MORGOTH - Der nächste Schritt


Als ich 1991/92 im zarten Alter von 13/14 mit Metal angefangen habe, waren Morgoth eine der ersten Death Metal-Bands, die ich überhaupt kannte. Ein Klassenkamerad hatte mir "Cursed“ auf Kassette überspielt, und das Teil lief bei mir rauf und runter. Bis heute ist es mein Lieblingsalbum der Band, auch wenn ich den Nachfolger „Odium“ ebenfalls sehr geil fand. Ich hatte schon zur Zeit ihrer Reunion 2010/11 ein Morgoth-Interview mit Sänger Marc Grewe geplant. Nach seinem Rauswurf hatte sich dies jedoch zerschlagen. Auch wenn ich erst skeptisch war, was den neuen Sänger Karsten „Jagger“ Jäger (Ex-Disbelief) anbelangt, muss ich doch sagen, dass er seine Sache richtig gut macht und das Comeback-Album das Morgoth-Album geworden ist, das sich alle erhofft hatten. Ich ergriff die Chance, mein Interview endlich nachzuholen und es sogar mit Ur-Gitarrist Harald Busse zu führen!

logoDaniel: Hi Harald! Lass uns zunächst einmal ganz vorne anfangen: Ihr hattet Euch zunächst 1985 gegründet und Exterminator genannt. Danach folgte die Umbenennung in Minas Morgul, bevor Ihr 1987 den Namen endgültig in Morgoth umgeändert habt. Warum kam es damals zu den vielen Namenswechseln?

Harald: Die ersten Namen haben wir verworfen, da sie uns zu gewöhnlich bzw. nicht einprägsam genug erschienen. Erst der Name Morgoth gefiel uns allen auf Anhieb.

Daniel: Welche Bands hatten Euch damals beeinflusst? Und sind die Einflüsse bis heute gleich geblieben?

Harald: Die Bands, die uns damals am meisten beeinflusst haben, waren sicherlich Slayer, Possessed, Venom und Death. Aber auch Bands wie Black Sabbath oder Celtic Frost hatten einen großen Einfluss auf uns. Über die Jahre haben wir uns aber auch von Bands inspirieren lassen, die weniger mit Metal zu tun hatten. Jeder in der Band brachte seine eigenen musikalischen Vorlieben mit, und das ist bis heute so. So reichten unsere Einflüsse von Fields Of The Nephilim und Killing Joke bis hin zu Bands wie Dead Can Dance oder Ministry.

Daniel: Lass uns mal über Eure Texte reden! Am Anfang waren sie noch sehr Klischee behaftet, später wurden sie sehr viel kritischer. Wie sieht das heute aus? Vom Titel her klingt Eure Vorab-Single „God Is Evil“ ja sehr plakativ. Wenn man sich die politische Lage aufgrund heiliger Kriege oder Selbstmordattentate jedoch anschaut, dann bekommt der Titel eine sehr kritische, zeitgemäße Bedeutung, oder?

Harald: Sehr gut beobachtet! Genau so wollten wir den Titel "God Is Evil" verstanden wissen. Wir haben uns tatsächlich gefragt, ob der Titel nicht zu plakativ ist, waren uns am Ende aber einig, dass gerade in der "Banalität" dieses Titels ein großer Reiz liegt. Wenn Gott verärgert wäre über den Irrsinn, der in seinem Namen verbrochen wird, so würde das in der heutigen Zeit sicher der Fall sein.

Daniel: Ihr habt alle Eure Alben bei Century Media veröffentlicht, was für eine alte Band wie Euch schon recht ungewöhnlich ist. Wie seid Ihr damals an das Label herangekommen? Und war Euch auch nach der Reunion von Anfang an klar, dass Ihr wieder mit Century Media zusammen arbeiten würdet?

