ONE PAST ZERO - Der entscheidende Kick


Bereits 2006 hatte ich die Idee, ein Interview mit den deutschen Thrashern von Poison zu führen. Das erwies sich aber immer als schwierig. Trotz Kontakten zu Iron Pegasus Records und aufwendiger Internetrecherchen war ich jahrelang ohne Erfolg. Bis ich in diesem Jahr ein Review zum neuen One Past Zero-Demo für CROSSFIRE schreiben sollte. In der Bandbiographie sah ich, dass dort doch tatsächlich jener Uli Hildenbrand aktiv ist, der früher bei Poison und R.U. Dead? War, und den ich so lange im Netz erfolglos gesucht habe. Die Metalwelt ist ein Dorf und das Interview war nun endlich möglich! Doch auch das erwies sich dennoch als außerordentlich schwierig. Ulis E-Mail-Adresse gehört nämlich eigentlich dem Schlagzeuger. Er druckte das Interview aus und gab es an Uli weiter, und mir wurde versprochen, dass ich die Antworten handschriftlich per Briefpost bekommen würde, da Herr Hildenbrand tatsächlich noch zu der Sorte Mensch gehört, die nicht einmal einen PC besitzt! Das ist mal oldschool! Zu meiner Verwunderung kamen die Antworten nach nur knapp einer Woche Wartezeit!

ONE PAST ZERO logoDaniel: Hi Uli! Fangen wir mal ganz vorne an: Erzähl uns doch zunächst einmal, wie es zur Gründung von Poison kam und welche Bands Euch damals so beeinflusst haben!

Uli: Die ersten Ideen kamen so 1982 auf, als ich Armin (Weber, Vocals) kennenlernte. Wir waren damals in unserem Kaff wahrscheinlich die größten Motörhead-Fans und außerdem beide Gitarristen. Ich hatte außerdem bereits angefangen, Riffs und Texte für eigene Songs zu sammeln. Der entscheidende Kick kam dann, als wir Venom entdeckten, die dann auch zunächst unsere größten Vorbilder wurden – neben dem „klassischen“ Hard ´n´ Heavy-Background (Judas Priest und hauptsächlich die alten, „bösen“ Black Sabbath). Die Grundidee war, die extremsten und härtesten Parts unsere „Helden“ zu kombinieren und möglichst noch heftiger zu sein…

Daniel: Hat der Venom-Song „Poison“ Euch eigentlich zu dem Namen inspiriert? Es gab ja zeitgleich auch eine Poser Rock Band aus den Staaten, die ebenfalls Poison hießen und mit denen Ihr doch ganz sicher nicht verwechselt werden wolltet, oder?

Uli: Korrekt! Es waren der Venom-Song und der von Motörhead (auf „Bomber“). Wir dachten, ein Songtitel von unseren Lieblingsbands wäre ideal, um deren „Erbe“ anzutreten. Die Amis gab es damals noch nicht. Deren Debütalbum kam erst 1986. Wir hatten den Namen schon 1982! Und natürlich war das später echt ein Problem für uns. Vermutlich hätten wir uns irgendwann in Poisoned umbenannt…

Daniel: Eure Texte basierten hauptsächlich auf H.P. Lovecraft, was auch zum Teil heute noch bei One Past Zero der Fall ist. Ich bin ebenfalls ein großer Fan von ihm. Was fasziniert Dich genau an seinen Geschichten und welche sind Deine Favoriten?

Uli: H.P. Lovecraft war /ist einer der Einflüsse, aber sicher nicht der wichtigste. Armin und ich waren beide große Fans, vermutlich weil der Typ damals auch noch ziemlich „Underground“ war (im Vergleich zu etwa Stephen King) und außerdem recht „moderne“ Themen behandelt (im Vergleich zu den klassischen Geister-, Vampir-etc.-Geschichten). Mein persönlicher Favorit ist „Schatten über Innsmouth“. Die Story war auch die Inspiration für „From The Sea“ von One Past Zero.

Daniel: Magst Du auch Lovecraft-Verfilmungen, wie z. B. „Dagon“, „From Beyond“, „Re-Animator“ oder „Dreams In The Witch-House“? Oder beschränkt sich Dein Interesse eher auf seine Literatur?

Uli: Unterschiedlich… „From Beyond“ und „ Re-Animator“ sind ziemlich unterhaltsam (waren in den Achtzigern Kult), aber doch eher lustig. „Dreams In The Witch-House“ und „Dagon“ kommen wesentlich besser. Und natürlich mag ich „Dagon“ am liebsten.

Daniel: Magst Du auch andere Autoren, wie Edgar Allan Poe oder Clark Ashton Smith, die einen ähnlichen Schreibstil hatten? Welche Autoren oder Umstände inspirieren Dich noch so zu Texten?

