PRIMAL FEAR - Die Plattenfirmen haben sich um uns gekloppt


Mat Sinner hat immer alle Hände voll zu tun. War er zuletzt viel mit Sinner, Voodoo Circle oder Rock Meets Classic unterwegs und hat neue Alben mit Kiske/Somerville und Level 10 in den Startlöchern. Es steht auch bald wieder eine neue Primal Fear an. Wie er das alles unter einen Hut bringt, warum er bei all seinen Bands und Projekten oft auf dieselben Musiker zurückgreift und vieles mehr, erfahrt ihr in dem dritten Interview, was ich bereits mit Mat Sinner führe, während ich seine Band und seine kurze Solokarriere bereits abgehandelt habe. Los geht’s!

primal fearDaniel: Hallo Mat! Na, alles klar? Fangen wir mal ganz vorne an: Wie kam es 1997 zur Gründung von Primal Fear? Und wie habt Ihr zusammengefunden?

Mat: Ralf war bei Gamma Ray raus. Wir haben dann ein paar Songs geschrieben und ein Demo aufgenommen, um zu sehen, ob die Zusammenarbeit Sinn macht. Es hat sehr viel Spaß gemacht, und wir haben die Recordings von vier Songs zu unserer Plattenfirma nach Japan geschickt, ein tolles Angebot bekommen und Primal Fear war geboren.

Daniel: Stimmt es eigentlich, dass sich Ralf Scheepers als Sänger bei Judas Priest beworben hatte und direkt hinter Tim „Ripper“ Owens im Casting auf Platz zwei landete? Oder ist das nur ein Gerücht, dass ich irgendwo mal aufgefangen habe?

Mat: Erstes kann ich aus meiner Sicht bestätigen, zweites kann ich nicht bestätigen. Es fand auch kein „Casting“ statt, aber mehr kann nur Ralf berichten. Auf jeden Fall verstehen sich beide Bands super.

Daniel: Man hatte ja am Anfang das Gefühl, dass Primal Fear nur ein Sinner-Ableger waren, denn schließlich gehörten neben Dir auch noch Tom Naumann und Klaus Sperling zur Urbesetzung. Auch Henny Wolter und Randy Black stiegen später bei Primal Fear ein. War Primal Fear für Dich zunächst nur ein Projekt, oder immer schon eine richtige Band? Und hättest Du gedacht, dass Primal Fear über Jahre hinweg so erfolgreich werden würden?

Mat: Ich hatte überhaupt keine Ziele oder Erwartungen. Es war lediglich unser Wunsch, gemeinsam die Musik zu machen, die wir lieben, ohne Druck oder Vorgaben von Externen.

Daniel: Haben Primal Fear Sinner eigentlich mittlerweile als Deine Hauptband abgelöst? Fünfzehn Sinner-Alben seit 1984 stehen mittlerweile immerhin zehn (bald elf) Primal Fear-Alben seit 1997 gegenüber. Und mit Sinner bist Du ja in den letzten Jahren deutlich kürzer getreten...

Mat: Ganz klar ja, aber das ist für mich schon seit Jahren kein Thema. Sinner ist mein Urlaub und eine andere Art Rockmusik auf hohem Level mit super Musikern weiterhin zu verwirklichen, aber Primal Fear hat seit 15 Jahren Priorität. Somit muss man auch das Wort mittlerweile etwas relativieren.

Daniel: Nicht nur von der Besetzung her, sondern auch musikalisch gesehen, gab es am Anfang aber schon viele Parallelen zwischen beiden Bands. Das Sinner-Album „The Nature Of Evil“, das 1998 erschien, war viel metallischer als früher und unterschied sich von Primal Fear ja eigentlich nur im Gesang. Oder würdest Du mir da widersprechen?

Mat: Nein, da widerspreche ich nicht und „There Will Be Execution“ war noch näher an Primal Fear, so dass ich die Notbremse gezogen habe und mit Sinner einen anderen Weg eingeschlagen habe, der zurück zu den Wurzeln der Band geht.

Daniel: Um die Verwirrung noch etwas anzustacheln, gab es ja von Primal Fear 2005 auch die Neuaufnahme des Sinner-Songs „A Question Of Honour“...

Mat: Das sollte niemanden verwirren, sondern wir wollten den Song mit Ralf machen und standen 100% hinter der Idee. Wir haben auch in den Primal Fear-Anfangstagen „Used To The Truth“ von Sinner im Live-Programm gehabt.