Harald: Die ersten Kontakte zu Robert Kampf von Century Media haben sich auf Konzerten in und um Dortmund herum ergeben. Robert war damals noch Sänger von Despair und auf einem dieser Gigs sind wir mit Robert ins Gespräch gekommen. Wir haben ihm dann später ein Demo zugeschickt, wurden daraufhin von Robert eingeladen, im Vorprogramm von Despair zu spielen und nach dieser "Feuertaufe" von Robert unter Vertrag genommen. Für uns stand von vorn herein fest, mit Century Media weiterarbeiten zu wollen. Wir mögen die Philosophie des Labels und haben ein großes Vertrauen in die Leute, die dort arbeiten. Viele Mitarbeiter der "ersten Stunde" sind dem Label bis heute treu geblieben. Dadurch herrscht dort eine sehr familiäre Atmosphäre, die uns sehr wichtig ist.

Daniel: Eure Musik wurde mit der Zeit immer technischer. Während „Resurrection Absurd“, „The Eternal Fall“ und „Cursed“ noch relativ simpel gehalten waren, wurde „Odium“ abwechslungsreicher und technischer. Warum war das so? Wolltet Ihr Euch musikalisch bewusst weiter entwickeln? Oder ist das ein Schritt gewesen, der eher unbewusst einfach so passiert ist?

Harald: Ich denke, dieser Schritt war eine logische Entwicklung. Wir haben etliche Gigs gespielt, haben vor jeder Tour, während des Songwritings und vor den Studioterminen intensiv geprobt und haben so unsere technischen Fähigkeiten immer weiterentwickelt.

morgothDaniel: Niemand redet heute mehr darüber, aber es gab 1996 ein Album, das Euch Eure Fans sehr übel genommen haben: „Feel Sorry For The Fanatic“, dessen Name Programm war. Ihr hattet Euch komplett vom guten, alten Death Metal verabschiedet und eine Art Industrial Rock gespielt, der nichts mehr mit Eurer musikalischen Vergangenheit zu tun hatte! Wieso? Hattet Ihr die Schnauze voll vom Death Metal? War es ein Zeichen der Zeit, weil auch Bands wie Paradise Lost sich vom Death Metal gelöst hatten? Oder war es vielleicht auch eine Vorgabe des Labels? Immerhin fällt auf, dass sich viele Century Media-Bands wie Tiamat, Sentenced, The Gathering, Rotting Christ, Alastis usw. Mitte bis Ende der Neunziger immer weiter vom Death Metal entfernten...

Harald: Einerseits hatten wir zu der Zeit tatsächlich das Gefühl, dem Death Metal musikalisch nicht mehr viel hinzufügen zu können. Anderseits wollten wir unsere Fähigkeiten nutzen, uns selbst neue Horizonte zu eröffnen und unsere musikalischen Vorlieben zum Ausdruck zu bringen. Century Media haben sich nie in die musikalische Ausrichtung der Band eingemischt. Zu der Zeit hatten wir einfach Bock auf diesen Sound. Wir haben uns nie gefragt, ob unsere Fans diesen Schritt nachvollziehen können. Das war aus heutiger Sicht vielleicht ein Fehler, bereut haben wir diesen Schritt aber nie, denn trotz aller nachvollziehbarer Kritik ist „Feel Sorry For The Fanatic“ ein absolut ehrliches und kompromissloses Album.

Daniel: Wie stehst Du heute zu „Feel Sorry For The Fanatic“? Magst Du das Album noch? Und bist Du heute vielleicht der Meinung, dass es unter einem anderen Bandnamen hätte erschienen sein sollen und dann vielleicht sogar funktioniert hätte?

Harald: Wie gesagt, ich mag das Album, auch, oder vielleicht gerade weil es einem kommerziellen Selbstmord gleichkam. Wäre das Album unter anderem Namen veröffentlicht worden, hätte es wahrscheinlich mehr Beachtung erfahren.

Daniel: Warum kam es 1998 dann zur Auflösung der Band? War das Fass endgültig übergelaufen, nachdem „Feel Sorry For The Fanatic“ gefloppt war? Oder gab es auch andere Gründe dafür?

Harald: Wenn man die Texte von „Feel Sorry For The Fanatic“ genauer betrachtet, findet man viele Hinweise, die auf die Auflösung der Band deuten. Wir hatten viele fantastische Jahre mit der Band verbracht. Wir waren nicht nur Bandmitglieder, sondern Freunde und kannten uns alle seit der Schulzeit. Jetzt forderte die Band ihren Tribut. Die Batterien waren leer, wir waren ausgelaugt und unsere Freundschaften drohten zu zerbrechen. Also entschlossen wir uns, die Band aufzulösen, bevor sie uns aufgelöst hätte.

