AENAON - Hellenische Unendlichkeiten


Zu Aenaon habe ich schon seit alten MySpace-Tagen Kontakt. Aber auch über Tonträger-Besprechungen für CROSSFIRE kreuzten sich immer mal wieder unsere Wege. Ein Interview mit ihnen hatte ich schon lange geplant. Aber irgendwie verlief das immer wieder im Sande. Doch nun haben sich beide Seiten mal den Allerwertesten aufgerissen, um das Thema endlich ad acta zu legen. Herausgekommen ist ein sehr ausführliches Interview, das sowohl Aenaon als auch die ganzen Nebenprojekte abdeckt. Auf geht’s zum hellenischen Black Metal-Marathon:

logoDaniel: HELL-o Astrous! Lass uns doch einmal ganz von vorne anfangen: Bitte erzähl uns doch zunächst etwas über die Entstehung, den Werdegang und die Veröffentlichung von Aenaon!

Astrous: Wir gründeten Aenaon 2005 und begannen dann 2006 mit den ersten Proben. Nach der Veröffentlichung der „Phenomenon” EP 2009 und ein paar Besetzungswechseln brachten wir die Split-7“ EP „A Parallel Zoetrope“ mit Satanochio raus, was für uns der erste Schritt in eine neue musikalische Richtung war. 2011 veröffentlichten wir dann unser Debüt „Cendres Et Sang“. Das war ein Riesensprung für uns, nachdem wir für längere Zeit ein paar persönliche Probleme und weitere Besetzungswechsel gehabt hatten. In den letzten drei Jahren sind wir jedoch zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammen gewachsen und fühlen uns als Band besser und stärker als je zuvor. 2013 brachten wir dann noch eine Split-7“ EP raus, dieses Mal mit Stielas Storhett. Und 2014 erblickte dann schließlich unser zweites Album „Extance“ das Licht der Welt.

Daniel: Was bedeutet der Name Aenaon eigentlich?

Astrous: Das Wort „Aenaon” ist griechisch und bedeutet „unendlich“ oder auch „ewig währende Existenz“. Mit diesem Wort beschrieben die alten Griechen die Existenz der menschlichen Seele, das endlose Universum und das Leben nach dem Tod.

Daniel: Es gibt noch eine weitere Black Metal-Band aus Griechenland, die sich Erevos Aenaon nennt. Kam es da jemals zu Verwechslungen? Sie haben mit Euch ja rein gar nichts zu tun...

Astrous: Nein, das glaube ich nicht. Oder wurden Dark Funeral jemals mit Darkthrone verwechselt?

Daniel: Welche Bands sind die Haupteinflüsse für Aenaon? Das wäre interessant zu wissen, weil ihr ja nicht nur Black Metal-Einflüsse habt, sondern auch viele aus dem 1970er Progressive Rock-Bereich. „In Heaven“ erinnert mit seinem Saxofon und dem Frauengesang ja tatsächlich von der Machart her ein bisschen an „The Great Gig In The Sky“ von Pink Floyd. Das kann doch kein Zufall sein...

Astrous: Oh, da gibt es tonnenweise Bands. Es sind wirklich zu viele, um sie hier alle aufzuzählen. Ich würde aber nicht sagen, dass uns Pink Flyod allzu sehr beeinflusst haben. Weißt Du, wie sind als Musiker offen für alles. Vom Ursprung an bis heute sind wir grundsätzlich noch eine Black Metal-Band, aber wir folgen weder Trends noch Regeln. Uns kümmert es nicht, ob wir „böse“ klingen. Die Musik kommt direkt aus unserem Herzen. Wir folgen keinen bestimmten Black Metal-Regeln.

Daniel: Wovon handeln denn Eure Texte genau? Ich finde, dass sie nicht gerade einfach zu verstehen sind, weil sie auch nicht von den typischen Black Metal-Klischees handeln...

Astrous: Alles dreht sich um die Menschheit, sowohl in den Texten, als auch in unserer äußeren Erscheinung. Jeder Song steht für sich, was sowohl das Feeling als auch den Text angeht. Wir erarbeiten uns surreale Konzepte und erzählen sie in einer abstrakten, emotionalen Geschichte. Manchmal geht es aber auch um private Gedanken oder persönliche Erfahrungen, so dass der Hörer auch immer seine eigenen Schlüsse daraus ziehen kann.

