KREATOR - Wir wollten wie Kiss sein!


Ja, ich weiß: Es gehören mindestens dreißig Bands in die persönliche Top 10... Eine Band, die ich aber immer aufzählen würde, egal in welcher Laune ich mich gerade befinde, ist definitiv Kreator! 1991 bin ich zum Metal gekommen, seit 1992 gehören Kreator bei mir dazu. Auch musikalisch haben sie mich sehr beeinflusst, wurde mir doch bei einer meiner Ex-Bands mal nachgesagt, dass meine Tomläufe und Beckenbetonungen an Kreator erinnern sollen. Natürlich war ich aus dem Häuschen, dass ich diese Ruhrpott-Legende interviewen durfte, aber natürlich auch, dass dieses Interview mit Schlagzeuger Jürgen „Ventor“ Reil geführt wurde, der neben Sprachrohr Mille Petrozza ebenfalls noch aus der Urbesetzung mit dabei ist.

logoDaniel: Hi Ventor! Lass uns mal ganz vorne beginnen, okay? Wie kam es 1982 zur Gründung von Tormentor und welche Bands hatten Euch damals beeinflusst?

Ventor: Na ja, wir wollten wie Kiss sein, ganz einfach, hehe! Wir hatten ja schon ´ne Band, bevor wir ´ne Band hatten. Wir haben ja schon seit Monaten gesagt, wir haben eine Band und hatten noch gar keine, haha! Und irgendwann kamen dann erst konkrete Geschichten zustande. Später kamen neben Kiss noch mehrere Sachen dazu, was weiß ich... Judas Priest, Iron Maiden usw. Und dann kamen später noch Venom, Metallica und so.

Daniel: Warum habt Ihr Euch 1984 von Tormentor in Kreator umbenannt? Kanntet Ihr andere Bands mit diesem Namen? Es gab in den Achtzigern ja schon Tormentor aus Ungarn und Belgien…

Ventor: Ja, ich glaube, da gab es noch 1100 andere Bands, die Tormentor hießen und da hatten wir keinen Bock drauf. Wenn wir schon eine Platte rausbringen, wollten wir nicht verwechselt werden und nannten uns Kreator. Das fanden wir viel cooler.

Daniel: Und wie kamt Ihr auf die Idee, Kreator mit „k“ zu schreiben? Milles Geschichtslehrer soll mal erzählt haben, dass es in der „Edda“ einen Waldtroll selbigen Namens gegeben haben soll, den Mille nach dem Lesen des Buches jedoch nicht entdeckt hat...

Ventor: Nein, das war nicht die Idee dahinter. Die Idee kam von der Plattenfirma damals. Es gab die ganzen satanischen Sachen, die umgedrehten Kreuze usw. Und dann haben wir uns halt mit ihnen auf Kreator geeinigt.

Daniel: Stimmt es eigentlich, dass Ihr Euch damals ständig umbenannt habt? Ihr sollt Euch zwischendurch ja auch mal Whiplash genannt haben, habe ich mal irgendwo gelesen…

Ventor: Ganz am Anfang, ja klar! Da wusste man noch nicht genau, wie soll man jetzt heißen. Aber dann haben wir wieder gehört, es gibt noch eine Band in Yokohama oder wat, die auch so heißt... Das konnte man damals noch nicht einfach googeln, ne?

Daniel: Ihr habt direkt Euer Debütalbum „Endless Pain“ veröffentlicht. Wie seid Ihr damals an den Plattenvertrag gekommen?

Ventor: Den Plattenvertrag hat uns ein damaliger Kumpel / Fanpostbeantworter / Demoüberspieler und Manager von damals besorgt. Wir wussten gar nichts davon. Er hat einfach ein Demo zur Plattenfirma geschickt und sagte eines Tages: „Jungs, ihr habt einen Plattenvertrag“. Und wir wollten gar nicht, haha!

Daniel: Hat Euch der Erfolg Eurer Frühwerke überrascht?

