Rock Hard Festival 2014

Gelsenkirchen, Amphitheater, 06.-08.06.2014

Im Jahre 2003 fand das erste Rock Hard Festival im Amphitheater zu Gelsenkirchen statt. Seit dem ist der jährliche Event zu Pfingsten zu einem der wichtigsten Festivals im Sektor Heavy Metal geworden, gibt es reihenweise Besucher, die noch keines ausgelassen haben. Daran hinderten auch körperliche Verletzungen und andere persönliche Schicksale nichts.

Tag 1: Nocturnal, Zodiac, Decapitated, Midnight, Die Apokalyptischen Reiter, Triptykon.

nocturnalPfingsten 2014, und noch immer standen die Zeichen der Zeit auf Thrash Metal. Das Genre durfte sich in den vergangenen Jahren einer wieder einer wachsenden Beliebtheit erfreuen, dass auch ein Billing des Rock Hard Festivals der letzten Jahre darauf entsprechend einging. Die daraus erwachsende Tradition, das Festival mit einem Thrashact zu eröffnen, setzte sich auch in 2014 fort. Die erste Ansage von Boris Kaiser, heute mit Spiegelbrille und Pornobalken, was er mir später auch selbst abnickte, so schreiben zu dürfen, warf den ersten Act ins Rennen. Bei praller Sonne suchten schon viele Fans weit vor Beginn den Schatten unter dem Segel vor der Bühne, was die Süddeutschen von Nocturnal in die Karten spielte. Ihre Shouterin Tyrannizer warf ihre uncleanen Ausstöße in die Menge, wobei helle Schreie heute besonders kreischig kamen. Aber wo nicht geshoutet wurde, wurde gebangt, besonders bei "Tyrants Of Damnation", einer der Kracher vom aktuellen Album "Storming Evil". Die ersten Reihen waren vom angeblackten Thrash schwer angetan, wenn sie auch zu den letzten Clubshows von mehr Energie umgeben waren. Zum Schluss wurde der Mikrofonständer weggeworfen und zum Nachhall der Gitarren die Bühne verlassen. (Joxe Schaefer).

 

zodiacThomas Kupfer sagte die aus den 'Baumwollfeldern des Münsterlandes' stammenden Zodiac an. Mit ihren Sounds, quer durch die Sparten des Modern und Vintage Rock gleitend, begrüßten sie die Besucher mit einen amtlichen 'Goten Tach! Erwartungsgemäß längst nicht so zackig wie die Band zuvor, punktete die wohl softeste Band des Festivals mit rockigen Parts, welche Interpretationsspielraum für Jams ließen. Am anderen Ende seines weißen Spiralkabels griff Ruben nicht nur in die Saiten seines Basses, sondern auch in die Tasten einer alten Orgel im betagten Holzrahmen. Das Neil Young Cover "Cortez The Killer" und der Abschlusstrack ihres ersten Albums "Coming Home" beschlossen einen mit sympathischen Ansagen versehenen Auftritt, der besser gefiel als zuvor im Vorprogramm von Grand Magus. Sie bekamen mächtig Applaus, auch weil sie für das heiße Wetter mit ihren relaxten Klängen eine passende Band waren. (Joxe Schaefer).

 