Daniel: Eure Musik ist sehr komplex. Ist Aenaon für Dich überhaupt noch eine richtige Black Metal-Band? Und hast Du eine Ahnung, wo Eure musikalische Odyssey einmal enden wird, wenn das so weiter geht?

Astrous: Aenaon spielen grundsätzlich Black Metal, auch wenn einige andere Stile dazukommen. Was den zweiten Teil Deiner Frage angeht, könnte man auch anders herum fragen: Weißt Du, wie Dein Leben in fünf oder sechs Jahren aussieht? Das können wir natürlich auch nicht sagen, aber das ist auch das Schöne an der Sache. Was ich Dir aber ganz bestimmt sagen kann, ist, dass wir unsere Musik immer auf einem qualitativ hohen Level halten werden. Sonst würden wir nicht mehr weitermachen.

Daniel: Könnt Ihr diese komplexe Musik eigentlich auf der Bühne vernünftig rüberbringen? Spielt Ihr live? Und wenn ja: Was kann man erwarten?

Astrous: Letztes Jahr haben wir um Griechenland herum sehr viel live gespielt, unter anderem im Vorprogramm von Primordial und Watain. Ich hoffe, dass wir eines Tages auch einmal bei Euch in Deutschland spielen können.

Daniel: Ihr habt in zehn Jahren erst zwei Studio-Alben veröffentlicht. Wie lange braucht Ihr für das Songwriting eines Albums bei Euch?

Astrous: Am Anfang war unsere Besetzung sehr instabil. Das änderte sich erst 2011. Ich denke also, dass zwei Alben in drei bis vier Jahren schon ganz in Ordnung sind. Generell brauchen wir etwa acht bis zehn Monate, um Songs für ein komplettes Album zu schreiben.

aenaonDaniel: Es gab von Euch zwei Split-7“ EPs: eine mit Satanochio aus Rumänien und eine mit Stielas Storhett aus Russland. Wie seid Ihr mit diesen Bands in Kontakt gekommen? Wurdet Ihr von ihnen gefragt oder war das jeweils die Idee des Labels? Und kanntet Ihr die beiden Bands vorher schon?

Astrous: Ich habe 2010 zum ersten Mal etwas von Satanochio gehört und fand, dass sie irgendwie sehr viel Ähnlichkeit mit Aenaon hatten. Ich schrieb sie daraufhin an und wir einigten uns darauf, eine Split-7“ EP mit ihnen zusammen zu machen. Was die Split-EP mit Stielas Storhett angeht, waren wir damals bei demselben Label unter Vertrag. Wir tauschten mit ihnen einige Tonträger und Mails aus. Und so entstand aus dieser Freundschaft heraus eben diese Split-EP. Tatsächlich ist diese Stelle des Interviews eine perfekte Gelegenheit für mich, gleich ein bisschen Werbung für unsere nächste Split-7“ EP mit unseren Landsleuten von Virus Of Koch zu machen, die bald über III Damnation Productions erscheinen wird. Sie wird der Hammer werden; das kann ich Dir versprechen.

Daniel: Obwohl Ihr keinen traditionellen Black Metal spielt, erhaltet Ihr die alten Kultformate wie Kassetten und Vinyl am Leben: Beide Split-EPs erschienen exklusiv auf Vinyl. Auch von Eurem Debüt „Cendres Et Sang“ gibt es eine Vinyl-Version. Eure beiden ersten Veröffentlichungen „Promo ´07“ und die erste Mini-CD „Phenomenon“ gibt es außerdem beide zusammen auf einer Compilation mit dem Titel „Spheres Of Orion“ exklusiv auf Tape und auch eine Kassettenversion Eures neuen Albums „Extance“. Wie wichtig ist das für Euch in der heutigen modernen MP3-Industrie?

