Daniel: Hallo Mat! Erzähl uns doch zunächst einmal etwas über das neue Album „One Bullet Left“. Ich habe Eure Vorab-Single „Back On Trail“ gehört, die mich sehr an Thin Lizzy erinnert, was mir auf Euren alten Platten nie so sehr aufgefallen ist (außer natürlich bei Cover-Song „The Sun Goes Down“ auf „The Nature Of Evil“, hehe!). War das Absicht oder Zufall?
Mat: Hi Daniel, ich würde eigentlich mal das Gegenteil behaupten! Und das mache ich sehr gern und kann noch ein paar Songtitel aufzählen. Aber zuerst mal lieben wir die Musik und Harmonien, und Sinner war schon immer eine Band mit zwei Lead-Gitarristen, die miteinander gespielt haben. Und da sind die zweistimmigen Soli einfach für mich Pflicht. Ich gehe mal kurz durch die History und sage nur „Bad Girl“, „Faster Than Light“, „Hypnotized“, „Gypsy“, „Back In My Arms“, „Respect“, „The Biggest Lie“, „End Of Sanctuary“, „The Other Side“, „Heart Of Darkness“, „Conviction“ etc. Da gibt durch all die Jahre viele melodische Parallelen und das sind nur ein paar Songs.
Daniel: Wie kommt es eigentlich, dass ihr auf einmal drei Gitarristen habt? Das ist auch ein Novum bei Sinner, oder? Überhaupt hast Du wieder ein komplett neues Line-Up um Dich versammeln müssen. Warum?
Mat: Christof Leim ist seit 2006 in der Band. Also von „neu“ kann man da nicht sprechen. Alex Scholpp ist ein guter Freund von mir, und wir wollten schon immer etwas zusammen machen. Wie mit Andre Hilgers und bei Alex Beyrodt setzt er seine über 10-jährige Mitgliedschaft bei Sinner einfach nach einer Unterbrechung jetzt fort. Warum ist einfach erklärt: Es gab sehr Meinungsverschiedenheiten bezüglich anderer Projekte. Und das wirkte sich auch auf SINNER aus. Ich musste da leider konsequent sein und andere Wege gehen. So etwas ist immer schade, aber manchmal unvermeidbar…
Daniel: Ich habe gesehen, dass ihr nächstes Jahr auf dem Headbangers Open Air einen „Noise Records Set“ spielen werdet. Wie kam es dazu? War das Eure Idee oder die des Veranstalters? Nervt es Euch, dieses Set spielen zu müssen? Ihr habt schließlich gerade ein neues Album am Start…
Mat: Klar ist das eine Idee vom Veranstalter! Glaubst du, ich würde auf die Idee kommen? Aber wir werden da schon etwas Schönes basteln, da wir ja sowieso noch viele Songs dieser Phase auf der letzten Tour gespielt haben.
Daniel: Wie steht ihr eigentlich heute zu den vier Alben bei Noise Records? Bist Du noch komplett damit zufrieden? Oder gibt es auch Dinge, die Du heute nicht mehr machen würdest (bestimmte Songs oder die Artworks oder so)?
Mat: Die Artworks habe ich damals erst gesehen als die Platte fertig war. Das waren andere Zeiten. Da hat der Boss der Plattenfirma bestimmt, was auf dem Cover ist, und der Musiker musste es fressen. Glücklich war ich darüber überhaupt nicht; genauso wie uns den Produzenten der „Dangerous Charm“ aufs Auge zu drücken. Da sind heute leider die Demos noch viel besser als die finale Platte... Ja, so war die Zeit incl. der für heutige Verhältnisse unfassbaren Verträge. Aber man war jung, stolz bei Noise Records unter Vertrag zu stehen, und machte alles mit.
Daniel: Auf Eurem dritten Album „Comin´ Out Fighting“ (1986) habt ihr den Billy Idol-Song „Rebel Yell“ gecovert, den ihr auch vor ein paar Jahren in Wacken noch live gespielt habt. Der Song war seinerzeit nicht viel älter als das Album. Wieso habt ihr ihn aufgenommen? Damit aufgewachsen seid ihr ja nicht gerade, hehe…
Mat: Wir wollten einen Song covern, der nicht typisch Metal war und aus einer anderen Ecke kam. Wir spielen den Song heute noch, und die Fans haben überall Spaß. So schlecht kann die Idee damals nicht gewesen sein…
Daniel: Werdet ihr „Rebel Yell“ auch auf dem Headbangers Open Air spielen? Ich könnte mir vorstellen, dass viele Fans lieber Eurer eigenen Sachen hören würden…
Mat: Wir haben „Rebel Yell“ schon beim letzten Headbangers Auftritt gespielt, und ich mache mir gerade über diesen Gig keinen Kopf oder Gedanken. Das hat noch jede Menge Zeit. Da gibt es jede Menge anderer wichtiger Gigs!