decapitatedMan kann noch so früh losdüsen, den Stau im Ruhrgebiet kriegt man nicht gebacken. Da wird aber auch in jeder noch so kleinen Umgehung etwas abgesperrt oder verändert. Das führte dazu, dass ich auf dem Weg zum Rock Hard Festival eine satte Stunde in Bottrop-Ebel (!) feststeckte. Unfassbar. Als ich auf dem Gelände ankam, war es gerade Zeit für Decapitated. Sie sind Polen, frönen dem extremen Sound in Form von Death Metal und hatten nach einer schlimmen Zeit, nach ihrem Unfall in 2007, mit der Weiterführung zu neuer Stärke gefunden. Gespielt wurden Songs des aktuellen harten Bretts „Carnival Is Forever“, sowie einige Klassiker ihrer Diskografie. Der Sound war leicht progressiv angehaucht, aber nachvollziehbar und diente jederzeit zum Bangen. Routiniert fegte man die brachialen Riffs von der Bühne und heizte die von der frühen Abendsonne verwöhnten Zuschauer noch mehr auf. Die Jungs waren technisch einfach versiert und die Growls von Fronter Rafal Piotrowski passten als aufputschendes Stilmittel perfekt ins Bild. Das Publikum war mehr als dankbar und feierte kräftig mit. Michal Lysejko hatte als Nachfolger des facettenreichen Dummers Kerim Lechner (2009 – 2012) kein leichtes Spiel, aber was er heuer ablieferte, war gnadenlos geil. Für mich die beste Band des Tages. (Steve Burdelak).

 

midnightNicht wenige Festivalbesucher warteten auf das Drei-Mann-Bollwerk aus Cleveland. Was im Jahre 2003 in Ohio mal begann, schien Formen anzunehmen, denn das Trio erfreute sich wachsender Beliebtheit. Dabei hatten sie neben einem sackvoll Splits und EP's bloß zwei reguläre Studioalben am Start, das "Satanic Royalty" Album und das Neue "No Mercy For Mayhem". Mit Tempo, Kapuzen, Hau-Drauf-Gedresche und freiem Oberkörper hatten Midnight das Amphitheater schnell auf ihrer Seite, und verursachten reichlich Mische im Publikum. Bevor wir jetzt darauf eingehen, ob es ihnen bei dem Wetter heiß unter den Masken war, was auch schon nach ihrem Auftritt auf dem letztjährigen Keep-It-True Festival ausreichend angesprochen wurde, wenden wir uns doch mal ihren Ansagen zu. Dabei immer wieder das Wort "Deutschland" benutzend, berief man sich auch auf Mr. Ronnie James Dio "A wise man once said, I hate the light, I speed at night". Weiter hinten im Set waren noch "You Can't Stop Steel" vom "Satanic Royalty" Album, nebst seines Titeltracks abzufeiern. (Joxe Schaefer).

 

die apokalyptischen reiterDie Apokalyptischen Reiter waren erst seit Kurzem auf meinem Schirm und ich kann wirklich nicht sagen, was ich von der Band halten soll. Mal hauten sie mich mit einem Song aus der Richtung „Neue Deutsche Härte“ völlig aus den Socken, und dann wieder spielten sie derart obskure Kompositionen, dass mir der Spaß abhanden kam. Ihre Songs waren so variabel wie die Waffen der „echten“ Reiter! Wie dem auch sei, live waren sie eine wahre Bank. Vom Intro über die Dauer-Action von Sänger Daniel „Fuchs“ Täumel, bis hin zur kitschigen Death-Metal-Polka, hatten die Recken die Massen im Griff. Da wurden lauthals Refrains mitgeschmettert, oder der erzählerischen Kunde des Sängers, in demütiger Huldigung gelauscht. Dass der Rest der Band dabei etwas in den Hintergrund geriet, schien niemanden wirklich zu stören, weder die Fans noch die Musiker selber. Die Songs der Truppe waren mir vom Titel her nicht so geläufig, aber natürlich stand der aktuelle Doppel-Longplayer „Tief.Tiefer“ im Vordergrund. Black, Death, Thrash, Folk, Power Metal und ein Hauch von Rammstein bis Oomph…für jeden etwas dabei. (Steve Burdelak).

