BURIAL VAULT - Brennende Bücher


Vor knapp anderthalb Jahren hatte ich erst ein Interview mit Burial Vault gemacht, in dem wir die gesamte Bandgeschichte der deutschen Melodic Deather von hinten aufgerollt haben. Was soll ich sagen? Im letzten Jahr gab es schon das zweite Album „Incendium“, das für mich eines der Highlights des letzten Jahres war. Und deshalb machen wir heute genau dort weiter, wo wir damals im Interview aufgehört hatten. Alles was zwischen beiden Alben und danach noch so passierte, könnt ihr jetzt hier nachlesen:

BURIAL VAULT logoDaniel: Hallo Raimund! In unserem ersten Interview vor knapp anderthalb Jahren hatten wir ja bereits die komplette Bandgeschichte von hinten aufgerollt. Lass uns also mal zu den Dingen kommen, die danach passiert sind, okay? Ihr habt im letzten Jahr das Album “Incendium” veröffentlicht. Wie lange hat es gedauert, die Songs zu schreiben und aufzunehmen?

Raimund: Hallo Daniel! Wir haben eigentlich unmittelbar nach den Aufnahmen zu „Ekpyrosis (Periodic Destruction)“ im März 2010 begonnen, uns Gedanken über neues Material zu machen. Es kam in dieser Zeit jedoch zu zwei Umbesetzungen, zum einen ist unser Gitarrist Alexander unmittelbar nach den „Ekpyrosis“-Aufnahmen zur Band zurück gekehrt und Immo ist als Schlagzeuger zur Band gestoßen, weshalb es sich am Anfang noch etwas geschleppt hat. Richtig Fahrt hat es dann ab Anfang 2011 aufgenommen. Man kann also sagen, dass wir etwa 2 ½ Jahre an dem Album gewerkelt haben, bis wir dann das Soundlodge aufgesucht haben, um das Album in seine finale Form zu gießen.

Daniel: Ich hatte ja schon beim Debüt den Verdacht auf ein Konzeptalbum. Dieses Mal ist es tatsächlich eins geworden. Wie kam es dazu, dass Ihr Euch zu diesem Schritt entschlossen habt?

Raimund: Wir haben schon immer mit dieser Idee geliebäugelt. Der Gedanke, sowohl die Musik als auch die Texte zu nutzen, um eine Geschichte zu erzählen, hievt beide Komponenten auf eine andere Stufe, und genau das wollten wir damit auch erreichen. Einen etwas weiter gefassten roten Faden gab es bei unseren Texten ja schon immer, und auch die Musik wurde immer so komponiert bzw. konzipiert, dass sie ein gewisses Spektrum über die Länge einer Veröffentlichung, sei es EP oder Album, abdeckt. Aber die Herangehensweise an ein Konzeptalbum ist dann doch noch etwas anderes. Wir haben zum Beispiel darauf geachtet, dass sich Melodien und Textpassagen an verschiedenen Stellen des Albums wiederfinden, um die Entwicklung des Protagonisten zu verdeutlichen usw. Zunächst haben wir das gesamte Buch („Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury) in Sinnabschnitte zerlegt und haben dann Kurzgeschichten zu diesen Sinnabschnitten verfasst. Diese hat Tobias dann genutzt, um sich für seine Musik inspirieren zu lassen. Danach habe ich die Texte auf Basis der Kurzgeschichten und der Musik geschrieben.

Daniel: Du erwähntest es ja bereits: Das Album handelt von dem Science Fiction-Roman “451 Fahrenheit” von Ray Bradbury. Worum geht es da genau?