Daniel: Sinner sind stark von Thin Lizzy und Primal Fear von Judas Priest beeinflusst. Wo liegen denn für Dich noch genau die Unterschiede zwischen Sinner und Primal Fear, sowohl musikalisch als auch textlich?

Mat: Für mich sind das zwei ganz verschiedene Baustellen. Sinner spielen traditionellen Rock mit Texten aus dem Leben, Primal Fear machen puren Metal mit den dementsprechenden Texten. Sinner-Musik basiert primär auf den Melodien, Primal Fear Musik auf den Gitarrenriffs.

Daniel: Du hast, soweit ich weiß, zur Zeit des Primal Fear-Debüts bei Nuclear Blast gearbeitet, wo das Album erschien. Seid Ihr also über „Vitamin B“ an den Plattenvertrag gekommen? Oder lief das unabhängig voneinander ab?

Mat: Blödsinn, schwach recherchiert und stimmt nicht! Die Plattenfirmen haben sich um uns gekloppt. Durch den Japan-Vertrag waren wir unabhängig, aber Markus Staiger hat uns überzeugend klar gemacht, dass Nuclear Blast für Primal Fear der richtige Partner ist. Und die Erfolge des ersten Albums geben ihm recht! Ich habe erst ca. anderthalb Jahre nach dem Release des ersten Primal Fear-Albums bei NB angefangen!

Daniel: Was ist denn eigentlich an dem Gerücht dran, dass Ralf Scheepers bei Nuclear Blast als Staplerfahrer arbeitet? Oder ist das auch Blödsinn?

Mat: Bullshit! Ralf ist von Beruf Elektroniker, und bevor er sich auf die Musik konzentriert hat, war er bei Bosch beschäftigt. Tom Naumann war bei Nuclear Blast im Vertrieb beschäftigt, aber nicht auf dem Stapler!

Daniel: Ein Kollege von mir erzählte mir neulich übrigens, dass er von Primal Fear nur jedes zweite Album mag (das erste, das dritte, das fünfte usw.). Kannst Du das nachvollziehen? Wart Ihr wirklich auf jedem zweiten Album etwas experimenteller oder weniger gradlinig?

Mat: Nee, kann ich nicht nachvollziehen, möchte ich aber auch nicht kommentieren!

Daniel: Ich bin immer davon ausgegangen, dass „Seven Seals“ (2005) Euer siebtes Album ist; tatsächlich ist es aber erst das sechste. Wie kam es denn dazu? Habt Ihr die vorhergegangene EP „Horrorscope“ (2001) mitgezählt? Hattet Ihr Euch vertan oder einfach gar nicht darauf geachtet?

Mat: Ich glaube, wir können alle mindestens bis Sieben zählen… „Seven Seals“ ist das Konzept hinter dem Album und hat nichts mit einer Anzahl an Alben zu tun; deswegen nicht relevant.

Daniel: 2006 erschien „The Very Best Of Primal Fear“. Warum? Lag es an der Trennung von Nuclear Blast? Oder gab es da andere Gründe für?

Mat: Erstes: Nuclear Blast wollten eine Best Of und haben sie bekommen.

Daniel: Bist Du denn der Meinung, dass dort wirklich Eure allerbesten Songs drauf gelandet sind? Und hattet Ihr überhaupt ein Mitbestimmungsrecht bei der Veröffentlichung und der Songauswahl?

Mat: Ja, ich glaube, ohne unsere Mitwirkung wäre der Release eine Mogelpackung geworden und dadurch, dass wir mitgearbeitet haben, wurde es halbwegs erträglich.

primal fearDaniel: Ich habe neulich gelesen, dass Ihr mit Primal Fear erst kürzlich im Studio wart. Das letzte Album „Delivering The Black“ ist aber erst knapp ein Jahr alt. Warum ging es dieses Mal so schnell? Oder sind einige Songideen noch vom letzten Album übrig geblieben?

Mat: Wir schreiben grundsätzlich immer neue Songs und wärmen keine alten Ideen neu auf. Wir werden am 29.01.2016 eine neue CD veröffentlichen, die dann genau zwei Jahre nach „Delivering The Black“ raus kommt. Das ist unser regulärer Ablauf.