 

triptykonBei Triptykon war vieles anders. Positiv anders. Zunächst einmal war es den Fotografen erlaubt ihre Fotos zu schießen, wann immer sie wollten, ohne Rücksicht auf die Regel, es nur die ersten drei Songs tun zu dürfen. Unter Grollgeräuschen, die sich schon die ganze Umbaupause breit machten, stiegen die Schweizer mit "Black Snow" vom neuen Album "Melana Chasmata" in den Set ein, der von Schwärze und dunkler Atmosphäre geprägt war. Tom G Warrior war es auch, der eine besondere Ansage machte: "Guten Abend. Viel ist passiert bei uns, viel ist passiert hier. Wir möchten dieses Konzert einem Freund von uns widmen ... Götz Kühnemund!" Großer Applaus folgte. Bei zunehmender Dunkelheit wirkten Triptykon gefährlicher, womit sie die Atmosphären der Alben optisch noch besser umsetzen konnten. An der Aufgabe, ihren extremeren Stil in eine Schublade einzuordnen, waren schon andere gescheitert. Triptykon sind einfach Triptykon, und dazu noch essentiell. Zum Schluss noch einmal die Worte von Tom: "Triptykon verbeugt sich vor Euch!" Eben vieles anders bei Triptykon. (Joxe Schaefer).

 

Tag 2: Roxxcalibur, Dead Lord, Screamer, Solstafir, Pretty Maids, Obituary, Sacred Reich, Carcass

roxxcaliburBeileibe waren Roxxcalibur keine Veteranen der New Wave Of British Heavy Metal, jedoch haben sie diesen Spirit tief in sich aufgesogen, und sind auch aus dem Underground nicht mehr wegzudenken. Sie eröffneten mit "Witchfinder General" dem Anthem einer der ersten Doombands, wozu Shouter Alex im stilechten Outfit erschien. Sie spielen nur undergroundiges Zeug aus der Bewegung, deswegen muss man Tracks von Saxon, Iron Maiden oder Venom nicht erwarten, sondern "Flying High" (Hollow Ground) und "Lady Of Mars" (Dark Star). Die beiden Guitarmen Kalli und Holger hätten bei ihren Doppelläufigen ruhig mal öfter die Hälse kreuzen können, unabhängig davon, ob Manilla Road Drummer Neudi noch öfter als nahezu permanent mit Zigarillo auf dem Zahn wirbelte. Noch eindrucksvoller waren jedoch die Hey-Rufe von Basser Mario ohne Mikro, die mit Vehemenz aus der Menge beantwortet wurden. Mit den null angerosteten Tracks "Don't Break The Circle" (Demon), "Seven Days Of Splendour" (Jameson Raid) und "See You In Hell" (Grim Reaper) wurde ein fulminanter Gig beendet, und die Crowd trug Mario unter Megaapplaus auf den Händen über ihren Köpfen surfend hinaus. Roxx waren eine der geilsten Bands des Festivals. (Joxe Schaefer).

 

dead lordDead Lord ist eine junge Band aus Schweden, die von der anhaltenden Retro-Welle profitiert. Nicht wirklich meine Baustelle, aber die Jungs meinen es ernst. Und dabei machten sie eine gute Figur. „Goodbye Repentance“ war das neue Werk, es stammte aus dem Vorjahr und bedient die 70er Jahre genauso wie der Look und das Outfit der Band. Einfach gesagt…alles was die Band ausmacht. Schwierig ist es nur, da eine klare Linie zu ziehen was wirklich geil ist, denn Innovation bleibt selbstverständlich auf der Strecke. So durften sich die Zuhörer am frühen Nachmittag des zweiten Tages an altbackenen Riffs erfreuen, die mit großer Spielfreude vorgetragen wurden, und die Füße zum dargebotenen Groove bewegen. Knappe vierzig Minuten mussten ausreichen, um das Publikum zu überzeugen, sich im späteren Verlauf des Tages am Autogrammzelt einzufinden, das wie jedes Jahr reichlich Zuspruch fand. Für Vintage-Rock hatte man auf diesem Festival immer etwas Platz, und nach Bands wie Graveyard oder Vanderbuyst war der hungrigen Meute dieser Act ebenso willkommen. (Steve Burdelak).

