CATHEDRAL - Das letzte Interview?


Cathedral haben sich kürzlich unwiderruflich aufgelöst. Das hat mich schon sehr mitgenommen, bin ich doch seit 1993 ein großer Fan der Band gewesen. Ihre experimentelle Hippie-Phase fand ich genauso geil, wie ihre Texte, die oft an Horrorfilme angelehnt waren, die auch in meiner Privatsammlung stehen. Cathedral waren einzigartig! Ich war natürlich total aus dem Häuschen, als ich gefragt wurde, ob ich ein Interview mit ihnen für CROSSFIRE machen wollte. Ich habe, ehrlich gesagt, nicht damit gerechnet, dass sie überhaupt antworten würden. Schließlich ist Cathedral schon eine Hausnummer und nicht irgendeine kleine Band. Es hat auch etwas gedauert, aber wenn man bedenkt, wie ausführlich Gitarrist Gary "Gaz" Jennings meine Fragen beantwortet hat, ist das auch verständlich. Hier also eines der wohl allerletzten Cathedral-Interviews überhaupt. Viel Spaß!

CATHEDRAL logoDaniel: Hallo Gary! Lass uns mal sofort mit der Tür ins Haus fallen: Warum zur Hölle habt Ihr Euch aufgelöst? Welche Gründe gab es dafür?

Gary: Es gab viele Gründe um aufzuhören. Nach 23 Jahren sind wir einfach am Ende unserer Reise angekommen. Wir hatten das Gefühl, dass wir musikalisch alles erreicht hatten, was uns vorschwebte. Es gibt aber natürlich auch noch andere Gründe. Ich schätze, wir haben einfach den nötigen Enthusiasmus verloren, in einer Band zu spielen und wenn Du keine 100 Prozent mehr geben kannst, dann hat es auch keinen Sinn weiterzumachen.

Daniel: Letztes Jahr habt Ihr ja schon ein paar Abschiedsshows gespielt. Von daher wunderte es mich, dass Ihr überhaupt noch ein weiteres Album gemacht habt. War es Euch wichtig, Euch noch einmal mit einem letzten, großartigen Album von Euren Fans zu verabschieden?

Gary: Mir war wichtig, dass unser letztes Album richtig hart und speziell ausfallen würde. Manche Leute haben uns gefragt, warum wir nicht wieder an die progressive Ausrichtung von „The Guessing Game” angeknüpft haben. Und ich denke, wir hätten da ruhig weitermachen können, aber wir wussten von vornherein, dass es das letzte Album werden sollte, das wir aufnehmen würden. Deshalb wollten wir uns unbedingt mit einem Album verabschieden, das wieder mehr an unsere Frühwerke angelehnt war. Ich denke, das Album ist gut genug geworden, um einen Schlussstrich ziehen zu können.

Daniel: Ich finde „The Last Spire” total geil! Wie lange habt Ihr den gebraucht, um die Songs zu schreiben und aufzunehmen?

Gary: Danke, das ist schön zu hören! Wir haben einige Sachen schon vor Jahren geschrieben. Mit den Aufnahmen begannen wir im August 2012, beendet waren sie dann im November. Das Gute daran war, dass wir das Album auf Rise Above Records veröffentlichten. Das Label gehört unserem Sänger und so hatten wir unendlich viel Zeit, um es in Ruhe aufzunehmen und abzumischen. Wir standen nicht unter Zeitdruck. Wir konnten immer mal Teile am Wochenende aufnehmen und wenn wir mal mit etwas unzufrieden waren, konnten wir uns immer wieder dransetzen und es ändern.

Daniel: Wenn Du heute zurückblickst, gibt es da Dinge, die Du heute anders machen würdest? Gibt es Cathedral-Alben, auf die Du besonders stolz bist oder die Du gar nicht mehr magst?

Gary: Ich schätze, rückblickend betrachtet, würde ich wohl eine ganze Menge anders machen! Ich mag „The Garden Of Unearthly Delights”, „The Carnival Bizarre” und das neue Album besonders gerne. Das einzige Album, bei dem ich mir echt nicht mehr sicher bin, ist „Supernatural Birth Machine”. Ich finde, dass auch „Caravan Beyond Redemption” sich sehr von allen anderen unterscheidet, und dass dort zu viele Songs drauf sind. Aber es hat damals sehr viel Spaß gemacht, diese Songs zu schreiben und einzustudieren. Wir haben tonnenweise Songs für dieses Album geschrieben, von denen wir immer noch Proberaumaufnahmen haben. Aber wir haben sehr viele Musikstile mit einfließen lassen. Es war eine sehr interessante Zeit für uns.