Uli: Eine Auswahl: Literatur: Edgar Allen Poe, Algernon Blackwood, Clive Barker, Ray Bradbury, Robert Bloch, William Kotzwinkler (zum Teil), Stephen King (hauptsächlich die Kurzgeschichten). Filme: Das Omen, Nightmare, alte Horrorsachen aus den 20er- und 30er Jahren (Nosferatu, Caligari, alles mit Lon Chaney Senior), alles von David Lynch, David Cronenberg, Darren Aronofsky, Edmund Elias Merhige usw.

Daniel: Ihr habt mit Poison insgesamt vier Demos gemacht, aber nur eins im Studio, nämlich „Into The Abyss“. Dabei wart Ihr 1987 sogar auf dem „Teutonic Invasion Part 1“-Sampler von Roadrunner Records vertreten, die damals schon ziemlich groß waren. Warum hat es nie zum großen Durchbruch gereicht? Die Vorarbeit von Sodom, Kreator, Destruction, Darkness, Tankard, Violent Force usw. war doch echt gut, um sich als deutsche Thrash Metal Band international zu etablieren…

Uli: Zusammengefasst und verkürzt gesagt: Wir waren einfach zu unerfahren und unprofessionell und hatten nie richtige Unterstützung von irgendwelchen Profis. Außerdem waren wir nie Teil einer „Szene“, wie die Jungs im Ruhrpott oder in Hamburg. Hier bei uns gab es damals nur Schnullicombos wie Gravestone, Tyrant oder Stranger, und die waren für uns eher ein „Feindbild“! Wir waren auch ein bisschen zu spät für die erste Thrash Metal-Welle und zu früh für Death Metal; schlechtes Timing kam also auch noch dazu…

Daniel: Wieso haben sich Poison eigentlich 1987 nach dem „Into The Abyss“-Demo aufgelöst? Und hast Du zu den Ex-Mitgliedern heute noch Kontakt?

Uli: Frust über die oben beschriebenen Verhältnisse und vor allem die Tatsache, dass Roadrunner Records nach „Teutonic Invasion“ nie wieder Interesse an der Bad hatten. Wir hatten eigentlich einen LP-Deal erwartet, aber der kam einfach nicht…

Daniel: 1993 wurde das „Into The Abyss“-Demo doch noch nachträglich auf Vinyl veröffentlicht. Das Teil ist heute richtig teuer! Ich habe es auf Metalbörsen schon für 200 € gesehen! Wie kam es damals zu diesem späten Ruhm? Oder wurdet Ihr gar nicht gefragt? Besitzt Du die Original-LP wenigstens selbst?

Uli: Die erste Vinylveröffentlichung von „Into The Abyss“ war damals eine Idee von Wim Baelus aus Belgien, der ein großer Fan der Band war und damals als Journalist und Promoter ganz gute Verbindungen hatte. Er wollte das Ding unbedingt veröffentlichen, und ich habe dann das Design übernommen. Es war also eine ganz offizielle Zusammenarbeit, weswegen ich auch noch zwei Exemplare besitze!

Daniel: Genau wie Outrage, die ähnliche Musik gemacht haben wie Ihr und auch ungefähr zeitgleich existiert haben, seid Ihr aus Baden-Württemberg. Standet Ihr mit ihnen in Kontakt? Sie sind nämlich nicht nur aus derselben Gegend wie Ihr, sondern auch ähnlich unterbewertet, weil Euch kaum jemand kennt…

Uli: Natürlich kenne ich Outrage! Unser erster Gig war bei denen im Vorprogramm 1985. Sie sind allerdings nicht direkt aus „unserer Gegend“, da Pforzheim etwa 150 Kilometer von Laupheim entfernt ist…

Daniel: 2006, als Darkness ihre Reunion auf dem Keep It True Festival spielten, gab es auch den Re-Release der „Into The Abyss“ MLP auf Vinyl über Iron Pegasus Records. Dieser Re-Release hieß „Further Down Into The Abyss” und war eine Doppel-LP. Wurdet Ihr auch gefragt, ob Ihr ein paar Retrogigs spielen würdet? Und wenn ja: Warum kam es nicht dazu?

Uli: Die Idee einer Reunion war damals mal im Gespräch, aber letztendlich hatten weder Armin noch ich richtig Bock darauf, wieder 18 Jahre alt zu sein. Außerdem war ich zu der Zeit schon mit One Past Zero aktiv und hätte das Ganze auch zeitlich kaum richtig machen können. Ich finde auch generell nicht, dass sich jede Undergroundcombo von vor dreißig Jahren wiedervereinigen sollte. Es gibt eh schon viel zu viele Bands!

