SCORPIONS - ANIMAL MAGNETISM


Label:EMI ELECTROLA / HARVEST
Jahr:1980
Running Time:39:29
Kategorie: Classics
 

Ja ja, Scorpions und Heavy Metal. Darüber kann lange und oft (zu Recht) diskutiert werden. Solange das von Metallern getan wird, kann der Anteil Metal bei den Hannoveranern so klein nicht sein. War er auch nicht. Jedenfalls spätestens seit 1979 nicht mehr. Beim Radiosender WDR, wo montags ab 19:00 Uhr die Radiothek-Schlagerrallye, ganz entgegen ihres irreführenden Titels für zwei Stunden den Äther verrockte, öffnete sich für mich damals eine völlig neue Welt. Ich meine mich entsinnen zu können, dass die Single „Make It Real“ schon in der Hörer-Jahresauswertung von 1979 auf den Plätzen zwischen 11 und 20 zu finden war, wo in der Sendung die Titel nur kurz angespielt wurden. Und genau da ist es passiert. Ein Ausschnitt von „Make It Real“ fixte mich so an, dass es bis heute für mich keine andere Musik gibt. Nach dem grandiosen Livealbum „Tokyo Tapes“ begann für die Hannoveraner eine neue, härtere Ära. Gitarrist Uli John Roth ging, und Michael Schenker kam, welcher für das 79er „Lovedrive“-Album seine Zeit zwischen UFO und seinen MSG überbrückte. Das Album „Animal Magnetism“ erschien 1980, und es war das erste mit Neuklampfer Matthias Jabs, der Rudolphs kleinen Bruder ersetzte. Matthias war noch auf der Suche, sich musikalisch neben Riffklopper Rudolph einzufinden. Nicht zuletzt auch ein Grund, warum diese Scheibe diese Härtegrade konserviert. Die Schenker Riffs schlagen mit einer Wucht auf die Zwölf, wie auf keinem anderen Scorpions Album. Untypisch für diese Scheibe war auch, dass sich „nur“ zwei Hits darauf befinden, nämlich „Make It Real“ und die Wah-Wah Nummer „The Zoo“, was die Sache für Metaller bloss noch kultiger macht. Die energiegeladenen Liveshows seinerzeit suchten Ihresgleichen.

SCORPIONS-animal magnetism REVIEW 2011Nach dem Opener „Make It Real“, mit einem wahrlich warmen Jabs-Lead versehen, drischt Uptemporocker „Don’t Make No Promises (Your Body Can’t Keep)“ mit noch mehr Wumms aus den Speakern. „Hold Me Tight“ schaltet wieder einen Gang zurück und zeigt auf, wie zackig und messerscharf ein Riff klingen kann. Zu jedem einzelnen Song könnte ich die genialen Schenkerriffs hervorheben, da gerät die Stimme von Goldkehle Klaus Meine zu Unrecht in den Hintergrund, denn auch diese schreit und kratzt wie nie zuvor. Was soll ich noch sagen, „Twentieth Century Man“ hat wieder so ein Riff vor dem Herrn, und der Midtemposong war mein damaliger Fave. Zwar zupfte der damalige Basser Francis Buchholz dazu Läufe, wie in einer Tanzkapelle, verlieh den Tracks aber nicht weniger Groove. Wen wunderts, dass „Lady Starlight“ nie zu den grössten Scorpions Balladen gezählt hat? Weil sie auf diesem Album ist? Wegen dem messerscharfen Solo am Ende? Egal, ich bin froh, das genau diese auf dem Album zu finden ist. Auf Seite 2 fegt nach einem süssen Ripp-Off das amtliche „Falling In Love“, mein Fave heute, mit seiner Riffwand alle Zweifel weg, die Band wären Weichspüler oder bloss Krautrocker. Die Produktion setzte der vom „Lovedrive“-Album in Punkto Druck und Tiefe noch einen drauf, und die Klampfen kamen monumentaler, weil halliger. Das zeigt sich besonders im Slowburner des Titelstücks, in dem es zu Anfang bedrohlich kracht, bevor das Riff losbrät. Und auch genau hier mag ich die Drums von Herman Rarebell am Liebsten. Das grosse Plattencover, damals noch in den Massen 312 mm x 312 mm, konnte ich mir regelmässig beim Kumpel beschauen, denn ich besass nur die MC. Doch so oft ich es auch betrachtete, sein übermässiger 70er Flair konnte dem Sound darin nicht ansatzweise gerecht werden. Ebenso wenig dem Schriftzug. In diesem Punkt hatte der Vorgänger „Lovedrive“ meilenweit die…äh…Nase vorn. Unnötig noch zu erwähnen, welches Bandlogo als Backpatch auf meiner Jeansjacke prangte. Leider musste man gegen Ende der 80er erstmalig dran zweifeln, ob wirklich noch Metal in der Gruppe steckt, denn zu viele Balladen und eine differenzierte ideologische Ausrichtung der Band, nährte den Spott der Zweifler für lange Zeit. Darum erzählt es den Skeptikern da draussen, sie mögen es in ihren Geschichtsbüchern nachtragen: Auf „Animal Magnetism“ sind die Scorpions Heavy Metal gewesen!

Note: 9.5 von 10 Punkten
Autor: Joxe Schaefer


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