom Call nicht ausreichend austoben?
Chris: Ich kann mich bei Freedom Call absolut austoben; bis zum Abkotzen. Daran liegt es nicht. Aber dadurch, dass ich so ein fleißiger Kerl bin, ist natürlich auch vieles entstanden, was eben nicht zu Freedom Call passt. Diese Songs, die abgefallen sind, wollte ich nicht verbiegen. Ich hätte aus jedem einzelnen Titel auch einen Power Metal-Song machen können, aber damit geht ja die Vision verloren. Das Original ist mir ganz heilig. Diese Songs waren mir aber zu schade, um sie auf der Festplatte oxidieren zu lassen. Ich habe sie dann letztes Jahr nochmal komplett neu produziert und den ein oder anderen Song auf den aktuellen Stand gebracht; eben nach meinen jetzigen Empfindungen. Über das Vertrauen, das mir meine Plattenfirma entgegengebracht hat, habe ich mich sehr gefreut, und das Interesse an meinem Soloalbum ist recht groß. Da bin ich positiv überrascht und sehe dem gelassen entgegen. Ich will als Künstler frei sein und keine Grenzen haben. Ich sehe mich nicht nur als tätigen Metal-Musiker, der sich halt nur in diesem Genre bewegen muss, sondern ich sehe mich als Musikant, der alles machen kann. Wenn ich mal Bock habe auf Jazz oder Electro, dann mach ich das.
Andreas: Du bist also kompletter Musiker und machst nichts anderes?
Chris: Genau. Ich habe ein Tonstudio zu Hause, und ich habe noch eine andere Band. Und ich lebe davon. Ich habe keinen groß aufgeblasenen Lebensstil und bin eher bescheidener Natur. Aber es ist alles gut.
Andreas: War denn von Anfang an klar, dass du Musiker wirst?
Chris: Eigentlich war das sehr früh klar. ich habe mit sieben Jahren meinen ersten Gitarrenunterricht bekommen und war auch sehr begeistert dabei. Immer wenn irgendwo etwas bühnenähnliches war, habe ich mich schon nach vorne gedrängt und spätestens in der Schule, wo ich auch in der Schul-Band war, hatte ich mit dreizehn Jahren meine erste Show. Ich war auf einem musischen Gymnasium in Erlangen, welches ich später verlassen habe. Mit Latein kam ich nicht so klar und habe dann mein Fachabitur gemacht. Danach Zivildienst und dann wurde ich Berufsmusiker. Meine Mutter hat mich da sehr unterstützt, da sie selber aus einer musikalischen Familie stammt; so war mein Großvater ein Opernsänger und hat zum Beispiel in Berlin im Konservatorium unterrichtet. Mein Vater fand das nicht so geil. Der kommt eher von der technischen Seite. Als Elektro-Ingenieur und dem hat das überhaupt nicht gepasst. Ich habe das aber ernsthaft durchgesetzt und nie die Situation gehabt, dass ich meinen Eltern auf der Tasche lag. Ich habe immer mein Geld selber verdient, und daran gibt es ja nichts auszusetzen. Ich denke, wenn jemand diesen Drang hat, im Rampenlicht zu stehen, dann sollte man denjenigen ziehen lassen. Ich habe das wirklich ernst genommen und noch eine vierjährige Gesangsausbildung gemacht. Daraufhin hat mein Vater das dann auch akzeptiert.
Andreas: Kommen wir zu Deinem Soloalbum: Du hast mit den Arbeiten zu „Chasing The Sun", soweit ich weiß, schon vorher begonnen beziehungsweise auch aus deinem vormaligen Songwriting einiges zusammen gesammelt und warst dann im Frühjahr 2017 im Studio. Das Album soll am 23.Februar 2018 über Steamhammer erscheinen. Vorab wurde, Anfang Dezember 2017, „Starlight" veröffentlicht. Mir liegt das gesamte Album schon als Stream vor, und ich habe es mir in den letzten Tagen in Vorbereitung auf das Interview reingezogen. Worum geht es bei dem Album? Erzähl doch mal was dazu! „Chasing The Sun" heißt ja übersetzt „die Sonne jagen". „Misty Rain" heißt übersetzt „Nieselregen". Auch „Where Waters Flow In Heaven" assoziiert Regen und mistiges Wetter. Geht es im weiteren Sinne ums Klima oder um Parties am sonnigen Strand?