ONE PAST ZERO uliDaniel: Als Bonus gab es auf dieser besagten Doppel-LP zwei Songs vom „Bestial Death“-Demo sowie einige Proberaum- und Liveaufnahmen. Wo habt Ihr die hergehabt? Hast Du noch ein gut sortiertes Archiv mit alten Poison-Aufnahmen im Keller? Oder waren das Bootleg-Aufnahmen von Fans, die Euer Zeug per Tape-Trading gesammelt haben?

Uli: Ich war immer schon der „Archivar“ der Band und habe den ganzen Kram auch nach und nach auf CD überspielt. Die Doppel-LP ist einfach eine Zusammenstellung der „hörenswerten“ Aufnahmen.

Daniel: Man hätte ja im Prinzip auch das komplette „Bestial Death“-Demo mit auf die Doppel-LP packen können. Schließlich gibt es ja nur dieses teure Brasilien-Bootleg auf Vinyl. Gab es keine Pläne dafür?

Uli: Na ja, auf eine Doppel-LP passen nun mal nicht mehr als 90 Minuten. Also musste ich einiges weglassen… Möglicherweise kommt aber nochmal ein „Nachschlag“!

Daniel: 1989 hast Du schon Deine nächste Band aus der Taufe gehoben: R.U. Dead?, eine Death Metal Band. Zwei der drei Mitstreiter waren auch später bei der Gründung von One Past Zero mit dabei. Ihr habt in Eurer aktiven Zeit ausschließlich Demos und ein paar EPs gemacht. Wieso hat es auch mit dieser Band nicht zu einem Album gereicht? Oder war Euch das egal?

Uli: Tatsächlich hatten wir 1992 ein konkretes Angebot einer englischen Plattenfirma namens Tombstone Records, nur stellte sich dann heraus, dass die Hälfte der Band kein richtiges Interesse und Engagement hatte, weswegen wir uns damals auch auflösen mussten. In der zweiten Phase der Band, 1994 bis 1998, waren wir dann alle schon mit unserem „normalen“ Leben beschäftigt, weswegen eine „professionelle“ Karriere eh kein richtiges Thema gewesen wäre. Und außerdem war Metal zu der Zeit – speziell Thrash Metal – total tot. Gegen Ende hatte wirklich, trotz zum Teil guter Kritiken, niemand mehr ein Interesse an der Band…

Daniel: Erst 2002 gab es eine Compilation mit allen EPs auf einer CD. War das eine offizielle Veröffentlichung, an der Ihr auch beteiligt wart?

Uli: Ja, Majestic Union Records wollten eigentlich 1998 schon eine EP mit uns machen. Als wir uns dann auflösten, kam Stephan irgendwann mit der Idee einer Compilation, die wir dann zusammen auf die Beine gestellt haben. Übrigens soll das Ding 2014 in remasterter Form bei Iron Pegasus als Doppel-LP erscheinen – so watch out!

Daniel: 1993-´94 hattest Du noch ein kurzes Gastspiel bei der Dark Death Metal Band The Real Massacre, wo auch der Kiste von One Past Zero getrommelt hat. Ihr habt in den zwei Jahren zwei Demotapes gemacht. Warum war schon nach so kurzer Zeit Schluss? Oder war das nur ein Nebenprojekt für Dich, das nicht so wichtig war? Und gibt es die Chance, beide Demos irgendwann mal als Re-Release auf CD oder Vinyl in den Händen zu halten?

Uli: The Real Massacre waren Kumpels von mir. Sie brauchten einen Leadgitarristen und ich hatte gerade in der R.U. Dead?-losen Zeit nix besseres zu tun, also habe ich es gemacht. Wir hatten eine ziemlich lustige Zeit, haben aber nicht allzu viel auf die Reihe gekriegt. Für mich war es insofern eher ein Projekt, da ich mit den Songs und der Richtung nix zu tun hatte, weshalb ich mich für die Wiederveröffentlichung auch irgendwie nicht verantwortlich fühlte. Vielleicht kann Dir Kishde (der Schlagzeuger von The Real Massacre, der auch bei One Past Zero spielt; Anm. d. Verf.) ja ein paar von den Sachen kopieren…

Daniel: Was hast Du in der Zeit zwischen 1998, als R.U. Dead? sich auflösten und 2005 gemacht, als Du One Past Zero aus der Taufe gehoben hast? Warst Du noch in der Metalszene aktiv?

Uli: Musikalisch war das für mich die „Experimentierphase“. Ich war eine Zeit lang Bassist bei einer Combo namens Mobile Morons, um mal etwas ganz anderes zu machen. Anschließend, von 2002 bis 2005, habe ich mich recht ausgiebig mit Home Recording beschäftigt, unter dem Namen What Is Wrong With You einige ziemlich seltsame Ideen gesammelt und mich etwas grundsätzlicher mit Aufnahme- und Mixtechnik auseinandergesetzt. Was das „in der Metalszene aktiv sein“ angeht, habe ich seit 1984 keine Rock Hard-Ausgabe verpasst und war auf jeder Slayer-Tour seit 1985. Reicht das?