Daniel: Werdet ihr den Gig eigentlich mitschneiden? Ich könnte mir vorstellen, dass viele Eurer Fans eine Live-CD/DVD von diesem Gig gerne haben würden, da ihr ja in den 80ern kein Live-Album gemacht habt. Euer einziges Live-Album kam ja erst 1996. Und das ist ja jetzt auch schon wieder eine Weile her…
Mat: Das ist nicht geplant. Und ich finde es auch keine gute Idee. Letztendlich gibt es aber über die Rechte der Songs und evtl. Wiederveröffentlichungen teilweise bizarre Umstände; wie Originaltapes verschwunden, verbrannt und was auch immer – jammerschade so etwas... Und die Rechte wurden über die Jahre x-mal weiterverkauft und sind jetzt, glaube ich, mittlerweile bei Universal. Vielleicht wäre es mal eine Idee wert, die zwölf interessantesten Songs neu aufzunehmen. Aber eine DVD vom Headbangers-Gig plane ich nicht.
Daniel: Oft gilt „Danger Zone“ als Euer Debüt-Album. Allerdings gab es zuvor schon zwei Alben („Wild´n´Évil“, 1982 und „Fast Decision“, 1983). Wieso sind die ersten beiden Alben denn so untergegangen? Kannst Du Dir das erklären?
Mat: Das waren Demos und keine Platten, die hier veröffentlicht wurden. Und „Fast Decision“ war nicht mal fertig aufgenommen. Damals wurden schon heftige Spielchen mit den Bands getrieben! „Danger Zone“ ist für mich noch immer die erste offizielle Veröffentlichung.
Daniel: Gibt es Pläne, diese beiden vergriffenen Alben vielleicht nochmal vernünftig zu veröffentlichen? Die LPs kosten auf Metal-Börsen mittlerweile ja richtig viel Geld…
Mat: Wie gesagt: Soweit ich informiert bin, liegen die Rechte bei Universal. Und ich habe keinen Plan, was die vor haben und die Platten gar nicht mehr verkaufen wollen, aber gleichzeitig mir die Rechte auch nicht zurückgeben. So ist das Musik-Business; für einen Fan sehr oft nicht nachzuvollziehen.
Daniel: Anfang der 90er gab es oft für 10 DM so Billig-Metal-Sampler auf CD (z. B. „European Metal Attack“), die überall in Elektrofachmärkten herumstanden. Da waren oft auch Songs vom zweiten Album drauf („Runnin´ Wild“ und „Fast Decision“). Hattet ihr damals die Rechte an den alten Sachen verloren? Oder wie kam das?
Mat: Mittlerweile ist das gerichtlich geklärt, dass die Rechte an den Aufnahmen und Songs wieder bei mir persönlich liegen. Lang hat´s gedauert. Aber ich habe das auch nicht als Priorität verfolgt, sondern habe meine Energie in wichtigere Projekte gesteckt.
Daniel: Zwischenzeitlich gab es ein Solo-Album von Dir („Back To The Bullet“, 1990). Mir persönlich bedeutet das Album eine Menge, da der Song „Tear Down The Wall“ auf dem „Hard´n´Heavy“-Sampler (1991 oder ´92) mein erster Berührungspunkt mit Sinner überhaupt war! Damals war ich 12. Auf dem Album haben nur Musiker gespielt, die auch alle einmal bei Sinner waren oder immer noch sind. Das Album war auch sehr rockig. Ich fand es total geil! Warum hast Du Dich damals dazu entschieden, es als Solo-Album zu veröffentlichen? Und wieso blieb es bis heute auch Dein einziges?
Mat: Schöne Story, gefällt mir! Ariola wollte ein Solo-Album von mir und hat mir einen guten Deal angeboten. Deswegen habe ich das Ding allein durchgezogen. Ich mag das Album heute noch!