Ventor: Ja sicher, klar! Überrascht mich immer noch, hehe!

Daniel: Wie stehst Du heute zu Euren ersten beiden Alben „Endless Pain“ und „Pleasure To Kill“? Timingfest wart Ihr ja nicht gerade. Musst Du heute ein wenig schmunzeln, wenn Du Dir die Alben anhörst oder steht Ihr nach wie vor dahinter?

Ventor: Ja klar! Es war so wie es ist. Obwohl wir nicht so timingfest waren. Ich sag mal, wenn die Platten so nicht rausgekommen wären, würde es die Band heute so nicht geben. Ich habe mit vielen Leuten in meiner Karriere gesprochen und die meinten, wir haben sie auch sehr beeinflusst; auch in Südamerika und eigentlich weltweit.

Daniel: Du hast ja auf den ersten beiden Alben teilweise sogar die Leadvocals übernommen. Wie kam es denn dazu?

Ventor: Eigentlich war ich ja, bevor wir unsere Instrumente überhaupt hatten, als Sänger eingeplant. Dann habe ich erst gesungen und musste auf einmal Schlagzeug spielen und habe mitgesungen. Und dann habe ich gemerkt, dass es zu anstrengend war, alle Songs zu singen. Dann haben wir uns das geteilt. Auf dem Tormentor-Demo haben wir uns den Gesang auch geteilt: zwei Songs ich, zwei Songs Mille. Tja, und dann habe ich irgendwann mal gesagt, ich habe keinen Bock mehr zu singen, hehe! Ich bin ein Trommler, kein Sänger!

Daniel: Wie war der Zusammenhalt der Szene damals? Hattet Ihr viel Kontakt zu anderen deutschen Thrash Metal-Bands wie Sodom, Destruction, Darkness, Assassin usw? Oder habt Ihr alle nur zufällig zur selben Zeit dieselbe Art Musik gespielt?

Ventor: Na ja, zu Destruction war der Kontakt nicht so einfach. Die wohnten ja 600 Kilometer weiter. Internet gab´s auch nicht. Aber sonst haben wir alle zusammen rumgehangen, ja klar! War doch ein und dieselbe Region.

Daniel: 1989 habt Ihr die Doku „Thrash Altenessen“ gedreht. Wer steckte hinter dieser Idee? Und kannst Du Dich damit heute noch identifizieren?

Ventor: Ich konnte mich noch nie damit identifizieren! Die Idee steckte einfach nur dahinter, dass wir dachten “Boah, geil! Kreator kommen ins Fernsehen“. Na ja, und dann hat der Typ daraus eben eine Doku gemacht... Das war nun mal so. Aber egal! Wir waren im Fernsehen, wir waren in aller Munde und es ist witzig, wenn man sich das heutzutage anguckt... Egal...

Daniel: Ebenfalls 1989 wechselte Frank Blackfire von Sodom zu Euch. War das wirklich ein so großer Skandal, wie es heute behauptet wird? Oder lief das alles doch eher freundschaftlich ab?

Ventor: Man kann gar nicht so viel behaupten, wie groß dieser Skandal eigentlich war! Das gab schon ganz schön Theater damals! Das ging auch über Anwälte und dann musste man noch Geld bezahlen an irgendwelche Leute und so...

Daniel: 1990 habt Ihr in Ost-Berlin gespielt! Wie kam es dazu? Und wie war das Publikum so? Hattet Ihr damals eigentlich auch eine Vorband aus der DDR, die Ihr vielleicht auch vorher gar nicht kanntet?

Ventor: Das kam so, weil unsere damalige Plattenfirma, Noise Records, ihren Sitz in Berlin hatte. Dieses ganze Dingen wurde von der Plattenfirma veranstaltet. Deswegen haben da auch nur Bands gespielt, die damals bei Noise waren: Coroner, Tankard und wir. Die haben die Gelegenheit auch genutzt, um ihre Restbestände im Keller zu verschachern an die Leute, die noch keine Westprodukte hatten.