Chris: Überhaupt nicht! Es geht definitiv nicht um Parties. „Chasing The Sun" habe ich als Albumtitel gewählt, da er super cool passt, was meine Ausstrahlung und meine Lebenseinstellung angeht. Das Wort „Sonne" verbinde ich mit den Attributen „Wohlbefinden" und „Wärme"; einfach die schönen Dinge im Leben. Es gibt ja auch Leute, die leiden gerne, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich gehe auf eine Bühne, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich nehme also den direkten Weg. Ich stelle mich gerne ins Licht, und da fühle ich mich sehr wohl. Daher entspricht der Titel faktisch meinem Lebensziel. Ich möchte es aber auch nicht erreichen, sondern immer danach streben können und so eine Perspektive vor den Augen haben. Dieser Perspektive jage ich einfach hinterher. Bei „Misty Rain" geht es um sehr emotionale Dinge, nämlich eine Beziehung. In vielen Texten ist so auch über Liebe, über Beziehungen und über eigene Empfindungen in einer Beziehung die Rede. Dabei geht es um jegliche Beziehungsarten, also nicht um eine typischen Mann-Frau-Klamotte, sondern zum Beispiel auch um Männerfreundschaften oder eine Beziehung zu einem speziellen Thema. Bei „Misty Rain" geht es um eine unklare Beziehung. Meistens ist es ja so, dass die eine Seite es etwas schwammiger haben möchte und die andere will unbedingt heiraten, Kinder kriegen und ein Haus bauen. Und genau diese Phase ist halt wie ein „nieselnder Regentag". Diese Themen würden im Metal-Bereich aber nicht funktionieren. Da kann man höchstens mal eine Ballade drüber schreiben. Hier muss es eben heroischer, epischer und martialischer zugehen.
Andreas: Die Songs sind allesamt super melodisch, ja, ich meine, viel poppiger als bei Freedom Call. Richtig rockig und aggressiv kommt allerdings „Bad Boys" rüber. „Love Will Never Die" ist eine intensive Ballade. Auf „Move On" ist deine Stimme sogar etwas Gothic-mäßig angehaucht. Wie würdest Du die Songs stilistisch beschreiben?
Chris: Ja, da hast du völlig Recht, und das war auch der Sinn. Ich wollte jetzt kein Konzept-Album machen. Das soll weder textlich noch musikalisch eine strikte Linie haben. Und das passt sehr gut mit der Einstellung zusammen, dass ich sage: „Ich bin Musikant. Ich fühle mich vogelfrei." Ich will niemanden, der mich in irgendeiner Weise einschränkt. Das habe ich allerdings automatisch bei Freedom Call, denn hier mach ich Metal, eben Melodic Power Metal. Da ist einfach so; von mir aus auch Happy Metal, aber das sind alles Kategorien.
Andreas: (lach) Mit dem Begriff Happy Metal komme ich irgendwie auch nicht klar.
Chris: Klar, aber das ist ein Trademark. Heavy Metal kann eben einfach alles sein: über Iron Maiden, Judas Priest bis hin zu Freedom Call. Bei Happy Metal wird es dann schon enger. Da sehe ich zum Beispiel Helloween (wegen der Pumpkins), und dann kommt man schnell zu Freedom Call.
Andreas: Klar, das kann jetzt so sehen. Aber anfangs war Happy Metal ja eher etwas ins Lächerliche gezogen, weil man euch nichts zugetraut hat.
Chris: Da hast völlig Recht! Aber irgendwann habe ich gesagt, „Komm, wir stehen dazu". Jetzt ist der Ruf einmal ruiniert, und jetzt ziehen wir es durch.
Andreas: Hahaha!
Chris: Kommen wir mal zurück zur Stilistik, die ich mit meinem Soloalbum mache. Du hast schon Recht: Es ist poppiger auf jeden Fall, aber ich habe mir da keine genauen Vorgaben gegeben. Ich will mich ja einfach nur frei bewegen. Ich brauche nun keiner Band zu folgen, und irgendwelche stilistischen Vorgaben interessieren mich hier einfach nicht.
Andreas: Von Freedom Call weiß ich, dass Du singst, Gitarre spielst und auch an den Keyboardtasten bewandert bist, obwohl ich das bei den letzten Gigs leider nicht mehr mitbekommen habe. Bei "Silent Cry" vernimmt man zum Anfang eine weibliche Stimme. Wer hat Dich da sonst noch unterstützt?
Chris: Also Ramy hat getrommelt, weil das das einzige Instrument ist, mit dem ich gar nicht klarkomme. Da geht es einfach nur um die Motorik, die Fähigkeit die Extremitäten im Rhythmus zu bewegen. Das kann ich überhaupt nicht. Und natürlich muss auch hier einfach eine gute Qualität gesichert sein. Meine Messlatte ist da schon ziemlich hoch angesetzt. Den Rest habe ich alles selber gemacht, und die weibliche Stimme ist eine Freundin von mir. Diese Tracks habe ich aber schon vor Jahren aufgenommen, und ich finde diese Vocals passen da einfach super ein. Sie hat eine so tolle Lieblichkeit in der Stimme. Das hätte mir das Herz zerbrochen, wenn ich da rüber gekräht hätte.
