Daniel: Hallo Rick! Erzähl uns zum Einstieg einmal etwas über Euer neues Album „Circle Of 8“, das kürzlich erschienen ist! Wird es auch eine Vinyl-Version geben?
Rick: Nachdem wir „Fear“ 2009 bei Rusty Cage Records veröffentlicht hatten, war uns sofort klar, dass wir ein vollständiges Studio-Album nachlegen mussten. Wir haben also zwischen den Touren neue Songs geschrieben, sind ins Studio gegangen, waren wieder auf Tour, haben Songs neu arrangiert, sind erneut ins Studio gegangen und haben dann „Circle Of 8“ innerhalb von 14 Monaten mit Produzent Jack Nobelen von Horizon aufgenommen. Während der Aufnahmen haben RCR jedoch aufgehört. Wir haben jedoch mit den Aufnahmen weitergemacht. Wir wussten einfach, dass wir ein gutes Album in der Hinterhand hatten. Glücklicherweise waren Metal Blade sofort an unserem neuen Material interessiert und haben „Circle Of 8“ im November 2011 veröffentlicht. „Circle Of 8“ ist unser härtestes Album bisher, und enthält elf brandneue Songs und eine Neuaufnahme von „Speed Of Samurai“, das wir bereits 1983 geschrieben hatten und auf unserem Debüt-Album „For The Universe“ enthalten war. Es ist der Lieblingssong unserer Fans. Es kann sein, dass noch eine Vinyl-Version von „Circle Of 8“ folgt. Aber wir konzentrieren uns erst einmal auf diese CD von Metal Blade Records.
Daniel: In den 80ern erschienen zwei offizielle Demos: „If It´s Too Loud, You´re Too Old“ (1982) und „Metal Torture“ (1983). Bevor Ihr zwei richtige Alben veröffentlicht habt: „For The Universe“ erschien 1984 und „Darkness At Time´s Edge“ 1985. Wie seid Ihr damals an den Deal gekommen?
Rick: Es gab tatsächlich noch ein drittes Demo mit dem Titel “For The Universe”. Es war einfach so, dass Martyr als die vielversprechendste holländische Metal-Band angesehen wurde und zu der Zeit sehr viele Demo-Kassetten verkauft wurden. Something Boudisque, ein sehr bekannter Plattenladen in Amsterdam, haben unsere Demos auch verkauft. Und sie haben uns gefragt, ob wir bei ihrer Plattenfirma Megaton unterschreiben wollten. Das haben wir natürlich auch gemacht und somit das bereits erwähnte „For The Universe“ veröffentlicht. Als der A&R-Manager Megaton verließ und ein neues Label namens Metalloid Records gründete, sind wir einfach mitgezogen. Wegen des großen Erfolges von „For The Universe“ gab es für ihn keinen Zweifel, auch unser zweites Album „Darkness At Time’s Edge” darüber zu veröffentlichen.
Daniel: Welche Bands haben Euch beeinflusst? Und haben sich Eure Einflüsse - verglichen mit Euren Anfangstagen - heute verändert?
Rick: Als wir in den 80ern angefangen haben, dachten alle, dass unsere Haupteinflüsse Metallica, Iron Maiden und andere größere Bands waren. Aber das stimmt nicht! Sie kamen alle aus dem Underground! Marytr war immer eine Band, die nach neuen Metal-Bands sowie verschiedenen Stilen und Techniken gesucht hat. Das haben wir auch innerhalb der Band immer versucht. Unsere Haupteinflüsse waren alte Queensryche (“Queen Of The Reich”-EP), Satan Jokers aus Frankreich, X-Ray aus Japan, Mercyful Fate und Warlord (US). Zwischen damals und heute haben wir natürlich viele neue Sachen für uns entdeckt. Das kann man auch auf „Circle Of 8“ hören, denke ich. Denn wir werden niemals vergessen, wo wir her kommen, sind uns aber auch bewusst, dass seitdem 25 Jahre vergangen sind. Pantera waren genauso Einflüsse für uns wie Lamb Of God, Flotsam & Jetsam (auch, weil wir mit ihnen auf Tour waren); nur um mal ein paar Namen zu nennen…
Daniel: Wovon handeln Eure Texte so?
