Bang Your Head Festival 2014 – Warm Up Show

Balingen, Messehalle, 10.07.2014

Nachdem unsere ersten vier Tage in der Zollernalb-Region, wo wir eigentlich etwas Urlaub machen wollten, in heftigen Regengüssen ersoffen waren, freuten wir uns innig auf ein trockenes Venue. Jedes Jahr gibt es hier den berühmten Run auf die Akkreditierungen, da dies nicht der eigentliche Festivalveranstalter übernimmt, sondern persönlich die Bands oder Label, die an diesem Abend präsent sind. Dafür also Dank an Herman Frank von Victory (und Accept). Als passionierter Autogrammsammler ließ ich meine zu signierenden Artefakte im Hotel, da ich dachte, dass ich sowieso niemanden treffen würde. Beim Betreten der Halle lief ich zuerst in die Arme von Herrn Frank und so mussten wir uns halt unterhalten, haha. Auch gab es während der Auftritte der anderen Bands jeweils Autogrammstunden am Merchandisestand der Halle.

dynamiteDen Auftakt machten die Schweden Dynamite, deren beiden letzten Alben bei uns ganz gut Anklang fanden. Man widmete sich dem Retro-Rock, stark orientiert an die 70er-Jahre, samt Look natürlich. Das aktuelle Werk „Blackout Station“, lag natürlich im Vordergrund der Performance, aber es blieb noch genug Platz für alte Klassiker. Das Stageacting ist feuerlegend und passend zum AC/DC-Sound. Die Australier sind übrigens der Haupteinfluss dieser Band. Die Halle selbst war sehr gut gefüllt und die Band wurde relativ euphorisch gefeiert. Fronter Mattis Karlsson hatte alles im Griff und war ziemlich gut bei Stimme. Er nutzte jede freie Sekunde, das Publikum anzufeuern und wechselte dann wieder zu Gitarrensoli. Eine fette Show.

 

bulletDie im Jahr 2001 in Schweden gegründete Band Bullet bedarf in der hiesigen Szene wohl keine Vorstellung mehr. Ihr massiver Old-School-Sound, mit denen sie Bands wie die eben gehörten Dynamite bewusst motiviert haben, mit am Strang zu ziehen, war selbstredend eine gute Idee, direkt im Anschluss ihrer Landsleute anzubieten. Für die Rockszene sind Fronter Hell Hofer immer eine feste Band mit der man rechnen muss. Anstatt eines Banners nutzte die Band eine Leuchttafel mit Namenszug über dem Drumset, wie wir es von der Kirmes kennen. Das verlieh eine ganz besondere Atmosphäre. Das Axt-Team Hampus Klang (Gitarre), Alexander Lyrbo (Gitarre) und Adam Hector (Bass) nutzen jede Gelegenheit, ihrem Sänger die Show zu stehlen, in dem man sich in feinster Status-Quo Manier in Pose warf. Da wurden die Mädels weich. 2010 waren die Skandinavier zweite Band des zweiten Festivaltages und ernteten wahre Stürme an Applaus. Folglich wurde man mit diesem Gig ein weiteres Mal belohnt. Hier war bei jedem Song Mitgröl-Alarm, und die Bereitschaft der Massen war schier unglaublich. Musik muss nicht immer kompliziert sein, der größte Anspruch ist ein Song, der das Publikum aus dem Starrsinn reißt. Die Partylaune konnte kaum besser werden.

 

stormwarriorDie ersten Germanen auf der Bühne waren heute Stormwarrior von der Waterkant. In Hamburg stehen die Zeichen oft auf Power-Metal und diese Truppe, die fast zwanzig Jahre am Start ist, hat ihren Job von der Pike auf gelernt. An den Status von Helloween oder Running Wild konnte man bis dato zwar nicht anschließen, aber das spielte heute Abend überhaupt keine Rolle. Mit „Thunder & Steele“ wurde ein aktuelles Album eingetütet, das es hier zu promoten galt. Die Zahl der Zuschauer wurde zwar nicht geringer, aber man musste gestehen, dass die Stimmung leicht abflaute. Was aber bestimmt nicht an der scharfen und speedigen Leistung der Truppe lag, die professionell und mit filigranen Soli ihre Darbietung präsentierte. Man war halt mehr auf Party eingestellt, als auf Banging. Sänger/Gitarrist Lars Ramcke, einzig verbliebenes Ur-Mitglied, hatte mit seinen Solo-Einsätzen gleich eine gut funktionierende Doppelfunktion, was aber natürlich etwas den Aktionsradius einschränkte. Seine wirbelnde Haarpracht würde ich aber gerne gegen meine Glatze eintauschen. Ich denke mal, dass diese Formation sich mit ihren manchmal in den Viking-Metal abdriftenden Sound an diesem Abend nicht viele neue Fans erspielt hatte, aber man hat auch niemanden über Bord fallen sehen. Wer auf diesen Auftritt keine Lust hatte, konnte sich seine Mitbringsel von Grave Digger in einer nach einer relativ langen Wartezeit, der Andrang war erstaunlich, signieren lassen.

