HOLOCAUST - Inside The Power Cage...


Als ich gelesen habe, dass Holocaust dieses Jahr auf dem Keep It True spielen und John Mortimer jetzt neu bei Facebook ist, habe ich ihn als Freund hinzugefügt und eine ellenlange Mail geschrieben. Es entstand ein reges Hin und Her und ich fragte ihn, ob er nicht Bock auf ein Interview mit seiner Band hätte. Ich drohte ihm zwar an, dass es ewig lang werden würde, weil ich die Band seit 1997 verehre. Ihm war das aber recht, weil er lieber Interviews von Leuten beantwortet, die sich jahrelang mit der Musik der Band beschäftigt haben. Er war sehr enthusiastisch und beantwortete es auch recht zügig, wenn man bedenkt, dass man 40 Fragen ja nicht mal eben so beantworten kann. Begleitet mich also nun auf die Reise einer der ältesten und kultigsten New Wave Of British Heavy Metal Bands aller Zeiten von 1977 bis heute:

HOLOCAUST logo 2013Daniel: Hi John! Es ist mir eine Ehre, dieses Interview mit Dir zu machen, weil Holocaust für mich die beste New Wave Of British Heavy Metal Band überhaupt ist! Lass uns mal ganz von vorne anfangen, OK? Erzähl uns doch zunächst etwas über die Anfänge von Holocaust und Eure musikalischen Einflüsse, als Ihr 1977 angefangen habt!

John: Black Sabbath waren der erste Metaleinfluss für mich. Eines Samstags hörte ich “Symptom Of The Universe” im Radio, als “Sabotage” gerade aktuell draußen war. Und ich hatte sofort das Gefühl, dass ich mein Leben dieser Art Musik widmen musste. Mein erstes Album, das ich mir jemals gekauft habe, war „Master Of Reality“, das ich in einem Second Hand-Laden erstanden habe. Led Zeppelin waren auch ein großer Einfluss. Ihr aktuelles Album damals war „Presence“, ein Album, das ich bis heute noch regelmäßig höre. Andere Einflüsse waren Rush, UFO, AC/DC, Motörhead, Judas Priest, Blue Öyster Cult, Focus und Jethro Tull.

Daniel: Wie kommt es eigentlich, dass Holocaust immer viel brutaler als alle anderen Bands der New Wave Of British Heavy Metal waren? Ihr hattet immer richtig harte Riffs, während die meisten anderen Bands dieser Ära mehr Wert auf zweistimmige Gitarrenläufe legten…

John: Das ist eine interessante Frage! Ich habe viel Herzblut in das neue Konzept gesteckt, weil es neu war zu der Zeit, „Heavy Metal“ zu machen. Es war Leidenschaft kombiniert mit einer gewissen Portion Ungeduld, diese Musik schnell zu verbreiten, weißt Du? Ich empfand diesen inneren Zwang dazu und es war erstmal egal, ob es gut gespielt war. Diese Rohheit endete manchmal chaotisch. Einige Sequenzen der Holocaust-Konzerte klangen wie ein verunglückter Zug, haha! Es ging nur um die Einstellung. Wir hatten zu dem Zeitpunkt auch einen gehörigen Punkeinschlag.

Daniel: Wie seid Ihr auf den Namen Holocaust gekommen? Sollte das eine Art Provokation sein? Oder wolltet Ihr nur einen brutalen Namen für eine brutale Band haben? Es ist schließlich offensichtlich, dass Holocaust nie etwas mit Politik am Hut hatten…

John: Ende der Siebziger hatten alle Angst vor einem großen Atomkrieg. Die Leute redeten von dem aufkommenden nuklearen Holocaust. Politisch und militärisch gesehen gab es zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion immer Spannungen. Und das blieb uns immer im Unterbewusstsein hängen. Wir wurden da praktisch hineingeboren. Wir haben uns ständig Filmmaterial dazu angesehen, das ständig ausgestrahlt wurde. Und ich dachte mir, dass es Sinn machte, dass eine Heavy Metal Band auch einen kraftvollen Namen wie den nuklearen Holocaust haben sollte. Und das war der Grund für diesen Namen.

