Nur knapp vier Wochen nach dem Kreator-Konzert in Düsseldorf gibt es ein weiteres Highlight des deutschen Thrash Metals: Sodom spielen in Oberhausen das letzte Konzert, das ich in diesem Jahr besuche. Die Vorfreude ist groß, vor allem, weil die Setlist von Sodom die letzten Male immer sehr old school ausgefallen sind. Zudem gibt es mit den Schotten von Hellripper und Bonded, der Band um Ex-Sodom-Klampfer Bernemann Kost, ziemlich geilen Support. Nur die erste Band des Abends, TyranThrope, sagt mir nichts, ist jedoch die einzige Band heute Abend mit einem vernünftigen Bühnen-Sound. Aber dazu später mehr.
TyranThrope spielen eine coole Mischung aus Punk, Hardcore und Thrash Metal. Als Intro läuft „Change Of Ideas" vom 1989er Bad Religion-Album „No Control", welches mein Favorit der US Punks ist. Danach geht es los. Einer der beiden Gitaristen sitzt im Rollstuhl, „weil er sich auf einem Biohazard.Konzert die Knöchel gebasht hat", wie Sänger Klaus Schwerdt erzählt. Außerdem erzählt er zwischendurch, dass sowohl Frank Blackfire als auch Tom Angelripper Gastbeiträge auf ihrem Album geleistet haben. Man bekam den Slot also wohl über das viel zitierte Vitamin B. Mit einem Napalm Death-Shirt bekleidet und ein Cappy tragend, sieht Klaus eher wie ein Metalcore-Sänger aus. Aber er macht richtig gut Stimmung. Er rennt und springt, betont Beckenschläge mit Händen und Fäusten, macht viele Ansagen. Gefüht jeder Song hat eine Message. „Wir haben ungefähr fünfunddreißig Minuten Zeit. Das sind jetzt noch vierzehn Songs", kündigt er nach dem zweiten Song „Metropolis" an. Die Songs sind also – wie es sich für Punk und Hardcore gehört – schön kurz und prägant auf den Punkt gebracht. Hier wird fast ausschließlich der Dampfhammer ausgepackt. Taktwechsel gibt es nur wenige. Dafür sorgen aber ein paar schleppende, Slayer-ähnliche Riffs immer mal wieder für Aha-Effekte. Es gibt das Misfits-Cover „I Turned Into A Martian" und einen Song mit deutschem Text, „Der Marsch Der Rattenfänger", am Schluss, bevor es noch eine letzte Zugabe gibt und nach etwas mehr als einer halben Stunde Schluss ist. Ich bin jetzt schon platt, haha! So darf es gerne weitergehen!
Setlist: Venomous, Metropolis, Hollow Democracy, Moloch, As God Disbelieves, Theme Song, Catch 2022, Insidious Technology, Blackmailed, Deserter, Anger Amplified, Toxic Triviality, Brave New Slavery, I Turned Into A Martian (Misfits-Cover), Der Marsch Der Rattenfänger, Unfaltering
Eins gleich vorweg: Das klappt nur bedingt... Dass Bonded nach Bernemanns unrühmlichem Rausschmiss bei Sodom vor ein paar Jahren den heutigen Slot bekommen, überrascht nicht wenige. Vermutlich hat man sich Backstage bei ein paar Bier wieder versöhnt. Ich kenne beide Bonded-Alben, hatte die Band aber bislang noch nie gesehen. Aber auch sie haben heute richtig Bock, bangen, was das Zeug hält und sind viel in Bewegung. Ich persönlich finde es als alter Sodom- und Kreator-Fan schön, Bassist Christian „Speesy" Giesler und Gitarrist Bernd „Bernemann" Kost gemeinsam auf der Bühne abgehen zu sehen. Man merkt, dass diese beiden Recken immer mt Herzblut dabei sind. Es scheint ihnen auch gut zu tun, mit Bonded stressfreier touren zu können als mit ihren Ex-Bands. Richtig gut finde ich auch Frontmann Manuel Bigus, der hier in Oberhausen aufgewachsen ist und dementsprechend hochmotiviert ist. Sowohl seine Ansagen als auch sein Stageacting passen. Leider ist der Sound bei Bonded deutlich schlechter als bei TytanThrope. Ujnd leider wird der Sound mit jeder weiteren Band auch immer übler.
Setlist: Watch (While The World Burns), Godgiven, Je Suis Charlie, The Rattle & The Snake, Lilith (Queen Of Blood), Galaxy M87, Rest In Violence, Suit Murderer, Into The Blackness Of A Wartime Night
Hellripper, eigentlich ein Soloprojekt des Schotten James McBain, der sich für Auftritte Live-Musiket sucht, hatte ich letztes Jahr schon mal in Dortmund vor Jag Panzer gesehen. Ich fand das Gerumpel, das mich an Midnight erinnert, recht monoton und hörte sie mir da nur beiläufig an. Ein großer Fehler, wie ich heute merke! Denn was das Stageacting angeht, hätten sie eigentlich heute Headliner sein müssen. Ich habe auch den Eindruck, dass viele Leute heute auch hauptsächlich für sie gekommen sind. Ws hier in der nächsten Dreiviertelstunde abgeht, ist kaum in Worte zu fassen. Die vier Maniacs geben wirklich alles! Sie rennen, springen und headbangen, als gäbe es kein Morgen. So wild und ungestüm sie herumwirbeln, so wild und ungestüm ist auch ihre Musik. Nennenswerte Taktwechsel sind nicht zu vermerken. Hier wird praktisch nur im gehobenen Uptempo munter drauflos geknüppelt. Tight ist hier nicht alles – scheiß auf Metronom – aber das stört hier heute auch wirklich niemanden. Zu energiegeladen ist dieser Auftritt, der sich genauso auf das Publikum auswirkt und für viele Circlepits und Crowdsurfer sorgt. „Ich werde beim nächsten Song auch crowdsurfen und will am Ende am Merchandise-Stand ankommen. Mal sehen, ob es klappt", kündigt Frontmann James McBain an. Und tatsächlich klappt es, was für viel Beifall und Partystimmung sorgt. Ein grandioser Auftritt!
