BLACK STAR RIDERS - THE KILLER INSTINCT


Label:NUCLEAR BLAST
Jahr:2015
Running Time:46:19
Kategorie: Neuerscheinung
 

"Mach mal ruhig", raunte mir mein Chefredakteur zu. Der hat gut reden. Man stelle sich einen Thrasher vor, der die neue Slayer reviewen soll oder einen Powermetaller, dem das neue Album von Blind Guardian oder Gamma Ray vorgelegt wird. Genauso erging es mir mit dem neuem Release von Black Star Riders, der Fortsetzung / den Erben der großen Thin Lizzy. Gegründet wurde Thin Lizzy 1969 von Brian Downey, Eric Bell und dem heute nahezu gottgleichen Phil Lynott. 1976 erschien mit dem Album "Jailbreak" und den ausgekoppelten Singles "The Boys Are Back In Town" und "Jailbreak" die bis dahin erfolgreichste Produktion der Iren, gefolgt von "Live And Dangerous", einem der besten Livemitschnitte im Rock. Das heavy "Thunder And Lightning", stark beeinflusst durch den Gitarristen John Sykes, wurde 1983 veröffentlicht. Kurz danach kam es zur Auflösung der Band. Nach diversen Tributkonzerten, Supporten, unter anderem bei AC/DC und halbgaren Reunions reformierte Scott Gorham die Band im Jahre 2010 neu. Mit dabei waren neben dem Schlagzeuger Brian Downey unter anderem Darren Wharton (Keyboards), Marco Mendoza (Bass) sowie Ricky Warwick (Vocals). Nach einem kurzen Gastspiel von Vivian Campbell und anschließend Richard Fortus besetzte Damon Johnson im Jahre 2011 die zweite Gitarre neben Scott Gorham. Zu dieser Zeit sah ich sie als Support von Judas Priest. Damals noch sehr auf die alten Stücke geprägt und sich nur langsam vom Rost der Zeit befreiend. 2012 begab sich die Band ins Studio. Im Zuge dieser Aufnahmen verließen Wharton und das letzte verbliebene Gründungsmitglied Downey die Band, wobei Letzterer durch Jimmy DeGrasso am Schlagzeug ersetzt wurde. Offiziell aus Respekt vor Lynott und dem ausgestiegenen Downey firmierte man nun zu Black Star Riders um. Heute möchte ich eher den Worten von Ricky Warwick Glauben schenken, nach denen es der Band nur so möglich schien, sich ganz aus den Zwängen von Thin Lizzy zu befreien und nun wirklich ihr eigenes Ding durchzuziehen. Exakt dreißig Jahre nach dem letzten offiziellen Thin Lizzy Album debütierten Black Star Riders mit "All Hell Breaks Loose". Ein klasse Album. Ohne Frage. Für mich eines der Highlights des Jahres 2013 mit den typischen Twingitarren und einem Ricky Warwick in toller Lynott-Adaption. Für einige zu viel gute Laune, zu wenig Tiefgang, wenn auch handwerklich perfekt.

Ihr zweites Album "The Killer Instinct" wurde anfangs produziert von Joe Elliot. Aufgrund terminlicher Überschneidungen des Sängers mit seinen Def Leppard übernahm schließlich Nick Raskulinecz (Foo Fighters, Rush, Mastodon, Alice in Chains) den Job. Einen weiteren Glücksgriff schien die Band mit der Verpflichtung Robbie Crane gelungen zu sein, der hier am Bass Marco Mendoza ablöste. Vorweg genommen weist "The Killer Instinct" wesentlich mehr Groove als noch der Vorgänger auf. Die Riders experimentieren und Textpassagen des nordirischen Sängers über Terrorismus in seiner Heimat und die Verbrechen eines Charles Manson, zeugen durchaus von Tiefgang.

