EIS - Im großen Zusammenhang


Seit zehn Jahren sind die Mannen um Florian „Alboin“ D. und Sebastian „Marlek“ S. nun schon unterwegs. In diesem Interview geht es nicht nur um das viel gelobte, aber auch viel diskutierte, aktuelle Album „Bannstein“, sondern auch um die Liveaktivitäten. Ebenso werden die lyrischen und die musikalischen Einflüsse hinterfragt. Und wem die Band bisher noch gar nichts sagte, dem sei neben diesem Interview das aktuelle Albumreview und ein Livereview vom Oktober auf unserer Seite empfohlen.

logoMartin: Für alle unwissenden Leser: Wie kam es damals zur Umbenennung von Geist hin zu Eis?

Alboin: Ich denke, in diesem Fall dürfen unwissende Leser auch gerne unwissend bleiben, hehe. Das ist mittlerweile fast sechs Jahre her und nichts, was uns noch in irgendeiner Weise beschäftigt oder unsere Hörer noch beschäftigen sollte. Alle unsere fünf Alben sind unter dem Bandnamen Eis erhältlich, sehr viele Fans haben uns erst so kennengelernt, und dabei darf es gerne bleiben.

Martin: Um das Bild zu vervollständigen: Wie würdest du eure Musik beschreiben?

Alboin: Davon könnte ich nie ein vollständiges Bild zeichnen oder beschreiben, das ist einfach zu vielfältig. Natürlich sind wir eine Black-Metal-Band, eine, die deutlich vom Stil der 90er geprägt ist, aber eine eigene Ausdrucksweise gesucht und, denke ich, auch gefunden hat. Mir ist vor allem eine konsistente Gesamtatmosphäre wichtig, ich liebe es, mich in einem Album verlieren zu können, in allen seinen Details, vielfältigen Gitarrenlinien und Keyboards, in seinen vielschichtigen Texten, in der Dynamik, in seinen Emotionen. Ich denke, vor allem das kennzeichnet unsere Musik.

Martin: Das neue Album „Bannstein“ ist kürzlich erschienen und erhielt insgesamt gute Kritiken. Ich empfinde es auch als starkes Album, jedoch hat es meiner Meinung nach zu viele ausschweifende Längen. Was sind die Gründe dafür, dass ihr eure Songs gerne stark ausschmückt?

Alboin: Weil ich das mag, ganz einfach. Für mich sind Längen in Songs auch nicht immer nur ausschweifend, sondern oft für die Stimmung, die man versucht aufzubauen, sehr notwendig. Das ist in einer hektischen Zeit wie unserer, in der sich die Menschen ungerne wirklich Zeit für etwas nehmen, fast schon eine Geduldsübung. Wir sind aber glücklicherweise auch keine „Fast-Food-Band“, die es schaffen muss, mit Vier-Minuten-Tracks im Radio zu überzeugen. Für mich ist das ähnlich wie die Freiheit eines Regisseurs, die Bilder seines Films so aufzubauen, dass sie für ihn schlüssig sind und wirken. Da beschwert sich ja auch keiner darüber, dass man ein Kinderbuch von 300 Seiten zu drei Filmen von je drei Stunden Länge auswalzt.

Martin: Auffällig ist weiterhin die Verwendung vieler ungewöhnlicher Nomen wie „Menetekel“ oder eben „Bannstein“. Gibt es einen besonderen lyrischen Einfluss oder schöpft ihr die deutsche Sprache einfach nur voll aus?

Alboin: Vermutlich von beidem etwas. Ich mag Lyrik sehr gerne und lese tatsächlich gelegentlich welche, und das beeinflusst mich in der Sprache, die ich für Songtexte nutze, natürlich sehr. Auf der anderen Seite hasse ich Klischees und ausgelutschte Phrasen im Black Metal und versuche, für mein Empfinden oder für meine Stimmungen in Songs einen eigenständigen Ausdruck zu finden. Deshalb mag ich ungewöhnliche, herausfordernde Titel, über deren Bedeutung man wirklich nachdenken muss.

Martin: Inwiefern unterliegt Bannstein einem Gesamtkonzept?

Alboin: Vollständig. Im Grunde erzählt das Album eine Geschichte, lyrisch wie musikalisch und – in der Buchedition – auch optisch, die nur mit allen Bestandteilen zusammen wirklich funktioniert. Welcher Art dieses Konzept ist, sollte man sich als Hörer oder Hörerin selbst erschließen, ansonsten gibt es mengenweise Hinweise darauf im Booklet der Buchedition selbst, in früheren Interviews usw.

Martin: Ihr seid eine tourfreudige Band. Zuletzt durfte man euch mit Negator auf der "Lex Talionis Tour" besuchen. Ist dies immer mit euren regulären Jobs gut zu vereinbaren? Live seid ihr immerhin zu sechst unterwegs.