Daniel: Holocaust war eine der allerersten Bands der New Wave Of British Heavy Metal überhaupt. War Euch diese Bewegung von Anfang an bewusst? Oder wird diese Bewegung erst später so genannt, als man merkte, dass ganz viele Bands zur gleichen Zeit auf einmal härtere Musik gemacht haben?

John: Tja, uns war schon 1979 bewusst, dass es viele junge Bands gab, die lieber härtere Musik als Punk gemacht haben. Ich kann Dir sagen, dass Punk zu der Zeit in England wirklich wahnsinnig angesagt war! Es war revolutionär. Nichts war cool, außer Punk. Bands wie Black Sabbath, Led Zeppelin und Deep Purple wurden als langweilige und belanglose alte Säcke abgetan. Natürlich waren diese Urgesteine der Szene die Haupteinflüsse für die neuen Metalbands. Aber es war halt so, dass harte Musik in den Achtzigern völlig neu definiert wurde – in einer krasseren Form. Motörhead waren sehr wichtig für die Szene, weil sie genau in der Schnittmenge zwischen Metal und Punk lagen. Dadurch mochten sowohl Punks, als auch Metalheads Motörhead. Ich meine, in der Schule gab es bei uns immer Schlägereien zwischen Punks und Metallern. Aber Motörhead halfen uns dabei, manche Fronten zu klären.

Daniel: Standet Ihr mit manchen Bands der New Wave Of British Heavy Metal auch in persönlichem Kontakt?

John: Die einzige Band, mit der wir in Kontakt standen, war Samson. Von denen haben wir aber auch nie regelmäßig etwas gehört. Ohne das Internet waren wir in Schottland damals noch ziemlich abgekapselt…

Daniel: Welche sind Deine Lieblingsbands der New Wave Of British Heavy Metal?

John: Für mich persönlich sind das Spartan Warrior, Savage, Gaskin, Praying Mantis, Samson, Mythra, Witchfynde, Iron Maiden und Sledgehammer.

Daniel: Erstaunlich finde ich, dass Ihr nicht aus England seid, sondern aus Schottland. Ihr seid die einzige Band aus diesem Land, die ich kenne. Gibt es noch mehr Metalbands in Eurem Land, die Du uns empfehlen kannst; egal ob alt oder neu?

John: The Almighty sind wohl die metallischste von allen. Blue Nile sind auch eine fantastische Band, haben aber mit Metal nicht allzu viel zu tun…

Daniel: War Eure schottische Herkunft ein Problem zwecks der Kooperation mit der Szene damals?

John: Ja, definitiv! Das war auch der Hauptgrund, warum es so schwierig war, an Auftritte ranzukommen. Heute mit dem Internet ist das alles sehr viel einfacher.

Daniel: Wie seid Ihr denn damals an den Plattenvertrag für Euer Debüt „The Nightcomers“ drangekommen?

John: Gary hat in einem kleinen Plattenladen namens Phoenix in Edinburgh gearbeitet, wo Metalalben und Singles verkauft wurden, an die man nur schwer rankam. Der Besitzer des Ladens hieß John Mayer. Er kam eines Tages zur Probe in einer Kirchenhalle und entschloss sich, eine 12” EP („Heavy Metal Mania“) zu machen. Von da an lief alles wie von selbst.

Daniel: Weißt Du, wie viele Kopien Ihr von “The Nightcomers” bis heute verkauft habt? Und was denkst Du heute über das Album? Bist Du immer noch stolz darauf?