Los geht es mit "The Boys Are Back In Town". Ach nee. Dem Titelsong "The Killer Instinct" natürlich, aber ihr wisst was ich meine. Locker, flockig mit klasse Gitarren und coolen Hooklines. Vielleicht in Nuancen etwas rauer ist "Bullet Blues" mit am Ende diesen geilen Leadgitarren. Etwas ruhiger der Einstieg in "Finest Hour". Der Song entwickelt sich zur ganz einfach strukturierten Midtemponummer mit nur drei Akkorden und einfachsten Refrains, die so richtig schön zum Mitgrölen einladen und macht ansonsten einfach nur Spaß. Mir erscheinen die ersten drei Songs, ich will nicht despektierlich klingen, wie eine Art Vorgeplänkel, vielleicht auch etwas back in Richtung des Vorgänger "All Hell Breaks Loose". Sie sind klasse. Keine Frage. Aber das was nun folgt ist einfach der Hammer. "Soldierstown" beginnt mit einem Riff, irgendwo in den rauen, irischen Gefilden ausgegraben und entwickelt sich zu einer Art Kneipensong, ja ein Piratenrocker, der ne Menge von "Under Jolly Roger" von Running Wild hat und mir bereits mit dem ersten Hören ein breites Grinsen verpasste. Kann man so was noch steigern? Black Star Riders oder besser Ricky Warwick können. "Charlie I Gotta Go" ist der besagte Song über Charles Manson, aber mit so viel Blues und so viel Sex. Mir kam unweigerlich der Gedanke an "Janies Got A Gun" von Aerosmith. Warwick pass auf, mit einer solchen Stimme kann man auch ruck zuck zum "sexiest man alive" gewählt werden. Und direkt danach "Blindsided". Diese Rauhigkeit in den Vocals und solche Akustikgitarren lassen selbst Genrefremde immer wieder feststellen, dass die besten Balladen nur von Rock- oder Metalbands geschrieben werden können. Ein Epos und diesmal tatsächlich mit einem klasse Riff vom Shouter himself. Etwas schleppend und rauher geht es in "Through The Motions" rein. Dann wird Fahrt aufgenommen. Im Mittelteil ganz ruhig aber weiter groovig und zum Abschluss alles zerreißende, fetzigste Gitarren. Fett groovend geht es mit "Sex, Guns & Gasolines" weiter und wieder diese raue, voll anmachend Stimme. Man hört förmlich wie Warwick wie einst Presley seinen Hintern rotieren lässt und sich dabei in seinen Schritt greift. Auch "Turn Your Arms" setzt den Groove mit coolen Rhythmuswechseln fort. Klasse Gitarren hier gleich zu Beginn und zu Mitte des Songs Riffs, wahrlich zum Niederknien, und wieder die anfänglichen Leads, die sich wie ein roter Faden durch den ganzen Track ziehen. Der siebenminütige Rausschmeißer "You Little Liar" beginnt wieder etwas rauer. Hier sind es ganz klar die Drums, die den teils schleppend-bluesigen Zwischenteilen weiter den notwendigen Drive geben. Meines Erachtens sind es die Soli im Zwischenteil und zum Ende, die hier voll punkten.

Fazit: Auch die zweite Veröffentlichung der Black Star Riders ist ein tolles Rockalbum im klassischen Stil. Jede Menge doppelläufige Gitarrenmelodien oder auch mal ganz coole Soli, schön fetzig verzerrt, wahrlich zum Niederknien und ein Ricky Warwick in Bestform mit hier unglaublich viel Sexappeal. Instinkt haben die Jungs mit ihren Songs auf jeden Fall bewiesen. Ob es auch der erwartete Killer wird, bleibt abzuwarten. Hierfür bedarf es nicht nur eines Topalbums sondern insbesondere der entsprechenden Promotion, wobei selbiges dem Label ja wohl leicht fallen sollte. Innovationen erwarte ich von den allesamt gestandenen Musikern nicht, wohl aber ne Menge Hörspaß, viel Groove und das gewisse Feeling und das haben sie voll rüber gebracht. Einziger Kritikpunkt. Natürlich sind knapp 46 Minuten viel zu wenig. So gibt es auf den extended Editions als Bonus "Gabrielle" und "The Reckoning Day" sowie von dem Titelsong, zwei meiner Top Three und von "Finest Hour" noch eine Akustikversion. Für mich die Höchstnote mit einem halben Punkt Abzug, um die nötige Objektivität eines Kritikers zu wahren.

Note: 9.5 von 10 Punkten
Autor: Andreas Gey


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