RUNNING WILD - Wieder im alten Fahrwasser?


Für mich geht ein Traum in Erfüllung! Nach fast fünfundzwanzig Jahren als Running Wild-Fan bekomme ich aus heiterem Himmel die Chance, eine halbe Stunde mit Meister „Rock´n´ Rolf“ Kasparek zu telefonieren. Ich hatte ein bisschen Schiss, nicht alle Fragen in der Zeit stellen zu können. Rolf gab sich jedoch kurz und prägnant, formulierte aber alles so, dass man keine Zwischenfragen mehr stellen musste und nichts ungeklärt blieb. Gut gelaunt, redegewandt und mit einer guten Schippe Humor stellte er sich meinem ewig langen Fragenkatalog. Es wurde schon viel über ihn geschrieben. Ich habe ihn jedoch als sehr sympathischen Gesprächspartner kennengelernt.

logoDaniel: Hi Rolf! Erzähl uns doch bitte zunächst, wie es damals zu der Gründung von Running Wild kam! Hattet ihr schon vorher in anderen Bands gespielt?

Rolf: Also, wir haben die Band nicht unter dem Namen Running Wild gegründet, sondern sie hieß damals Granite Heart. Wir waren Schulkumpels und wollten einfach zusammen Musik machen, Das war 1977 ungefähr. 1978 haben wir dann zum ersten Mal auf meinem Schulfest sechs Songs gespielt. 1979 kam dann die Umbenennung in Running Wild. Und dann ging es eigentlich erst so richtig los. In Hamburg war es ein bisschen schwierig, irgendwo zu spielen, wenn man keine Platte am Start hatte. Wir haben also gar nicht so viel getourt, wie man sich das heute vorstellt, dass man dauert live spielt. Wir haben vielleicht zehn Shows gespielt, bevor wir überhaupt den Plattenvertrag hatten. Und was danach kam, ist ja bekannt.

Daniel: Welche Bands haben Euch beeinflusst? Und haben sich diese Einflüsse in all den Jahren verändert? Immerhin haben Running Wild ja doch immer einen sehr markanten Stil gehabt, der sich kaum mit anderen Bands vergleichen lässt.

Rolf: Also am Anfang natürlich Kiss, AC/DC usw. Judas Priest waren da noch nicht spruchreif; später aber natürlich dann auch Judas Priest. Daher kam ja auch der Bandname Running Wild. Das war so 1979/´80, als die New Wave Of British Heavy Metal aufkam. Judas Priest gab es allerdings ja schon vorher. Die kannte ich schon seit 1978. Aber dann kamen ja auch Saxon, Iron Maiden, Def Leppard usw. Das war so eine Aufbruchstimmung damals.

Daniel: Eure Texte waren anfangs noch satanisch. War das etwas, was ihr aus Überzeugung getan habt? Oder ging es nur um die Erfüllung der üblichen Metal-Klischees?

Rolf: Wir wollten uns schon ein bisschen abheben von den anderen Bands im Kreis von Amateurbands, die man so auf Schulfesten traf, die auch Hard Rock oder Metal machten. Wir wollten schon ein bisschen mehr auffallen. Wir hatten dann die Idee mit den Lederklamotten wie bei Judas Priest und der ganzen Show mit den Pyros. Das mit den Texten war aber nichts, was wir ernst meinten. Das haben wir auf der zweiten Platte dann auch geändert, weil viele Leute das missverstanden haben. Aber am Anfang hat das geholfen, weil es natürlich Aufsehen erregt hat. Es war extremer. Wir hatten noch mehr Nieten als alle anderen und Spinnenweben auf der Bühne, Totenköpfe und Pyros, sogar in kleinen Jugendzentren. Wir haben damals schon drauf geachtet, auch die visuelle Seite umzusetzen. Für uns war es wichtig, auch die optische Seite im Blick zu haben. Das war früher einfach wichtig, um unter den vielen Bands aufzufallen.

Daniel: Später ging es um Piratentum und historische Schlachten. Welche Autoren, Filme oder Umstände inspirieren Dich heute noch zu Texten?

Rolf: Ja, ganz verschiedene Sachen eigentlich. Ich lese natürlich nach wie vor noch viele Bücher. Manchmal sind es aber auch Filme oder andere Begebenheiten, die man so mitkriegt oder der Zustand der Welt, wie bei dem neuen Song „Warmongers“ oder so. Da gibt es keine Regel für. Das können ganz viele verschiedene Sachen sein. Mal vielleicht auch nur eine Melodie, wo mir dann etwas zu einfällt. Da gibt es ganz viele Möglichkeiten, wie ein Song entstehen kann.