Astrous: Für uns hat der Begriff „true“ nichts damit zu tun, sich old school anzuhören oder böse auszusehen, sondern vielmehr damit, loyal in einigen Grundprinzipien zu sein. Eines davon ist, zu zeigen, wo der Black Metal herkommt. Wir sträuben uns nicht vor dem digitalen Zeitalter. Auch wir benutzen MP3-Dateien zu Promo-Zwecken. Aber letztendlich wollen wir als Musiker unsere Musik zum Anfassen haben. Wir alle lieben Kassetten, Vinyl und CDs und unterstützen die Szene so, wie sie es verdient hat. Auch wenn wir als Band nicht das meiste verkaufen, so wollen wir doch unsere Veröffentlichungen in so vielen Formaten wie möglich anbieten können. Das ist eine Herzensangelegenheit. Letztendlich geht es uns aber vor allem darum, unsere Musik zu verbreiten. Uns ist es eigentlich egal, ob in digitalem Format oder nicht. Aber wir als Musikhörer bevorzugen natürlich die physischen Formate.

Daniel: Auf dem Rückcover Eures neuen Albums „Extance“ ist noch eine Art Untertitel vermerkt: „Existence – Precedes – Essence“. Welche Bedeutung steckt dahinter? Handelt es sich dabei um ein Konzept-Album? Und wenn ja: Worum geht es genau?

Astrous: Nein, es ist kein Konzept-Album als solches, obwohl die Songs alle irgendwie in einem Zusammenhang stehen. Ich kann Dir schlecht erklären, was Sartre mit seiner Philosophie genau ausdrücken will. Das würde hier auch den Rahmen sprengen. Aber generell geht es um die Prinzipien der existenziellen Bewegung. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich die Texte mal in Ruhe durchzulesen.

Daniel: Gitarrist Achilleas C. spielt mit Dir noch bei Katavasia. Beide Bands spielen grundsätzlich Black Metal, aber wo liegen für Dich genau die Unterschiede zwischen Aenaon und Katavasia, sowohl musikalisch als auch textlich?

Astrous: Aenaon ist eine progressive Black Metal-Band, die auf Experimenten basiert. Das ist wie eine Reise ins Unbekannte. Katavasia dagegen sind sehr auf den typischen Griechen-Black Metal-Sound der Neunziger fokussiert, die uns mit viel Inspiration und Nostalgie erfüllt. Was die Texte angeht, suchen wir bei Aenaon nach Formen von menschlichem Verhalten und Gefühlen, wogegen Katavasia eher ins Satanische und Okkulte gehen.

Daniel: Ist Katavasia denn überhaupt eine richtige Band für Dich oder nur eine Nebenprojekt für zwischendurch?

Astrous: Es ist nur ein Nebenprojekt von Leuten, die sonst bei Varathron, Aenaon, Hail Spirit Noir und Agnes Vein spielen. Wir werden immer mal wieder neue Alben veröffentlichen, wenn uns danach ist, aber wir sind keine richtige Band, die viel Zeit reinsteckt oder bestimmte Ziele verfolgt.

Daniel: Es gibt noch ein geiles Nebenprojekt von Dir, und zwar Agos, ein Black-/Death Metal-Projekt, das kürzlich erst ihre erste EP „Irkalla Transcendence“ veröffentlicht hat. Wie kam es dazu? Und wird es in Zukunft noch weitere Veröffentlichungen von Agos geben?

Astrous: Agos war eine Idee von Van Gimot, dem Mastermind von Virus Of Koch, mit denen Aenaon bald eine Split-7“ EP veröffentlichen werden. In Agos spiele ich eine ganz andere Rolle als bei Aenaon und Katavasia. Hier habe ich mich der textlichen und darstellerischen Richtung der Band angepasst. Ich habe aber ehrlich gesagt keine Ahnung, ob es von Agos noch weitere Veröffentlichungen geben wird. Das hängt vom Zeitaufwand und vom Willen der beteiligten Musiker ab.

Daniel: Agos ist auf dem Cover der EP in griechischen Blockbuchstaben geschrieben. Handeln die Texte demnach auch von griechischer Mythologie oder Ähnlichem?

Astrous: Nein, nicht ganz. Die Texte auf „Irkalla Transcendence“ drehen sich um die Sumerische Zivilisation und Mythologie. „Agos“ bzw, „Άγος“ bedeutet Fluch, Befleckung/Verunreinigung, aber auch manchmal Sünde. Wenn jemand intensiv nach einer Bedeutung dieses Wortes sucht, so wird er auch Verbindungen dazu in Sanskrit und in sumerischen Sprachen finden.