Andreas: Bei „Hollywood Dancer" - übrigens mit so ein bisschen Sechziger-/Siebzigerer Jahre-Spirit - geht es um einen Movie-Star, der Erfolg hat und den jeder liebt. Du sprichst aber auch von der Einsamkeit mit „Dark Side Of The Sun". Fühlst du Dich auch manchmal einsam, vielleicht sogar zu viel von Fans bedrängt?
Chris. Mmmh. Nee, also überhaupt nicht. Aber eine gewisse Einsamkeit, die schwingt einfach immer mit, sobald man alleine Musik macht. Der einzige Freund ist dann die Musik. Also in dem Sinne bin ich nie einsam, weil ich immer die Musik habe. Aber es ist schon so, dass man, wenn man lange im Studio arbeitet, nicht so spannend ist, als wenn man jetzt die ganze Zeit mit einer Truppe feiert. Nein, ich ziehe mich schon gerne in meine Oasen zurück, wo ich mich auf mich selbst konzentrieren kann. Gerade, wenn mal länger auf Tour war, dann ist man danach schon mal länger gerne ganz alleine. Bei „Hollywood Dancer" ist diese Liebe auch sarkastisch gemeint. Es ist ja keine richtige Liebe, und das kann ich mir halt auch nur ansatzweise vorstellen, bei so einem richtigen Star. Bei mir ist das alles wirklich ganz easy, nett und hält sich wirklich in Grenzen. Auf mich stürmt keiner zu, wie zum Beispiel bei einem Sylvester Stallone, Bruce Willis oder so. Das ist einfach nicht mehr schön. Die können ja privat gar nichts mehr machen. Das ist für mich einfach ganz schlimm, und das ist eben „The Dark Side Of The Sun".
Andreas: Wie schätzt Du die Reaktion Deiner Fans bezüglich des Solo-Albums ein? Wird es der Burner, gegebenenfalls sogar die Erfolge von Freedom Call übertreffen?
Chris: Da habe ich bislang überhaupt keine Gedanken gemacht, wie es ankommt. Ich hätte es ohnehin gemacht. Aber natürlich freue ich mich, wenn jemand mit der Scheibe einsteigt. Nach Veröffentlichung von „Radio Starlight" habe ich ja schon gesehen, dass die meine Meinungen etwas auseinander gehen, aber der Grundtenor eben sehr positiv ist. Ich glaube einfach, dass es sich hier um ganz eingängige Songs handelt. Ich verstehe natürlich, dass einige Metal-Mags den Song nicht hochjubeln. Das geht ja gar nicht, weil die ja auch konform bleiben müssen. Ich freue mich natürlich über jegliche Unterstützung, die ich hier bekommen. Wir werden einfach sehen was passiert. Es ist ja nun auch schon bei größeren Radiosendern, wie zum Beispiel NDR 2 und HR 1 angelaufen, und man wird einfach sehen, was passiert. Ich bin einfach sehr gespannt. Die Freedom Call-Fans sind auf jeden Fall noch sehr respektvoll und unterstützen mich dabei.
Andreas: Na klar, ist doch logo! Man hört natürlich die Stimme von Freedom Call immer raus. Wir haben übrigens mit Rosa Anguiano aus Mexiko eine gemeinsame Freundin. Sie ist der Mega-Fan schlechthin und fragt, ob ihr auch bald wieder in Mexiko und Südamerika tourt. Wart ihr eigentlich schon da? Wann habt ihr eigentlich das letzte Mal dort getourt?
Chris: Wir waren da. Wir haben zweimal schon in Mexiko gespielt, und zwar in Mexiko City. Das letzte Mal war Ende November 2016. Da waren wir in Mexiko, Kolumbien, Brasilien und Argentinien. Da werden wir mit Sicherheit auch wieder hinfliegen. Wir wissen aber nicht, ob wir das noch vor dem neuen Album machen. Aber ich spiele jetzt mit meiner eigenen Show in Kolumbien, und vielleicht auch noch ein paar weitere Shows in Südamerika.
Andreas: Tatsächlich? Also mit dem Solo-Album?
Chris: Genau! Das wird eine akustische Sache; ist so etwas wie eine Singer-Songwriter-Sache, und da begleite ich Timo Kotipelto. Der ist dort auf Tour und hat mich eingeladen.
Andreas: Ich bin jetzt eigentlich soweit durch mit meinen Fragen. Vielen Dank Die letzten Worte gehören Dir! Willst du den Lesern von CROSSFIRE noch etwas sagen?
Chris: Ja, danke! Ich bin natürlich wahnsinnig gespannt auf die Reaktionen von meinem Solo-Album, und es soll sich keiner Sorgen um Freedom Call machen! Es ist einfach nur ein Outing, was ich nebenbei mache, und das werde ich mit Sicherheit auch noch weiterführen. Ich werde dem Metal aber natürlich treu bleiben. Ich danke Dir für die tolle Vorbereitung auf dieses Interview und viel Spaß beim Gig!