John: Ich habe keine Ahnung, wie viele Einheiten davon verkauft wurden, weil man nie weiß, wie viele Bootlegs davon abgesetzt wurden. Ich bin, um ehrlich zu sein, auch voll angepisst, was Plattenfirmen in Großbritannien angeht. Es sind heute nicht mehr alle Holocaust-Alben normal erhältlich. Du kannst z. B. nicht einfach bei Amazon Alben von uns bestellen; nicht einfach als MP3-Downloads. Das Label, das unser neues Album veröffentlichen wird, ist ein griechisches Label, das wirklich etwas von der heutigen Musikwelt versteht! Und ja, ich bin immer noch sehr stolz auf „The Nightcomers“! Aber ich lebe nicht in der Vergangenheit. Ich finde es toll, dass diese Songs heute immer noch voller Leben sind, wenn wir sie live spielen. Denn wir gehen die Songs immer noch genauso an, als wenn es neue Songs wären.

Daniel: Warum habt Ihr Euch eigentlich dazu entschlossen, als zweites Album eine Livescheibe zu machen, als nochmal in s Studio zu gehen?

John: Phoenix wollten schnell ein Album nachlegen. Sie wollten nicht abwarten, bis wir das Songwriting für das nächste Studioalbum abgeschlossen hatten.

HOLOCAUST john 2013Daniel: Vor dem Livealbum “Live (Hot Curry & Wine)” wurde noch eine VHS dieser Tour veröffentlicht, auf der die gesamte Show zu sehen war. Auf der LP waren dagegen nur sieben Songs enthalten! Warum? Und hattet Ihr Einfluss darauf, welche Songs schließlich auf der LP landeten und welche nicht?

John: Wir hatten schon ein Mitspracherecht bei der LP. Aber das letzte Wort hatten Phoenix. Es war aber auch so, dass Gary, Robin und Ed mehr in Richtung amerikanische Rockmusik einschlagen wollten. Und einige Songs passten dadurch natürlich nicht mehr ins Konzept.

Daniel: Nach dem Livealbum trennte sich die Originalbesetzung. Wieso klappte es nicht mehr?

John: Gary, Robin und Ed wollten mehr was in Richtung Aerosmith, Van Halen usw. machen; halt dieses amerikanische Zeug. Ich wollte einerseits die harte, eingeschlagene Richtung weitergehen, aber auch anderseits etwas Abenteuerlicheres und Progressives machen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich bei einer Probe ein sehr thrashiges Stück geschrieben hatte, dass den vorläufigen Titel „Air Raid“ trug und später zu „This Annihilation“ auf dem „The Sound Of Souls“-Album wurde. Sie haben mich angesehen, als hätte ich den Verstand verloren! Sie meinten, das könnte doch niemand ernst nehmen… Es war ihnen zu extrem. Sie erzählten das dann Phoenix und die wiederum entschlossen sich dann widerstrebend, dass sie mich rausschmeißen sollten.

Daniel: Deine Ex-Mitglieder gründeten daraufhin Hologram, die fast dasselbe Logo benutzt hatten. Ihre einzige LP „Steal The Stars“ ist jedoch sehr soft ausgefallen. Hast Du diese LP jemals gehört? Und wenn ja: Wie findest Du sie?

John: Nicky Arkless verließ mit mir zusammen die Band. Raymond stieß als Schlagzeuger neu in die Band und sie produzierten die „Coming Through“-EP, die ich gut fand. Das sagte ich ihnen auch noch. Dann flogen Ed und Gary raus und sie gründeten Hologram. Natürlich besitze ich dieses Album! Ed hat echt gute Gitarrenarbeit darauf abgeliefert. Aber ich höre mir die LP nie an…

Daniel: Nach dem Split hast Du 1984 ab „No Man´s Land“ schließlich den Gesang bei Holocaust übernommen. War das so gewollt? Wolltest Du singen? Oder war das zunächst eine vorläufige Notlösung?

John: Hauptsächlich geschah das so, weil es keinen anderen Sänger gab. Ich habe aber Gefallen daran gefunden, den Gesang zu übernehmen und habe mir viel Zeit dafür genommen, sowohl Ausdruck in meinen Gesang zu bringen, als auch gleichzeitig dazu Gitarre zu spielen.