 

screamerScreamer traten mit neuem Sänger und Bassisten an. Oskar von den Schweden Night griff für den ausgestiegenen Christopher in die Saiten, und das nun schon zum zweiten Mal. "Sometimes Life Is Just Pure Rock 'n' Roll" war da die zutreffende Textzeile vom Opener "Can You Hear Me". Nach Aussage von Drummer Henrik habe man in dieser Besetzung nur drei Mal geprobt, und dennoch fluppte alles wie am Schnürchen, wie sie mit "Slavegrinder" und Mitgröler "Keep On Walking" vorzeigten, bei dem die Audienz mitsang. Screamer zeigten auch auf, dass die Stimme von Oskar nicht nur heller ist, sondern auch bestimmte Passagen eine Oktave höher singen konnte. Die Ansagen der Songs teilten sich aber wir gewohnt die Gitarristen. Wie gut die Screamer Songs sind, bemerkte man auch dadurch, dass sie von einer ungewohnten Stimme gesungen wurden. Das verdeutlichten auch "No Sleep 'til Hamilton" und "Keep On Running", und die auftauende Menge begriff langsam, worum es den Schweden ging, nämlich Metal pur. Die finalen Abreißer "Rock Bottom" und "Screamer" beschlossen den Set. (Joxe Schaefer).

 

solstafirSolstafir aus Island starteten ihren Set mit ausgiebigen Lärmkulissen. Nichts anderes erwartet man auch als Fan der eisigen Klänge. Wer sie letztes Jahr im Vorprogramm von Long Distance Calling verpasst hat, und auch sonst noch nie gesehen hat, war nun doppelt gespannt, wie der Vierer seine kalten Felsen live umsetzen würde. Helles Geschrei und schraddelnde Gitarren mit Keyboards aus dem Back unterstützten den Aufbau ihrer Lärmlandschaften, die vielleicht eher auf dunkle Kellerbühnen passten. Man stellte sich vor, dass die Band sich zu den Schleppwalzen gar nicht viel bewegen könne, doch auch das taten sie irgendwie. So auch das Publikum, das selbst rhythmuslose Parts beklatschte. Is aber auch geil, wie sie einfach so geile Riffs scheppernd verhallen lassen können. Anfang der Achtziger baute eine Band namens U2 nur auf diesen Sound. Ein Epos wie "Goddes Of The Ages" rundete die Angelegenheit ab. Wie Solstafir das hier umgesetzt haben, war schon bemerkenswert. (Joxe Schaefer).

 

pretty maidsPretty Maids begleiteten mich bereits seit den 80er-Jahren und es gibt kaum eine Band aus jener Zeit, die immer noch so viel qualitativ hochwertige neue Songs komponiert, wie diese Dänen. Natürlich hat sich auch hier die Fluktuation breit gemacht, und vom Original Line-Up sind nur noch Sänger Ronnie Atkins und der immer vor Freude sprühenden Gitarrist Ken Hammer übrig geblieben. Aktuell mit dabei, Drummer Allan Tschicaja (seit 2006), Keyboarder Morten Sandager (seit 2006) und Basser Rene Shades (2004 und seit 2011 wieder). „Motherland“, so der Titel des aktuellen Rundlings, wurde natürlich mit Klassikern der goldenen Zeiten gemischt. Aber diese Band kann spielen was sie will. Alles kommt nahtlos wie eine Rakete und trifft immer den Nagel auf den Kopf. Ronnie ist einer der wenigen „älteren“ Fronter, dessen Stimme noch immer rasierklingenscharf durch die Boxen drischt. Ein echt starker Fronter, eine echt starke Band. Interessant ist es auch zu sehen, wie viel Respekt dieser Auftritt auch bei den Fans der härteren Klänge Zuspruch fand. Für mich die Krönung des Tages, mit einem Ken Hammer, der das Grinsen anscheinend erfunden hatte. (Steve Burdelak).