Daniel: Wie kam es überhaupt zur Gründung von One Past Zero und welche Bands haben Euch hauptsächlich beeinflusst?

Uli: Die Grundidee von One Past Zero war und ist, auf der Grundlage der „klassischen“ Bands wie Black Sabbath, Judas Priest und Motörhead etwas zu entwickeln, das möglichst nichts mit Thrash- oder gar Death Metal zu tun hatte, aber so eine - anfangs relativ simple – Live-Rock-Sache mit ordentlich „Wums“ und einer relativ großen Bandbreite; also kein „True Metal“.

Daniel: Wovon handeln Eure Texte genau? Und steckt eine bestimmte Aussage dahinter?

Uli: Unsere Texte sind hauptsächlich meine Reflektion und Verarbeitung von allem, was mich so persönlich bewegt und was mich musikalisch und künstlerisch interessiert, dass heißt die lyrische Umsetzung meines persönlichen Dachschadens; so in etwa. Es gibt aber keine direkte „Message“, das heißt man muss kein gläubiger Satanist sein, um uns gut zu finden…

Daniel: Es gibt mittlerweile fünf Demos von One Past Zero. Sind sie alle in Promo-CD erschienen? Und sind sie alle heute noch erhältlich?

Uli: Ja, das waren und sind alles Promo-CDs. Die ersten drei waren allerdings nur dazu gedacht, lokale Gigs an Land zu ziehen und haben mit der Band jetzt nicht so viel zu tun. Ich habe Dir mal Nummer Drei („Mental Zeros“) beigelegt, obwohl ich mit dem Sound (und zum Teil auch dem Material) nicht mehr wirklich glücklich bin…

Daniel: Es gibt immer noch kein Album von Euch. Aber auf dem Promoschreiben Eures neuen Demos „Heavy Shadows“ steht, dass Ihr ein Label für eine Vinylveröffentlichung sucht. Ich finde die CD zwar gut, finde aber doch, dass der Sound für Vinyl etwas zu räudig ausgefallen ist. Nehmt Ihr die Songs dann nochmal neu auf? Oder soll die LP genau so erscheinen? Und werdet Ihr auch Songs der älteren Demos im Falle einer Vinylveröffentlichung verwerten?

Uli: Da wir seit 2011 über unser eigenes Aufnahmeequipment verfügen und alles selber in unserem Proberaum erledigen, arbeiten wir sowieso ständig an der Verbesserung des Sounds und des Arrangements und werden vermutlich die besten Ideen im Lauf der Zeit noch optimaler umsetzen. Die originalen ersten drei Dinger werden aber vermutlich nicht mehr erscheinen…

Daniel: Spielen One Past Zero eigentlich auch live? Und wenn ja: Wo?

Uli: Da wir inzwischen ein Duo sind, werden in nächster Zeit keine Live-Gigs stattfinden. Mit dem Zeug in unserer Gegend aufzutreten, ist aber sowieso ziemlich aussichtslos… Ulm does NOT ROCK!

Daniel: Es fällt auf, dass alle Deine Bands einen unterschiedlichen Stil gespielt haben. War das von Anfang an so von Dir beabsichtigt oder hat sich das alles doch eher zufällig ergeben?

Uli: Ich würde sagen, Poison haben sich einfach so entwickelt. Bei R.U. Dead? und One Past Zero gab es zuvor ein Konzept, jeweils einige Sachen anders zu machen als vorher.

Daniel: Du hast mittlerweile einen ziemlich großen musikalischen Background. Gibt es im Nachhinein Dinge, die Du heute anders oder sogar gar nicht mehr so machen würdest?

Uli: Ich denke nicht so über meine Vergangenheit. Eigentlich habe ich jedes Mal versucht (bzw. versuche ich immer noch), genau meine Vorstellungen zum jeweiligen Zeitpunkt umzusetzen, ohne mich irgendwo anzubiedern oder irgendwo reinzupassen. Mehr kann man nicht tun!

Daniel: Welche Zukunftspläne habt Ihr noch mit One Past Zero?

Uli: Weiter zusammen Songs entwickeln, aufnehmen und Leute wie Dich damit belästigen!

Daniel: OK, Uli! Ich finde es auf jeden Fall gut, dass Du dem Underground immer treu geblieben bist und nie aufgegeben hast! Wir sind am Ende angelangt. Die letzten Worte gehören Dir!

Uli: Vielen Dank! Remember: Being heavy doesn´t necessarily mean being stupid!

http://www.one-past-zero.de/
http://www.brutalism.com/content/rudead-are-dead
http://www.iron-pegasus.com/




Autor: Daniel Müller