SANTANA - IV


Label:SANTANA IV
Jahr:2016
Running Time:75:36
Kategorie: Neuerscheinung
 

Carlos Augusto Santana Alves, geboren am 20. Juli 1947 in Autlan de Navarro, Mexiko. Allein der Name "Santana" lässt Musikliebhaber und Rockenthusiasten das Wasser im Munde zusammen laufen und ganz gepflegt mit der Zunge schnalzen. Einer der ganz wenigen Gitarristen, den man an ein paar Tönen auf Anhieb erkennt und der die Rockmusik um die Variante des Latin-Rock erweitert hat. 1969 wurde von der inzwischen zum Sextett gewachsenen Band die LP "Santana" mit dem brüllenden Löwen im Cover und Hits wie "Jingo" oder auch "Evil Ways" aufgenommen und kurz nach ihrem legendären Auftritt beim Woodstock-Festival veröffentlicht. Das vier Millionen Male verkaufte "Abraxas" erschien 1970 und enthält die Klassiker "Samba Pa Ti", "Oyo Como Va" und vor allen Dingen "Black Magic Woman". Nach Erscheinen des Albums trat Neal Schon der Band bei. Im September 1971 erschien dann "Santana III" und erreichte mit zwei Millionen verkaufter Exemplare ebenfalls die Top Ten der Charts. Danach trennte sich die Band. Auf dem Nachfolgealbum "Caravanserai" war nur noch ein Teil der ursprünglichen Besetzung dabei. Carlos Santana veröffentlichte in den Folgejahren zahlreiche Alben mit immer weiteren Gastmusikern. Mit der Zeit blieb jedoch der Erfolg aus, wobei Carlos weiterhin ein begehrter Gastmusiker blieb. 1999 feierte er dann mit "Supernatural" ein weltweit gefeiertes Comeback mit fast zwanzig Millionen verkaufter Exemplare. Auch "Shaman" aus 2002 zerrte noch von Erfolgen des Vorgängers. In Anbetracht der illustren Gastmusiker mit u. a. P.O.D., Seal, Dido, Placido Domingo oder auch Mary J. Blige, Sean Paul und selbst Kirk Hammet von Metallica, verblieb Carlos am Ende nur die Aufgabe des Hinzufügens seiner unverkennbaren Soli, womit er letztendlich - so drückte es ein Kritiker damals aus - zu einem Gaststar auf seinen eigenen Alben mutierte.

Mit der nun endgültigen Gewissheit auch seitens des einstigen Songwriters selbst nun den kreativen Nullpunkt erreicht zu haben, trommelte Carlos Santana bereits Ende 2013 seine alte Truppe zusammen und begann 2014 mit den Aufnahmen zu seiner neuen Scheibe, die er, fünfundvierzig Jahre nach Erscheinen seines Drittalbums nun "Santana IV" taufte. Dabei alle seine Kumpane von damals mit namentlichen Nennungen von Gregg Rolie (Keyboard und Gesang), Michael Carabello (Percussion), Neal Schon (Gitarre), Michael Shrieve (Schlagzeug) sowie Karl Perazzo und Benny Rietvel. Auch in Analogie an das Debüt von 1969 ist nun ein brüllender Tiger auf dem Cover abgebildet.

Und was macht die Combo, vereint um die mexikanische Raubkatze? Sie schafft es tatsächlich das Flair von 1969 bis 1971 mit voran treibender Percussion, den typischen Afro-Latin-Rhythmen im Salsa-, Rumba- und Cha-Cha-Cha-Style, exzellenten Gitarrensoli von Santana / Schon, teils ausgetragen im virtuosen Duell und unterstützt durch bluesigste Gesangseinlagen von Gregg Rolie und als Gast auch der vierundsiebzig-jährige Ronald Isley in das Heute zu transferieren. Etwas zahmer als damals klingt der vom Löwen zum Tiger gewandelte Magier schon. Er bringt aber auch an ganz neue Elemente ein, an die damals noch gar nicht zu denken war. Hören wir mal in das sechszehn Songs umfassende und fünfundsiebzig Minuten dauernde, ja man muss schon sagen Comeback nach etwa einem halben Jahrhundert kreativer Schaffenspause rein.