Daniel: Zwischen 1998 und 2010 war es komplett still um Morgoth. Was hattet Ihr in der Zwischenzeit so gemacht? Wart Ihr noch musikalisch aktiv? Und hattet Ihr überhaupt noch Kontakt zueinander?

Harald: Marc und Sebastian hatten in der Zeit ein Projekt namens Action Jackson. Ich bin einem "normalen" Job nachgegangen, habe die Gitarre nur gelegentlich in die Hand genommen und mit ein paar Freunden gejammt. Der Kontakt untereinander war in dieser Zeit sehr sporadisch, da Marc und Sebastian in Berlin wohnten und ich in Dortmund.

Daniel: 2010 kam es dann zu der Reunion. Der zweite Gitarrist Carsten Otterbach ging direkt 2010 wieder, Bassist Sebastian Swart wechselte an die Gitarre und Schlagzeuger Rüdiger Hennecke war bei der Reunion gar nicht mit dabei. Warum? Was war da los? Und wieso hatte Rüdiger von Anfang an keinen Bock auf eine Reunion?

Harald: Carsten hatte sich schon zu Zeiten von „Feel Sorry For The Fanatic“ entschlossen, die Gitarre an den Nagel zu hängen und sich ausschließlich um die geschäftlichen Belange von Morgoth zu kümmern. Auch Rüdiger war beruflich zu sehr eingespannt, um bei einer Reunion mit von der Partie zu sein. Außerdem standen die beiden einer Wiedervereinigung anfänglich sehr skeptisch gegenüber, so dass wir die beiden nicht für uns gewinnen konnten. Wir haben diese Entscheidung akzeptiert und haben heute ein sehr freundschaftliches Verhältnis.

morgothDaniel: Wie kam es dazu, dass Marc Reign bei Euch Schlagzeuger wurde? Wie seid Ihr mit ihm in Kontakt gekommen?

Harald: Der Kontakt zu Marc Reign ist durch Mille entstanden. Sebi und Marc (Grewe) waren seinerzeit auf einem Kreator-Gig und haben mit Mille über unsere Pläne einer Reunion gesprochen. Mille wusste, dass Marc gerade Destruction verlassen hatte und riet uns ihn mal zu kontaktieren.

Daniel: Ihr habt 2011 sehr viele Konzerte und Festivals gespielt. So wie ich das verstanden hatte, ging es nur darum, 20 Jahre „Cursed“ zu feiern. Wieso kam es letztendlich doch dazu, dass ihr wieder ein neues Album gemacht habt? Wie ich hörte, wolltet Ihr da zunächst gar nichts von wissen...

Harald: Das ist richtig. Als wir im Dezember 2012 unsere letzte Show auf der „Barge To Hell“ spielten, saßen wir am nächsten Tag am Strand und haben uns gefragt, ob hier tatsächlich alles enden sollte. Wir hatten uns nach all den Jahren, in denen Morgoth nicht existierten, gerade wieder „warm gespielt“ und viel Zeit und Energie in die Band investiert. Wir waren uns einig, dass hier nicht das Ende sein sollte und beschlossen, den nächsten Schritt zu wagen: die Arbeit an einem neuen Album.

Daniel: Ende 2014 kam es dann zur Trennung von Ex-Sänger Marc Grewe. Warum kam es zu diesem Rausschmiss? Ihr hattet kurz zuvor mit Bolt-Thrower und Soulburn im Turock in Essen gespielt. Da war Euch von internem Stress noch nichts anzumerken...

Harald: Aus Respekt gegenüber Marc möchte ich zu diesem Thema eigentlich nicht viel sagen. Die Gründe für seinen Rauswurf dürften ja mittlerweile bekannt sein und sind ja auch von seiner Seite öffentlich thematisiert worden. Naturgemäß hat er natürlich eine etwas andere Sicht der Dinge als wir. Es war aber sicher nicht so, dass wir ihn aus einer Laune heraus gefeuert haben. Die Probleme, die immer wieder auftraten, waren seit vielen Jahren präsent, und irgendwann lief das Fass über und wir waren gezwungen zu handeln.

