Daniel: HELL-ö Surtur! Lass uns mal ganz vorne anfangen: Wie kam es zur Gründung von Goat Of Mendes im Jahr 1994? Und hattet Ihr vorher schon in anderen Bands gespielt?
Surtur: Nun ja, die Gründung von Goat Of Mendes war im wahrsten Sinne des Wortes eine „Schnapsidee“ - alles lässt sich auf einen feucht-fröhlichen Abend zurückführen, den Marco und ich Ende '94 in Marcos Wohnung bei guter Musik und einer Kiste Bier verbrachten. Als wir dann irgendwann in bierseliger Melancholie versanken, klagte Marco mir sein musikalisches Leid – er spielte seinerzeit noch in einer Wuppertaler Death-Metal-Band, wo mit schöner Regelmäßigkeit seine Songideen abgeschmettert wurden, da sie „kein echter Death Metal“ seien. Also schlug ich ihm vor, er solle doch einfach ein Soloprojekt mit Gastmusikern nach seinem Geschmack starten und bot mich gleich auch noch als Texter an, da er damals mit dem Englischen noch etwas auf Kriegsfuß stand. Nach dem Abend hatte ich das alles auch relativ schnell wieder vergessen, bis mir Marco dann drei Monate später ein Tape mit Gitarrenspuren in die Hand drückte, ich solle dann mal mit dem Texten anfangen. Gesagt, getan, Gastmusiker waren auch schnell gefunden, und das ganze Projekt nahm Formen an. Im Sommer '95 ging es dann auch sofort ins Studio, wo ich dann selbst noch einige Spoken Words-Parts und Klargesänge beisteuerte. Marco schickte ein Tape mit vier ausgewählten Songs an Invasion Records, die ihm sofort einen Vertrag anboten und das ganze Ding dann auch unter dem Namen „Hymn To One Ablaze“ veröffentlichten. Im Prinzip ist das Debüt also eigentlich eher eine „Marco-Soloscheibe“, da er alle Songs im Alleingang komponierte und auch einen Großteil des Gesangs übernahm. Die CD kam überraschend gut an und wir hatten selbst auch Blut geleckt, so dass wir feste Musiker suchten und ich mich gesangstechnisch auch immer mehr einbrachte. So wurde dann aus dem Projekt eine echte Band – der Rest ist Geschichte...
Daniel: Gebt uns doch mal einen kurzen Überblick über die Veröffentlichungen von Goat Of Mendes! Was ist von Euch bislang alles erschienen?
Surtur: Wie oben schon erwähnt, ist „Hymn To One Ablaze“ unsere erste Veröffentlichung, der Zweitling „To Walk Upon The Wiccan Way“ folgte ein Jahr später. Hier konnte man schon erkennen, in welche Richtung es wohl in Zukunft gehen würde, auch wenn es im Nachhinein betrachtet vielleicht ein bisschen zu schnell ging – wirklich aufeinander eingespielt waren wir eigentlich noch nicht. Zwischen den beiden CDs haben wir noch ein Tape mit (relativ miesen) Proberaumaufnahmen unter dem Titel „Beneath The Eye Of Hecate“ an diverse Kumpels verteilt, um ihnen den aktuellen Stand der Dinge zu demonstrieren. Interessanterweise wird das Teil auf Metal Archives als reguläres Demo gelistet, was so eigentlich gar nicht gedacht war – wen's interessiert und das Ding tatsächlich in die Finger kriegt: Viel mehr als zwanzig Kopien gibt’s davon nicht – ich hab selbst nicht mal mehr eine. Nach der zweiten CD trennten wir uns von unserer Plattenfirma und nahmen unser einziges „echtes“ Demo namens „Paganborn“ auf. Auch wenn die Resonanzen in der Presse recht gut waren, bekamen wir doch nie ein vernünftiges Angebot von einem Label, so dass wir uns entschlossen, unser drittes Album „Thricefold“ in Eigenregie aufzunehmen. Das Album repräsentiert Goat Of Mendes zum ersten Mal so, wie wir im Prinzip auch heute noch klingen und wird von vielen auch als unser bestes Werk bezeichnet. Kurz nach Veröffentlichung fanden wir in Source Of Deluge auch eine gute und verlässliche Vertriebsfirma, die uns großartig dabei unterstützte, die CD zu vermarkten und in die Läden und Mailorders zu bringen, so dass wir auch außerhalb von Deutschland einen gewissen Fankreis aufbauen konnten. Die vierte Scheibe „A Book Of Shadows“ erschien drei Jahre später und baute in vielerlei Hinsicht auf „Thricefold“ auf. Leider ist die Produktion nicht ganz optimal und einigen Leuten ist die „Book..