Daniel: Ihr wart damals auch auf dem „Death Metal“-Sampler vertreten. Hattet ihr eure Musik selbst auch als Death Metal bezeichnet, den es in der Form ja noch gar nicht gab? Oder war das die Idee des Labels?

Rolf: Das kam von der Plattenfirma. Wir hatten ja schon mal was für den „Rock From Hell“-Sampler gemacht. Wir hatten, als der zweite Sampler dann kam, der „Death Metal“-Sampler, ja schon den Plattenvertrag für „Gates To Purgatory“ in der Tasche. Wir wurden gefragt, ob wir für ihn noch einen weiteren Sampler machen würden, weil sie auch noch was mit Helloween und Hellhammer machen wollten und wir dort gut rein passen würden, und wir sagten zu. Der Begriff „Death Metal“ kam von Tom Fischer von Hellhammer. Das war seine Idee. Wir haben uns aber nie als Death Metal betrachtet. Wir haben uns aber als reine Heavy Metal-Band gesehen, und das ist auch immer so geblieben.

running wildDaniel: Wer ist eigentlich der Typ auf dem „Gates To Purgatory“-Cover?

Rolf: Das war unser damaliger Pyro-Roadie und ein guter Freund von uns, der Django. Der hatte einfach das Aussehen. Wir haben einfach gesagt, ´Du machst das!´ Und dann hat er das einfach gemacht. Das Cover war sowieso so eine kleine Anekdote. Wir haben uns überlegt, was machen wir als Cover. Und der Vater von Hasche hatte eine Firma. Da wurde eingebrochen. Die haben den Tresor aufgeschweißt. Und er sagte, ´Ihr wollt doch ein Cover. Ihr macht doch Heavy Metal. Kommt doch einfach in meine Firma. Ich gebe euch ein Schweißgerät. Ich könnt machen mit dem Teil, was ihr wollt. Das ist sowieso Schrott. Und dann habt ihr Feuer´ und so. Und wir dachten, ja, echt geile Idee, haha! Ich meine, wir hätten uns das nie leisten können! So´n Ding kostet zehntausend Euro, was der da hingestellt hat. Wir wollten keinen aus der Band da hinstellen, denn wir wollten niemanden von uns in den Vordergrund stellen. Das wäre blöd für uns gewesen. Das sollte dann halt der Django machen. Und dann hat ihm noch unser Gitarren-Roadie, der Boris, das Riesen Metal-Armband geliehen, damit er böser aussieht. Und so ist letztendlich das Cover entstanden.

Daniel: Ich habe mal gelesen, dass Du mit dem „Branded And Exiled“-Album unzufrieden gewesen sein sollst. Warum eigentlich?

Rolf: Es war klar, dass Preacher nicht mehr in der Band bleiben konnte, nachdem wir die Tour gespielt hatten nach der „Gates To Purgatory“. Und es war auch klar, dass das zweite Album kommen würde und die ganze Last des Songwritings nun auf meinen Schultern hängen bleiben würde, was vorher nicht so war, denn wir hatten ja zwei Songschreiber in der Band. Das war schon eine ziemliche Aufgabe. Dann hatten wir das Problem, dass wir alle noch relativ unerfahren waren. Bei „Gates To Purgatory“ hatte das noch irgendwie funktioniert. Da hatte uns der Toningenieur auch sehr geholfen; auf der zweiten dann nicht mehr, weil er von gewissen Substanzen immer so leicht benebelt war, hehe! Das war ein Problem für uns. Deswegen hatten wir leider nicht ganz das erzielt, wie wir erreichen wollten. Wir waren einfach noch zu unerfahren. Bei der „Gates To Purgatory“ hatte das alles noch irgendwie gepasst. Bei „Branded And Exiled“ war ich dann etwas unzufrieden. Das hat sich alles so ein bisschen darauf ausgewirkt auf jeden Fall.

Daniel: 1987 gab es dann den Imagewechsel zum Piratentum, welches ihr bis heute inne habt. Wie kam es damals dazu?