Daniel: Ihr wart Anfang der Neunziger schon richtig etabliert. Wie kam es denn dazu, dass Ihr 1992 mit „Renewal“ Euer erstes experimentelles Album veröffentlicht habt? Wart Ihr mit Eurer musikalischen Vergangenheit unzufrieden?

Ventor: Wir wollten einfach mal was Neues ausprobieren. Man kann ja auch nicht stehen bleiben und immer nur denselben Kram machen. Das machen wir heute auch nicht. Warum sollen wir so sein wie AC/DC? Die gibt’s schon...

Daniel: Mille hat auf „Renewal“ viel tiefer gesungen als zuvor. Hat er live denn auch alte Stücke auf der Tour in dem neuen Stil gesungen, wie z. B. Death das auch 1998 gemacht haben?

Ventor: Boah, das weiß ich gar nicht mehr. Keine Ahnung, hehe! Ich glaube, manchmal singt er so, wie ihm der Hut steht, weißte? Man muss ja nicht immer alles interpretieren. Manchmal kommt man auch erst spät in den Stimmbruch oder was auch immer oder entdeckt seine anderen stimmlichen Fähigkeiten über die Jahre...

Daniel: Zu dem Album war damals auch eine EP namens „Brainseed“ angekündigt. Warum ist die niemals erschienen?

Ventor: Ich weiß nicht. Da gab es irgendwie Theater. Keine Ahnung... Da gibt es immer so viel Politik, weißt Du, die mich gar nicht interessiert, mit Plattenfirmen und so... Die wollen auch heute immer irgendwas extra haben, so wie heute mit den vielen verschiedenen Vinylfarben usw.

Daniel: Für viele Leute ist Mille Kreator, was ich aber nicht ganz richtig finde, denn Du warst nur auf einem einzigen Album nicht mit dabei, und zwar auf „Cause For Conflict“. Wieso kam es damals zu Deiner Trennung von Kreator?

Ventor: Na ja, Mille ist halt das Sprachrohr. Ja, was war da los? Eine ganze Menge war da los, haha! Das kann ich gar nicht in kurze Worte fassen. Es gab eine Menge Probleme, eine Menge Hektik und hin und her... Irgendwann streitet man sich auch usw.

Daniel: Mille sagt heute, dass „Cause For Conflict” das schlechteste Kreator-Album sei, denn (O-Ton Mille) „Kreator ohne Ventor geht gar nicht!“, hehe!

Ventor: Tja, hat er Recht, haha!

kreatorDaniel: Wie findest Du das Album persönlich? Immerhin habt Ihr ja später auch z. B. „Lost“ von diesem Album live gespielt.

Ventor: Ja klar, aber nicht gerne, hehe!

Daniel: Weißt Du, wie es dazu kam, dass Joe Cangelosi von Whiplash Dich damals ersetzt hat? Wer stellte den Kontakt her?

Ventor: Der Kontakt kam über Blackfire zustande. Von der damaligen Sodom-/Whiplash-Tour kannten die sich da. Ja, und dann kam das irgendwie so...

Daniel: Und wie kam es zu der schnellen Rückbesinnung? Immerhin warst Du auf dem nächsten Album „Outcast“ (1997) wieder mit an Bord…

Ventor: Ja sicher, hehe! Wenn man sich den ganzen Kram anhört, und wenn man merkt, wie viele Probleme man mit so ´nem Typen hat, und doch gesehen hat, mit dem alten, dummen Trommler ging doch alles viel besser, dann kommt man schnell zurück und sagt: „Komm, mach mal wieder“...

Daniel: 1999 erschien Euer bisher softestes Album überhaupt, „Endorama“. Wie stehst Du heute zu „Outcast“ und „Endorama“? Kannst Du Dir die Alben heute noch anhören? Wie stehst Du heute generell zu Euren Experimenten in den Neunzigern im Nachhinein?

