HIRAX, BONDED BY BLOOD, NUCLEAR, CRESCENT

Essen, Turock, 10.05.2014

flyerDas kam in der Vergangenheit nicht oft vor, dass Mistwetter war, wenn im Essener Turock Konzerte stattfanden. Am heutigen zweiten Samstag des Wonnemonats war jedoch mal fieses Regenwetter an der Tagesordnung, und zwar mit deftigen Windstößen. Eine für Turockverhältnisse ziemlich kurze Warteschlange am Einlass verriet schon, dass heute so einige Konzerte in und um den Ruhrpott auf dem Kalender standen, wie zum Beispiel Fleshworks, Kingdom Of Salvation und Transgression in Wermelskirchen, Helstar, Evil Invaders und mehr in Lünen, Sabbath Assembly und Wheel in Oberhausen, Katatonia in einer Kirche in Bochum, und Kneipenterroristen ebenfalls in Oberhausen. Dazu noch Caliban in Münster und Massacre in Siegen. Aber für einen schlappen Zwanni an der Abendkasse konnte man in Essen vier wundervolle Bands aus Ägypten, Chile und Kalifornien abfeiern, darunter die Thrashband der Stunde, und anschließend bei Frau DJane Chris discomäßig abrocken.

CRESCENTDer nirgends angekündigte Supportact war Crescent aus Ägypten, der nach einem grolligen Intro nicht viel fröhlicher wurde, sondern ganz das Gegenteil, war die größte Überraschung des Abends. Der Vierer mit Bassistin bollerte erhaben durch Unterwelten, und das favorisierterweise trotz Doublebass in Doomtempi. Die angeblackten Deather gaben an, zum ersten Mal in Europa zu sein, und wären auch voller Stolz auf einem großen Festival in Norddeutschland angekündigt. Von ihrem neuen Album "Pyramid Slaves" (na klar, es sind Ägypter!) spielten sie danach das Titelstück, das wie der gesamte Sound der Nordafrikaner was von Sulphur Aeon hatte. Sie rissen in der Tat ziemlich gut was weg, von daher völlig unverständlich, dass sie sich schon nach zwanzig Minuten von der Bühne verabschiedeten. Echt Schade, davon hätte man wesentlich mehr vertragen können.



NUCLEARNuclear waren aus Chile. Es gab sie schon seit über zehn Jahren, und sie hatten bereits drei Longplayer am Start. Ihr Basser Roberto hat mal in Deutschland studiert, und sprach unsere Sprache recht gut. Nach einem Blitzumbau von schlappen zehn Minuten feuerten sie "Inner Hate" in die sich noch füllende Audienz. Der Track stammt von ihrem neuesten Output, einer Split Vinylsingle mit den El Salvador Todesthrashern von Conceived By Hate, die man hier am Merchandise erwerben konnte. Überhaupt hatten sie heute mit Vieren die meisten Shirtmotive zur Auswahl dabei, die wie bei Crescent für zehn bis fünfzehn Euro den Besitzer wechselten, bei Bonded By Blood und Hirax bis zu zwanzig Tacken. Nuclear hämmerten in höheren Tempi, begrüßten Essen flugs als Home Of Kreator und sagten "Architects Of War" an. Weiter ging die Party. Der Fünfer peitschte die Anwesenden gut auf, und "Apatrida" sollte der letzte Song gewesen sein, doch ein Zeichen vom Soundmann bedeutete, noch einen  Track nachzulegen zu können, was man mit "Khaos Is My Life" umgehend tat.



BONDED BY BLOODSeit ihrem Drittalbum "The Aftermath", das mir leider nicht bekannt war, gab es wohl noch kein neues Album der kalifornischen Thrasher. Wenn man pro Monat dreihundert Platten hört, und von ihrer Plattenfirma unberücksichtigt bleibt, kann man schon mal ohne Übersicht sein. Schade eigentlich, denn Bonded By Blood zogen gut was vom Leder, die sprichwörtlichen Heringe vom Teller. Zunächst allerdings dauerte der Soundcheck schon mal etwas länger. Ihr Basser trat analog zu Dr. Living Dead mit Totenkopfmaske auf, die er später abnahm. Ein Fan durfte aus der ersten Reihe die fünf Saiten des Aktivpostens mit dem Mund anzocken. Der erste Circle Pit ging heute Abend auf das Konto der Kalifornier, der Band um den Shouter mit feuerroter Hose, der danach "Mind Pollution" von ihrem ersten Album androhte. "Restless Mind" animierte ihn zu Sprüngen vom Drumpodest, und die Bühnenaction übertrug sich besonders zu Drumstampfparts bis in die letzten Reihen. Eine Superstimmung hier im Turock, obwohl es gar so voll nicht war.



HIRAXKaton war mal wieder völlig wahnsinnig, und trotzdem wohl der liebenswerteste Frontmann unter der Metalsonne. Hirax thrashten vor den verchromten Schädeln auf den Boxen zunächst zu dritt los, bis Katon wie der personifizierte Wirbelsturm den Gehörten machend zu "Hellion Rising" auf die Bretter fegte. Immer den Kontakt zum Publikum suchend, waren seine vielzähligen Posen und Gesten ganz groß, bei denen er so lange inne hielt, bis auch wirklich jeder Fotograf sein Bild gemacht hatte. Sie waren schon seit April auf Tour, und Katon konnte man schon eine leichte Heiserkeit anmerken. Er sprach von 22 Shows. Dann war "Lucifers Inferno" dran, wobei Stagediver und Circle Pits die Folge waren. Nach "Black Smoke" vom neuen Album "Immortal Legacy", gab es ein geiles Gitarrensolo, wie man es schon lange nicht mehr gehört hat, ohne dass sich in Sachen Tempo oder Frickelfaktor der Saitenhexer selbst beweihräucherte. Bescheiden, und einfach so geil. Nach "Hostile Territory" wurde "Destroy" vom ersten Album dem aktuellen Basser Lance Harrison gewidmet. Er bekam später Whiskey aus erster Reihe in seinen Mund geschüttet, worauf er sich mit einem kurzen Solo bedankte. In einem längeren Mitsingpart erklärte Katon, den man einfach jedes Wort abnahm, den "Badass" Merchandisemann zu beeindrucken, obwohl dieser wohl für gewöhnlich "not getting impressed by motherfuckin nothing" sein soll. Allerdings sang die überschaubare Audienz tatsächlich so laut, als wäre das Venue ausverkauft. In der Tat eine sehr bemerkenswerte Geschichte, da muss man dem Publikum einfach ein dickes Lob aussprechen. "You made him smile just a little bit!" stellte auch Katon danach fest. Wo wir grad beim Verteilen von Loben sind...für den erstklassigen Sound bei allen vier Bands heute Abend sollte den Verantwortlichen mehr als bloß ein dankbares Händeschütteln gehört haben. "Bombs Of Death", das erste Stück der Band, durfte auf keinen Fall fehlen. Hirax haben die Bude gerockt, und zwar wie sich andere Bands nicht bei zehn mal so vielen Besuchern krumm machen. Sehr heftige Rufe nach Zugabe, wie selten gehört, verwunderten da nicht. "Germany Danke Schön" warf er der enthusiastischen Audienz entgegen, in dem Heimatland von Bier und Heavy Metal, frei nach Katon. Die Zugabe "Broken Neck" machte 70 Minuten Stagetime voll, aber davon war jede Sekunde der metallische Thrashhimmel. Und wer noch ne absolut authentische Metalband für sein Festival sucht, die einfach alles kann: Hirax, und nix anderes!



Autor: Joxe Schaefer - Pics: Joxe Schaefer