Rolf: Nein, das war eigentlich Zufall. Ich schrieb zu Hause Songs im Wohnzimmer für die dritte Platte. Und da lief 1986 die Ankündigung des Kinostarts zum Film „Piraten“ im Fernsehen, mit Roman Polanski mit Walter Matthau in der Hauptrolle. Und ich hatte da gerade eine Gitarrenmelodie, als die Szene lief, wo die Piratenflagge hochgezogen wurde und der Ausruf „Under Jolly Roger“ kam, und ich fand das geil! Ich hatte das der Band vorgeschlagen, einen Song über Piraten; mal etwas ganz anderes. Und die fanden das geil und meinten, wir sollten die Platte „Under Jolly Roger“ nennen. Das klingt doch geil und wäre auch ein geiler Titel. Dann haben wir gesagt, machen wir das! Dann kam das Cover. Dann kam einer aus der Band – ich war es nicht! - der meinte, wir sollten Piratenklamotten auf dem Cover gemalt bekommen, so mit einem Augenzwinkern. Dann kamen die Bühnenklamotten dazu und das Stageset. Und plötzlich waren wir die Piraten-Band. Das war nichts, was wir mit einem Masterplan entwickelt haben, sondern das ist alles durch einen Zufall entstanden.

Daniel: Stormwitch hatten das ja auch etwa zeitgleich gemacht. Sie schrieben einen Song namens „Tigers Of The Sea“ und trugen auf einmal Barockkleidung. Hattet ihr damals Kontakt zu Stormwitch? Oder ist das nur eine zufällige Parallele?

Rolf: Nein, überhaupt nicht! Zed Yago hatten ja auch etwa zeitgleich damit angefangen. Aber das war weder von denen geklaut noch inspiriert. Das war einfach eine Idee zu dem Film. Da haben wir keinen Plan für gemacht. Das ist einfach so entstanden. Damit haben wir dann einfach weiter gemacht, weil es schnell zu unserem Markenzeichen geworden ist.

Daniel: Mal was ganz anderes: Du hast 1990 das „Angels On The Run“-Album der tschechischen Metaller Kreyson produziert. Ich habe sowohl die englische als auch die tschechisch sprachige Version auf Vinyl und finde das Album sehr geil! Wie kam der Kontakt zustande? Und hast Du ihren Werdegang noch weiter verfolgt? Die Band gibt es ja tatsächlich auch heute noch.

Rolf: Das kam damals von Jan Nemec, der mit uns die ganzen Platten in den Neunzigern gemacht hat. Er war ja Toningenieur bei „Death Or Glory“ und „Blazon Stone“ und so. Und er war auch der Produzent von Kreyson. Der Sänger von Kreyson hat ja bei uns auf „Death Or Glory“ ja auch die Chöre mitgesungen. Er hat mir dann die Songs vorgespielt und hatte mich gefragt, ob ich das mitproduzieren würde, weil er noch jemanden aus der Metalszene haben wollte, der ihm noch den einen oder anderen Rat geben kann und zur Seite steht. Und so ist das entstanden. Aber der Kontakt ist danach auch wieder ziemlich schnell abgebrochen. Die Platte kam dann ja raus. Der Sänger machte noch eine Soloplatte. Mit Jan Nemec hatten wir dann ja auch nicht mehr weiter zusammengearbeitet. Und dann habe ich das noch nicht mehr weiter verfolgen können

Daniel: Für mich begann danach meine Lieblingsphase von Running Wild, denn ich bin mit Alben wie „Death Or Glory“, „Blazon Stone“, „Pile Of Skulls“, „Black Hand Inn“ und „Masquerade“ aufgewachsen. Siehst Du persönlich diese Phase von Running Wild auch als die stärkste an? Oder ist das nur meine persönliche Meinung, weil es „meine Zeit“ war?

Rolf: Ja, natürlich! Musik hat ja auch immer etwas mit Emotionen zu tun! Das ist immer der Vorteil neueren Songs gegenüber, wo man diese Emotionen nicht hat. Aber das ist ganz normal. Natürlich war das eine große Zeit. Komischerweise, denn für viele Metalbands waren die Neunziger ja nicht die große Zeit wegen des Grunge. Da war Metal schon abgegraben. Bei uns war es aber das Gegenteil. Für uns war das die große Phase. Danach gab es immer noch Platten, die auch richtig gut ankamen und sich gut verkauft haben. Aber es war für viele Bands nicht mehr die große Zeit. Das gibt es ja bei jeder Band, dass man eine bestimmte Zeit als die große Phase betrachtet. Und bei uns waren das die Neunziger Jahre.

Daniel: Ich wollte Dir noch sagen, dass „Black Hand Inn“ mein absolutes Lieblingsalbum von Euch ist! Es ist eines der ganz wenigen Alben, die weit über eine Stunde dauern, aber niemals langweilig werden! Das gibt es leider nicht mehr oft... Wie stehst Du heute zu dem Album speziell?