Ventor: Ich fand das total gut! Dann musste man nicht immer denselben Scheiß spielen, hehe! Das Problem war nur, dass sie nicht mehr so wirklich ins Set passten, weißt Du? Von der „Outcast“ spielen wir immer noch „Phobia“, weil es ein Ohrwurm ist, aber von „Endorama“ nichts. Das passt nicht. Das können wir nicht mehr spielen. Ist ein gutes Album, das war interessant, das hat auch Spaß gemacht, weil man es nicht so gewohnt war, aber wir sind doch eher die Thrash Metaller, wie man mittlerweile merkt...

Daniel: Stimmt es eigentlich, dass Du 1999 das Demo „Mistress Of The Night“ von Ninnghizhidda eingetrommelt hast? Waren Dir Kreator auf „Endorama“ zu lahm? Oder wie kam es sonst dazu, dass Du auf einmal Symphonic Black Metal gemacht hast? Warst Du überhaupt festes Mitglied bei Ninnghizhidda oder war das nur ein Aushilfsjob?

Ventor: Ja, ich habe auch eine Show mit denen gemacht und habe da auch drei Monate mehr oder weniger als festes Mitglied bei denen gespielt. Damals war ich bei Kreator nochmal kurz raus...

Daniel: Zwischen 1996 und 2000 sind gleich drei Compilations von Euch erschienen: „Scenarios Of Violence“ (1996), „Voices Of Transgression – A 90´s Retrospective“ (1999) und „Past Life Trauma“ (2000). Waren das Ideen Eurer Labels? Damals wirkte das alles etwas wie Ausverkauf…

Ventor: Ja, das ist schon wieder sowas mit den Plattenfirmen. Die Labels kommen doch immer an und haben noch was im Keller liegen und packen noch zwei Bonussongs drauf, dann muss es ja jeden interessieren. Da konnte man damals noch drei D-Mark verdienen oder was auch immer...

Daniel: Warum kam es zur Jahrtausendwende auf einmal wieder zur Rückbesinnung zu Euren Thrash Metal-Wurzeln? War das, weil Destruction das auch wieder zeitgleich machten oder war das für Euch eine natürliche Entwicklung?

Ventor: Das war eine natürliche Entwicklung, glaube ich. Wir haben einfach überlegt, wie soll es jetzt weitergehen? Wollen wir jetzt noch mehr etwas versuchen, was zu machen, was wir nicht können oder sollen wir einfach nur machen, was wir wirklich gut können und das dann einfach vernünftig machen? Und dann haben wir das gemacht.

Daniel: 2001 kam es dann zu der 3er-Headliner-Tour mit Destruction und Sodom. Wie kam das damals zustande und warum hat das so lange gedauert, bis die Tour realisiert wurde? Immerhin soll das ja in den Achtzigern bereits schon einmal geplant worden sein (damals waren allerdings Rage anstelle von Sodom dabei)…

Ventor: Warum sollte das überhaupt passieren? So wichtig ist die Geschichte nicht, finde ich. So viel, wie ich dazu sagen kann ist, dass es den beiden anderen Bands eine Menge gebracht hat, davon ab... dass wir sie weiter fort gerettet haben für ihre Karriere, mehr oder weniger...

Daniel: Kennst Du die neueren Alben von Destruction und Sodom eigentlich?

Ventor: Ja...

Daniel: Kannst Du noch was damit anfangen oder bist Du der Meinung, dass sie heute ihren Zenit überschritten haben?

Ventor: Nein, die sollen sich mal ein bisschen mehr Mühe geben und sich auf den Arsch setzen und mal ein gutes Album machen. Die machen jetzt mal ein Album, wo vielleicht ein guter Song drauf ist, anstatt mal wieder etwas Vernünftiges zu machen. Für die „Phantom Antichrist“ haben wir bestimmt 25 Songs geschrieben. Am Ende waren aber nur neun Stück drauf! 25 Songs machst Du nicht mal eben in einem Jahr... Aber man muss zumindest eine Auswahl haben und sagen „bitteschön“.