“ auch kompositionstechnisch zu sperrig und progressiv, da hier viele lange und teilweise auch recht eigenwillige Stücke enthalten sind, die im Vergleich zur recht straighten „Thricefold“ nicht unbedingt sofort ins Ohr gehen. Auf der anderen Seite enthält die Scheibe mit „The Sabbatic Goat“ und vor allem „The Shaman“ zwei Songs, die man, wenn man so will, als die „Hits“ von Goat Of Mendes bezeichnen könnte, welche in keinem Liveset fehlen dürfen. Danach folgte eine sehr lange Pause von sieben Jahren, bis man wieder etwas von uns hören konnte. Vieles davon war diversen Besetzungswechseln zuzuschreiben, die uns leider immer wieder zurückwarfen und auch eine regelmäßige Livepräsenz verhinderten. Also haben wir die Zwangspause möglichst kreativ genutzt, und uns kompositorisch und textlich an ein ausgefeiltes und sehr düsteres Konzeptalbum gewagt, mit dem wir dann 2011 unter dem Titel „Consort Of The Dying God“ tatsächlich auch wieder auf der Bildfläche erschienen. Das ist der Stand der Dinge bis heute – leider haben uns diverse private und bandtechnische Probleme seitdem immer wieder etwas zurückgeworfen. Wir arbeiten aber gerade an unserem sechsten Album und hoffen, es im nächsten Jahr über unser neues Label Witches Brew Records endlich veröffentlichen zu können.
Daniel: Einige doomige Geigenparts erinnern mich an My Dying Bride, einige eigenwillige Gesangslinien an Root, einige thrashige Riffs an Desaster, einige Gitarrenmelodien an Running Wild. Welche Bands zählen zu Euren Haupteinflüssen? Und haben sich diese Einflüsse im Laufe der Jahre verändert?
Surtur: Zum Zeitpunkt der Bandgründung lagen die Haupteinflüsse in erster Linie bei Sabbat (UK) und den frühen Skyclad, sowie den frühen Cradle Of Filth und anderen, ähnlich gearteten „Epic Black Metal“-Bands der Neunziger. Marcos und meine gemeinsame Liebe zur New Wave Of British Heavy Metal hat hier und da auch eine Rolle gespielt. Was den Vergleich mit Root angeht, so freut mich das ungemein, da ich die Band (und Big Boss im Besonderen) sehr verehre, allerdings habe ich die Band erst nach der Veröffentlichung von „A Book Of Shadows“ wirklich kennengelernt, war also wahrscheinlich eher eine Art „Gedankenübertragung“ als ein echter Einfluss. Aber als ich danach die „The Book“ und die „Black Seal“ zum ersten Mal gehört habe, ist mir die zufällige Parallele auch direkt aufgefallen, hehe...
Desaster und vor allem Running Wild haben uns aber definitiv nicht bewusst beeinflusst. Meine persönlichen Einflüsse liegen musikalisch bei Martin Walkyier (Sabbat/Skyclad), Aaron Stainthorpe (My Dying Bride), Big Boss (Root), Fernando Ribeira (Moonspell), Carl McCoy (Fields Of The Nephilim) und ein wenig auch bei Dani Filth, textlich verehre ich (neben den bereits erwähnten) zusätzlich auch noch John Arch, Fish, Candia (von Inkubus Sukkubus) und Rozz Williams (u.a. Christian Death).
Daniel: Eure Texte behandeln Themen wie Heidentum, Wicca-Kult und auch folkloristische Inhalte. Wie viel Klischee bzw. Überzeugung steckt wirklich in Euren Texten?