Daniel: “No Man´s Land” hatte einen gehörigen Punkeinschlag. War das von Anfang an so geplant?

John: Nach dem Split wollte Nicky Arkless etwas Progressiveres, Jazzigeres machen. Also habe ich ein paar Mal mit ihm gejammt. Es war aber klar, dass er keine neue Metalband gründen wollte. Steve Cowan hat dann mit mir Kontakt aufgenommen. Er hatte sich gerade ein neues Schlagzeug gekauft und wollte wieder in einer Metalband spielen. Wir haben dann viel Zeit ins Songwriting gesteckt, waren aber sehr begrenzt in unseren Möglichkeiten, weil Steve noch nicht allzu gut war. Er verbesserte sich allerdings sehr schnell. Überraschenderweise haben dann Phoenix Records mit mir Kontakt aufgenommen. Sie teilten mir mit, dass sie Hologram aufgegeben hatten und fragten mich, ob ich Songs für ein weiteres Holocaust-Album fertig hätte. Nun musst Du wissen, dass Steve gerade mal sechs Monate Schlagzeug gespielt hatte, als wir ins Studio gingen. Das Budget war auch sehr niedrig angesetzt. Das Album klingt deshalb so punkig, weil wir alles einfach halten mussten. Wir waren zudem sehr angepisst über den bisherigen Verlauf der Band, was uns auch zusätzlich einen gewissen Punkeinschlag einbrachte.

Daniel: 1987 haben Metallica die Coverversion Eures Songs “The Small Hours” auf der “Garage Days”-EP veröffentlicht. Wann hast Du diese Version zum ersten Mal gehört? Und glaubst Du, dass Holocaust dadurch populärer geworden sind?

John: Metallicas Management hatte versucht, wegen des Covers Kontakt mit mir aufzunehmen, um eine Genehmigung zu bekommen. Aber sie konnten mich nicht ausfindig machen. Lars Ulrich hat mir später erzählt, dass er persönlich alle möglichen John Mortimers in Schottland angerufen hatte, um mich zu erreichen, haha! Ich habe also die Version erst gehört, als John McCullim, der viel später auf dem “Primal”-Album gespielt hat, mich anrief und mir davon erzählte. Also habe ich es auch erst erfahren, als alle anderen das auch taten. Ich war begeistert davon, weil ich bis dahin auch ein großer Metallica-Fan war und ich ihre Musik sehr viel gehört habe. Ich habe sie dann auf der „…And Justice For All”-Tour persönlich kennengelernt. Sie waren wirklich sehr nett. Und das meine ich ernst! Ich glaube aber nicht, dass ihre Version von “The Small Hours” der Popularität von Holocaust einen großen Schub gegeben hat. Andererseits geschah das alles zu einer Zeit, als es noch kein Internet gab. Es könnte also schon möglich sein, dass wir dadurch etwas populärer wurden und ich das nur nicht registriert habe. Auf jeden Fall war es aber so, dass durch diesen Coversong Chrome Records, ein kleines Independentlabel aus Edinburgh, plötzlich interessiert waren, “The Sound Of Souls” zu finanzieren.

Daniel: Womit wir beim Thema wären: 1989, ganze fünf Jahre nach “No Mans Land”, brachten Holocaust die großartige Mini-LP “The Sound Of Souls” heraus. Sie ist sehr thrashig ausgefallen und erinnert mich sehr an Kreator und Voivod. Was waren die Gründe für diesen krassen Stilwechsel?

John: Das war eine ganz natürliche Entwicklung, die wir von 1983 bis 1989 durchlebt haben. Steve Cowans Schlagzeugspiel wurde immer besser, und so hatten wir auch viel mehr Möglichkeiten. Ich war tatsächlich ein großer Fan von Kreator und Voivod zu dieser Zeit (vor allem Voivod), und ich fand das ganze Thrashzeug damals sehr inspirierend.