Daniel: Gibt es eigentlich von allen bisherigen zehn Primal Fear-Alben eines, das Du besonders gerne oder im Nachhinein vielleicht auch nicht mehr so besonders magst?

Mat: Für mich haben alle Primal Fear-Alben zu ihrer Entstehungsphase ihre Berechtigung und Gründe, warum sie so ausgefallen sind. Klar habe ich Favoriten, aber grundsätzlich kann mit jedem Primal Fear-Album sehr gut leben und bereue nichts.

Daniel: Wie bekommst Du Deine ganzen Bands eigentlich alle unter einen Hut? Du warst mit Rock Meets Classic unterwegs und hast ein neues Primal Fear-Album veröffentlicht, im Januar dieses Jahres erschien das Level 10-Debüt „Chapter One“, letzten Monat das zweite Kiske/Somerville-Album, dann warst Du mit Primal Fear im Studio, eine Woche mit Voodoo Circle in Spanien auf Tour und mit Sinner auf dem Rock Hard Festival. Setzt Du da Prioritäten? Läuft das unter dem Motto „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“? Wie machst Du das?

Mat: Ich setze Prioritäten und versuche, in einem Zeitfenster ganz fokussiert für eine Band oder ein Projekt zu arbeiten, ohne Ablenkung. Dann geht das!

Daniel: Kannst Du, bei den zahlreichen Bands und Projekten derzeit, eigentlich von Deiner Musik leben? Den Anschein macht es ja...

Mat: Ja!

Daniel: Du bist ja ständig irgendwo unterwegs. Hat man als viel beschäftigter Berufsmusiker überhaupt noch so etwas wie ein Privatleben?

Mat: Ja, kann man haben. Man muss sich nur zwingen, das zu kapieren!

Daniel: Was ebenfalls auffällt, ist Deine „Never Change A Winning Team“-Einstellung: Du spielst mit Alex Beyroth parallel zusammen in fünf Bands: bei Primal Fear, Sinner, Voodoo Circle, Silent Force und Level 10, mit Magnus Karlsson zusammen bei Primal Fear und Kiske/Somerville. Randy Black, der auch mal bei Primal Fear war, spielt ebenfalls bei Level 10. Hast Du da nicht Angst, dass Ihr Euch ständig wiederholt?

Mat: Ich arbeite gerne mit Musiker zusammen, die flexibel sind und auf die ich mich 100% verlassen kann. Ich habe diesbezüglich schon sehr viele schlechte Erfahrungen gemacht. Solange sich die Produktionen immer unterschiedlich anhören und auf den Hauptkünstler fokussiert sind, passt für mich alles. Ist alles Geschmacksache, aber bislang bin ich mit der Trennung der einzelnen Produktionen und Künstler einverstanden und will auch so weitermachen! Ich habe mit Magnus so viele Songs zusammen geschrieben, und wir haben immer noch neue Ideen und musikalisch sehr flexible Ideen in der Rockmusik, dass es wirklich Spaß macht und immer wieder eine große Herausforderung ist.

Daniel: Michael Kiske hat sich vor Jahren von der Metalszene distanziert, dann aber mit Kai Hansen Unisonic gegründet. Wie kommt es, dass auch Du jetzt mit ihm Metal bei Kiske/Somerville machst? Hat er Dich gefragt oder wie kam das zustande? Und kennst Du ihn noch aus alten Helloween-Tagen?

Mat: Ich kenne Michael schon länger, aber die Idee zu diesem Projekt hatte Serafino Perugino, der Präsident von Frontiers Records. Er fragte mich, ob ich das Projekt als Produzent und Songwriter steuern will, und mich hat die Aufgabe gereizt. Und ich bin richtig stolz auf unsere Zusammenarbeit.

Daniel: Wie kommt es eigentlich, dass Du mit Level 10 noch eine weitere Band ins Leben gerufen hast? Und wie bist Du mit Symphony X-Frontmann Russell Allen in Kontakt gekommen, der dort singt? Bist Du ein großer Fan von Symphony X und wolltest immer schon mal was mit ihm machen?

Mat: Level 10 ist keine Band, sondern ein Projekt von mir und Russell Wir kennen und mögen uns und haben sehr lange an diesem Album gearbeitet. In welcher Form Level 10 weitergeführt wird, wird sich nächstes Jahr zeigen. Aber das Projekt war nie für eine Tournee geplant, sondern nur für das Studio.