Rolf: Es war für mich ein ganz wichtiges Album. Wir haben da viel Arbeit reingesteckt und waren dafür alleine fünf Monate im Studio. Das ist bis heute die teuerste Running Wild-Produktion aller Zeiten gewesen; leider aber auch die schlechtverkaufteste, haha! Ich kann es nicht ändern. Ich habe es auch nie verstanden, aber das war halt so. Aber für mich als Künstler war das eine ganz wichtige Platte. Es war ja eigentlich kein richtiges Konzept-Album, aber es gab schon eine gewisses Grundkonzept, das sich wie ein roter Faden durch die Platte gezogen hat.

Daniel: Ich weiß, dass Du seit 1993 nur noch Mietmusiker hattest, obwohl ich zu der Zeit eine richtige Einheit gewesen zu sein scheint. Ich habe euch 1994 und 1996 in Dortmund gesehen und fand es machtvoll! Wieso kam es zu diesem Umschwung, nur noch Mietmusiker anzustellen?

Rolf: Das war letztendlich Bodos Idee (Thomas „Bodo“ Smuszynski, Basser von 1992 bis 2000; Anm. d. Red.). Schon seit der „Pile Of Skulls“ wollte er nur noch als Angestellter für die Shows und die Platte bezahlt werden. Und als Jörg Michael an den Drums und Thilo Hermann an der Gitarre in die Band kamen, wollten die beiden den gleichen Deal haben. Das ging durchaus schon von den Musikern aus. Klar, wir waren immer noch eine Band und haben zusammen Bandfotos gemacht. Aber es war schon so, dass man halt als Mietmusiker bezahlt wurde.

Daniel: Ungefähr in dieser Phase gab es noch den Ableger X-Wild mit drei Ex-Mitgliedern und einem und dem Engländer Frank Knight am Gesang, die drei Alben im selben Stil veröffentlicht hatten. Wie stehst Du heute zu dieser Band? Damals hast Du ja ganz schön über sie abgeledert. Ist es nicht eigentlich lobenswert, dass sie trotz des Rausschmisses immer noch die Musik gemacht haben, die ihnen etwas bedeutet?

Rolf: Also, ich habe immer gesagt, dass es sicherlich eine gute Idee war, weiter zusammen Musik zu machen. Aber es war eine blöde Idee, zu versuchen, sich an Running Wild zu hängen.

Daniel: Wie stehst Du im Gegensatz dazu, dass es heute junge Bands mit Musikern unter dreißig gibt, die Running Wild eins zu eins kopieren und keinen eigenen Sound haben, wie z. B. Blazon Stone aus Schweden? Findest Du das gut? Oder auch eher affig?

Rolf: Ich habe von der Band gehört, aber ich habe sie musikalisch noch nicht gehört, deswegen kann ich dazu nichts sagen. Das hat man mir nur zugetragen. Es ist immer so eine Sache, wenn man eine Band eins zu eins kopiert, dann ist es immer schwierig, denn es gibt das Original halt schon. Dieses Problem hatten ja auch schon viele Bands in den Achtzigern, die versucht haben, AC/DC zu kopieren. Jeder hat natürlich seinen eigenen Einflüsse, mit denen man anfängt. Aber man sollte dann auch versuchen, sich von diesen Einflüssen zu lösen und einen eigenen Weg zu finden. Wenn einem das nicht gelingt, dann wird man, glaube ich, wenig bestehen können, solange das Original noch da ist. Wenn man Fan ist, dann ist das natürlich klar. Und ich fühle mich natürlich auch geehrt. Aber ich weiß nicht, ob das richtige Weg ist, für sich seinen musikalischen Weg zu finden. Wir waren ja auch von Judas Priest beeinflusst, haben aber nie wirklich versucht, wie sie zu klingen oder sie zu kopieren. Das hat für uns keinen Sinn gemacht.

Daniel: Nach „The Rivalry“ (1998) begann für mich die schwächste Phase der Band. Die Songs auf „Victory“ (2000), „The Brotherhood“ (2002) und „Rogues En Vogue“ (2005) klangen größtenteils uninspiriert, die Produktion digital, steril und blechern... ein bisschen wie Home-Demos, die man nur eingespielt hat, um die Songideen nicht zu vergessen, aber ohne sie weiter bearbeitet zu haben. Oder trügt der Schein? Was war da los?