Daniel: Apropos Sodom (ein kleiner Exkurs): 2006 verstarb ja Chris Witchhunter und 2008 gab es zu diesem Anlass ein Tribut-Konzert in der Turbinenhalle in Oberhausen. Hattest Du bis zum Schluss noch mit ihm Kontakt?

Ventor: Ja klar! Er hat hier in der Nähe gewohnt, man hat sich auch immer mal wieder gesehen, auf Konzerten oder ist zusammen in einen Club gegangen und so. Das war alles ganz normal.

Daniel: Dann mal zurück zum Thema: Ebenfalls 2001 kam auch Sami Yli-Sirniö zu Kreator, der heute immer noch mit dabei ist. Er kommt ursprünglich aus Finnland und hat vorher bei Waltari gespielt, die ja ganz andere Mucke als Ihr gemacht haben. Ich kannte seinen Namen noch, weil er auf der „Deeper Kind Of Slumber“ von Tiamat im Booklet erwähnt war, weil er dort bei einem Instrumental Sitar spielte. Wie seid Ihr mit ihm in Kontakt gekommen?

Ventor: Der Kontakt kam über das damalige Management. Das hatte auch mit irgendwelchen Vermittlungen zu tun. Da hat eine Band jemanden gesucht, der für sie im Studio etwas einspielt und als wir einen Gitarristen suchten als schnellen Ersatz, damals als der Tommy noch bei uns war, auf der Summer Metal Meeting Tour, da hat sich Tommy einen Tennisarm zugezogen vom Gitarre spielen. Und da hat der Arzt gesagt, wenn Du jetzt keine acht Wochen Pause machst, dann wirst Du bald nie mehr Gitarre spielen können. Das war fünf Tage vor der Tour. Und dann haben wir einen gesucht, der das schnell auf die Reihe kriegt und haben den Sami gefunden. Er hatte vorher schon in einer Kreator Coverband gespielt und hatte die Songs ohnehin auf Lager gehabt. Wir haben das in drei Tagen eingeprobt und sind dann losgefahren. Dann kam der Tommy zurück, als die Tour zu Ende war und er seinen Arm auskuriert hatte.Dann hatten wir uns aber von ihm getrennt und haben überlegt. Sami war ein Supertyp und dann haben wir ihn gefragt, ob er Bock hätte. Tja, hat er gehabt und seitdem ist er da. So wie wir jetzt zocken, ist die längste Besetzung, die Kreator jemals hatte!

Daniel: Im Großen und Ganzen ähneln sich Eure letzten vier Alben „Violent Revolution“ (2001), „Enemy Of God“ (2005), „Hordes Of Chaos“ (2009) und „Phantom Antichrist“ (2012) ziemlich. Habt Ihr Euch jetzt vorgenommen, nur noch lupenreine Thrash Metal-Alben zu machen?

Ventor: Oh, ich finde „Phantom Antichrist“ schon ganz schön experimentell. Da sind schon einige Sachen drauf, die haben wir uns vorher nicht getraut. Wir haben uns vorgenommen, einfach nur noch Musik zu machen. Scheißegal wie, Hauptsache ist gut!

Daniel: Wird es auch mal wieder Experimente wie in den Neunzigern geben?

Ventor: Nee, überhaupt nicht! Das würde ich dann eher mit einem eigenen Projekt machen oder so.

Daniel: Ist es heute reine Routine für Euch, nur noch Thrash Metal-Alben abzuliefern? Immerhin werden sich Eure musikalischen Einflüsse in den letzten 30 Jahren schon etwas verändert haben, oder?

Ventor: Die Einflüsse kommen jetzt eher mehr oder weniger aus uns selber raus. Es ist jetzt nicht so, dass wir sagen, „Boah, die Band! So wollen wir jetzt sein!“ oder so. Heutzutage weiß man schon selber, wo man hin will. Da muss man nicht mehr gucken. Klar haben wir mal eine Idee, hier oder da mal ein Buchtitel oder einen Filmtitel für einen Song, aber musikalisch steht man da schon auf eigenen Füßen, weil wir seit dreißig Jahren den Kram machen.