Daniel: Wenn man sich Dein musikalisches Schaffen so anschaut, dann fällt auf, dass Du nie den typischen „Hellenischen“ alter griechischer Horden wie Rotting Christ, Varathron, Thou Art Lord, Necromantia, Zemial, Nergal, Septic Flesh usw. spielst. Warum nicht? Magst Du diese Art Musik aus Eurem Land nicht? Oder gibt es auch andere Gründe dafür?

Astrous: Doch, ich liebe den typischen, Hellenischen Sound! Der beste Beweis dafür sind Katavasia, die am ehesten in diese Richtung tendieren. Aber wie bereits erwähnt, bin ich eher der Black Metal-Hörer. Ich sehe mich selbst eher als Künstler und Musiker. Also nur dem alten Sound nachzueifern, welcher der Hellenische Sound ja ohne Zweifel ist, wäre für mich keine echte Option.

aenaonDaniel: Dann lass uns doch einmal bitte über die Szene in Eurem Land reden, denn ich bin ein großer Fan davon. Ich mag alte Horden wie Rotting Christ, Varathron, Thou Art Lord, Necromantia, Zemial, Agatus, Vorphalack, Horrified, Kawir, Nergal, Death Courier, Sarcastic Terror, Deviser und Obsecration genauso wie neuere Bands wie Aenaon (natürlich, hehe!), Chthonian Alchemy, Daylight Misery, Astarte (R.I.P.!), Macabre Omen, Nocternity, Profane Prayer, Hordes Of Decay, Acherontas, Dissolvo Animus, Cross Denied, Dark Vision, Diablery, Nadiwrath usw. Bist Du in Kontakt mit einigen dieser Bands? Und wie ist die griechische Black Metal-Szene so? Unterstützen sich Bands gegenseitig, wenn es zum Beispiel um die Veranstaltung gemeinsamer Konzerte oder Tourneen geht?

Astrous: Ich war und bin mit den meisten Bands in Kontakt, die Du gerade erwähnt hast. Ich weiß zwar nicht genau, ob es so etwas wie eine richtige „Szene“ als solche bei uns überhaupt noch gibt, aber ich kriege eigentlich immer mit, was um mich herum so passiert. Auf der einen Seite ist diese „Szene“ zwar schon sehr aktiv im direkten Vergleich zu anderen Ländern. Aber natürlich halten hier auch nicht immer alle Bands zusammen. Es gibt immer Unterschiede bezüglich Politik, Ästhetik oder Weltanschauungen generell, die die Szene spalten. Aber ich denke auch, dass das völlig normal ist.

Daniel: Mal etwas anderes: Letztes Jahr starb Maria „Tristessa“ Kolokouri von Astarte mit nur 37 Jahren an Leukämie. Kanntest Du sie persönlich? Und wie hast Du von ihrem Tod erfahren?

Astrous: Ja, ich kannte Tristessa, weil sie 2006 ein paar Guest Vocals bei meiner Band Black Winter übernommen hatte; genauer gesagt im Song „In Cosmic Installation“, der auf der Split-7“ EP mit Nethescerial über das deutsche Label Obscure Abhorrence erschienen war. Wie ich mich von den Studio-Aufenthalten entsinnen kann, war Maria eine sehr freundliche Person, die all ihre Energie in ihr Leben und in ihre Musik steckte. Von ihrem Tod habe ich über soziale Netzwerke erfahren. Ich war sehr traurig, dass sie uns so früh verließ. Aber sie wird in unseren Herzen durch ihre hinterlassene Musik immer weiter leben!

Daniel: Wie sehen denn Deine Zukunftspläne aus, egal ob mit Aenaon, Katavasia oder Agos?

Astrous: Wie gesagt werden wir bald mit Aenaon eine Split-7“ EP mit Virus Of Koch rausbringen. Was das dritte Album angeht, wird das wohl nichts vor Frühjahr 2016. Aber wir werden bald schon das Katavasia-Album veröffentlichen. Bezüglich Agos steht alles noch etwas in der Schwebe. Aber auch da bin ich mir sicher, dass irgendwann nochmal etwas kommt.

Daniel: OK, Astrous! Das Schlusswort soll Dir gehören!
Vielen Dank für Deine schönen Fragen, Daniel. Cheers!

http://www.aenaon-band.com/
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https://www.facebook.com/katavasiaofficial
https://www.facebook.com/agos218



Autor: Daniel Müller