Rolf: Na ja, das ist immer so eine Sache „The Brotherhood“ hatte sich ja auch noch extrem gut verkauft. Es war so: Es gab nur zwei Möglichkeiten für mich: Ich kann ein eigenes Studio aufbauen, welches diese Produktion macht oder ich kann es lassen. Ich habe mich dann für die erste Variante entschieden, weil es ja auch die letzte Platte für diese Plattenfirma war. Insofern ist es natürlich auch immer Lehrgeld, wenn man irgendwas macht. Und wenn man im Nachhinein zurückblickt, würde ich sicherlich auch vieles anders machen. Das ist völlig klar. Aber dennoch ist das der Schritt, den Running Wild gegangen sind. Und all die Schritte, die diesen Weg ausmachen, haben mich letztendlich da hingeführt, wo ich jetzt bin. Hätte ich etwas anders gemacht, wäre der Weg sicherlich anders ausgefallen. Ob das alles immer so richtig war, ist eine andere Frage. Fehler macht jeder, das ist ganz normal, aber man sollte aus seinen Fehlern lernen. Dann ist das auch kein Problem, denke ich.

running wildDaniel: Wieso ist die Neuaufnahme von „Prisoner Of Our Time“ auf der „20 Years In History“ Doppel-CD (2005) eigentlich so schrecklich zähflüssig ausgefallen?

Rolf: Das war die Originalversion von der „Gates To Purgatory“. Die war damals so langsam. Gerald („Preacher“ Warnecke, Gitarrist von 1982 bis 1985; Anm. d. Red.) hatte das so geschrieben. Man hat sich aber daran gewöhnt, dass Running Wild ihn live immer viel zu schnell gespielt haben, haha! Die Version auf der „First Years Of Piracy“ war ja auch schneller. Da hat sich wahrscheinlich jeder dran gewöhnt. Die war halt damals so träge gespielt. Aber das kam so, weil Gerald so ein absoluter Black Sabbath-Fan war. Er stand halt auf diese trägen Riffs. Deshalb war das damals so konzipiert. Im Laufe der Jahre ist es dann live aber immer schneller geworden.

Daniel: Diese Phase wird von den Fans auch gerne die „Angelo Sasso“-Phase genannt. Viele behaupteten, dass es sich dabei um einen Drumcomputer gehandelt habe. Du hast hingegen immer beteuert, dass es ihn wirklich gab! 2007 sollst Du sogar in einem Interview gesagt haben, dass er 2007 an akutem Herzversagen gestorben sei. War das nur, um die nervigen Diskussionen allemal zu beenden? Bitte klär uns doch endlich mal auf, was Sache ist, hehe!

Rolf: Nein, den gab es wirklich. Der ist verstorben und hat einen sehr schweren Herzinfarkt gehabt im Spanien-Urlaub. Das war auch sehr hart für die Familie, weil sie den Hund, der noch im Haus war, und das Auto wieder aus Spanien zurückholen und die ganzen Beerdigungsmodalitäten klären mussten. Er hatte sich vorher noch durchchecken lassen vorm Urlaub und ist dann offensichtlich einfach tot umgefallen. Das war eine sehr harte Phase für mich, weil er ein sehr guter Freund war und natürlich für die Familie sowieso.

Daniel: 2009 hattet ihr eure Abschieds-Show in Wacken gespielt. Immerhin war das Festival ja auch schon lange ausverkauft, als ihr bestätigt wurdet. Und eine lange Tour wäre doch eigentlich angebracht gewesen. Warum gerade dort?

Rolf: Es war einfach so, dass ich mich eigentlich schon von Running Wild verabschiedet habe, so 2006 herum. 2005 war ja die letzte Tour, zur „Rogues En Vogue“, weil ich mit der Sache so nicht mehr glücklich war. 2009 kamen Holger und die Wacken-Leute an und hatten gefragt, ob wir nicht noch eine Abschluss-Show für die Fans machen wollten und kamen wir halt ins Gespräch. Wir hatten uns dann entschlossen, das zu machen. Das war aber eine ganz spontane Entscheidung. Wir haben das nicht lange vorher geplant. Denn diese Form des Abschieds in der Öffentlichkeit war von meiner Seite eigentlich im Vorfeld nicht geplant.

Daniel: Für einige Fans wäre es schön gewesen, einige Ex-Musiker zum Abschied noch einmal miterleben zu können. Stand das für Dich nie zur Debatte?