 

obituaryDass mal eine klassische Death Metal Band auf dem Rock Hard Festival spielte, war nicht gerade von Häufigkeit geprägt. Im Falle von Obituary aber eine besonders feine Sache, denn die waren schon Ende der Achtziger seit "Slowly We Rot" im Gespräch. Mit den Folgealben "Cause Of Death" und "The End Complete" erspielten sie sich in Insiderkreisen einen Namen, der heute über die Death Metal Kreise hinaus gewachsen ist. Man darf auch nicht vergessen, die Mannen aus Florida zählen zu den ersten Death Metal Bands und haben die Szene entscheidend mitgeprägt. Dass sie nicht alles straight herunter knüppelten, sondern auf Breaks und Tempowechsel bauten, dürfte schon zu "Intoxicated" klar gewesen sein, oder spätestens nach "Infected". Während man es einerseits riesig fand, mal mehr Krach zu hören, und diesen lang und schmutzig abfeierte, und bei Obi gibt es was zum abfeiern, warteten andere auf seichtere Töne, die heute jedoch nicht mehr kommen sollten. Auf jeden Fall hatte alles auf der ebenerdigen Fläche vor der Bühne die Arme oben. Aktionen, die der Band recht gaben, wie dem Veranstalter, sie eingeladen zu haben. (Joxe Schaefer).

 

sacred reichSacred Reich waren vor Jahren bereits Gäste hier (2009), und wurden keine Sekunde weniger frenetisch gefeiert. Ganz im Gegenteil, ich hatte das Gefühl, dass die Fans heuer noch einen draufsetzten. Schnell machten sich Mosh-Pits breit und es wurde gebangt was die müden Nackenmuskeln hergaben. Optisch in die Jahre gekommen, machte Fronter Phil Rind mit seinem ureigenem Charme deutlich klar, dass er zu seiner Person als Vater, Ehemann und guter Nachbar genauso steht wie zu seinen Thrash-Wurzeln. Die Amis aus Arizona sind eine Band, die mit Musiktiteln aus ihrer Vergangenheit den Markt bedienen. Immerhin ist in den letzten achtzehn Jahren mit „Surf Ignorance“ (2007) gerade Mal eine Platte in Form einer Compilation auf dem Markt gelandet. Deshalb freuten die Fans sich eher auf Althergebrachtes wie „Surf Nicaragua“, „The American Way“ oder eine der wenigen legitimen Black Sabbath Cover-Versionen mit „War Pigs“. Ich gehe mal stark davon aus, dass die Truppe in naher Zukunft wieder das Amphitheater betreten wird.

 

carcassDer Samstagsheadliner sollte von Carcass gestellt werden. Nach ihrem coolen Auftritt auf dem letztjährigen Party.San Festival sollten sie das noch einmal auf dem Rock Hard wiederholen. Auf eine Videoleinwand und zwei Aufsteller, die als Projektionsfläche dienten, wurden Bilder zur optischen Untermalung geworfen. So durfte man sich mit dem kreisförmig abgelegten Besteck ihres aktuellen Albums "Surgical Steel" konfrontiert sehen. Worum es auch textlich bei den Engländern geht, beschreibt "Cadaver Pouch Conveyor System". Der Sänger am Bass, Jeff Walker, entschuldigte sich dafür, kein Wort Deutsch zu können. War auch nicht nötig, denn in Germanien reicht im Allgemeinen auch Angelsächsisch. Gitarrist Bill Steer, inzwischen zu Gunsten von Carcass bei Angel Witch ausgestiegen, trug mitverantwortlich dazu bei, dass der Sound fett, tief und voluminös wurde. Nicht jeder, der Carcass noch aus den Neunzigern kannte, und von ihnen dieser Tage noch nichts wieder gehört hatte, konnte auf ihren Sound abfahren, denn Carcass klangen eben nicht mehr exakt wie zu Zeiten von "­Reek Of Putrefacation" oder "Symphonies Of Sickness". Doch so ein Track wie "Heartwork" zum Schluss, der auch mal Titelmusik von der Metalsendung "Metalla" beim Musiksender Viva war, stimmte beide Lager versöhnlich. Den fetten Auftritt von Sacred Reich zuvor konnten Carcass jedoch nicht toppen.