Alboin: Eigentlich empfinden wir uns selbst nicht als besonders tourfreudige Band, gerade weil ausgedehntes Touren leider nicht mit unseren Jobs zu vereinbaren ist. Zum Glück sind wir nur fünf und nicht sechs Bandmitglieder, sonst wäre das noch schwerer. Wir versuchen, was uns möglich ist, an Konzerten mitzunehmen und sowohl Einzelgigs als auch Touren und vor allem spannende Festivals zu spielen, aber wir haben alle eine Menge anderer Verpflichtungen und Interessen, die auch ihre Zeit brauchen.

Martin: Wie sehen eure weiteren Tourpläne aus? Wird euer aktuelles Album noch ausgiebig betourt?

Alboin: Leider nicht besonders. Wir wollen nächstes Jahr ein paar schöne Festivals spielen (Ragnarök Festival zum Beispiel, wofür wir uns eine kleine Nettigkeit ausgedacht haben) und ansonsten vielleicht an neuem Material und/oder einem Album unserer zweiten Band Eismalsott arbeiten. Nach dem letzten wirklich extrem aktiven Jahr geht’s 2016 also vermutlich etwas ruhiger zu.

Martin: Der Vinylmarkt boomt derzeit wieder. Auch Seven-Inch Releases tauchen wieder häufig auf. Gibt bzw. gab es Überlegungen mal eine Single oder EP auf den Markt zu bringen?

Alboin: Nö. Wir sind irgendwie keine EP-Band, glaube ich. Unsere Songs funktionieren am Besten im großen Zusammenhang eines Albums oder im Zusammenspiel mit anderen Songs, und sind außerdem oft so lang, dass sie gar nicht auf eine EP-Seite passen. Alles Material, das entsteht, ist es für mich auch wert, auf einem Album zu landen, wir machen auch kein B-Seiten-Material und nehmen nichts zusätzlich auf, weil das nicht meinem Empfinden von Kunst entspricht, sein eigenes Schaffen als B-Ware abzuwerten. Dann kann ich's mir auch sparen und nur absolutes Killermaterial veröffentlichen. Allerdings werden wir 2016 „Galeere“ endlich auf Vinyl veröffentlichen, und das in einer wirklich sehr hübschen Ausgabe und mit nettem Bonusmaterial. Dann gibt’s endlich auch alle Alben auf Vinyl und ich kann in Frieden sterben.

Martin: Haben eure Künstlernamen „Alboin“ und „Marlek“ eine tiefere Bedeutung?

Alboin: Unsere Künstlernamen haben natürlich für jeden von uns eine Bedeutung, wie tief die allerdings ist, kann ich aus meiner Perspektive nicht so recht beurteilen. Ich denke, das ist eine relativ persönliche Sache. Meinen Künstlernamen habe ich mir, glaube ich, mit 17 oder sowas ausgesucht, er begleitet mich jetzt annähernd 20 Jahre und ist eher etwas wie ein Spitzname als ein Alias mit irgendeiner spirituellen Bedeutung.

Martin: Welches sind die Bands, die euch seit eurer Gründung musikalisch am stärksten beeinflusst haben?

Alboin: Mich persönlich vermutlich Emperor, Covenant, Troll, Satyricon, Ulver und Borknagar, vielleicht noch Burzum bis zum Jahr 1996. Daneben wahrscheinlich hunderte von weiteren Bands, die ich heute noch vergöttere für das, was sie in diesem Jahrzehnt gemacht haben. An das Schaffen von Emperor kommt aber kaum eine Band heran, und ich denke, diese Vorliebe hört man meiner Musik auch an.

Martin: Welche aktuellen Bands könnt ihr unseren Lesern empfehlen bzw. gibt es gar Bands aus eurer Heimatstadt Bielefeld die hörenswert sind?

Alboin: Bielefeld ist ja nicht unsere Heimatstadt, lediglich einige ehemalige Mitglieder kommen daher. Keine Ahnung, warum sich das so hartnäckig hält. Jedenfalls sind wir mittlerweile durch halb Nordwestdeutschland verteilt. Hörenswerte Bands aus Bielefeld gibt’s bestimmt einige, aber ich habe da echt keinen Überblick mehr, welche Truppen es noch gibt und welche nicht usw. Aktuelle Bands... da kenne ich mich weniger aus als andere von uns, muss ich gestehen, weil mich der größte Teil davon auch nicht interessiert. Empfehlen kann ich trotzdem eine Reihe fantastischer Black-Metal-Bands: Istapp, Nivlhel, Stilla, Murg und Dråpsnatt aus Schweden und Lux Divina aus Spanien (sensationelle Band, ohne Scheiß!) sind vermutlich meine derzeitigen Geheimtipps. Wer unsere Musik mag, wird auch diese Bands schätzen.



Autor: Martin Hil