Daniel: Gehen wir einmal weiter in der Geschichte. Ende der 80er kam es zu einem großen Umbruch bei Sinner: Zwischen „Dangerous Charm“ (1987) und „No More Alibis“ (1992) gab es fünf Jahre Pause (das Solo-Album einmal ausgenommen), einen Label- und einen Stilwechsel. Was war bei Euch los? Soweit ich weiß, hat die Band sich in der Zeit nicht offiziell aufgelöst.
Mat: Ich war mit der Solo-Produktion beschäftigt, und wir arbeiteten auch an einer zweiten Solo-CD. Aber ich bin da sehr spontan und habe mich dann dazu entschlossen, die Band wieder aufleben zu lassen, weil ich das gegenüber den Musikern fairer fand.
Daniel: Nach Eurem sehr rockigen – und auch sehr guten - Comeback-Album „No More Alibis“ (1992) habt ihr 1993 „Respect“ veröffentlicht. Wieso ist diese Scheibe eigentlich so soft ausgefallen? War das ein Schritt, den ihr damals bewusst eingeschlagen habt?
Mat: Auch wir hatten mit der Grunge-Welle zu kämpfen und fanden damals Bruce Springsteen spannender als Slayer. Und so ist dann auch die Platte ausgefallen. Das war auch ein Beispiel dafür, warum ich nach der Produktion einfach gelernt habe, Produktionen selbst in die Hand zu nehmen. „Respect“ kostete einen Haufen Geld und im Endeffekt war ich total unzufrieden mit Sound der CD.
Daniel: Auf „Respect“ habt ihr „Beds Are Burning“ von Midnight Oil gecovert, einen Song, der in den 80ern sehr populär war. Ich fand Eure Version sogar gut. Aber warum war ausgerechnet dieser Coversong mit der härteste Song des Albums? Magst Du Midnight Oil eigentlich persönlich? Oder war das nur ein Experiment?
Mat: Das war ein Experiment, das auch aus einer anderen Ecke kam. Aber man sollte immer wieder Sachen ausprobieren. Hinterher ist man schlauer, und ich finde den Song nicht unbedingt härter als „Respect“ selbst.
Daniel: Wieso habt ihr eigentlich „Knife In My Heart“ vom „Dangerous Charm“-Album auf „Respect“ noch einmal neu aufgenommen?
Mat: Weil wir eigentlich mit dem Song ganz andere Pläne hatten, als es im Endeffekt die Version, die final auf der „Respect“-CD drauf ist. Long Story, aber bringt nichts darüber jetzt noch zu philosophieren. Auf jeden Fall war das auch ein Grund für eine Neubesinnung.
Daniel: Eine Frage zwischendurch: Der Titelsong „Respect“ war ein Aufruf gegen Faschismus, wo ihr ein sehr ernstes Thema angeschnitten habt. Wie wichtig sind Dir Deine Texte allgemein? Hat sich da jemals etwas geändert von den 80ern über die 90er bis heute?
Mat: Gerade zu dieser Zeit war es wichtig, Flagge zu zeigen und solche Statements zum Thema der Lyrics zu machen. Ich fand´s richtig und stehe heute noch 100% dazu! Ansonsten kann ich nicht behaupten, dass sich in Sachen Lyrics etwas groß geändert hat…
Daniel: 1994 erschien eine Compilation mit dem Titel „Germany Rocks“. Ich habe neulich einmal bei Ebay geguckt und gesehen, dass das Album heute sogar recht teuer ist (immerhin 39 € Sofort-Kauf). Wie viele gab es denn davon, dass die CD heute solche Preise erzielt? Wieso wurde „Comin´ Out Fighting“ im Booklet eigentlich als „Comin´ Out Fishing“ angeführt? Ist das ein Insider gewesen; oder nur ein dummer Tippfehler vom damaligen Label?
Mat: Tippfehler vom Label – abgerechnet wurden von der CD 15.000, und das war´s wohl. Ist doch immer so, dass CDs, die es nicht mehr offiziell im Handel gibt, teilweise unglaublich viel Geld kosten. Deswegen sollten auch die älteren CDs noch immer verfügbar sein. Den Weg verfolge ich mit meiner derzeitigen Plattenfirma AFM und veröffentliche von Zeit zu Zeit immer wieder Re-Releases von CDs, deren Rechte bei mir liegen!