Daniel: Ihr habt auch einige EPs veröffentlicht, die immer sehr experimentierfreudig ausgefallen sind. Habt Ihr diese EPs bewusst für Experimente genutzt, die nicht auf ein reguläres Album gepasst hätten?

Gary: Oh ja, genau das war die Idee, die hinter diesen EPs steckte. Vielleicht war die „Hopkins (The Witchfinder General)” EP etwas zu abgefahren für manche Leute, aber was soll’s. Uns haben die Aufnahmen sehr viel Spaß gemacht und viele Leute haben uns auch immer gesagt, dass wir durchaus in der Lage waren, so etwas auch mal zu probieren. „Purple Wonderland” ist z. B. einer unserer besten Songs, meiner Meinung nach.

Daniel: Ich fand die Cover von Cathedral immer voll schön! Wer hat sie gemalt? Und wie seid Ihr mit dem Zeichner in Kontakt gekommen? Kanntet Ihr seine Arbeiten vorher schon?

Gary: Der Zeichner, der seit dem ersten Album alle Cover für uns gemalt hat, heißt Dave Patchet. Von ihm gab es Anfang der Neunziger mal eine Ausstellung in Coventry. Lee war dort und war total fasziniert von seiner Arbeit. Er hinterließ also einen Zettel, wo drauf stand, dass er sich bezüglich einer Zusammenarbeit mit uns melden soll. Dave hat daraufhin tatsächlich mit Lee Kontakt aufgenommen und so wurde er unser Coverzeichner.

CATHEDRALDaniel: Sänger Lee Dorian war neben Dir das einzige permanente Mitglied bei Cathedral. Euer Stil hat sich im Laufe der Jahre ganz schön verändert. War für Dich den trotzdem von Anfang an klar, dass Ihr auf jeden Fall unter dem Namen Cathedral weitermachen würdet?

Gary: Ja, natürlich! Jedes unserer Alben hat sich immer von seinen Vorgängern unterschieden. Die einzigen Alben, die sich sehr ähneln, sind „The Carnival Bizarre” und „Supernatural Birth Machine”. Wir haben immer versucht, etwas anders zu klingen, obwohl der Haupteinfluss für uns immer Black Sabbath war. Es gibt immer bessere und schwächere Alben, aber so ist das nun mal. Ich meine, es gab mit „Endtyme” und „The Garden Of Unearthly Delights” zwei durch und durch harte, doomige Alben und dazwischen „The VIIth Coming“, das viel Hard Rock-lastiger ausgefallen ist. Aber ich finde, dass uns gerade das so interessant gemacht hat, dass wir uns eben nicht ständig wiederholt haben.

Daniel: Hattest Du eigentlich gewusst, dass Lee Dorian vorher bei Napalm Death gesungen hat, als Ihr Euch zum ersten Mal im Proberaum getroffen habt? Und mochtest Du seine Sachen, die er mit Napalm Death gemacht hat?

Gary: Ja, das wusste ich! Und natürlich war es am Anfang schon etwas komisch, dass er nach seiner Zeit bei Napalm Death in einer Doom Metal-Band landen würde. Ich kannte Lee schon viele Jahre vor Gründung der Band und wusste, dass wir ziemlich viele gemeinsame Lieblingsbands, wie z. B. St. Vitus, Trouble, Witchfinder General, Candlemass, Dream Death, Sacrilege usw., hatten. Ich war aber kein großer Fan von Napalm Death, um ehrlich zu sein, obwohl ich die „Mentally Murdered” EP doch recht gut fand. Die war ziemlich geil!

Daniel: Ihr habt ja ursprünglich als Doom-/Death Metal-Band angefangen und Euch dann immer weiter entwickelt. Später habt Ihr auch Elemente aus den 1960er Jahren und Hippie-Einflüsse wie Saxophon usw. verarbeitet. War das etwas, das Ihr von Anfang an so geplant hattet? Oder war das schon so etwas wie eine natürliche Entwicklung?

Gary: Das war schon eine natürliche Entwicklung. Wenn die Band ausschließlich als Doom Metal-Band weitergemacht hätte, hätten wir nur ein paar Alben gemacht und wären dann in einer Sackgasse gelandet. Wir haben 70er Hard Rock, Folk und Prog schon immer gemocht. Deswegen war es nur logisch, dass wir auch solche Einflüsse irgendwann verarbeiten würden.

Daniel: Welche Bands, außer den offensichtlichen Vorbildern wie Black Sabbath, Candlemass, Pentagram und Trouble, haben Euch denn noch so beeinflusst? Gibt es ein paar coole, überteuerte Geheimtipps, die wir vielleicht kennen sollten?