Surtur: Da ich von Anfang an alleiniger Texter bei Goat Of Mendes bin, habe ich auch von vornherein meine persönlichen Interessen und Philosophien in die Lyrics einfließen lassen. Mein Vater war von Beruf Heilpraktiker und Anhänger des Old Faith. Letzteres haben wir allerdings erst nach seinem Tod erfahren, als wir seine Hinterlassenschaften sichteten. Er hatte sich gegenüber meiner Mutter stets als „Atheist“ bezeichnet, da sie, als (damals) streng gläubige Katholikin, die Wahrheit wohl nur schwerlich verkraftet hätte. Nichtsdestotrotz hat er mich und meine beiden Geschwister jedoch im Sinne des „Old Faith“ erzogen, uns den Respekt vor den Kräften der Natur nahegelegt und uns beigebracht, nicht von einer strikten Trennung in „gut“ und „böse“ zu denken. Vielmehr vermittelte er uns, dass man eher von positiver und negativer Energie sprechen solle, ohne dies in irgendeiner Weise zu werten, da beide notwendig sind, um den Kreislauf des Lebens zu erhalten und sie letztendlich auch zu mehr oder weniger gleichen Teilen in allem enthalten sind, was uns umgibt, inklusive uns selbst. Insofern habe ich also seit frühester Jugend „paganistisch“ gedacht – dass das Kind mit „Wicca“ auch einen Namen hat, habe ich erst viel später erfahren und mein Wissen und meine persönlichen Gedankengänge dementsprechend erweitert. Ich habe dann in meiner Ex-Frau Maia, die auch bis vor Kurzem noch als weibliche Stimme bei Goat Of Mendes tätig war, eine gleichgesinnte Seele gefunden, mit der ich mich ergänzen und austauschen konnte – und es bis heute noch tue. Die Grundidee für das Konzept von „Consort Of The Dying God“ stammt von Maia. Ich habe letztendlich nur ihre Ideen und Gedankengänge zu Lyrics verarbeitet. Dementsprechend sind/waren Maia und ich die beiden echten „Hardcore-Hexen“ bei Goat Of Mendes, während Marco mit vielen Teilen meiner persönlichen Philosophie zumindest konform geht. Den anderen Jungs bei Goat Of Mendes sind die Texte relativ Latte, aber sie haben auch nichts gegen meine Spinnereien einzuwenden, solange das Gesamtkonzept stimmig ist, hehe...
Daniel: Lasst uns mal zu Eurer Bezeichnung „Wiccan Metal“ kommen! Musikalisch liegt Ihr irgendwo im Pagan-/Black- und auch im Folk Metal-Bereich. Grenzt Ihr Euch ganz bewusst von der Pagan Metal-Szene ab, weil entweder zu viele Musiker in der Szene entweder in die 'rechte Ecke' gestellt werden, oder weil heutzutage auch kitschig-bombastischer „Kirmes“-Metal als Pagan Metal bezeichnet wird? Oder hat das alles ganz andere Gründe? Bitte klärt uns auf!
Surtur: Im Prinzip hast Du den Nagel auf den Kopf getroffen – bevor der sogenannte Pagan Metal zu einem solch gigantischen Hype wurde, hatten wir uns selbst auch noch so bezeichnet, da wir ja nun mal paganistische Lyrics haben. Letztendlich ist es nach meiner Ansicht auch einzig und allein der textliche Inhalt, der eine Bezeichnung als Pagan-Band rechtfertigt, völlig unabhängig von der jeweiligen Musik. Musikalisch vollkommen unterschiedliche Bands wie Sabbat, Skyclad, Opera IX (mit Cadaveria), Inkubus Sukkubus und, ja, auch Cradle Of Filth, sind in meinen Augen Pagan Metal, während Kirmeskapellen wie Korpiklaani, Finntroll etc. oder die ganzen Wikinger- und Germanentruppen nichts damit zu tun haben. Leider wurde mehr und mehr genau dies zum Erkennungsmerkmal sogenannten „Pagan“ Metals, als die Industrie den Trend für sich entdeckte – Pagan Metal galt nur als „echt“, wenn man möglichst viel folkloristisches Rumgedudel, Humppa-Gehopse und Texte über Wikinger, Saufen und Schlachten in seine Kompositionen integrierte. So kam es dann tatsächlich dazu, dass uns in diversen Reviews abgesprochen wurde, eine echte Pagan Metal-Band zu sein, da wir eben dies alles nicht taten. Also haben wir uns dazu entschieden, das unselige Wort „Pagan“ aus unserer Stilbeschreibung zu entfernen und durch „Wiccan“ zu ersetzen. So wissen die wenigen, die tatsächlich Ahnung von der Materie haben, sofort Bescheid, was sie erwarten können, und wir werden gleichzeitig nicht mehr mit all den kleinen Möchtegern-Wikingern in einen Topf geschmissen. Natürlich gab es auch jetzt wieder diverse Review-Schreiber, die diese Bezeichnung als „Wichtigtuerei“ interpretierten (und natürlich nicht ansatzweise wussten, was Wicca eigentlich sein soll), aber das ist uns wirklich so egal wie der berühmte Sack Reis in China...