Raimund: Es geht um eine dystopische Zukunftsvision, in der Feuerwehrleute nicht mehr Brände löschen, sondern Brände legen, um Bücher zu verbrennen. Die Möglichkeit, dass sich Menschen durch Literatur weiterbilden ist verboten, weil sie ein Ungleichgewicht in der Gesellschaft schaffen würde. Darüber hinaus lebt jeder nur noch vor überdimensionierten Bildschirmen und lässt sich berieseln, und wird so in eine völlige Scheinwelt gedrängt. Systemkonformität geht über alles und das Individuum zählt nicht mehr. Im Zentrum der Geschichte steht ein Feuerwehrmann, der sich Gedanken über die Richtigkeit des Systems zu macht, was falsch daran ist, sich durch Literatur zu bilden und reale zwischenmenschliche Kontakte zu pflegen. Durch einige besondere Ereignisse wie eine Bücherverbrennung, bei der sich die Besitzerin der Bücher aus Überzeugung mit ihren Büchern verbrennen lässt, und der Begegnung mit einem jungen Mädchen, das dem Protagonisten durch ihre offenherzige und belesene Art neue Impulse für sein Leben zu geben vermag, stellt er sich nach und nach gegen das System und fängt selbst an zu lesen. Daraufhin wird er zum Gejagten des Systems, dem er zunächst selbst angehört hat.

Daniel: Ist dieses Konzept eher zufällig entstanden? Oder bist Du ein großer Science Fiction-Fan? Magst Du auch andere Autoren wie Arthur C. Clark, Stanislaw Lem, Philip K. Dick, Isaac Asimov usw?

Raimund: Science Fiction und auch Fantasy kann ich sehr viel abgewinnen, weil es einem durch eine Überspitzung von Entwicklungen, die sich häufig bereits abzeichnen, einen interessanten Fokus auf jene gibt. Dennoch würde ich mich jetzt nicht als Science Fiction-Fan bezeichnen. Ich brauche immer einen Bezug zur Gegenwart und daher war es konkret gesprochen eher der Bereich der Dystopien, der mich bei dem Konzept zu „Incendium“ gereizt hat. Speziell die verschiedenen Themen, die in „Fahrenheit 451“ aufgegriffen werden, wie die Displays, die den Alltag diktieren, und das geringe Ansehen von Büchern bzw. die mangelnde Auseinandersetzung mit komplexen Inhalten, kann man ohne Probleme auf die heutige Zeit übertragen. Daher ist „Fahrenheit 451“ auch sehr sozialkritisch, was für mich an erster Stelle steht.

Daniel: Welche Autoren beeinflussen Dich noch für Texte?

Raimund: Da ich meine Inspiration nicht ausschließlich aus der Literatur schöpfe, kann ich das gar nicht so konkret sagen. Da würde ich mich dann schon eher auf einige konkrete Bücher berufen. Die Kernaussage von Dürrenmatts „Die Physiker“ hat zum Titel von „Those Things Which Were Thought Can Never Be Unthought“ auf „Ekpyrosis (Periodic Destruction)“ geführt, obwohl es inhaltlich keine Verbindung zum Inhalt des Buches gibt. Viele Texte greifen auch direkte geschichtliche Hintergründe auf, wie „The Embodiment Of Animosity“, in dem es um die Verfolgung von Juden und anderen Menschen während des Zweiten Weltkrieges geht. Mich reizt aber auch Michael Baigents kritische Auseinandersetzung mit der Kirche, die ja auch direkten Einfluss auf Dan Browns Werke hatte. Er ist zwar nicht völlig unumstritten, aber mit dem Hintergedanken, dass man nie nur einer Quelle trauen sollte, finden sich viele Denkanstöße in Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit der (katholischen) Kirche als Institution. Viel Input gibt aber auch das aktuelle Tagesgeschehen. Man muss nicht einmal jeden Tag die Zeitung lesen oder die Nachrichten schauen, um auf gewisse „Ungereimtheiten“ in der Gesellschaft aufmerksam zu werden. Auch Gespräche mit Freunden geben tolle Fundamente für Songtexte. Dann ist es wohl das „schlichte“ Zuhören und Reflektieren, was den Anstoß gibt.

BURIAL VAULTDaniel: War dieses Konzeptalbum eine einmalige Sache? Oder kannst Du Dir vorstellen, so etwas auch noch öfter zu wiederholen?