Daniel: In den Neunzigern begann dann die progressive Phase von Holocaust, von der ich ein Riesenfan bin! War es Euch wichtig, Euch als Musiker weiterzuentwickeln? „Hypnosis Of Birds“ war schließlich sehr experimentell mit den Flöten und abgedrehten Ideen.

John: Ich fühlte mich damals sehr einsam und obskur. Ich meine, ich habe zwar gemerkt, dass wir mit „The Sound Of Souls“ viel erreicht haben. Aber es schien, als wenn niemand in Großbritannien Holocaust ernst nahm. Aber wenn ich Songs schreibe, schreibe ich alles, was in meinem Herzen und in meinem Kopf ist. Ich scheiße auf die Erwartungen anderer Leute. Was ich mit meinem Körper und Geist gefühlt habe, war Einsamkeit und Verzweiflung. Viele Leute haben „Hypnosis Of Birds“ als bedrückt und finster bezeichnet. Da steckt sehr viel Selbstbeobachtung drin. Ich schätze dieses Album immer noch sehr. Das taten die anderen Bandmitglieder auch. Aber mich hat nicht interessiert, was später kommen würde. Das Album wurde komplett von mir allein durch die Tantiemen der Metallica-Veröffentlichung finanziert.

HOLOCAUST john 2013Daniel: “Hypnosis Of Birds” enthielt auch eine Neuaufnahme Eures Klassikers “The Small Hours”. Ihr habt es hier so schleppend wie Metallica gespielt, obwohl Eure Liveversion von “Live (Hot Curry & Wine)” viel schneller war. Welche Version magst Du denn im Nachhinein lieber, die Schnellere oder die Langsamere?

John: Tja, das kommt auf die verschiedenen Interpretationen des Songs an. Ursprünglich wollte ich es sehr langsam spielen; sogar noch langsamer als die Metallica-Version, um dann den krassen Gegensatz im schnellen Mittelteil zu haben. Die Version auf dem Livealbum ist nur deshalb schneller, weil wir – aufgeregt wie wir waren – einfach alles schneller gespielt haben, haha! Wir waren halt jung und unerfahren. Ich will jetzt nicht sagen, dass das schlecht ist! Es zeigt unsere aufgeregte und chaotische Seite. Aber ursprünglich sollte der Song so schleppend gespielt werden. Was ich aber wirklich liebe, ist die Art, die die Band den Song heute spielt!

Daniel: Nach “Hypnosis Of Birds” kam die EP “Heavy Metal Mania” heraus, die alte Songs in neu eingespielten Versionen enthielt. Warst Du mit den alten Versionen nicht mehr zufrieden? Oder gab es andere Gründe dafür?

John: Um ehrlich zu sein, weiß ich das gar nicht mehr so genau. Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass wir in einem winzigen Studio in Edinburgh waren, um die Songs aufzunehmen. Zu der Zeit litt ich unter Depressionen und war alkoholabhängig. Ich glaube, dass diese Idee von Jess Cox ausging. Er war der Labelinhaber von Neat Metal und Edgy Records, die das “Hypnosis Of Birds”-Album veröffentlichten. Ich kann mich ehrlich nicht mehr genau erinnern…

Daniel: Auf dieser EP habt Ihr auch Umlaute in Bandnamen benutzt, Sie erschien unter dem Namen Hölöcäust. War das einfach nur eine Art Wortspiel oder steckte auch eine Art Tribut an Motörhead und Blue Öyster Cult dahinter, die Euch in den Anfangstagen inspiriert hatten?

John: Das war die Idee von Phoenix Records und tatsächlich ein bewusster Tribut an Motörhead und Blue Öyster Cult!

Daniel: 1996 gab es die Wiederveröffentlichung von “Hypnosis Of Birds”. Es war mit einem anderen Cover versehen, enthielt drei Bonustracks und hieß von nun an “Spirits Fly”. Ich finde es seltsam, dass ein Re-Release nur drei Jahre später erfolgt. Wie kam es dazu?