Daniel: Wie ich weiß, spielt ihr gelegentlich auch live. Wie sieht Eure Liveshow aus? Seid ihr auf der Bühne ähnlich pompös unterwegs wie auf Euren Alben mit dem Frauengesang, den Geigen und den Percussion-Elementen? Oder klingt ihr live viel geradliniger und metallischer als auf CD?
Surtur: Mittlerweile ist letzteres der Fall – Maia musste nach der „Consort Of The Dying God“ aus beruflichen und privaten Gründen leider ihre aktive Teilnahme an Goat Of Mendes beenden, so dass wir live auf den weiblichen Gesang verzichten. Detti (a.k.a. Zagan von Black Messiah) war ja mit seiner Violine immer nur Gastmusiker, aber hat uns früher ab und zu bei Live-Gigs unterstützt. Die nächste CD wird aber definitiv auf all diese Elemente verzichten – in erster Linie sind wir eine Metal-Band und waren es schon immer, und genau das werden wir nun auch sowohl live, als auch auf CD klarstellen. Wir haben mit Violinen und Frauengesang gearbeitet, lange bevor es zum Trend wurde. Jetzt ist es Trend und steckt uns in eine Ecke, der wir uns nicht zugehörig fühlen, also verzichten wir nunmehr bewusst darauf. Gitarre, Bass, Drums und Gesang – geradlinig und direkt in die Fresse, wie Metal eben auch sein sollte. Genau so sieht unsere Liveshow auch aus – keine Felle, Kettenhemden, Trinkhörner, Make-Up oder sonstiger Schnickschnack, sondern viel Bewegung und Action auf der Bühne. Eine natürliche, schweißtreibende Metalshow für und mit dem Publikum.
Daniel: Wenn man sich Eure Setlist anschaut, dann fällt auf, dass Ihr keine Songs mehr von Euren ersten beiden Alben spielt. Warum nicht? Steht Ihr heute nicht mehr hinter Eurem alten Material? Oder hat sich Euer Sound einfach zu sehr gewandelt? Es fällt ja schon auf, dass z. B. „To Walk Upon The Wiccan Way“ um einiges schneller war als das Zeug danach...
Surtur: Das hat nichts damit zu tun, dass wir das alte Zeug nicht mehr mögen, ganz im Gegenteil! In der Tat gab es schon öfters Pläne, diverse alte Songs, wie z. B. „Ordo Templi Orientis“, „Boudiccas Triumph“, „Beaneath The Eye Of Hecate“, „Night Of Beltane“ oder auch die „Conquest Of Eireann“-Trilogie vom „Paganborn“-Demo wieder zu reaktivieren. Nur haben uns die häufigen Besetzungswechsel bzw. die Arbeiten an neuem Material bisher immer einen Strich durch die Rechnung gemacht, die alten Songs wieder einzustudieren. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben – der gute Wille ist definitiv vorhanden, hehe... Abgesehen vom Debüt, hat sich unser Sound gar nicht so sehr verändert – dass „To Walk Upon The Wiccan Way“ für Dich vielleicht härter oder schneller wirkt als spätere Releases, liegt wahrscheinlich an der deutlich roheren und ungeschliffeneren Produktion. Harte und schnelle Songs waren auch danach auf jedem späteren Release vorhanden, während „To Walk Upon The Wiccan Way“ ja mit „Boudiccas Triumph“, „Pale Prince Of The Ruins“ oder „Amidst The Frozen Forest“ auch bereits viel „gemäßigteres“ und atmosphärisches Material enthielt.