 

Tag 3: Iron Savior, Blues Pills, Orphaned Land, Insomnium, Monster Magnet, Annihilator, Tesla, Testament.

iron saviorDer letzte Tag des aktuellen Rock Hard Festivals zu Gelsenkirchen fing für mich um Punkt „High Noon“ an. Da sagte sich der Wettergott, dass es wohl auch mal an der Zeit für Regen sei, und schickte spontan ein schickes Gewitter in Richtung Amphitheater. Auf meine Frage, ob wir vorzeitig in den überdachten Fotograben durften, zeigte sich die Security gnädig. Iron Savior aus Hamburg hatten den schweren Posten als Opener zu fungieren. Aber es war halb so wild. Bereits gut besucht, gab es wohl genug Anhänger für ihren Power-Metal, der sich mit dem neuen Output „Rise Of The Hero“ Gehör verschaffen wollte. Allerdings gehörte die Truppe nicht in die Oberliga des deutschen Metal, wie uns ein mancher weiß machen wollte. Allein der Ausstieg von Kai Hansen (Gamma Ray) und Thomen Stauch (ex-Blind Guardian) besiegelte das Schicksal der Band. Auch fehlte heute Gitarrist Joachim Küstner, der anderweitig beschäftigt war. Na toll. Sein Ersatzmann war aber nicht von schlechten Eltern, auch wenn mir sein Name entfallen ist. Routiniert, aber nicht mehr und nicht weniger. (Steve Burdelak).

 

blues pillsDie aktuelle EP der Blues Pills kam bei CROSSFIRE nicht schlecht weg, und in den Reviews des Rock Hard auch nicht, also lag es den Verantwortlichen nicht fern, sie für das Festival einzuladen. Ihre Art Vintage Rock/Blues ist derzeit alles andere als unpopulär, und so kam es auch, dass sie mit ihren beschwingten Klängen die Audienz erreichten. Die Band aus Örebro, auch der Heimat von Wolf,  konnte dennoch Härtephasen vorweisen, die nicht von schlechten Eltern waren. Shouterin Elin Larsson, die Frau mit der scharfen Stimme, hatte schon nach dem ersten Track ihre hohen Stiefel ausgezogen, ihrem Acting zu Gute kommend. Permanent mit Schellenkranz wedelnd, schien ihr der Begriff Stillstand ein Fremdwort zu sein. Geil auch der Titeltrack ihrer EP "Devil Man" mit seinem a-capella intro, ein weiterer Beweis, dass die Schweden (ein Amerikaner und ein Franzose sind auch mit dabei) musikalisch einwandfrei waren, nur eben ohne Metalattitüde. Ein komplettes Album soll bereits im Kasten sein und in Kürze erscheinen. (Joxe Schaefer).

 

orphaned landAuch bei Orphaned Land aus Israel schieden sich die Geister. Dabei waren sie gar nicht so weit entfernt vom klassischen Metal. Klar hatten sie vorderasiatische Klänge mit drin, aber ein Sänger mit Gewand und Barfuß machte dann schon doch einen Unterschied. Und die Band hatte Freunde hier, so kam Gitarrist Markus Siepen von Blind Guardian, dem der Song "Brother" gewidmet wurde, für zwei Tracks auf die Bretter. Die Fans hatten ebenfalls Spaß daran, denn Blind Guardian sieht man auch nicht gerade jeden Tag. Orphaned Land hätten es aber auch ohne Fremdhilfe geschafft, denn man hatte die Menge vor der Bühne nicht nur zu Hey-Rufen im Griff.  (Joxe Schaefer).