Daniel: Was ist eigentlich dran an dem Gerücht, dass Mille privat nur noch Gothic Rock hört und Thrash Metal nur noch macht, weil Eure Fans das erwarten? Ist da etwas dran?

Ventor: Nee, das ist völliger Blödsinn! Der Mille hört eigentlich jegliche Art von Musik. Also ich kenne kaum jemanden, der einen so breit gefächerten Musikgeschmack hat wie der Kerl. Das war zwar manchmal relativ stressig auf Tour, aber das geht ja mittlerweile. Jeder kann jetzt seinen Kram selber hören und hat Ohrstöpsel drin. Aber früher war das schon ganz schön stressig, zwischen Nine Inch Nails und Kate Bush oder Venom und Manowar noch dazwischen... Ja, das war so, haha! Er war da immer schon sehr offen.

Daniel: Etwas was mich ziemlich überrascht hat war die Tatsache, dass 2013 eine Split-7“ von Kreator mit Legion Of The Damned und 2014 eine Split-7“ mit Arch Enemy erschienen. Ich weiß auch, dass sie aus Occult hervorgegangen und in der Szene schon alten Hasen sind, aber für mich sind Legion Of The Damned und auch Arch Enemy irgendwie immer noch „neue“ Bands… Wie kam es dazu? Seid Ihr Fans beider Bands oder waren das Ideen Eures Labels?

Ventor: Also, das mit Arch Enemy, da weiß ich, wie das zustande kam. Das war wegen der Tour, die wir gemacht haben. Elf Wochen sind wir mit denen durch die Welt getourt. Und dann haben wir uns gedacht, machen wir doch so ein Ding zusammen. Natürlich ist das auch immer mal eine Label-Idee, aber das Ding mit Legion Of The Damned weiß ich gerade gar nicht... Das ist schon älter, glaube ich...

kreatorDaniel: 2013...

Ventor: Nein, ich habe keine Ahnung... Also, wie gesagt, das interessiert mich auch gar nicht, weißte, so´n Kram. Das ist für mich total unwichtig. Dann sehe ich so ein Ding irgendwann mal und mir hält das einer vor die Nase und sagt, „Hier, unterschreib mal!“, dann mache ich mein Autogramm da drauf und dann denke ich, „Sowas gibt’s auch? Ist ja schön...“.

Daniel: 2010 habt Ihr auf dem Rock Hard Festival gespielt und den Gig auf zwei CDs innerhalb von zwei Jahren veröffentlicht. Warum hat das so lange gedauert?

Ventor: Ich habe keine Ahnung. Da hatte wahrscheinlich wieder einer eine wichtigere Veröffentlichung. Und weil so ein Zweiteiler nicht kaputt gemacht werden darf, muss man dann eben noch warten. Dann kommt dies noch dazu und der noch dazu usw. Wer sein Geld in so ein Magazin rein steckt, der hat auch das Sagen, mehr oder weniger.

Daniel: Und warum habt Ihr alle Ansagen von Mille auf beiden CDs rausgeschnitten, die an dem Abend echt mal witzig waren?

Ventor: Keine Ahnung, vielleicht braucht die ja keiner zu hören. Vielleicht waren die an dem Abend ja auch doch nicht so witzig, hehe...

Daniel: Warum habt Ihr denn 2013 noch das Oberhausener Konzert vom Dezember 2012, wo ich übrigens auch war, dann auch noch hinterher geschoben?

Ventor: Na ja, eigentlich gab es ja gar keine Live-CD. Die zwei CD vom Rock Hard waren ja nur eine Beigabe. Das haben wir ja für´s Rock Hard gemacht und für ihre Leser und nicht für Kreator.