Daniel: Apropos „To Walk Upon The Wiccan Way“: Wie kommt es eigentlich, dass der Titelsong des zweiten Albums erst auf dem dritten Album „Thricefold“ gelandet ist? Das erinnert mich etwas an Crematory, die bis zur Jahrtausendwende auch immer den Titeltrack erst auf das nächste Album gepackt haben...
Surtur: Das war eigentlich reiner Zufall – als ich damals die Rohfassung des Songs von Marco und Lars (unserem damaligen Gitarristen) erhielt, um die Lyrics zu verfassen, ist mir diese Textzeile als allererstes in den Sinn gekommen, zumal sie mehr oder weniger auch seitdem zu unserem „Motto“ geworden ist – sie taucht seitdem auf jedem unserer Releases in der einen oder anderem Form immer wieder auf. Ähnliches gilt im Übrigen auch für „The Shaman“ vom vierten Album – sowohl auf „Consort Of The Dying God“, als auch auf unserem kommenden Album gab es den einen oder anderen Querverweis bzw. wird es wieder geben.
Danirl: Ab „Thricefold“ sind alle Eure Alben über euer eigenes Label „Mendes Music“ erschienen. Wieso? Gab es keinerlei Interesse von anderen Labels? Und gebt ihr mit „Mendes Music“ auch anderen, befreundeten und interessierten Bands eine Chance, die eine Plattform suchen? Oder nutzt ihr es nur für eure eigenen Veröffentlichungen?
Surtur: Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht – auf unserem „Paganborn“-Demo gab es seinerzeit kein ernsthaftes Interesse von Plattenfirmen. Gleichzeitig wollten wir aber auch nicht einen Deal um jeden Preis – wir wollten uns aus kommerziellen Gründen weder musikalisch noch textlich in irgendeiner Form verbiegen lassen. Uns ist klar, dass unsere Mucke stilistisch irgendwo zwischen allen möglichen Stühlen sitzt und sicherlich nicht für jeden auf Anhieb gleich verträglich ist, aber es ist genau die Musik, die wir so und nicht anders machen wollen. Also machten wir es in Eigenregie, mit Source Of Deluge/TWS als Vertriebspartner. Jetzt sind wir allerdings bei Witches Brew gelandet und fühlen uns dort sehr wohl – Cheryl war schon lange ein Fan von uns und unterstützt uns, wo auch immer sie kann. „Mendes Music“ ist und war also kein echtes Label – wir hätten weder das Geld, noch das Equipment oder die Zeit, andere Bands zu produzieren, auch wenn der Gedanke sicherlich einen gewissen Reiz hat.
Daniel: 1998 erschien nicht nur Euer drittes Album „Thricefold“, sondern auch das einzige Album eines Nebenprojektes von Goat Of Mendes, nämlich das selbst betitelte Album von Inanna Unveiled, bei dem Sänger Surtur sang und der Schlagzeuger des zweiten Albums „To Walk Upon The Wiccan Way“, Evgenyi „Nabahm“ Shestopalov, getrommelt hatte. Wie kam es zu diesem Projekt? Und wieso war es nur so kurzlebig?