Rick: Es gibt einen roten Faden auf “Circle Of 8”, weil jeder Song von Leuten oder Gesellschaften in Verzweiflung handeln. Einige Texte sind aus der Sicht dieser Leute geschrieben, andere aus aus der Sicht eines attackierten Opfers, so zu sagen. Das Cover sollte mit den Texten in Zusammenhang stehen. Deswegen sind auch ein Gefängnis, eine Zwangsjacke und das schreiende Gesicht zu sehen. Das Schreiben der „8“ hat eine besondere Bedeutung: Wie bereits erwähnt, handelt das Album von Menschen in Verzweiflung oder Leuten, die ein schweres Verbrechen begangen haben. Meistens findet man eingeritzte Wände, wo Menschen aufbewahrt werden, um die Gesellschaft zu schützen. Das meinen wir beim Albumtital mit der „8“.
Daniel: Bei Metal Archives ist nachzulesen, dass es nach der zweiten LP noch vier (!) weitere Demos gab: „The Last One To Run“, „Raise This Heaven“ (beide 1986), „Coming On To Me“ (1987) und „Love On The Line“ (1988). Wieso sind sie nicht in der Discographie mit aufgelistet? Handelt es sich dabei nicht um reguläre Veröffentlichungen der Band? Oder wart Ihr mit den Endergebnissen unzufrieden?
Rick: Diese Demos waren keine offiziellen Veröffentlichungen, weil wir zu dem Zeitpunkt bereits zwei Alben draußen hatten. Wir haben sie nur dafür verwendet, um mit der Band weiter zu machen. Nicht viele Leute wissen das, aber wir standen damals kurz davor, einen richtig großen Major-Deal an Land zu ziehen. Aber dieses Label hat einen sehr großen Druck auf die Band ausgeübt, dass wir mehr Hard Rock als Metalsongs schreiben sollten usw. Wir sollten also unseren Stil ändern. Und das wollten wir nicht! Wir waren vielleicht auch noch zu naiv damals, haben gegen unseren Willen schnell neue Songs geschrieben und aufgenommen. Und als der Deal dann dennoch geplatzt ist, war es 1987 auch das vorzeitige Ende für Martyr.
Daniel: Gibt es für fanatische Sammler eines Tages die Gelegenheit, alle Eure alten Demos als Re-Releases in den Händen zu halten, z. B. in einer Box oder so?
Rick: 2005 haben wir unsere ersten beiden Alben mit viel Bonus-Zeug (Demos, neueres Martyr-Zeug usw.) wiederveröffentlicht. Haltet danach Ausschau! Sie sind bei High Vaultage/Metal For Muthas bei euch in Deutschland erschienen.
Daniel: Zwischen diesen vier Demos und der Comeback-EP „Fear“ im Jahr 2009 haben Martyr nichts veröffentlicht. Was war los? Gab es die Band denn all die Jahre hinweg überhaupt noch? Was habt Ihr so getrieben in all den Jahren?
Rick: Das ist nicht ganz richtig. Wir haben uns 2011 ursprünglich für eine einzige Reunion-Show zusammengerauft und sollten da für einen holländischen Fanclub Heavy Metal Maniacs spielen. 2005 kam es ja zu den Wiederveröffentlichungen unserer ersten beiden Alben und wurden daher gefragt, ob wir nicht auf dem legendären Keep It True-Festival spielen wollten. Das hat uns umgehauen und angestachelt, wieder etwas auf die Beine zu stellen. Wir spielten dann noch auf einigen anderen Festivals und machten anschließend eine Headliner-Tour und 2008 auch einige Konzerte im Vorprogramm der US Metal-Legende Lizzy Borden quer durch Europa. Zwischen 1987 und der Reunion hat jeder von uns noch woanders Musik gemacht und diverse Alben veröffentlicht, u. a. bei Syrenade, Medallion, Mindscape und Wild Ride. Unsere Wege haben sich dabei oft gekreuzt. Und wir sind in all den Jahren immer gute Freunde geblieben.
Daniel: Marcel und Du seid die einzigen Ur-Mitglieder, die noch bei Martyr mit dabei sind, soweit ich weiß... War es für Euch von Anfang an klar, dass die Band unter dem alten Namen weiterläuft, auch wenn Ihr sonst haufenweise Leute austauschen musstet?