 

insomniumDie Finnen Insomnium waren musikalisches Neuland für mich. Und sie spielten melodischen Schweden Death Metal, was sie fett mit „Shadows Of The Dying Sun“, den in Fachkreisen sehr geschätzten neuen Release unter Beweis stellen. So war es natürlich selbstredend, dass im Programm der Truppe die Single "Ephemeral“ auftauchen würde, die für ordentlich fliegende Haare sorgte. Die Truppe hatte sich kompositorisch die Feinheiten ihrer Vorbilder reingezogen, durchgeatmet und in feinster Form wieder hervorgebracht. Gitarrist Markus Vanhala, der für Ville Vänni eingestiegen war, hatte seine Mitte gefunden und die Songs mit seiner Zugabe bereichert. Live ließ er keine Zweifel übrig was Sache ist. Die Truppe präsentierte aktionsmäßig ihre natürliche Symbiose. Die dichte Atmosphäre, gezeichnet durch die Stilelemente Melancholie, Sehnsucht, seelische Pein und etlichem mehr, fand regen Zuspruch vor der Bühne und ließ die Songs der Band in einem atemlosen Druck erscheinen. Da wurden tiefe Emotionen geschürt. In einem großen Club wäre die Atmosphäre kaum besser gewesen. (Steve Burdelak).

 

monster magnetMonster Magnet habe ich Mitte 2000 auf dem Schweden Rock Festival gesehen. Seitdem sind eine handvoll Alben erschienen, die mich kaum hinter dem Ofen hervorlocken konnten. Wahrscheinlich bin ich eh einer der wenigen Musik-Freaks, der die Amis mit dem Single-Erfolg „Space Lord“, eher für ein One-Hit-Wonder hält. Doch Sänger/Gitarrist Dave Wyndorf, der genau wie ich in den letzten Jahren ein paar Kilos gebunkert hatte, schien eine magische Anziehungskraft, insbesondere auf das weibliche Geschlecht zu haben. In der Menge tanzten einige Mädels sich die Hacken wund. Und da lag der Hase für mich bereits zum zweiten Male im Pfeffer. Denn während ich so meine Schwierigkeiten mit den Hits der Band hatte, ging in der Masse mehr ab als auf der Bühne, obwohl sich seit 2004 in Sölvesborg schon einiges getan hatte. Aber immerhin, bis auf eine handvoll Gesten wurden die Songs kaum mit Bühnenshow unterstützt. Na ja, die Riffs der neuen CD „Last Patrol“ feuerten die Fans an bis zum Äußersten, und somit bin ich sowieso außen vor. (Steve Burdelak).

 

annihilatorEndlich kamen mal Annihilator auf das Rock Hard Festival, denn die Mannen um Obergrimmassenschneider Jeff Waters waren tatsächlich noch nie hier, weswegen sie bei den Fans auch ganz oben auf der Wunschliste standen. Sie hatten vom ersten Ton an die Menge im Griff. Die Kanadier prügelten "King Of The Kill", "No Way Out" und "Deadlock" raus, während ein großer Aufblaspenis zu den Stakkatos von "Set The World On Fire" über die Menge wanderte. Dann wurden das Crowdsurfer zu "Alison Hell", "Road To Ruin" und "I Am In Command" von der "Never, Neverland" Scheibe. Jeff und Dave Padden teilten sich die Vocals, wie auch die Ansagen: "We have time for two more. ..so we will play Alison Hell" two more times!" witzelten sie. Nach "Braindance" stellte man unter Riesenapplaus sehr schnell fest, dass dieser Auftritt ähnlich stark wie der gestrige von Sacred Reich war. (Joxe Schaefer).

 