Daniel: Von Sinner gibt es mittlerweile einen ganzen Haufen Compilations („Germany Rocks“1994, „The Best Of Sinner – The Noise Years“; auch 1994, „Treasure – The Works 93-98“, „The Second Decade“ 1999, “Jump The Gun – The Collection” 2009 und die Japan-Doppel-CD “Emerald – The Very Best Of Sinner”). Warum? Handelt es sich dabei immer um offizielle Veröffentlichungen? Oder hängt das mit Euren ganzen Label-Wechseln zusammen, die mit Euch nochmal schnelles Geld verdienen wollen? Besitzt Du eigentlich persönlich alle Eure Compilations?
Mat: Das sind alles offizielle Veröffentlichungen und auch das Recht der Plattenfirma, solche Compilations zu veröffentlichen. Aber z.B. war „Jump The Gun“ eine Nuclear Blast-Idee mit einer dubiosen anderen Firma, die ich überhaupt nicht lustig fand…
Daniel: Ich weiß gar nicht, ob viele Fans das auch so sehen. Aber danach begann meine Lieblingsphase von Sinner: Die Ära von 1995 bis 2000. Ich finde, dass ihr in dieser Zeit Eure stärksten Alben veröffentlicht habt. Ich liebe „Bottom Line“, „Judgement Day“, „The Nature Of Evil“ und „The End Of Sanctuary“! Wie siehst Du diese Ära von Euch im Nachhinein?
Mat: Absolut positiv! Ich wollte unbedingt den Schalter umlegen und wieder mehr rocken, dazu die Platten selbst produzieren und volle Verantwortung übernehmen. Deswegen ist auch “Bottom Line” ein wichtiges Album in meiner Karriere. Das war der Knackpunkt. Wir haben zu dieser Zeit viel getourt, und die Band konnte sich toll entwickeln. Deswegen gab es auch diese durchweg klasse CDs, und der Wechsel zu Nuclear Blast hat uns auch gut getan, was die Promotion und die Möglichkeit Ideen umzusetzen anging.
Daniel: In den 90ern hattet ihr sehr viele Probleme mit Label-Wechseln. Ihr seid nach einem Album immer nur zum nächsten kleinen Labeln gewandert (Mausoleum Records, Koch Music, Arcade). Trotzdem hatte ich immer den Eindruck, dass ihr trotzdem wieder bekannter wurdet und wieder in der Szene Fuß fassen konntet. War das eine harte Zeit für Euch? Und wie viel musstet ihr für den Erfolg selber investieren?
Mat: Klar war es eine harte Zeit. Aber wir waren eine geile Band, gaben tolle Live-Shows und investierten selbst einen Haufen Geld in Tourneen. Das gab uns natürlich Auftrieb, und die Band war zu dieser Zeit eine gut geölte Maschine mit vielen ordentlichen Tourneen.
Daniel: Mit „The Nature Of Evil“ seid ihr dann bei Nuclear Blast gelandet, wo Du auch arbeitest, soweit ich weiß. Wie viel Einfluss hattest Du auf diese Entscheidung?
Mat: Keine, denn zu dieser Zeit war ich nicht angestellt. Nuclear Blast wollten Primal Fear und Sinner. Und die „Nature Of Evil“ war und ist eine verdammt starke Platte mit starken Songs.
Daniel: Wieso ist „The Nature Of Evil“ eigentlich als Doppel-CD erschienen? Von der Länge her hätten doch alle Songs locker auf eine CD gepasst…
Mat: Weil wir die CD stimmig und kompakt halten wollten. Die anderen drei Songs sollten dann nicht auf die CD kommen, und der Marketingchef meinte dann, dass man den Fans die Songs zugänglich machen muss, weil sie qualitativ geil sind – also gab´s den Kompromiss mit der Doppel-CD.
Daniel: Eure Live-CD „In The Line Of Fire“ kam ja direkt nach dem „Bottom Line“-Album. Hättet ihr es im Nachhinein nicht lieber erst nach „The Nature Of Evil“ herausgebracht? Da wart ihr doch größer als je zuvor, oder?
Mat: Den Zeitpunkt einer Live-CD perfekt zu bestimmen, ist immer schwierig. Für mich ist das alles in Ordnung.
Daniel: „The Nature Of Evil“ war viel Metal-lastiger als alle Eure anderen Alben, die sehr viel rockiger waren. Gleichzeitig bist Du auch bei Primal Fear eingestiegen. Ich finde, dass sich beide Bands damals nicht sonderlich voneinander unterschieden haben (bis auf den Gesang natürlich!). Aber sowohl Musik als auch Besetzung war schon sehr identisch…
Mat: „Naja, Sinner hat einen singenden Bassisten und einen Keyboarder. Primal Fear sind in der Ur-Form zu viert nur mit einem Gitarristen. Da gibt’s schon Unterschiede.