Gary: Tja, die wichtigsten hast Du ja eigentlich schon aufgelistet, aber uns haben auch sehr viele unterschiedliche Bands beeinflusst, z. B. Curved Air, Gracious, May Blitz, Bang, Buffalo, Groundhogs, Khan, Mellow Candle, Comus, Tudor Lodge, Jerusalem, Night Sun, Warhorse, Complex, Mirkwood, Megaton , Affinity, Cressida, Grannie, Black Widow, Aard Vark, Audience, CMU, Catapilla, Room, Quatermass, The Rattles, Osanna usw. ...

Daniel: Kommen wir doch einmal kurz auf Pentagram zu sprechen: Ihr habt ihren Klassiker „All Your Sins” auf „In Memoriam” gecovert. Eure Version ist noch sehr viel schleppender ausgefallen als das Original, haha! Wie denkst Du heute über diese Version? Und warum zur Hölle ist sie so verdammt träge ausgefallen?

Gary: Haha! Ja, die ist langsam, was? Zu langsam! Ich denke, die Version war ganz okay für die Zeit. Ich bin mir sicher, ich könnte es heute sehr viel besser spielen. Aber würde der Song dann auch so rüberkommen? Bestimmt nicht… Warum wir ihn so langsam gespielt haben? Na ja, warum nicht?

Daniel: Obwohl viele Doom Metal-Bands oft christliche Texte haben, fand ich Eure immer recht okkult. Welche Gründe gab es dafür: wahre Überzeugung, pures Interesse oder doch nur die Erfüllung bestimmter Klischees?

Gary: Ich finde unsere Texte eigentlich überhaupt nicht okkult! Es ging oft nur um Texte, die auf Horrorfilmen basierten und nicht z. B. darum, dem Teufelskult zu huldigen. Die Texte waren eher anti-religiös und anti-authoritär.

Daniel: Eure Texte waren oft an alte Horrorfilme angelehnt. Ich denke da vor allem an „Witchfinder General – Der Hexenjäger” und „The Blind Dead – Die Reitenden Leichen“. Welche Filme mögt Ihr sonst noch so?

Gary: Nun, wir schauen uns alle möglichen, unterschiedlichen Filme an. Lee war immer der größte Filmfanatiker von uns. Er hat wirklich eine einzigartige, obskure Filmesammlung. Das gilt übrigens auch für Scott. Lee liebt vor allem alte Verbrecher- und Mafiafilme, wie z. B. „Rabid Dogs“, „Milano Calibri 9“ oder „Violent Rome – Verdammte, heilige Stadt“, die für ihre Zeit schon ziemlich brutal waren. Ich persönlich mag vor allem alte Schwarz-Weiß-Komödien aus den 1940er- bis 1960er Jahren.

CATHEDRALDaniel: Ich habe mal gelesen, dass Du vor Cathedral in einer Thrash Metal-Band namens Acid Reign gespielt hast. Werden wir jemals die Chance bekommen und die alten Aufnahmen zu hören bekommen? Es gab immerhin zwei Alben sowie einige EPs und Demos von der Band.

Gary: Soweit ich weiß, ist das alles vor Jahren mal wiederveröffentlicht worden. Ich habe diese Wiederveröffentlichungen allerdings selbst nicht… Ich habe mir das Zeug schon seit Jahren nicht mehr angehört.

Daniel: Welche Zukunftspläne habt Ihr den noch so? Haben alle Cathedral-Mitglieder wieder neue Bands am Start? Wird es vielleicht hier und da mal spezielle Konzerte von Euch geben? Bitte lass es uns wissen!

Gary: Lee hat mit seinem Label Rise Above Records alle Hände voll zu tun, da es momentan echt gut läuft. Scott arbeitet bei einer Filmfirma und spielt noch bei Repulsion. Ich habe keine Ahnung, was Brian für musikalische Pläne hat. Ich arbeite gerade an einem Soloalbum, das sich in den letzten Zügen befindet. Ich habe zehn Songs geschrieben und aufgenommen. Ich muss nur noch einen geeigneten Sänger dafür finden. Das Projekt wird unter dem Namen Death Penalty laufen. Von Cathedral wird es definitiv keine Auftritte mehr geben. Die Band hat mit Live-Auftritten abgeschlossen.

Daniel: OK, Gary! Die letzten Worte gehören Dir!

Gary: Danke für das Interview und entschuldige bitte, dass es so lange gedauert hat! Danke an alle Leute, die Cathedral in all den Jahren immer unterstützt haben! Wir fühlen uns geehrt. Danke für alles!

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Autor: Daniel Müller