ANNIHILATOR - NEVER, NEVERLAND

Label: | ROADRACER |
Jahr: | 1990 |
Running Time: | 44:03 |
Kategorie: |
Classics |
Da Coburn Pharr kürzlich von uns gegangen ist, bietet sich hier natürlich ein Classic Review an. Ich wollte eh irgendwann mal über dieses Album schreiben, weil es mein Favorit der Band ist (und nicht etwa der Vorgänger „Alice In Hell“, wie bei anscheinend allen anderen außer mir...). Warum ist das Zweitwerk besser? Weil der Sänger besser war, und weil die Band mehr Möglichkeiten hatte, ihr Potenzial zu entfalten. Natürlich liebe ich auch den Thrash-/Speed-Dampfhammer „Alice In Hell“! Ich durfte sogar im Jahr 2000 die Reunion-Tour mit Randy Rampage sehen und war begeistert. Aber „Never, Neverland“ zündete bei mir von Anfang an mehr. Der Thrash ist mehr dem Power Metal gewichen. Die Geschwindigkeit wurde gedrosselt. Alles ist grooviger und mehr auf den Punkt gespielt. Und der kraftvolle Gesang ist weitaus melodischer und variabler ausgefallen. Das bot sich auch an, denn schließlich hatte Neuzugang Coburn Pharr zwei Jahre zuvor das Omen-Album „Escape To Nowhere“ eingesungen. Dies ist heute unter Omen-Fans zwar eher unbeliebt, zeigte Jeff Waters aber wohl, was der neue Frontmann so alles drauf hat.
Die Symbiose ist jedenfalls perfekt! Ein Ausfall ist nicht zu vermelden. Hier ist schonungsloses Headbangen angesagt. Es gibt messerscharfe Riffs, viele Spielereien wie Soli und Breaks, die den Spielfluss jedoch keineswegs bremsen. Gitarre und Schlagzeug toben sich aus, ohne den Hörer zu überfordern. Über allem thront der raue, aber meist aggressionsfreie, melodische Gesang von Coburn Pharr, der perfekt zur dargebotenen Musik passt. Das kurze Akustik-Intro von „Sixes And Sevens“ bietet nur eine kurze Verschnaufpause. Von dem progressiven Break wird man sofort wieder geweckt. Die abgehackten Riffs danach schneiden ohne Ende und sind komplett Core-frei; eine Tatsache, die für mich eigentlich auch nur Annihilator schaffen. Dagegen kommt die Single „Stonewall“ mit den coolen Backing Shouts fast rockig rüber und erinnert mich ein wenig an Armored Saint. Aber auch hier wird im weiteren Verlauf wieder ordentlich gegroovt. Auch der epische Titeltrack beginnt zunächst mit cleanen Gitarren, punktet aber mit spannendem Songaufbau und progressiven Übergängen und steigert sich zu einer wahren US Metal-Hymne (obwohl Annihilator ja eigentlich Kanadier sind).
Hier zeigt Coburn Pharr, dass er sowohl gefühlvoll als auch energisch singen kann. Vom Aufbau her schlägt „Watch The Children Pray“ von Metal Church in eine ähnliche Kerbe. Bei „Imperiled Eyes“ und dem fast punkig wirkenden „Kraf Dinner“ wird das Tempo wieder angezogen. Mit „Phantasmagoria“ wühlt die Band sogar tief im eigenen Archiv und gräbt einen alten Demotrack von 1986 wieder aus. Dieser klingt mit dem neuen Sänger jedoch längst nicht so ruppig wie damals. Aber auch hier treten die Gangshouts Arsch. Zum Schluss gibt es mit „Reduced To Ash“ nochmal einen coolen Doublebass-Kracher, bevor der Hörer mit einem weiteren Demo-Klassiker von 1986, dieses Mal „I Am In Command“, entlassen wird. Spielerisch ist das gesamte Album auf allerhöchstem Niveau, jedoch ohne anzubiedern. Die Gesangsleistung ist für mich die beste, die Annihilator bis heute jemals hatten. Und auch die fette Produktion und das stimmungsvolle Artwork fügen sich nahtlos in die Symbiose ein. Sollte ewirklich jeder besitzen, der in irgendeiner Form auf Metal steht!
Tracklist:
Seite 1:
The Fun Palace (5:51)
Road To Ruin (3:42)
Sixes And Sevens (5:20)
Stonewall (4:50)
Never, Neverland (5:29)
Seite 2:
Imperiled Eyes (5:28)
Kraf Dinner (2:41)
Phantasmagoria (3:59)
Reduced To Ash (3:09)
I Am In Command (3:34)
Line-Up:
Coburn Pharr (R.I.P. 2025!) – Vocals
Jeff Waters – Guitars, Bass
Ray Hartmann - Drums
Note: 10 von 10 Punkten
Autor: Daniel Müller