Gleich der Opener "Yambo" mit funkigen Querverweisen im Afrostyle und der hier schon einsetzenden Hammond geht bereits Lichtjahre zurück und wüsste man es nicht besser, man wähnt sich hier bereits am Anfang und denkt an ein Re-Issue von "Abraxas". Bei "Shake It" kommt Mr. Rolie an den Tasten so richtig aus sich raus und die Sechssaiter geben sich im Wechsel mit den Fellen auch schön schräg. Halt ein klassischer Blues-Song im Sinne der alten Garde und im Geiste von Muddy Waters. "Anywhere You Want To Go" mit Salsa und Soul, bluesigem Gezupfe und merklichen Querverweisen zu "Oyo Como Va". Das Instrumental "Fillmore East" mit akzentuiert gesetzten und ruhigen, ja leicht jammigen und in der Unendlichkeit verklingenden Gitarren erinnert an den legendären Club in San Francisco. Hüfte schwingen im legendären Latin-Groove bei "Love Makes The World Go Round". Santana in Reinkultur, featuring Ronald Isley am überzeugenden Mikro und einer richtig geilen Hammond.

Und nochmal der vierundsiebzig-jährige Barde bei "Freedom In Your Mind" mit einer Stimme, die einfach nur ein "Wow" zulässt und auch hier bitte das Bein und den Arsch geschwungen zum ungezwungenen Cha-Cha-Cha mit Ausruf. "Choo Choo" ist etwas modernerer Latin mit wieder Funkyeinlagen für die Tanzbiester und erinnert ein bisschen an David Bowie`s "China Girl". Ein richtig riffiges Intro bei "All Aboard", einem echten Rocker mit Bluesnote und derben Gitarren, hier mal ganz ohne Gesang. Bei "Suenos" wechselt Carlos zur klassischen Gitarre und mimt den völlig verzückten Mexikaner / Spanier, sprich sanfteste Melodien zum Niederknien, Träumen und einfach dahin schmelzen. "Caminando" kommt wieder ganz beschwingt daher mit interessanten Gitarren, zunächst merklich jazzigen und dann in Rock`n`Roll übergehenden Elementen und einer Stimme wechselnd im Post- / Gothrock, Jazz und Blues und daneben virtuose Sechssaiter und eine jammige Orgel. Ganz dichter, stark atmosphärischer Blues mit viel Hingabe dann bei "Blues Magic" mit einer Stimme, die an ganz große, hier allerdings eher weiße Bluessänger, erinnert. Ein unglaublich starker Song mit einem Mega-Groove. Das instrumentale "Echizo" kommt gleichsam spielerisch wie lasziv daher und besticht, mal wieder, durch magische und ausgedehnte Fingerspiele auf den Stegen der beiden Gitarrenhälse mit einer durchgehend auflockernden Percussion. Latin-Groove dann beim textlich eher einfachen "Leave Me Alone" mit schönem Simpelrefrain und natürlich "Hohoho". Nett und beim "neuen" Carlos Santana sowas wie eine Pflicht mit Wipp-Garantie und natürlich Signature-Gitarre. Und wieder der Griff zur Akustikklampfe beim melancholischen "You And I" mit nachfolgenden Runs auf den Klaviertasten und einer erstmalig etwas psychedelisch daher kommenden Gitarre. Zum Ende wieder ein höchst melodiöses Gitarreninstrumental. Viel Percussion, sehr beschwingt und mit viel Peace und Party im Afrostyle dann "Come As You Are". Sowas gehört einfach zu Carlos Santana. Der Rausschmeißer "Forgiveness" zu Deutsch "Vergebung" setzt anfangs ein rein instrumentales Ausrufezeichen mit gleichsam merklich psychedelisch wie auch progressiv rüber kommenden Gitarren und so einigen Querverweisen zu Pink Floyd. Die unglaublich geile Bluesstimme in Verbindung einem gezockten Bass, der fast an Doom erinnert, setzt erst mittig des Tracks ein. Eine nochmals ganz starke Nummer, am Ende zwar weit weg von Latin-Groove und Afro-Style, setzt damit einen höchst gelungenen Schlusspunkt unter ein richtig starkes Rockalbum.

Wie beurteilen das angesehene Fachzeitschriften? "Klassischer geht's kaum..." und "Über die 75 Minuten kann die Qualität zwar nicht durchgehend hochgehalten werden, doch das tut dem Album keinen Abbruch, denn es liegt Santanas beste Einspielung seit Jahrzehnten vor." Beiden Statements schließe ich mich gerne an und freue mich unglaublich über seine Rückkehr.

Note: 9 von 10 Punkten
Autor: Andreas Gey


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