Surtur: Als Evgenyi (a.k.a. Johnny) bei uns einstieg, hatte er schon einige Jahre mit einem Gitarristen namens Sören an einem Death Metal-Projekt herumgedödelt, bis auf ein paar Riffs, die sie immer und immer wiederkäuten, kamen die beiden aber irgendwie nicht zu Potte. Also hat Johnny mich irgendwann gefragt, ob ich nicht Bock hätte, als Sänger dort einzusteigen. Ich habe dann im Proberaum dafür gesorgt, dass die Arbeit der beiden etwas zielgerichteter wurde und aus der Ansammlung von Riffs auch mal echte Songs entstanden. Dann hab ich dem Kind einen Namen gegeben – eben Inanna Unveiled -, Gesangsmelodien entwickelt und Texte geschrieben. Daraufhin haben wir für kleines Geld das selbe Hinterhofstudio gemietet, in dem auch die ersten beiden Goat Of Mendes-Releases produziert wurden, und den ganzen Krempel aufgenommen. Johnny hat dann Kontakt zu Solistitium Records geknüpft, die die Scheibe veröffentlichten – er hat sie sogar soweit belabern können, dass sie davon eine Picture-LP veröffentlichten (um die mich Marco heute noch beneidet, hehe...). Ich bin heute noch ein bisschen stolz auf die CD, vor allem habe ich dafür einige der besten Lyrics meines Lebens verfasst. Leider kam es danach zu verschiedenen (Ego)-Problemen bezüglich der musikalischen und textlichen Ausrichtung der Band. Sören war der Gesang zu „zahm“ – er wollte mich dazu bringen, Chris Barnes-mäßig ins Mikro zu göbeln, was ich verweigerte. Gleichzeitig war Johnny schon seit langem auf dem Trip, kabbalistisch beeinflusste Lyrics haben zu wollen (übrigens auch bei Goat Of Mendes) und hat mich mit allerlei seltsamen Textergüssen zugeschmissen, die ich doch bitte verarbeiten solle. Habe ich natürlich nicht getan – ich steh da nicht hinter, es ist nicht meine Philosophie, und ich „singe“ auch nicht auf eine Art und Weise, die mir nicht zusagt (und definitiv nicht zu der Musik von Inanna Unveiled gepasst hätte). Es kam, wie es kommen musste: Die beiden haben mich gefeuert und versucht, mit Timo von Eternal Dirge unter dem Namen Chaossphere“ weiter zu machen. Herausgekommen ist dabei nicht viel (ich glaube ein Demo gibt es), jedenfalls hat Johnny danach mit Shining Of Kliffoth seinem Kabbala-Krempel auf zwei CDs gefrönt. Auch das bescherte ihm nicht den ersehnten Erfolg, so dass er danach (bis auf ein kurzes Gastspiel auf der ersten Deus Inversus) der Metalszene tatsächlich den Rücken gekehrt hat.
Daniel: Stimmt es eigentlich, dass Nabahm der Metalszene komplett den Rücken gekehrt und später Hip Hop- und Fusion-Kram gemacht hat? Wisst Ihr da etwas drüber? Und habt Ihr noch Kontakt zu ihm?
Surtur: Die Gerüchte stimmen! Er hat danach wirklich in einem Hip Hop-Projekt und einer Jazz-/Fusion-Kapelle mitgewirkt. Den Kontakt zu ihm habe ich weitestgehend verloren – ich habe ihn vor etwa fünf Jahren auf der Hochzeit eines gemeinsamen Freundes noch einmal wieder getroffen, aber da war von irgendwelchen musikalischen Ambitionen nicht mehr die Rede. Angeblich ist er jetzt als Käfigkämpfer in der Ultimate Fighting-Szene unterwegs. Schade eigentlich – er war zwar ein sehr anstrengender und eigenwilliger Charakter, der sich auch nur schwer in ein bestehendes Bandgefüge und Konzept integrieren konnte, aber definitiv ein überaus begnadeter Drummer und eine charismatische Persönlichkeit.
Daniel: Lasst uns noch einmal kurz zu Goat Of Mendes kommen! Bei eurem bislang letzten Album „Consort Of The Dying God“ handelt es sich um ein Konzept-Album. Worum geht es genau?