Rick: Unser Bassist Toine und Sänger Rop sind ebenfalls Original-Mitglieder! Und unser Schlagzeuger Wilfried ist auch schon seit 1986 in der Band! Man kann uns also auch heute durchaus noch als Original-Besetzung bezeichnen! Ja, natürlich haben wir den Namen Martyr beibehalten. Es gab mehrere Bands mit diesem Namen, nachdem wir uns 1987 vorzeitig getrennt hatten, aber wir waren die ersten und sind stolz darauf! Ich hatte also nie vor, den Namen zu ändern.
Daniel: Warum hattet Ihr überhaupt so einen hohen Sängerverschleiß? Robert van Haren ist bereits der vierte, der bei Martyr das Mikro schwingt, wenn ich mich nicht irre…
Rick: Und auch der erste, haha! Auf den drei Demos vor unserem Debüt-Album „For The Universe“ hat er ebenfalls die Texte geschrieben und eingesungen! Er war auf dem Album allerdings nicht mehr dabei. Da hat dann Gerard Vergouw den Gesang übernommen, weil Rob die Band und sein Privatleben nicht mehr unter einen Hut bekam (würdet ihr ihn jedoch fragen, wird er behaupten, dass wir ihn rausgeschmissen haben, haha! Was aber nicht stimmt! Ich glaube, er bereut bis heute, dass er die Band verlassen hat). Nach zwei Alben verließ dann auch Gerard die Band und wurde durch Addo Kruizinga für nur ein Demo ersetzt. Ich muss aber ehrlich sagen, dass wir sehr glücklich mit Rop in der Band sind! Er ist der einzig wahre Martyr-Sänger, meiner Meinung nach; der beste Frontmann, den sich eine Band wünschen kann (neben der Tatsache, dass er auch ein großartiger Sänger ist, haha!).
Daniel: Du bist der einzige in der Band, der neben Martyr nirgendwo anders musiziert hat. Wie kam´s? Hatten Martyr für Dich immer oberste Priorität?
Rick: Weiß ich, ehrlich gesagt, nicht. Die anderen waren halt in anderen Projekten aktiv, nach dem Aus von Martyr. Aber alle Martyr-Mitglieder würden Dir dasselbe sagen: nämlich, dass Martyr für sie oberste Priorität hat!
Daniel: Stört es Dich eigentlich, dass es auch eine Black Metal-Band namens Martyr gibt, die ebenfalls aus Holland stammen? Und gab es da jemals Verwechslungsprobleme? Kennst Du die anderen Martyr überhaupt? Und magst Du ihre Musik?
Rick: Die gibt es nicht mehr, soweit ich weiß. Wenn Du holländische Metal-Fans nach Martyr fragst, werden sie Dir nur eine Band nennen; und das sind wir. Ich weiß aber, dass es noch eine kanadische Band namens Martyr gibt, die besonders in Nordamerika relativ bekannt sind. Das ist für beide Seiten natürlich etwas irreführend. Aber ich kann Dir sagen, dass ich sie ebenfalls sehr geil finde!
Daniel: Welche Zukunftspläne habt ihr noch mit Martyr?
Rick: Oh, eine ganze Menge! Im Moment machen wir viele Interviews für Magazine und Radiosender und spielen ein paar Konzerte außerhalb der Niederlande. Dann werden im Februar/März unser neues Album in Holland promoten und hier auch live spielen. Wir planen die genauen Tour-Daten gerade. Wir werden wohl auch einige Festivals in diesem Jahr spielen und vielleicht auch wieder eine Europa-Tour machen. Im September werden wir unser 30-jähriges Jubiläum feiern (obwohl wir zwischendurch ungefähr 17 Jahre nichts gemacht haben, haha!). Wir planen auch einen Videodreh und werden danach schon wieder neue Songs für das nächste Album schreiben.
Daniel: OK, Rick! Die letzten Worte gehören Dir!
Rick: Danke für die weitere Unterstützung von Martyr über all die Jahre hinweg! Ich hoffe, ihr mögt alle unser neues Album „Circle Of 8“ und checkt unsere Webseiten! Rock on!
Hier könnt ihr den Klängen dieser alten Metal-Legende lauschen:
http://www.myspace.com/martyronline