Daniel: Mal etwas anderes: Dein Sohn Jerome ist ja ebenfalls in Deine Fußstapfen getreten. Er trommelt bei den Thrash Metal-Bands Final Depravity und Manifestic. Kannst Du mit ihrer Musik etwas anfangen? Gerade wenn es um Metal geht, ist man ja oft mit seinen Eltern im Zwiespalt. Ich weiß, wovon ich rede, hehe!

Ventor: Waren Deine Eltern Metaller?

Daniel: Na ja, mein Vater hat immerhin Jimmy Hendrix dreimal gesehen in seiner Hippiezeit...

Ventor: Haha, geil! Ja, aber waren Deine Eltern Metaller?

Daniel: Nein, das nicht...

Ventor: Aber Jeromes Eltern sind Metaller! Wir haben damit überhaupt kein Problem! Für mich wäre alles Andere schlimmer eigentlich.

Daniel: Inwieweit kannst Du seine Bands unterstützen? Hast Du für sie Kontakte zu Labels, Studios oder Headlinern für Liveshows geknüpft oder Ähnliches?

Ventor: Natürlich habe ich die Kontakte, aber ihn interessiert das überhaupt nicht! Das interessiert ihn einen feuchten Dreck. Das passt nicht in ihre Label-Politik im Moment und hin und her... Dann komme ich daher, der schon 422.000 Jahre im Geschäft ist und sage, „Mach mal hier! Das ist eine geile Band!“ Dann würden die aber sagen, „Ach nö, das ist ja eine neue Band. Da müssten wir dann ja Geld reinstecken.“ Und dann stehe ich da und denke mir, „Du hast doch einen an der Pfanne, Du Idiot!“ Aber das macht man natürlich nicht...

Daniel: Du hast Dich ja auch als Tattöwierer selbstständig gemacht. Wann war das genau und wie lief das ab? Braucht man dafür eine Genehmigung oder sowas?

Ventor: Leider braucht man keine Genehmigung, aber es gibt auch viel Scheiße, die man tattöwieren kann, Sachen, die man reparieren darf und so... Aber normalerweise kann jeder Spinner so einen Laden auf machen. Heutzutage bestellt jeder seinen Kram da...

Daniel: Und wie läuft der Laden so? Kann man davon leben?

Ventor: Ist okay. Ich bin zwar viel unterwegs mit Kreator, aber hier wird auch viel tättowiert. Ich hätte aber gedacht, ich würde mehr Metaller tattöwieren. Vielleicht haben die ja Angst vor mir, weiß ich nicht, keine Ahnung. Auf jeden Fall mache ich mehr Blumen und Schmetterlinge als Eddies und Knarrenheinze, haha...

Daniel: Na gut, kommen wir noch einmal zurück zu Kreator: Euer Bassist Christian Giesler ist schon seit 1997 dabei, Sami Yli-Sirniö immerhin auch schon seit 2001. Ihr scheint eine verschworene Gemeinschaft zu sein. Ist es für Kreator wichtig, dass vier langjährige Freunde gemeinsam musizieren? Ihr macht nicht den Eindruck, dass Ihr nur eine „Zweckgemeinschaft“ seid, die einen gemeinsamen Job macht…

Ventor: Ja, die Freundschaft ist mir auf jeden Fall wichtig, insofern, weil man ja auf Tour auch viel aufeinander hockt über Wochen und Monate. Und wenn man nur irgendwelche Idioten dabei hat, mit denen man nicht klarkommt, dann macht das echt keinen Spaß...

Daniel: Christian Giesler spielt ja seit 2013 auch bei Darkness...

Ventor: Nein, nicht mehr...

Daniel: Sonst hätte ich gefragt, inwiefern sich beide Bands in die Quere kommen...

Ventor: Nein, es war alles ziemlich viel in letzter Zeit und deswegen spielt er da auch nicht mehr...