Daniel: Wo Du das gerade erwähnst: Da fällt mir noch glatt eine Frage zu Eurem Keyboarder Frank Rössler ein! Er spielt ja seit Anfang der 90er bei Sinner Keyboard, gehörte aber laut Eurer Booklets nie zum festen Line-Up. Warum nicht?
Mat: Doch, eigentlich schon. Der ist 100% von „No More Alibis“ bis „The End Of Sanctuary“ als Bandmitglied drauf – auch auf allen Bildern.
Daniel: Ich kenne mich zwar nicht mit Primal Fear aus, aber ich war einmal Ende der 90er auf einer Party, wo ein Song von „The Nature Of Evil“ lief, und ein Kollege von mir, der ein großer Primal Fear-Fan war, sagte: „Alter, geil! Primal Fear!“ Ich schaute ihn fragend an, und er hat mir tatsächlich später diesen „Primal Fear-Song“ (oder vielleicht doch „Sinner-Song“, hehe!) vorgespielt. Ich weiß leider auch nicht mehr, welcher Titel das war. War Dir das damals egal, dass beide Bands, in denen Du damals aktiv warst, denselben Song mit unterschiedlichen Texten veröffentlicht haben; und das auch noch ziemlich zeitgleich?
Mat: Ui, da liegst du aber zeitlich ganz daneben. „A Question Of Honor“ wurde 1998 von Sinner veröffentlicht und wir machten ein Remake mit Primal Fear 2005 auf dem „Seven Seals“-Album, weil wir alle den Song so geil fanden und Ralf ihn unglaublich gut singt – übrigens mit 100% identischem Text. Alles andere würde mich doch sehr wundern...
Daniel: Ich könnte mir vorstellen, dass SINNER deswegen mit „The End Of Sanctuary“ wieder rockiger wurden, damit man beide Bands endlich wieder strikt voneinander getrennt werden konnten. Siehst Du das auch so?
Mat: Klar, das war der Plan, dem ich aber etwas später leider wieder untreu wurde!
Daniel: Ihr habt nach drei Alben bei Nuclear Blast („The Nature Of Evil“, „The End Of Sanctuary“ und „There Will Be Execution“) doch wieder das Label gewechselt und seid jetzt bei AFM. Da Du ja bei Nuclear Blast arbeitest, stellt sich mir natürlich die Frage, warum? Hast Du Dich von Leuten, die dort über Dir stehen/standen, unter Druck gesetzt gefühlt? Oder gab es dafür andere Gründe?
Mat: Ich bin seit März 2006 selbständig. Und deswegen war es auch zu diesem Zeitpunkt richtig, alles straight voneinander zu trennen.
Daniel: Euer letztes Album bei Nuclear Blast war „There Will Be Execution“ (2003). Auch hier war – genau wie bei “The Nature Of Evil” – eine Bonus-CD dabei. Auch hier hätte alles auf eine CD gepasst, zumal „Troublemaker“ ja schon auf „Judgement Day“ (1997) und „Roses Of Yesterday“ auf „Bottom Line“ (1995) enthalten waren. Wieso waren die beiden Songs auf dieser Bonus-CD?
Mat: Die Idee mit der Bonus-CD kam von der Plattenfirma, und diese Songs haben mit der „Execution“-Produktion nichts zu tun.
Daniel: Aber viel mehr wundert mich, dass ihr mit „Wherever I May Roam“ einen recht neuen Metallica-Song von 1991 auf diese Bonus-CD gepackt habt. Wieso gerade den? Bei alten Bands denkt man doch immer, dass die nur alte Songs covern, mit denen sie selbst aufgewachsen sind…
Mat: Der Song wurde für einen Metallica-Tribute-Sampler produziert, den Nuclear Blast veröffentlicht hat – also war stand er zur Verfügung, und ich finde die Version auch stark.“
Daniel: 2007 war nicht nur das Album, in dem das großartige „There Will Be Execution“ erschien, sondern auch das einzige Album Deines Projektes Goddess Shiva, die es noch vor Sinner gegeben haben soll (1980 aufgelöst). Wie kam es zu diesem Spätzünder? Musikalisch klang es ja eigentlich auch wie Sinner.