 

victoryVictory haben eine erstaunliche Bandgeschichte hinter sich und ich kenne kaum eine Band, die so viele Sängerwechsel überstanden hat. Wahrscheinlich liegt es daran, dass jeder Shouter dieser Truppe an sich recht begabt war/ist. Das aktuelle Mitglied am Mikrophonständer ist Jioti Parcharidis. Er war bei ihnen bereits Sänger von 2005 bis 2011 und ist seit 2013 wieder dabei. Passend zur Reunion. Urgestein Herman Frank an der Gitarre ist zwar kein Gründungsmitglied (er kam 1986 für den ausgestiegenen John Lockton), ist aber aus dieser Besetzung am längsten dabei. Der Einstieg an diesem Abend war furios, denn er versetzte das  Publikum bei eingesetzender Müdigkeit (die meisten haben endlose Anreisen hinter sich) in ausartende Stampfeinlagen. Das letzte Studiowerk, „Don`t Talk Science“ ist drei Jahre alt, und somit verteilte die Truppe ihr Ohrenmerk auf ältere Stücke. Das war auch gut so, denn man wollte schließlich den Saal zum kochen bringen. Da brachten sich die neuen Mitglieder des ehemaligen Flagschiffs des deutschen Metal, großartig ein. Mit am Start der Drummer Michael Wolpers, der mit Herman bei Moon`Doc gespielt hat (erst war Fritz Randow, auch ex-Moon`Doc eingeplant), Gitarrist Christos Mamalitsidis (Nikki Puppet) und Basser Peter Pichl (Running Wild). Also alles aus dem Bekanntenkreis. Wer wissen wollte, wie cooler und bester deutscher Metal klingt, war an dieser Stell genau richtig.

 

grave diggerGrave Digger aus meiner Geburtsstadt Gladbeck (ich glaube viel mehr Aufregendes gab es aus dieser City nicht, außer dem Stadtsparkassenraub mit Degowski und Rösner) sind ein fester Bestandteil der hiesigen Metalszene. Mit etlichen Besetzungen kämpfte sich die Band mit  an die Metalspitze des Landes. Natürlich ist Aushängeschild Chris Boltendahl das einzig verbleibende Gründungsmitglied, während die anderen nach Mitte der 90er-Jahre zur Band kamen. Immer noch Neuzugang an der Gitarre ist Axel Ritt (ex-Domain), der 2009 zur Truppe stieß. Und dennoch hat man eine perfekt funktionierende Symbiose vor sich. Verfeinert wurde die Show mit Feuer, Schwefel und jeder Menge Nebel. Ein weiteres Highlight war Keyboarder HP Katzenburg (Heinz Peter), der als Reaper seine Show mit Maske und Umhang absolvierte. Da am kommenden Tag die neue CD von der Band „Return Of The Reaper“ erscheinen sollte, nutzte man natürlich die absolut geniale Gelegenheit zur Promotion der Scheibe. Natürlich stellte sich hier nicht die Frage, ob das aktuelle Material zum restlichen Geschichtsträchtigen Stapel der alten Songs passt. Chris war bei bester Stimme, die Gitarren-Soli flirrten durch die gierige Meute und es wurden einige Kilometer auf der Bühne abgerissen. So muss Metal sein, damit die Party im Gang bleibt. Eine würdige Opening-Show für das morgen startende Festival, wo ich mir für den ersten Tag gar nicht sicher war, ob wir heute schon besser bedient wurden.



Autor: Steve Burdelak - Pics: Steve Burdelak