John: Jess Cox war der Meinung, dass es sich mit einem neuen Cover, neuem Titel und Bonustracks besser verkaufen würde.

Daniel: Auf “Hypnosis Of Birds” habt Ihr ein sehr cooles Metallica-Cover von “Master Of Puppets” gepackt, War das als Dankeschön an Metallica gedacht, weil sie “The Small Hours” von Euch gecovert hatten?

John: Ja, obwohl ich zugeben muss, dass das nicht meine Idee war. Einige Promoter in den USA meinten, dass es eine coole Sache wäre, wenn wir live ein Metallica-Cover spielen würden. Jess Cox war auch dieser Meinung. Ich durfte mir dann einen Song aussuchen. Und es war eine tolle Erfahrung, sich mit diesem Song zu befassen. “Master Of Puppets“ ist ein Wahnsinnstrack! Aber ich wollte eigentlich keine Verbindung zu Metallica herstellen. Weißt Du, Metallica ziehen ihr Ding durch und wir unseres. Es war eine „kommerzielle“ Entscheidung, die andere Leute für uns getroffen haben. Heute, dank des Internets, sind solche Geschäftsideen meiner Meinung nach überholt. Es geht um die Band und ihre Fans und niemanden, der zwischen uns steht und abkassieren will.

Daniel: Was meinst Du: Wie „groß“ würden Holocaust heute ohne Metallica sein? Kannst Du das in etwa abschätzen?

John: Ich glaube nicht, dass der Unterschied sonderlich groß wäre. Die Holocaust-Fans, mit denen ich mich unterhalten habe, interessiert es eigentlich nicht, dass Metallica uns gecovert haben. Klar bin ich Metallica dafür dankbar, aber das gilt ebenso für Bands wie Six Feet Under und Gamma Ray, die uns ebenfalls gecovert haben.

Daniel: 1997 habt Ihr mein Lieblingsalbum von Holocaust, „Covenant“, veröffentlicht, dass sehr experimentell ausgefallen ist und mich häufig an Voivod erinnert hat. Wie kamst Du auf die Idee, zum ersten Mal in der Bandgeschichte ein Konzeptalbum aufzunehmen?

John: Ich habe “Die Chroniken von Thomas Covenant, dem Zweifler” von Stephen R. Donaldson immer und immer wieder gelesen. Und es war klar, dass ich eines Tages Songs über diese Saga schreiben würde. Es war offensichtlich, dass es gleich mehrere Songs werden würden. Deswegen hatte ich ein Konzeptalbum dafür geplant.

Daniel: Für mich ist “Die Chroniken von Thomas Covenant, dem Zweifler“ von Stephen R. Donaldson die beste Fantasy-Saga, zusammen mit der „Corum“-Saga und der „Elric“-Saga von Michael Moorcock. Magst Du denn nur die erste Trilogie der „Covenant“-Saga oder auch die folgenden Romane, die noch vor ein paar Jahren erschienen sind?

John: Ich habe nach “Der Bann des weißen Goldes” nichts mehr von der Saga gelesen. Mich haben also nur die ersten sechs Romane der Saga inspiriert.

HOLOCAUST john 2013Daniel: Welche Autoren magst Du sonst noch so, die Dich zu Texten für Holocaust inspirieren?

John: Samuel Beckett war z. B. ein großer Einfluss für das “Hypnosis Of Birds”-Album.

Daniel: Ich bin auch ein großer Fan Eures „The Courage To Be“-Albums aus dem Jahr 2000. Es war ebenfalls sehr progressiv ausgerichtet. Ich kenne viele Leute, die sagen, dass das Album unter einer matschigen Produktion leidet. Aber ich finde, dass alle Holocaust-Alben sehr undergroundige Produktionen hatten. Mich hat das nie gestört. Aber warum war das so? Waren die räudigen Produktionen von Euch immer so geplant? Oder lag das auch an Label- und Geldproblemen?