Raimund: Ich kann mir sehr gut vorstellen, so etwas noch einmal zu machen. Konzeptalben geben als Medium sehr viele Möglichkeiten. Während „Incendium“ ein geschlossenes Konzept mit durchgehender Storyline geworden ist, würde ich es auch spannend finden, mal ein konkretes Thema über die Länge eines Albums von unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten. Aber hierüber nun zu sinnieren, würde zu weit führen. Man weiß nie, was noch so kommt. Musik ist bunt und daher sollte man sich nie limitieren. Wer weiß, ob und wann es nochmal zu einem Konzeptalbum kommt?!

Daniel: Eure beiden Alben sind bei Apostasy Records erschienen. Gibt es eventuelle Pläne für Vinylversionen dieser beiden Alben?

Raimund: Es gibt keine konkreten Pläne hierzu, aber dennoch haben wir schon häufiger darüber nachgedacht und sind interessanterweise gerade im Zuge der Promotion zu „Incendium“ häufig nach Vinyl gefragt worden. Wir wären sehr offen dafür, weil es konkret Musikliebhaber anspricht, in der heutigen Zeit wohl auch mehr noch als die CD. Man setzt sich, wenn man eine Platte auflegt, gezielt mit einem Album auseinander und genau das wünschen wir uns für unserer Musik.

Daniel: Ich habe irgendwo im Internet gelesen, dass von Euch bald eine EP erscheinen soll. Ist da was dran? Und wann kommt sie raus?

Raimund: Da weißt du mehr als wir, haha! Wir arbeiten in der Tat an neuem Material, aber planen ein vollständiges Album. Wann das fertig sein wird, können wir zum aktuellen Zeitpunkt jedoch noch nicht sagen. An dieser Stelle sei aber gesagt, dass wir schon ein paar der neuen Stücke bei unseren derzeitigen Shows spielen. Wer einen Vorgeschmack haben möchte, darf sich hiermit eingeladen fühlen.

Daniel: Mal etwas anderes: Ich habe gelesen, dass Du jetzt auch bei Nailed To Obscurity singst. Wie bist Du mit der Band in Kontakt gekommen? Und ist es Zufall, dass beide Bands beim selben Label unter Vertrag stehen?

Raimund: Ich kenne die Jungs schon eine ganze Weile. Wir hatten 2008 in Oldenburg zum ersten Mal zusammen gespielt (also Burial Vault und Nailed To Obscurity, nicht ich als Sänger der Band). Seit dem haben wir einige Shows gemeinsam absolviert und 2010 gab es sogar eine kleine gemeinsame Tour durch Locations in Norddeutschland. Der Kontakt war also stets gegeben. Als es dann hieß, dass die Band nach einem neuen Sänger suchen würde, hat mich Ole direkt kontaktiert und gefragt, wie ich dem Sängerposten gegenüber stehe. Ich musste nicht lange überlegen, weil die Band seit jeher meine erklärte Lieblingsband der lokalen Szene war. Für mich war von vornherein klar, dass ich mit meiner Stimme in eine etwas andere Richtung gehen wollte, als bei Burial Vault und habe es als Chance gesehen, mich weiterzuentwickeln. Überdies kann ich nur sagen, dass alle aus der Band zu meinen Freunden zählen und ich sie menschlich wie musikalisch sehr schätze! Was die Situation betrifft, dass beide Bands bei Apostasy Records gelandet sind, kann ich hier nur aufgreifen, was Tomasz (der Kopf hinter Apostasy Records) in einem Interview einmal gesagt hat: Bevor ich selbst Mitglied von Nailed To Obscurity war, hatte er mich einmal nach Bands aus dem norddeutschen Raum gefragt, die zum Label passen würden. Daraufhin habe ich – ohne nur einen Moment zu zögern – sofort Nailed To Obscurity in den Raum geworfen. Bei einer Show im Osnabrücker Bastard Club hat ihn die Band dann auch vollends überzeugt. Seither bestand also schon Kontakt. Dass er dann die Band mit mir als Sänger für sein Label „bekommen“ würde, hat sich dann halt so ergeben, haha!