Rolf: Nein, denn die Vergangenheit war für mich die Vergangenheit, und die Gegenwart ist die Gegenwart. Da bin ich kein Fan von, denn es gibt Gründe dafür, warum die Leute mal in der Band waren, und es gibt auch Gründe dafür, warum sie es heute nicht mehr sind, hehe! Deswegen war das für mich eine klare Geschichte, dass die vier Leute, die dann auf der Bühne stehen, dann auch Running Wild sind.

Daniel: Danach hattest Du mit Peter Jordan, der auch heute bei Running Wild ist, eine Band namens Toxic Taste, die etwas punkiger gewesen sein sollen. Hast Du mit denen jemals etwas veröffentlicht? Und existiert dieses Projekt heute überhaupt noch?

Rolf: Nein, das war nur so´n Projekt. Wir haben eine CD gemacht. Die ist auch veröffentlicht worden. Die hat sich jetzt nicht so berauschend verkauft, aber das war für mich eine ganz wichtige Geschichte, das zu machen, denn ich habe bei der Produktion sehr viel über mich als Musiker, Produzent und Songwriter gelernt. Und ich habe auch wieder Spaß daran gefunden, Songs zu schreiben, Ich habe innerhalb kürzester Zeit einen Riesenhaufen Songs geschrieben; achtzig Stück oder so. Davon haben wir uns dann die fünfzehn besten ausgesucht, und die sind dann auf dem Album gelandet. Wir haben die Produktion dann zusammen gemacht mit Peter an der Gitarre und Matthias Liebetruth am Schlagzeug. Das war einfach ein Spaßprojekt. Wir haben einfach gemacht, was wir wollten. Wir hatten auch keinen Druck von der Plattenfirma. Wir haben es einfach selber gemacht

Daniel: Wieso kam es schon 2011, also nur zwei Jahre nach der vorläufigen Trennung, zur Rückbesinnung von Running Wild?

Rolf: Es kam einfach daher, dass die verschiedene Plattenfirmen auf uns zukamen, weil die alten Platten von Modern Music, sprich Sanctuary, nicht mehr auf dem Markt waren. Die Rechte der Songs waren auf mich zurückgefallen, und wir wurden gefragt, ob wir nicht ein „Best Of“-Album aufnehmen wollten, mit allen Klassikern auf zwei CDs. Sie wollten aber die Leute ködern mit Bonustracks als Kaufanreiz. Ich hatte aber kein Material, weil wir ja mit Running Wild aufgehört hatten. Dann habe ich versucht, Bonustracks zu schreiben, und plötzlich festgestellt, dass diese Bonustracks eigentlich gut genug für Albumsongs waren. Dann ist aus dieser „Best Of“ sehr schnell ein neues Album geworden. Wir sind dann auch bei SPV gelandet. Bei „Shadowmaker“ haben wir einfach mal geguckt, was dabei rauskommt. Es gab gar keinen Druck hinter, das zu machen, und es war keine bestimmte Richtung vorgegeben. Das Songwriting ist mir viel leichter gefallen als auf den letzten Platten vorher von Running Wild. Und für mich war das ein guter Startpunkt für diese Sache auf jeden Fall.

Daniel: Kannst Du verstehen, dass sich einige Fans verarscht fühlten? Im Internet wurde ja viel gelästert, weil die Auflösung von zwei Jahren so kurz war.

Rolf: „Verarscht“ ist vielleicht das falsche Wort. Aber auf „Shadowmaker“ waren mit Sicherheit ein paar Sachen drauf, die sie so nicht erwartet hätten; das mit Sicherheit, ja! Und alles, was im Internet passiert, geht eh an mir vorbei, weil ich gar kein Internet habe, haha!

Daniel: Eure letzten beiden Alben „Shadowmaker“ (2012) und „Resilient“ (2013) fand ich wieder sehr gut, auch wenn sie im Vergleich zu früher etwas rockiger waren. Sie erinnern mich etwas an Dein Nebenprojekt Giant-X, das 2013 das Album „I“ veröffentlichte, welches Du ebenfalls mit Peter Jordan aufgenommen hast. Wo liegen für Dich genau die Unterschiede zwischen den „neuen“ Running Wild und Giant-X? Die Besetzung mit Peter Jordan war ja auch identisch.