Daniel: Habt Ihr Angst, durch die Trennung von Marc ein paar Fans zu verlieren, der wohl für alle Morgoth-Fans das Aushängeschild der Band war? Oder ist Euch das egal?

Harald: Natürlich wird es ein paar Leute geben, die nicht bereit sind, Morgoth ohne Marc zu akzeptieren. Das war uns von vorne herein klar und damit können wir leben. Ich denke, dass wir mit dem neuen Album bereits viele anfängliche Kritiker überzeugt haben und weitere Fans hinzugewinnen werden.

Daniel: War Marc eigentlich noch am Songwriting für das neue Album beteiligt?

Harald: Nein, er hat zwar bei einigen Proben ein paar Gesangslinien ausprobiert, aber aktiv am Songwriting war er nicht beteiligt.

Daniel: Zwischen Marcs Ausscheiden aus der Band und dem neuen Album gab es eine Vorab-Single, die exklusiv als 7“ EP erschien: „God Is Evil / Die As Deceiver“. Wie wichtig ist es Euch, als alte Recken der Szene auch das gute, alte Vinylformat am Leben zu erhalten?

Harald: Ich bin ein großer Freund des guten alten Vinyls. Es war uns sehr wichtig, unsere Veröffentlichungen auch auf Vinyl heraus zu bringen.

Daniel: Ihr habt schnell Ersatz in Karsten Jäger gefunden, der vorher bei Disbelief war. Ich muss zugeben, dass ich zunächst skeptisch war, weil ich mit Disbelief persönlich überhaupt nichts anfangen kann, muss aber gestehen, dass er mir auf dem neuen Album sehr gut gefällt! Wie seid Ihr mit ihm in Kontakt gekommen? Und gab es noch weitere Kandidaten, die auf Eurer Wunschliste standen?

Harald: Der Kontakt zu Jagger ist über unser Management entstanden. Wir hatten tatsächlich keine weiteren Kandidaten ins Auge gefasst. Wie auch? Wir waren im Studio und befanden uns mitten im Aufnahmeprozess. Wir hatten also keinen Plan B in der Hinterhand und waren extrem erleichtert, als es mit Jagger so gut klappte und er mit im Boot war!

Daniel: Lass uns dann mal zu Eurem neuen Album „Ungod“ kommen: Wie lange hat es gedauert, die Songs zu schreiben und aufzunehmen?

Harald: Das Songwriting hat etwa zwei Jahre in Anspruch genommen und wir waren fünf Wochen im Studio.

morgothDaniel: Ich finde, dass das Album so klingt, als hättet Ihr direkt nach „Odium“ wieder mit dem Songwriting begonnen. War das ein bewusster Schritt, den Ihr da gegangen seid? Oder hat sich das eher zufällig ergeben?

Harald: Wir waren uns einig, ein echtes Death Metal-Album machen zu wollen. Es sollte eine Lücke zwischen „Cursed“ und „Odium“ schließen. Alles andere kam dann wie von selbst. Da wir alle über die ganze Republik verstreut leben, bestand die größte Herausforderung darin, den Songwriting-Prozess über das Internet stattfinden zu lassen.

Daniel: Ich finde, dass Karsten Jäger seine Sache richtig gut macht! Er klingt stellenweise wie Marc, versucht aber nicht, ihn zu kopieren und bringt auch eine eigene Note mit ein. Würdest Du mir da zustimmen?

Harald: Auf jeden Fall! Er hat eine ähnliche Stimmfarbe wie Marc, hat aber seinen eigenen Stil. Er passt einfach perfekt zu Morgoth.

Daniel: Welche Pläne stehen in naher bis ferner Zukunft noch mit Morgoth an?

Harald: Zuerst konzentrieren wir uns erstmal auf die Präsentation des neuen Albums. Wir spielen einige ausgesuchte Festivals, unter anderem Wacken und Summer-Breeze. Alles andere wird sich zeigen. Pläne über das Jahr 2015 hinaus gibt es noch nicht.

Daniel: Alles klar, Harald! Die letzten Worte gehören Dir!

Harald: Vielen Dank für das Interview!


http://www.morgoth-band.org/

https://www.facebook.com/MorgothOfficial



Autor: Daniel Müller