Daniel: Beide Bands – Burial Vault und Nailed To Obscurity – spielen, streng genommen, Melodic Death Metal. Worin liegt für Dich genau der Unterschied zwischen beiden Bands, musikalisch wie textlich?

Raimund: Ich tue mich ja immer etwas schwer, was musikalische Genres in Reinkultur angeht, vor allem, wenn ich selbst Teil dieser Band(s) bin. Burial Vault sehe ich als Melodic Death Metal Band mit Einflüssen aus dem Black Metal sowie technischen und progressiven Elementen. Manche Songs gehen sogar eher in Richtung Blackened Death Metal. Textlich geht es, wie bereits erwähnt, um sozialkritische Themen im weitesten Sinne. Dabei werden Bereiche wie Einstellungen zu Religion und Politik angeschnitten. Nailed To Obscurity sehe ich dagegen als Melodic Death Metal mit Einflüssen aus den Bereichen Doom und auch Gothic im Sinne der englischen Vorreiter (Paradise Lost, My Dying Bride, etc.). Vor allem zeichnet sich die Musik durch eine stimmungsvolle Melancholie aus, die in allen Stücken allgegenwärtig ist. In den Texten geht es um Gefühle und Emotionen sowie Abgründe der menschlichen Seele. Auch wenn es sicher gemeinsame Schnittmengen gibt, sehe ich beide Bands als sehr unterschiedlich. Genau darin liegt für mich auch der Reiz in beiden Bands zu sein.

Daniel: Könntest Du Dir vorstellen, mit beiden Bands zusammen Gigs zu bestreiten? Oder ist das für dich undenkbar? Habt Ihr überhaupt Pläne für Liveaktivitäten derzeit?

Raimund: Ich könnte es mir schon vorstellen, aber möchte es eigentlich eher vermeiden. Mir widerstrebt ein wenig der Gedanke daran, dass beide Bands nur deshalb verglichen werden, weil ich Sänger beider Bands bin. Aber wenn es eines Tages mal dazu kommen sollte, würde ich nicht nein sagen. Pläne für Liveaktivitäten gibt es immer, hehe! Derzeit läuft mit Burial Vault die „Incendium Tour – 2014“ und auch für Nailed To Obscurity sind schon einige Konzerte bestätigt. Am besten sollte man dazu die jeweilige Bandhomepage aufsuchen oder einfach mal auf Facebook nachschauen, um up-to-date zu bleiben.

Daniel: Welche Zukunftspläne hast Du noch mit Burial Vault und Nailed To Obscurity?

Raimund: Ich möchte mit beiden Bands noch eine Menge sehen, sprich viele Konzerte spielen, spannende Musik schreiben und aufnehmen und einfach eine gute Zeit haben. Die Musik steht für mich immer im Fokus und ich liebe den Gedanken daran, aus dem „Nichts“ etwas zu erschaffen. Die Musiker in beiden Bands zählen zu meinen besten Freunden und von daher gibt es für mich nichts Besseres, als Zeit mit diesen Menschen zu verbringen. Ich bin einfach gespannt, wie weit wir es mit der Musik bringen können.

Daniel: Na gut, Raimund! Die letzten Worte gehören Dir!

Danke nochmal für deine Zeit und dieses Interview, außerdem danke an die Leserin oder den Leser, der sich die Zeit genommen hat, sich mein Geschwafel durchzulesen. Unterstützt die Bands aus eurer lokalen Szene, denn gerade heute kann jeder Musiker den Support sehr gut gebrauchen! Abschließend hoffe ich, dass sich der eine oder andere auf ein Konzert von Burial Vault oder Nailed To Obscurity verirrt. Ich freue mich auf euch!

http://www.burialvault.net/

http://www.nailedtoobscurity.com/



Autor: Daniel Müller