teslaMeine letzten Worte zum diesjährigen Festival, das mir trotz fehlender Köpfe der Rock Hard Redaktion überhaupt nicht anders vorkam, gehen an die Adresse vom Überflieger Tesla. Hatten sie mich bereits auf dem Shout It Out Loud Festival (2013 in Duisburg-Rockport City, haha) bei den Eiern, ist das was sie heuer am Rhein Herne Kanal boten, schier unglaublich gewesen. Eine Bühnenpräsenz so frisch (außer das Sänger Jeff Keith anscheinend seit einem Jahr dasselbe Hemd bevorzugte, haha. Oder er hat zwölf davon), dass mir die Spucke wegblieb. Das bin ich von alten Poser-Veteranen kaum gewohnt. In Kalifornien, der Heimat der Jungs, ist die Welt folglich noch in Ordnung. Und hier und heute auch. Natürlich war ich erstaunt, dass Tesla nach Annihilator die Bretter betreten sollten. Für den hiesigen Härtegrad im Ruhrgebiet nicht unbedingt selbstverständlich. Und die Canucks hatten schließlich ordentlich vorgelegt. Aber nach drei Songs war selbst bei den härtesten Musikfreunden das Eis gebrochen, auch wenn es vor der Bühne etwas leerer blieb als bei Jeff Waters und den Boys. Um eine vernünftige Songauswahl müssen sich Tesla nun wirklich keine Sorgen machen. Ihre Chronik ist tadellos und selbst der neue Song-Release „MP3“, passte nahtlos in das bisherige Songgefüge. Der Opener „Heaven`s Trail“, „Hang Tough“, Modern Day Cowboy“…alles da! Na gut, alles nicht. “Paradise” wurde lauthals des Öfteren gefordert und blieb unbeachtet. Aber das Klampfer-Duo Frank Hannon und Dave Rude (seit 2006 dabei) machten uns ein ganz besonderes Geschenk. Sie spielten die Gitarren-Licks von „Love Song“ absolut perfekt in höchster Harmonie. Gänsehaut pur und bewundernder Respekt in den Augen aller, deren Ohren diesen Schmaus vernehmen durften. Testament hatte für mich jetzt schon verloren. Wer hätte gedacht, dass ich mehr als Recht behalten sollte. (Steve Burdelak).

 

testamentSchon vor dem Auftritt von Testament traf man die kompletten Vicious Rumors auf dem Festival, wild Werbung machend für ihre neue Livescheibe. Hoch im Kurs für das Billing 2015 standen allerdings andere: "Sollen wir unsere Freunde von Overkill noch einmal einladen?" tönte Holger Stratmann in der Ansage zum Headliner. Die Antwort war nicht schwer zu erraten. Doch nun hatten erstmal Testament das Wort, das sie auch mit "More Than Meets The Eye" in dem noch immer schweinewarmen Halbrund ergriffen. Mal abgesehen vom kurzen Regen zu Iron Savior, war es sonst warm ohne Ende. Dazu gab es jetzt noch zusätzlich sechs Feuersäulen am vorderen Bühnenrand, die auch nicht wirklich für Abkühlung sorgten. "Riding The Snake", "Over The Wall", "Disciples Of The Watch" waren die Klopper bei nicht ganz perfektem Sound, die Bassdrums ballerten noch vor den Gitarren, doch die Band machte einen topfitten Eindruck, auch mit dem Neuling in ihren Reihen. Insgesamt stellte Chuck Billy die Band mit Gene Hoglan, Neubasser Steve DiGiorgio, Eric Petersen vier mal vor, die diesmal auch mit Alex Skolnik antrat, der ja bei ihrem letzten Auftritt hier durch Petersen alleinig ersetzt wurde. Ein riesiger Plüschfrosch crowdsurfte über die Köpfe bis nach Chuck, der mit dem Kermit zusammen die nächste Ansage machte. Mit "The Formation Of Damnation" sollte dann Schluss sein mit dem Auftritt von Testament, die diesmal nicht ganz so stark waren wie Annihilator oder Sacred Reich zum Beispiel, aber das Rock Hard Festival 2014 angemessen beendeten. (Joxe Schaefer).

Ein nicht nur wegen des Wetters heißes Festival, darf im Resümee angeführt werden, und wer noch nicht genug hatte, konnte sich noch im Partyzelt wegschrauben. Übrigens sind als erste Band für 2015 tatsächlich Overkill bestätigt.



Autor: Steve Burdelak; Joxe Schaefer - Pics: Steve Burdelak; Joxe Schaefer