Rolf: Giant-X war einfach so eine Idee von uns. Das machte sich am Song „Burning Wheels“ fest, der dann aber nicht auf dem Album ist. Ich habe darauf gesungen und wir hatten uns spontan entschieden, ein ganzes Album zu machen. Wir wussten schnell, was wir machen wollten, nämlich die gesamten Rock-Einflüsse der Siebziger Jahre, mit denen wir aufgewachsen sind, zu verarbeiten, aber eben nicht Songs aus der Zeit zu covern, die wir gut fanden, sondern eigene Songs in dem Stil zu schreiben. Daher ist es ein sehr bluesiges und rock ´n´ rolliges Album geworden, mit Einflüssen, die hier hatten, als wir Jugendliche waren und angefangen haben, Gitarre zu lernen und Musik zu machen. Das war für uns einfach so eine Spaßgeschichte.

Daniel: Wo liegt denn dann genau der Unterschied zwischen Toxic Taste und Giant-X überhaupt? Die Besetzung und Stile scheinen sich ja in den letzten Jahren häufiger mal etwas überlappt zu haben.

Rolf: Also, Toxic Taste ist mehr Punk/Rock´n´Roll und Giant-X mehr Blues/Rock ´n´ Roll mit klassischen Einflüssen der Siebziger Jahre. Toxic Taste hat dagegen mehr die Punk-Einflüsse der Zweitausender Jahre hat, wie z. B. die Donots, Blink 182 oder My Chemical Romance. Da kann man auch Parallelen sehen. Das war auch schon so in diese Richtung gedacht; einfach Musik aus Spaß, ohne ernsten Hintergrund.

Daniel: Wird es noch weitere Tonträger von beiden Projekten geben? Oder ist das jetzt durch Running Wild erst mal ad acta gelegt?

Rolf: Im Moment habe ich gar keine Zeit dafür, das zu machen, weil ich mit Running Wild wieder richtig dabei bin. Das Album ist jetzt abgehakt. Es geht jetzt mit der Promotion los. Dann kommen die Verhandlungen für Live-Geschichten für 2017. Und da wird nur wenig Zeit sein, um eine komplette Produktion dafür aufzufahren.

Daniel: Kommen wir noch schnell zum neuen Album: Wie lange habt ihr gebraucht, um die Songs zu schreiben und aufzunehmen? Und was können wir von dem Album erwarten?

Rolf: Ziemlich lange, weil ich mir leider Anfang 2014 die Schulter gebrochen hatte. Dadurch konnte ich gut ein Jahr nicht richtig arbeiten. Erst konnte ich gar nicht Gitarre spielen, und dann nur sehr bedingt mal eine halbe Stunde ohne Schmerzen oder so. Insofern war das natürlich ein Handicap. Ich konnte dann schon mal an Texten arbeiten, am Konzept und die ganzen Ideen entwickeln. Als der Arm wieder fit war, kam dann auch die Idee, wieder in Wacken zu spielen. Und bei den Vorbereitungen habe ich dann schnell gemerkt, dass ich nicht beides parallel machen kann. Wir mussten auch noch Auditions machen, weil wir zwei neue Musiker brauchten. Dass parallel zu machen, mit den Arbeiten an der Platte, hat einfach nicht geklappt. Deswegen musste ich die Platte erst mal weglegen und mich um die Wacken-Sache kümmern. Als wir dann 2015 in Wacken gespielt hatten, konnten wir wieder zum Album zurückkehren und aus den dreißig-fünfunddreißig Grundsongideen, die wir hatten, die elf Titel auswählen, die es dann letztendlich auf die Platte geschafft haben und an den Details und Arrangements feilen.

Daniel: Wird der Unterschied zu den letzten beiden rockigeren Running Wild-Alben und Giant-X auf dem neuen Album wieder größer sein als in den letzten Jahren? Da hatte sich ja auch oft etwas überschnitten.

Rolf: Ja! Es war durchaus klar, dass die Platte wieder anders klingen würde als die letzten beiden Alben. Das machte ich schon beim Songwriting fest. Die Gitarrenarbeit geht wieder mehr in die Richtung, die die früheren Alben beinhalteten. Das hat sich einfach so entwickelt durch die Songideen, die ich da hatte. Ich merkte auch, dass alternative Arrangements nötig wären, wie z. B. bei „Black Skies, Red Flag“. Da gibt es eine einzige Strophe, dann den Mittelteil mit tausend Teilen, und dann irgendwann erst den Refrain. Das ist ein Song, der schon ein sehr ungewöhnliches Arrangement für einen Metal-Song hat. Aber ich habe schnell gemerkt, dass der Song das auch braucht und nur so funktionieren würde. Das hat natürlich auch ein bisschen Detailarbeit erfordert.