John: Dass wir nie den besten Sound auf unseren Alben hatten, lag immer an sehr kleinen Budgets und der, von heutigem Standpunkt aus gesehen, sehr primitiven Technik. Ich bereue das jedoch nicht. Die Alben klingen halt so, wie sie klingen. Unsere Fans verbinden den Sound auf den Alben auch immer mit unserer Haltung zum Underground. Ich würde im Nachhinein nix daran ändern.

Daniel: 2003 erschien Euer bislang letztes reguläres Studioalbum “Primal”. Es war wieder deutlich gradliniger, als Eure vorherigen Werke. War das ein bewusster Schritt zurück zu den Wurzeln?

John: Nein, war es nicht. Ich hatte damals ziemlich viele Probleme. Deswegen klingt das Album auch so wütend, dunkel und deprimiert. Ich konnte es mir danach knapp zehn Jahre nicht anhören! Erst als wir letztes Jahr in Griechenland gespielt haben, machte jemand die CD im Tourbus an. Ich bekam sofort Tränen in den Augen! Alle Gefühle kamen wieder hoch aus der Zeit, als dieser John Mortimer noch ein ganz anderer Mensch war. Aber es kam auch Bewunderung dafür auf, wie kreativ dieser andere John Mortimer zu dieser Zeit war, als er innerlich so verstört war. Ich bin heute ein ganz anderer Mensch.

Daniel: 2009 haben High Roller Records eine Compilation namens “Inside The Power Cage” veröffentlicht, die das komplette “The Nightcomers”-Album sowie die ersten drei Holocaust-EPs “Heavy Metal Mania”, “Smokin´ Valves” und “Coming Through” enthielten. War das eine offizielle Veröffentlichung mit Eurer Genehmigung? Zu der Zeit war es lange ruhig um die Band. Man hatte ewig nichts mehr von Euch gehört…

John: Ich weiß eigentlich nicht allzu viel darüber, weil ich das Konzept der Band Holocaust bis Ende 2011 komplett von mir gewiesen habe…

Daniel: Jetzt schreiben wir schon das Jahr 2013 und das letzte Studioalbum “Primal” hat jetzt genau zehn Jahre auf dem Buckel. Was habt Ihr in der Zwischenzeit gemacht? Warum hat es so lange gedauert? Hattet Ihr Euch zwischenzeitlich aufgelöst? Oder war die Band immer aktiv?

John: Nach “Primal” war klar, dass niemand von uns mehr Interesse an der Band hatte (nicht einmal die Plattenfirma Edgy Records). Ich wollte endlich alles beenden. Ich wollte von Holocaust und Musik im Allgemeinen nichts mehr wissen. Ich fand jedoch ziemlich schnell heraus, dass ich nicht einfach aufhören konnte, mich musikalisch auszuleben. Ich begann, mit Scott Wallace und Mark McGrath, die heute auch bei Holocaust spielen, neue Songs zu schreiben und aufzunehmen. Es sollte aber ursprünglich nicht unter dem Namen Holocaust laufen, sondern ein eigenes Musikprojekt werden. Von 2004 bis 2011 haben wir intensiv an einem gewaltigen Konzeptalbum gearbeitet und waren schon am Mix angelangt, als ich alles erstmal über Bord geworfen habe, um Holocaust wieder ins Leben zu rufen. Es ist aber ein tolles Album geworden. Einige Songs sind richtig heftig ausgefallen. Das Album wird irgendwann unter dem Bandnamen Remote Station erscheinen. Aber die Jungs haben mich gefragt, ob wir nicht Holocaust wiederbeleben sollten. Sie hatten schon häufiger mal angesprochen, aber ich habe ihnen immer wieder gesagt, dass die Songs des Konzeptalbums zu viele Gitarrenspuren enthalten, um es live vernünftig rüberzubringen. Denn Holocaust sind definitiv eine Liveband! Ende 2011 haben Scott und Mark mich dann noch einmal gefragt, weil sie unbedingt mit Holocaust live spielen wollten. Das war für mich etwas anderes und ich verspürte auf einmal wieder genügend Enthusiasmus für die Band. Der Grund, warum das für mich einen Unterschied ausmachte, war, dass sich mein Leben im Mai 2011 gravierend veränderte. Das hat etwas mit Lady Gaga zu tun, ob Du es glaubst oder nicht! Die neuen Holocaust-Songs entstanden aus einer Explosion von Enthusiasmus heraus. Der erste neue Song war „Expander“. Der brachte den Stein ins Rollen.