Mat: Das war unsere Schülerband, die früher zwei Anläufe unternahm, eine Platte zu produzieren, aber nie damit zufrieden war. Also haben wir unsere Jugendband damit angeschlossen, unsere Songs aufzunehmen und zu releasen.
Daniel: Ein weiteres Projekt aus der Zeit ist Voodoo Circle, das Du 2008 mit Alex Beyrodt (ebenfalls Sinner und Primal Fear) gegründet hast. Du scheinst nur noch auf bestimmte Musiker zurück zu greifen. Wo liegen für Dich die Unterschiede zwischen Sinner und Voodoo Circle? Und erzähl auch einmal gleich etwas über Euer neues Album „Broken Heart Syndrome“, wo wir gerade einmal dabei sind!
Mat: Voodoo Circle ist Alex´ Band. Er hat Primal Fear seit der Gründung der Band immer wieder auf Tourneen ausgeholfen und war immer für uns da. Deswegen war es der richtige Zeitpunkt, Alex etwas zurückzugeben und ohne großes Blabla oder Kompetenzbestimmungen bei Voodoo Circle einzusteigen. Musikalische Unterschiede – oha, die sind doch krass – ein Gitarrist, Deep Purple, Rainbow, Blues, Hendrix und auf der anderen Seite Hardrock mit zwei oder gar drei Gitarristen, keine Keyboards mehr. Deswegen mache ich ja beide Bands, weil es für mich große musikalische Unterschiede im Bereich Hard-Rock sind. „Broken Heart Syndrome“ enterte in Deutschland auf Platz 64 der Album-Charts und war für mich die größte Überraschung überhaupt. Dieser Erfolg kam total überraschend. Aber ist es ist ein total geiles Album.
Daniel: Ich habe Primal Fear Ende der 90er einmal in Bochum mit Sinergy live gesehen, Euch aber danach komplett aus den Augen verloren. Ich habe neulich recherchiert und war überrascht, dass es da auch schon acht Studio-Alben gibt?! Woher nimmst Du die ganze Zeit, Sinner, Primal Fear, Goddess Shiva und Voodoo Circle unter einen Hut zu bringen, wo Du doch offiziell sogar auch noch berufstätig bist, hehe?
Mat: Ich bin seit 2006 Vollprofi und teile mir meine Zeit genau ein. Meistens... Goddess Shiva kostete mich nur die Zeit der Aufnahmen. Alle anderen drei Bands bereiten mir sehr viel Spaß. Und das bekommt man sehr gut unter einen Hut, auch wenn es manchmal zeitlich eng wird. Aber ich produziere und schreibe ja auch noch für andere Künstler und habe mit Rock Meets Classic jeden Januar eine recht zeitaufwendige Tournee ins Leben gerufen, die ich mittlerweile zum dritten Mal durchgeführt habe.
Daniel: Stimmt das Gerücht eigentlich, dass ein Primal Fear-Riff auf einem Bullet For My Valentine-Album gelandet ist?? Hast Du diesen Bullet For My Valentine-Song einmal gehört? Ist an diesem Gerücht etwas dran?
Mat: Klar, viele Fans wollten auch, dass wir die Band verklagen, und es gab sogar einen zweiten Song, der ein fast identisches Primal Fear-Riff verwendet, aber Deckel drauf, ich hab keinen Bock auf Zoff, und ich finde die Band nicht so sehr schlecht. Wer sich die Riffs von „Evil Spell“ und „Rollercoaster“ anhört und dann vergleicht, wird schon Ähnlichkeiten finden!
Daniel: Kommen wir noch einmal kurz zu Primal Fear: Du kennst Ralf Scheepers doch mit Sicherheit schon seit den 80ern aus alten Tyran´ Pace-Zeiten, oder? Gab es damals schon Ideen, gemeinsam Musik zu machen? Oder hat sich das wirklich erst Ende der 90er so entwickelt?
Mat: Ja, wir trafen uns zweimal und wollten etwas zusammen starten, aber die Zeit war eben noch nicht reif dafür!
Daniel: Von Ralf Scheepers gibt es auch jetzt ein brandaktuelles Solo-Album (Scheepers - „Scheepers“, 2011), Für mich klingt es eigentlich genauso wie Primal Fear. Hat er tatsächlich dieses Mal alles alleine eingespielt? Oder hast Du da auch noch nebenbei ausgeholfen?