Setlist: All Hail The Goat, Demdike (In League With The Devil), Nekroslut, The Affair Of The Poisons, Fork-Tongued Messiah, Goat Vomit Nightmare, The Nuckelavee, Flesh Ripper, Headless Angels
Dass der Sound heute mies ist, merkt auch die Crew. Bevor Sodom loslegen, gibt es noch einen fast halbstündigen Soundcheck. Der Bass Roadie geht uns dabei gehörig auf den Keks. Daumen hoch hier, Daumen runter da, Zeigefinger auf diese Box, Zeigefinger auf jene Box, dann alle im Zusammenspiel, und es nimmt kein Ende. Ich frage mich, woher sie wissen wollen, wieviel jeder von der Band von seinen Kollegen hören will. Egal, irgendwann geht es doch endlich los, aber zu meinem Entsetzen hat es alles nichts genützt. Alles ist noch lauter. Das ist im Prinzip erstmal nicht schlimm. Aber es wird auch verwaschener und verhallter. Erst im Refrain erkenne ich den Opener „Shellfire Defense" am Text. Dabei bin ich ziemlich songsicher bei Sodom. Oft ist es auf Konzerten so, dass der Sound zunächst schlecht ist und sich nach zwei Songs oder so langsam bessert. Heute leider nicht. Man merkt, dass es der erste Auftritt der Tour ist und die Mechanismen noch nicht so laufen, wie sie sollen. Auch das Zusammenspiel ist – so wie ich es heute wahrnehme – nicht immer synchron. Das scheint auch die Band zu merken. „2024 war ein beschissenes Jahr für uns. Und jetzt müsst Ihr uns heute auch noch ertragen. Ich hoffe, Ihr lasst Euch Eure schlechte Laune von uns nicht auch noch verderben", sagt Tom Angelripper etwas augenzwinkernd, der auch nicht seinen besten Tag zu haben scheint. Die Ansagen übernimmt fast alle Gitarrist Frank Blackfire. Sein Feuerzeug funktioniert nicht bei dem Versuch, den Wachturm anzuzünden („Die Scheiße brennt no´ nimmer... Der scheiß ,Wachturm´!"), und auch vergisst er, Andy Brings anzusagen, bevor er für fünf „Tapping The Vein"-Songs auf die Bühne kommt. „Ihr habt´s gemerkt: Andy Brings!", sagt er, nachdem „Body Parts" gespielt ist. Verabschiedet wird er nach den fünf Songs im „Tapping The Vein"-Mittelteil auch nicht, und Andy verschwindet einfach wider.
Mit nur einer Gitarre ist der Sound zwar etwas besser, es treten jedoch laute Rückkopplungen auf. Das überflüssige „City Of God" nimmt etwas den Druck raus. Dafür graben Sodom überraschenderweise „Peacemaker´s Law" vom 1995er „Masquarade In Blood"-Album aus und widmen es ihrem 2011 verstorbenen Ex-Gitarristen Dirk „Strahli" Strahlmeier, der sich lediglich auf diesem Werk verewigen durfte. Nach den fünf Tracks von "Tapping The Vein" gibt es noch die Klassiker „Conqueror", „Remember The Fallen", „Ausgebombt" mit deutschem Text und „Bombenhagel" am Schluss. Das Gitarrensolo – ursprünglich die deutsche Nationalhymne – wird zwar auf der Gitarre heute etwas abgewandelt, hinter uns jedoch lauthals mitgesungen. Sachen gibt´s... Seltsamerweise lässt sich das Publikum heute den miesen Sound – übrigens bei keiner Band! - anmerken, und bei allen Bands ist viel Bewegung in der Meute. Nach anderthalb Stunden verlassen Sodom die Bühne, und das berühmte „Steigerlied" dient als Outro, als alle die Halle verlassen.
Setlist: Intro (An Eye For An Eye), Shellfire Defense, Get What You Deserve, Exhibition Bout, City Of God, Nuclear Winter, Agent Orange, Blasphemer, Peacemaker´s Law, Intro (Heartbeat with Keyboard Parts Of "Reincarnation"), Body Parts, Skinned Alive,One Step Over The Line, The Crippler, Wachturm, Conqueror, Remember The Fallen, Ausgebombt (Deutsche Version), Bombenhagel, Outro (Steigerlied)
Im Vorfeld hatten viele Leute gesagt, dass 50 € für ein Ticket und 30 € für ein Shirt „schon grenzwertig" sind. Ganz ehrlich: Hätte ich heute nicht auf der Gästelist gestanden, sondern den vollen Preis bezahlt, hätte ich mich ebenfalls schwarz geärgert. Schön ist, dass alle vier Bands aber richtig Bock hatten und viel in Bewegung waren. So redet hinter niemand mehr über den schlechten Klang vor der Bühne. Von Halle 1 ist man das hier schon eher gewöhnt, von Halle 2 bislang noch nicht. Hoffen wir mal, dass dies heute nur eine Ausnahme war und kein Dauerzustand wird, damit wir auch in Zukunft hier wieder viele tolle Konzerte genießen können! Dabke übrgiens einmal mehr an Jörg Schnebele vom Hellfire Zine für die Fotos!