Daniel: Findest Du nicht, dass Deine Hauptband Sinner bei all den Projekten etwas zu kurz kommt? Oder ist Dir das nicht so wichtig?

Mat: Ich bin in der glücklichen Situation, Entscheidungen für mich selbst zu treffen und dazu stehe ich auch. Vielleicht teilweise ein Kompromiss, aber Sinner spielen immer wieder Konzerte und Festivals und es wird 2016 wieder ins Studio gehen.

Daniel: Beim Wühlen in Deiner Vergangenheit bin ich noch auf ein Album gestoßen, die mir gar nichts sagte, und zwar „Until The Bitter End“ von Rick Renstrom aus Florida, einem White Metal-Projekt. Wie kam es dazu? Und konntest Du Dich mit dem christlichen Konzept der Texte anfreunden? Oder war Dir das egal?

Mat: Ich gehöre keiner Religion an, aber das hat ja nichts damit zu tun, mit Musikern zusammenzuarbeiten. Ich habe großen Respekt vor Rick und seiner Limitierung und was er daraus gemacht hat. Dazu war mein Freund Rob Rock auch an dem Album beteiligt, und deswegen war ich am Start. „Calling For Vengeance“ ist nach wie vor ein großartiger Song!

Daniel: Kommen wir mal zu Ralf Scheepers: In den frühen Neunzigern gab es in Elektrofachmärkten immer diese Billig-Sampler, wo unter anderem auch alte Tracks von Sinner und Tyran´ Pace drauf waren. Kanntet Ihr Euch in den Achtzigern schon? Und hast Du seine Karriere bei Tyran´ Pace und Gamma Ray zuvor immer schon verfolgt?

Mat: Wir kommen aus der gleichen Gegend und sind uns immer wieder mal über den Weg gelaufen. Wir waren aber beide Sänger. So etwas kann man schwer unter einen Hut bringen.

primal fearDaniel: Weißt Du eigentlich, ob Tyran´ Pace mal eine Reunion starten wollen? Das scheint ja im Moment bei alten Bands zur Tradition zu werden...

Mat: Nein...

Daniel: Es gab ja bereits einmal eine Tyran´ Pace-Reunion: 1998 veröffentlichten sie das Comeback-Album „Take A Seat In The High Row“, allerdings ohne Ralf Scheepers am Gesang. Lag es daran, dass Primal Fear im selben Jahr ihr Debüt veröffentlichten? Oder wurde Ralf gar nicht erst gefragt? Weißt Du da was?

Mat: Nein, kann ich dir nichts dazu sagen...

Daniel: Der erste Tyran´ Pace-Schlagzeuger Ralf Schulz, war ja auch mal Schlagzeuger bei Sinner (1984 auf „Danger Zone“). Er verstarb 2014 mit nur 49 Jahren... Weißt Du woran? Und hattest Du noch bis zum Schluss zu ihm Kontakt?

Mat: Ralf war mein Freund und alles andere gehört nicht in die Öffentlichkeit...

Daniel: Ralf Scheepers hat ebenfalls ein neues Projekt aus der Taufe gehoben: Blackwelder; ebenfalls eine Power Metal-Band, die erst im April ihr Debüt „Survival Of The Fittest“ veröffentlicht hat. Hast Du das Teil schon gehört?

Mat: Ich glaube nicht, dass Ralf der Initiator ist, sondern jemand anderes. Ich möchte dazu auch nicht mehr sagen. Gehört habe ich die CD auch nicht.

Daniel: Was kommt in naher bis ferner Zukunft alles von Dir auf uns zu? Eine große Primal Fear-Tour? Nochmal „Rock Meets Classic“? Ein neues Sinner-Album? Bitte klär uns auf!

Mat: Das neue Voodoo Circle-Album „Whiskey Fingers“ kommt am 27.11.2015, das neue Primal Fear-Album „Rulebreaker“ kommt am 29.01.2016. Die Tour startet in Europa am 05.02.2016 und führt uns neben Europa auch nach Nordamerika, Japan und Südamerika. „Rock Meets Classic“ wird im März/April wieder stattfinden u. a. mit Joey Tempest von Europe, Steve Walsh von Kansas, Doro, Thin Lizzy, Midge Ure etc etc... Genug schöne Aufgaben und viel Rock ’n' Roll in 2016!

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Autor: Daniel Müller