Daniel: Apropos Darkness: Stimmt eigentlich das Gerücht, dass Ihr Euch in den Achtzigern einen Proberaum mit ihnen geteilt habt und ihr deren Schlagzeug einfach ohne zu fragen mit auf Tour genommen habt, damit Deines größer aussieht? :-D

Ventor: Nee, nicht wirklich. Man hatte mal ein Konzert und hat dann alles mitgenommen, aber das Schlagzeug war sowieso zusammen gebaut. Und auf jedem Konzert hat man dann das Schlagzeug so, wie man es gewohnt war, mitgenommen. Ganz einfach...

Daniel: Könnt Ihr eigentlich von Eurer Musik leben? Und wie verhalten sich die Verkaufszahlen der heutigen Alben im Vergleich zu Euren alten Klassikern?

Ventor: Also, ich sage mal so: Wenn ich alleine leben würde, könnte ich davon locker leben. Mit Familie ist das nicht so einfach. Heutzutage verkaufen wir komischerweise mehr Platten, obwohl es eigentlich schwerer geworden ist mit dem ganzen Download-Kram und so. Es ist für uns einfacher heutzutage als früher. Aber man hat sich ja auch seinen Namen erkämpft... Heute sagt man, „Ey cool, eine neue Kreator! Die kaufe ich jetzt mal!“ Früher las man eine Kritik im Metal Hammer, das war dann mehr ein Verriss als eine Kritik, und nahm sie nicht mit... Scheiß drauf!

ventor + danielDaniel: Ihr seid jetzt schon 30 Jahre unterwegs und habt schon alle Höhen und Tiefen erlebt. Wie sehen Eure Zukunftspläne aus? Und was meinst Du, wie viele Kreator-Alben noch in Euch schlummern? Immerhin bist Du ja jetzt auch schon 48 und Trommeln bei Kreator ist schon echt großer Sport, ähem…

Ventor: Das kann ich Dir gar nicht sagen. Das ist genauso, wie vor dreißig Jahren. Da hätte ich vielleicht noch gesagt, dass wir gar kein zweites Album machen. Man weiß es nicht. Also ich hätte niemals gedacht, dass wir dreißig Jahre später noch dieselbe Musik bzw. Musik überhaupt machen, dass das noch geht und auch besser als je zuvor eigentlich. Ich bin froh, dass es so ist. Und ich hoffe, dass das auch noch einige Zeit so sein wird! Es macht immer noch unheimlich Spaß!

Daniel: Bei so einem Szene-Urgestein wie Dir wäre es interessant zu wissen, welche Deine zehn Lieblingsalben aller Zeiten sind! Kannst Du das überhaupt sagen?

Ventor: Nein, das gibt es auch nicht. Ich habe immer so Phasen. Es gibt Phasen, da sind meine zehn Lieblingsalben von Rush, Judas Priest oder Slayer. Das ist immer so.

Daniel: Gibt es eigentlich auch neue, junge Bands, für die Du Dich begeistern kannst? Und wenn ja: Welche?

Ventor: Ja, aber für meine Begriffe gibt es einfach zu viele. Ich verliere da den Faden, weißte? Ich will mich auch nicht darum kümmern. Ich weiß, dass mein Junge in zwei Bands spielt, die interessante Musik machen und genau wissen, was sie da tun, und dass sie darauf Bock haben. Ich kann da nicht verfolgen, was da so abgeht um mich herum. Wenn ich bei Final Depravity, wo ich oft mitfahre, dabei bin, dann sehe ich mal die Band und die Band, aber das geht alles mehr oder weniger an mir vorbei. Ab und zu ist mal was dabei, wo man sagt, „ja, das könnte was werden“, aber so wirklich, dass man sagt, der Nachwuchs ist jetzt hier und er wird die Welt erobern, eigentlich nicht...

Daniel: Na gut, Ventor! Du bist endlich von dem Marathon erlöst! Ich hoffe, es hat Dir ein bisschen Spaß gemacht, in der Vergangenheit zu wühlen. Die letzten Worte gehören Dir!

Ventor: Ja, auf jeden Fall! Schlusswort? Nein, einfach weitermachen! Ist eh immer derselbe Kram, hehe...

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Autor: Daniel Müller