Daniel: Betreibst Du Running Wild heute eigentlich nur noch als Projekt für zwischendurch? Oder wirst Du Dir auch mal wieder eine komplette Besetzung suchen und ausgiebig touren? Ich kenne sehr viele Leute, die sich riesig darüber freuen würden! Die Tour wäre garantiert ausverkauft!

Rolf: Also, Touren wird es definitiv nicht mehr geben. Es wird Festivals geben; vielleicht auch ein paar Eventshows. Das wird sich alles noch zeigen im nächsten halben Jahr, was da wirklich alles passieren wird. Wir haben schon die ersten Angebote auf dem Tisch liegen für Liveshows. Es wird also definitiv 2017 Liveshows geben. Aber eine richtige Tour in dem Sinne wird es definitiv nicht mehr geben.

running wildDaniel: Warum gab es bei Running Wild überhaupt so viel Personalnot in all den Jahren? Hast Du eine bestimmte Vision, die eine Band funktionieren muss? Du scheinst ja am Telefon so ein ganz umgänglicher Typ zu sein. Oder gab es andere Gründe dafür?

Rolf: Ja, aber das war schon immer so. Selbst in unserer Amateurzeit bis 1984 hatten, glaube ich, rund dreißig Leute in der Band gespielt. Interessanterweise waren sehr viele Line-up Wechsel, die es gab, nicht immer unbedingt an meiner Person festzumachen. Also ich habe mich gerade in den Neunzigern sehr oft wiedergefunden in einer Rolle des Moderators von einer Seite, die gegen die andere knallt. Ich habe immer in der Mitte gestanden und musste dann die Entscheidung treffen, für Running Wild, damit die Band weiter bestehen und funktionieren kann, wer von den beiden Parteien gehen muss. Das war nicht immer einfach. Ich habe damals nie über die Gründe geredet. Das hätte ich auch nie getan, denn das waren Interna. Insofern habe ich natürlich die ganze Kritik abgekriegt. Aber das war mir letztendlich egal, weil ich ja wusste, wie es wirklich war.

Daniel: Gibt es eigentlich ein Running Wild-Album, auf das Du heute besonders stolz bist, oder das Du vielleicht heute überhaupt nicht mehr magst? Und wenn ja: Warum?

Rolf: Besonders stolz bin ich natürlich auf das neue Album, aber das sagt wohl jeder Musiker, haha! Aber das hat eine guten Grund, denn sonst würde ich es nicht machen, hehe! Ganz einfach. Nein, das ist immer schwer zu sagen. Es gibt immer Sachen, die ich bei einigen Alben heute sicherlich anders machen würde. Das ist ganz klar. Aber ganze Alben? Bei „Branded And Exiled“ war ich mit der Produktion unzufrieden. Da hatten wir ja schon drüber geredet. Aber ein komplettes Album, was ich so nicht machen würde, würde ich so nicht sagen, nein. Also, es ist schon so, dass Running Wild auch mal links und rechts geguckt haben, und die Alben auch mal Unterschiede aufwiesen. Aber es war auch immer ein gewisser Stil, für den die Band immer stand.

Daniel: Wie sehen denn die Zukunftspläne von Running Wild aus?

Rolf: Das nächste, was jetzt ansteht, sind die Verhandlungen über die Shows für 2017; und nächstes Jahr dann eben die Shows. Danach werde ich wieder locker anfangen, am neuen Album zu arbeiten. Ich habe schon ein bisschen angefangen und ein paar Ideen aufgenommen, um sie nicht zu vergessen. Mein Plan wäre eigentlich 2018, aber wir müssen auch erst mal sehen, wie lange sich das mit den Live-Geschichten nächstes Jahr hinzieht, und wie lange es dauert, um zu sehen, wann wir mit der Produktion anfangen können. Aber ich habe noch nicht ernsthaft damit angefangen. Zwischen „Shadowmaker“ und „Resilient“ verging nur ein Jahr. Und wenn ich den blöden Schulterbruch nicht gehabt hätte und wir nicht in Wacken gespielt hätten, wäre das neue Album auch schon vor einem Jahr erschienen. Wir gucken mal.

Daniel: Na gut, Rolf! Du bist nun vom Marathon erlöst! Wir haben es tatsächlich in der geplanten halben Stunde geschafft!

Rolf: Ja, schön, hehe!

Daniel: Hast Du noch etwas, was Du am Schluss loswerden willst?

Rolf: Ich bin wirklich stolz auf das neue Album und ich hoffe, dass es allen Fans gefällt!

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Autor: Daniel Müller