Surtur: Die Grundidee stammt von Maia, die sich schon lange mit der Mythologie und Religionsauffassung der Sinti und Roma beschäftigt hat. Die meisten Angehörigen dieser Volksgruppen bezeichnen sich selbst als Christen, wobei allerdings in ihrer Interpretation des christlichen Glaubens höchst interessante Aspekte weit älterer, heidnischer Religionen mitschwingen. Am 24. und 25. Mai jeden Jahres versammeln sich tausende Sinti und Roma in der Kirche „Saintes Maries de la Mer“ in Marseille, um dort einem Abbild ihrer Schutzheiligen Sara la Kali (die Schwarze Sara) zu huldigen. Dieses Abbild ist eine kleine Holzstatue einer dunkelhäutigen Frau in einfachen bis armseligen Gewändern, die das Jahr über in einer Grotte unterhalb der Kirche ausgestellt wird. Diese Höhle diente in vorchristlichen Zeiten übrigens einmal als Kultstätte zu Ehren der Erd- und Muttergöttin Kybele. An dem erwähnten Festtag wird diese Statue dann in einer großen Prozession geschmückt und durch die Stadt getragen. Der Legende nach war Sara eine afrikanische Prinzessin, die sich dem Gefolge von Jesus Christus anschloss und freiwillig in bitterster Armut lebte. Nach der Kreuzigung floh sie, zusammen mit Maria Magdalena und zwei weiteren Frauen (ebenfalls mit dem Namen Maria) in einer kleinen Nussschale aus Palästina und strandete in Südfrankreich, wo Maria Magdalena eine Tochter zur Welt brachte – die Tochter von dem sehr menschlichen und keineswegs göttlichen Jesus Christus. Sara war von nun an das Kindermädchen dieser Tochter, beschützte sie und die drei Frauen vor den Nachstellungen der Kirche (die die „Nicht-Göttlichkeit“ von Jesus Christus nicht publik werden lassen wollte) und sorgte durch Betteln für den Lebensunterhalt der Flüchtlinge auf ihrem Weg quer durch Frankreich nach Norden, der sich dann irgendwo auf den britischen Inseln verlor. Dass zumindest ein Körnchen Wahrheit hinter dieser Legende steckt, deutet sich in der Existenz vieler sogenannter „schwarzen Madonnen“ an, die sich insbesondere in Frankreich in vielen christlichen Kirchen befinden – also Darstellungen einer schwarzhäutigen „Maria“ mit einem Kind im Arm. Die Kirche hat immer wieder verschiedenste Ausreden für die Existenz dieser Darstellungen gefunden, ja, sich tatsächlich nicht entblödet, einige davon nachträglich weiß anzupinseln, aber dieses Paradoxon nie erschöpfend rechtfertigen können. Tatsächlich existiert diese Darstellung schon lange vor der Ausbreitung des Christentums in verschiedensten Kulturen, so z. B. in der ägyptischen Isis, die den neugeborenen Horus im Arm trägt, oder auch in der weniger bekannten Darstellung der hinduistischen Göttin Kali als Muttergottheit.Diese alten „heidnischen“ Mythologien vermischen sich im Glauben der Sinti und Roma auf höchst interessante Weise mit (ur-) christlichen Elementen, wie ja auch das, was heute als katholisches Christentum existiert, bekanntermaßen mit Elementen weit älterer Mythologien durchsetzt ist. Man denke z. B. an die katholischen Feiertage, die nahezu komplett ihren Ursprung in sogenannten heidnischen, vorchristlichen Religionen haben. Diese Vermischung geschah bewusst und aus machtpolitischen Gründen, als unter Kaiser Konstantin auf dem Konzil von Nicaea, die heutige Bibel aus denjenigen Evangelien und Schriftstücken zusammengestellt wurde, die sozusagen „ins Konzept passten“ - es ging nicht mehr und nicht weniger darum, ein zerfallendes römisches Weltreich, in das immer mehr Einflüsse von nicht-römischen Volksstämmen einsickerten, durch eine gemeinsame, generische Religion zu einen, in der sich jeder dieser Volksstämme auf die eine oder andere Weise „wiederfinden“ konnte. Mit all dem beschäftigt sich die Konzept-Geschichte von „Consort Of The Dying God“ - der Protagonist befindet sich in einer persönlichen Glaubenskrise und ist von dem, was ihm die Kirche bietet, einfach nur noch angewidert. Bei einem Besuch in Saintes Maries de la Mer, kommt er in Kontakt zu einer alten Zigeunerin, die ihm von Sara la Kali erzählt. Dies geschieht in Form einer Tarot-Legung – jede Karte der großen Arkanen repräsentiert einen bestimmten Aspekt der Geschichte. Hierbei haben wir das Konzept in zwei Teile geteilt, analog zu dem von der weisen Frau verwendeten Legesystem des „Keltischen Kreuzes“. Der erste Teil umfasst sechs Songs, in dem der Protagonist über die Geschichte der Sara erfährt, den alten Glauben, das Urchristentum, wie all dies aus politischen Gründen pervertiert wurde, und was dies letztendlich für die Zukunft bedeuten mag. Im zweiten Teil, bestehend aus den restlichen vier Songs, reflektiert unser Protagonist das Gelernte auf sein eigenes Leben, seinen bisherigen Glauben und seine Weltanschauung und beginnt sich zu hinterfragen. Er erkennt schließlich, dass wahre Spiritualität aus dem inneren selbst eines jeden Individuums stammt (oder stammen sollte), und nicht durch ein externes Ritual, Glaubensbekenntnis oder Dogma vorgegeben wird.
