HYPOCRISY, ESSENCE, WEAK ASIDE

Essen, Turock, 28.03.2013

Bei knackigen Temperaturen um den Gefrierpunkt warteten viele auf den eigentlichen Anfang des Frühlings, aber viele auch am Einlass von Turock. Eine sehr lange Schlange hatte sich gebildet, die jedoch zügig vom Personal abgearbeitet wurde, während sich wettermäßig nichts änderte. Zum Glück schneite es grad nicht, dass die Wartezeit echt noch okay war. Seit Wochen vor Veranstaltungsbeginn war das Turock ausverkauft, und ein deutlicher Hinweis darauf, dass mit den Melodic Deathern aus Schweden noch immer zu rechnen ist.

WEAK ASIDE thomasIm Vorprogramm von Death Angel im Sommer letzten Jahres schon einmal auf den Brettern des Turocks gewesen, kamen die Emder von Weak Aside noch einmal an den Ort des Geschehens zurück. Wie schon damals durften sie auch heute wieder eröffnen, und gleich machte sich wieder eine amtliche Schlagseite von Bolt Thrower bemerkbar. So eine Groovekeule wie „Bloodstorm“ geht noch deutlicher in die Richtung der Engländer, doch sie können es auch mit Vollgas. Die Drummer der beiden Vorbands wurden schräg links auf der Bühne postiert, da für den Headliner ein fettes Drumpodest aufgebaut worden war, das schon etwas unter der schwarzen Abdeckung hervor lugte. Doch für die Ostfriesen war das kein Hindernis, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Zwar hatten sie auch diesmal wieder kein neues Album im Gepäck, doch dafür brachte Shouter und Klampfer Thomas wieder seine irre Dean-Gitarre mit. Sein Counterpart zu seiner Rechten ließ durch seinen Irokesenschnitt zusammen mit einem Shirt von The Exploited nur optisch den Punk raus. Für einige Konzertbesucher hätte die Spielzeit von einer knappen halben Stunde länger ausfallen können, doch es wurden nur sechs Songs gespielt.

 

ESSENCE markDennoch wurde auf die Uhr geschaut, den Zeitplan einzuhalten. Es müsste auch über eine halbe Stunde Spielzeit gewesen sein, die dem Nachfolger beigemessen wurde. Denn bei Essence, die ihr brandneues, von Peter Tägtgren produziertes Album „Last Night Of Solace“ vorstellen wollten, wusste man nicht so genau, wann der Soundcheck beendet, und der Set bereits begonnen hatte. Klampfer und Shouter Lasse Skov  jedenfalls hatte Spaß in den Backen und konnte mit seiner großen Klappe punkten. Die vier Thrasher aus Nordjütland, links und rechts der Bühne mit Tarnhosen bekleidet, drosch sich durch ihren Set. Lasse sorgte im Essence-Shirt für etwas Eigenwerbung, aber auch mancherorts für Coregebell. So sprach das Shirt von Children Of Bodom bei Gitarrist Mark auch eine modernere Sprache. Ihr Auftritt war zwar nicht statisch, aber für Thrash gab es zu wenig Action. Für seine lockere Zunge hätte ich zumindest vom Shouter Lasse mehr erwartet. Zwei Boxen standen quer an den Bühnenseiten, die zusätzlich zu den Drums noch Platz einnahmen, doch daran kann es auf der großen Turockbühne nicht gelegen haben. Schade, denn dabei konnten sie soundmäßig was, auch wenn der Tarnhosenbasser kein Solo mit zwei Händen auf dem Griffbrett angestimmt hätte. Ihr durchgängiges Gethrasche des Vierers aus Dänemark erschien fast wie aus einem Guss, so fiel auf, dass im Finale songbedingt noch einmal neu angerifft wurde.

 

HYPOCRISY mikaelZuletzt hab ich Hypocrisy als Headliner auf einem Summer-Breeze-Festival gesehen, das muss bereits Jahre her sein, denn das war noch in Abtsgmünd. Mit Spannung wurde der Auftritt der Schweden erwartet, schließlich erntete ihr neues Album „End Of Disclosure“ klasse Kritiken. Im Intro wurden nun endlich die Drums enthüllt, und der Spannungspegel stieg weiter. Vergitterte Aufsteller und das stählerne Drumpodest, farbig beleuchtet, unterstrichen mit  permanentem Nebel die Atmosphäre noch einmal. Unter großem Jubel kam die Band auf die Bühne und stieg mit dem Titeltrack ihres neuen Albums ein. Der Jubel der Menge im proppe gefüllten Turock war deutlich zu hören, und schon zu "Fractured Millenium" erklomm  der erste Stagediver die Bühne, um ein paar Vocals zusammen mit Peter ins Mikro zu brüllen, um dann wieder in die Menge zu springen. Wer es danach noch auf die Bühne schaffte, wurde durch den Bandroadie zur Bühnenseite weggebracht, so kamen ab jetzt die Crowdsurfer vom hinteren Teil der Halle nach vorn. Nach „Left To Rot“ folgte die erste Ansage von Peter, und der Set nahm mit „The Eye“ weiter seinen Lauf. Shirts von den Punks The Exploited schienen heute sehr im Kurs zu stehen, denn auch Peter trug eines von Wattie und Konsorten. Seine beiden Mitstreiter am Bühnenrand trugen schlichtes schwarz, und wechselten vor dem Drumthron häufig die Seiten. Die Anwesenden standen voll hinter den Schweden. Wenn die Arme hoch gingen, dann bis ganz nach hinten und bis auf die Empore. Es wurde abgefeiert und mitgesungen, wie ich es selten erlebte. „Fire In The Sky“ schloss sich an, so titelte  doch auch mal eine Oldschool Veranstaltung in der Burg zu Dortmund, wenn iHYPOCRISY peterch mich recht erinnere. „Now It’s Time To Do Some Dancesongs“ sagte Peter an, und gab “Necronomicon” zum Abschuss frei, dass noch aus der Zeit von vor zwanzig Jahren stammt, als die Band noch in ihrer derberen, unmelodischeren Phase steckte. Nach etwa siebzig Minuten Spielzeit wurde nach kurzer Pause die ersten Zugaben „Rosswell 47“ und „Adjusting The Sun“ abgefeuert, wozu das Turock völlig abdrehte. Dafür gabs von Peter den Ritterschlag „Dankeschön Essen, This Is Unbelievable“. Noch weitere zwei Zugaben wurden nach „Eraser“ gespielt, obwohl die Band sich bereits verabschiedet hatte. Da gab es nichts zu meckern, wenn eine Band erst nach 100 Minuten die Bühne verlässt. So ging mal wieder ein grandioser Konzertabend im Turock zu Ende, wenn auch irgendwo im Gemenge meine Kamera zerschellte. Immerhin konnte ich die Speicherkarte daraus retten, und dieses Review zeitnah einstellen.



Autor: Joxe Schaefer - Pics: Joxe Schaefer