Daniel: Stimmt es eigentlich, dass Du mittlerweile in den USA lebst?

John: Nein, ich lebe immer noch in Schottland. Aber Ron Levine und Bryan Bartley, die auf dem “Primal”-Album gespielt haben, sind Amerikaner und ich war zu der Zeit einige Wochen bei ihnen drüben.

Daniel: Wenn Du heute in die Vergangenheit zurückblickst, gab es dann ein Album, dass Du im Nachhinein lieber anders oder überhaupt nicht veröffentlicht hättest? Was meinst Du?

John: Ja, ich schätze “No Man’s Land”, aus den Gründen, die ich weiter oben bereits erwähnt habe.

Daniel: Warum gab es eigentlich bei Euch so viele Besetzungsprobleme? Lag das an der ständigen musikalischen Weiterentwicklung der Band? Ich meine, es gibt ja immerhin keine zwei gleich klingenden Holocaust-Alben, wenn Du verstehst, was ich meine…

John: Es hing alles wirklich nur davon ab, wen ich in der Band hatte. Heute ist der Zustand der Band stabil. Scott Wallace, Mark McGrath und ich werden bis zum bitteren Ende bei Holocaust sein.

Daniel: Ihr werdet im April auf dem Keep It True Festival in Deutschland spielen. Was können wir erwarten? Werdet Ihr nur alte oder auch ein paar neuere Songs spielen? Bitte lass es uns wissen!

John: Es wird ein Old School Set sein plus ein Song von “Primal” und ein oder zwei neue Songs.

Daniel: Ich könnte mir vorstellen, dass der Auftritt auf dem Keep It True legendär werden wird. Werdet Ihr die Show später veröffentlichen, vielleicht als CD/DVD-Set? Habt Ihr da irgendwas geplant?

John: Da stimme ich Dir zu. Es gibt zwar zur Zeit keine Pläne dafür, aber ich würde mich freuen, wenn das passieren würde!

Daniel: Wie sehen Eure Zukunftspläne mit Holocaust aus? Wird es 2013 endlich ein neues Studioalbum geben?

John: Wir werden sehr viel live unterwegs sein. Wir werden als Headliner auf dem Espectros Fest in Spanien und auf dem Brofest in Newcastle spielen. Dann sind wir noch auf dem Keep It True in Deutschland, dem R-Mine Fest in Belgien und dem British Steel in Fismes in Frankreich. Außerdem spielen wir noch in Paris und bei den Heavy Metal Maniacs in Holland. Und das sind nur die, die bis jetzt bestätigt sind. Es werden noch viele weitere Auftritte folgen. Das neue Album wird “Sweet Liberty” heißen und es wird im Frühling zusätzlich eine 3-Track-Promo-EP auf Vinyl in einer limitierten Sammlerbox geben. Diese drei Songs werden bald online sein und auf unserer Seite zum Download zur Verfügung stehen. Ich erwähnte ja bereits zuvor den Song „Expander“, der einer dieser drei neuen Songs sein wird. Das „Sweet Liberty“-Album wird es auf CD und Vinyl sowie als Download geben.

Daniel: OK, John! Die letzten Worte gehören Dir!

John: Ich habe schon immer Heavy Metal in meinem Blut gehabt. Aber nur jetzt kann ich ihn an Dich weitergeben! \m/

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Autor: Daniel Müller