Daniel: Das Album liegt jetzt schon vier Jahre zurück. Warum vergeht bei Euch immer so viel Zeit zwischen den Alben? Und wie viel Zeit steckt Ihr überhaupt in die Band?
Surtur: Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen haben uns in kritischen Phasen der Bandgeschichte immer wieder plötzliche Besetzungswechsel zurückgeworfen. Jedes Mal, wenn neue Musiker in die Band kommen, fängt man quasi fast wieder von vorn an – man muss sich aufeinander einspielen, die „Neuen“ müssen erstmal alte Stücke lernen, bevor man sich an neues Material machen kann, und natürlich hat jeder Musiker einen eigenen Stil, der sich von dem seines Vorgängers unterscheidet. Auch darauf muss man sich einstellen und sich aufeinander einspielen, damit sich der Stil der gesamten Band nicht zu drastisch verändert. Der zweite Grund ist, dass wir nicht mehr alle in der selben Gegend leben, wie zu unseren Anfangszeiten. Marco z. B. lebt und arbeitet nun schon seit mehreren Jahren mit seiner Familie in München, während der Rest von uns zumindest noch in NRW geblieben ist. Deshalb kann man natürlich nicht jede Woche proben – Marco hat jedes Mal eine sechsstündige Anreise zu unserem Proberaum in Wuppertal. Außerdem hat jedes Goat Of Mendes-Mitglied der aktuellen Besetzung mittlerweile Kinder, die (bis auf meinen eigenen 15-jährigen Sohn) auch noch im Säuglings- oder Kleinkindalter sind, und dementsprechend auch viel Zeit in Anspruch nehmen. Wir proben deshalb nur etwa alle drei bis vier Wochen, dafür aber umso intensiver. Zum Glück gibt es ja mittlerweile durch das Internet und professionelle Studio-Software, genügend Möglichkeiten, auch über große Distanzen hinweg, Konzepte, Songideen und Kompositionen zu Hause zu erstellen und auszutauschen. Das tut jeder von uns aber in seinem jeweiligen Aufgabengebiet ausgiebig, so dass wir die gemeinsamen Proben dann auch möglichst effektiv nutzen können.
Daniel: Welche Zukunftspläne habt Ihr noch mit Goat Of Mendes?
Surtur: Da sind wir ganz bodenständig und bescheiden – wir würden uns freuen, noch einige Alben veröffentlichen zu können, die zumindest bei einer handvoll Leute auf Gegenliebe stoßen und auf die wir selbst, auch nach einigem Abstand, stolz sein können. Ich persönlich würde mich freuen, wenn wir irgendwann auch mal in der Lage sein werden, Vinyl von Goat Of Mendes veröffentlichen zu können – das wäre einfach das Größte. Ein paar mehr Live-Auftritte, besonders auf Festivals, wären auch nicht verkehrt.
Daniel: Na gut, Surtur! Das Schlusswort gehört Dir!
Surtur: Vielen Dank für das Interview und die interessanten Fragen – hat wirklich Spaß gemacht! Vielleicht haben wir dadurch ja auch den einen oder anderen Leser neugierig machen können, uns mal anzuchecken und mit uns in Kontakt zu treten – würde uns freuen!
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