Mat: Ich habe die Platte produziert, und es sind viele Songs drauf, die wir über die Jahre für Ralf gesammelt haben. Und im Endeffekt habe ich ihn beraten, aber er hatte natürlich schon das letzte Wort! Es ist Ralfs Solo-Platte, und so etwas muss auch der Produzent akzeptieren. Allein eingespielt hat er die Platte nicht. Drums hat Snowy Shaw gespielt, Bass ich selbst, Gitarren haben Sander Gommans und Magnus Karlsson gespielt, und die die Lead-Gitarren wurden neben diesen beiden von Kai Hansen, Victor Smolski, Metal Mike und Alex Beyrodt eingespielt. Und Ripper Owens singt ein geiles Duett mit Ralf!
Daniel: Kommen wir einmal kurz zu Alex Beyrodt, der ja bereits von 1990 bis 2000 in der Band war und 2010 zu Sinner zurück gekehrt ist. Wieso hat er sich denn überhaupt 10 Jahre Auszeit bei Sinner genommen? Lag das daran, dass er in der Zwischenzeit Silent Force gegründet hat? Soweit ich weiß, gibt es die Band ja auch heute noch...
Mat: Manchmal tun diese Breaks einer musikalischen und privaten Freundschaft ganz gut. Im Moment machen wir viele Bands und Projekte zusammen und verstehen uns blendend – so darf es auch ruhig bleiben.
Daniel: Na gut, noch einmal kurz zur jüngeren Vergangenheit von Sinner: „Crash & Burn“ (2008) gab es endlich wieder auf Vinyl (das erste Mal seit Deinem Solo-Album von 1990, wenn ich mich nicht irre…). Wie wichtig ist Dir das alter Hase in der Szene? Wird es von „One Bullet Left“ auch wieder eine Vinyl-Version geben?
Mat: Es ist schön, aber die finale Entscheidung muss ich der Plattenfirma überlassen. Die müssen die verkauften Stückzahlen gegenüber dem Aufwand beurteilen.
Daniel: Wie kommt es eigentlich, dass der Bandname Sinner von Anfang an auch Dein Nachname als Musiker geworden ist? Hast Du einen ganz bestimmten, persönlichen Bezug zu diesem Namen?
Mat: Ich musste den Namen rechtlich schützen, und das war damals der einfachste Weg, mir den Namen als Künstlernamen offiziell eintragen zu lassen.
Daniel: Welche Zukunftspläne stehen über kurz oder lang mit SINNER und all Deinen anderen Bands und Projekten aus?
Mat: Die neue Primal Fear-CD „Unbreakable“ ist die erfolgreichste Veröffentlichung der Bandgeschichte und neben Deutschland (auf Platz 31) in sechs (!) weiteren europäischen Album-Charts, plus in Japan und USA gechartet. Die Tour steht an, und die wird sich über das ganze Jahr erstrecken und uns fast in alle Kontinente führen. Dann werden wir bis zum Sommer eine neue Voodoo Circle-Platte produzieren, und dann sieht man weiter. Eine neue Sinner-CD sehe ich für 2014, wenn ich wieder genügend Ideen für ein tolles Konzept habe. Diesmal soll es wieder etwas exklusiver ausfallen.
Daniel: Eine Frage interessiert mich noch, weil ich im Ruhrpott - ca. 50 km von Gelsenkirchen entfernt - wohne: Stimmt es, dass Du Schalke 04-Fan bist? Wie kommt denn das? Du wohnst doch in Stuttgart, und der VfB hat doch auch Tradition.
Mat: Ich bin Schalke-Mitglied seit 20 Jahren. Und wenn man infiziert ist, dann ist es wirklich egal, wo man wohnt. Und mit dem VfB habe ich überhaupt nichts am Hut.
Daniel: OK, Mat! Du bist nun von diesem Marathon erlöst, hehe! Die letzten Worte gehören Dir!
Mat: Also, ich will erst mal den Fans danken, dass ich mit meinen Bands und Projekten so viel positive Rückendeckung in den vergangenen zwei Jahren bekommen habe, und dadurch auch verdammt Spaß habe an meinem Job. Ich hoffe, dass viele von Euch den Weg auf die Primal Fear-Tour finden werden und mit uns abfeiern!
Und hier noch schnell die Internetseiten der Band:
http://www.myspace.com/sinnerofficial
http://www.facebook.com/matsinnerofficial