Auf nach Köln zur fröhlichen Parkplatzsuche, nein im Ernst, das Helios 37 liegt in einem Umfeld mit der Live Musik Halle, dem Sonic Ballroom und anderen kleinen Clubs. Samstags ist somit eine Menge los und dank der um sich greifenden Gentrifizierung auch kein Parkhaus weit und breit. Nun gut, aber der Club öffnet pünktlich seine Pforten zur der mit zweihundertfünfzig Tickets ausverkauften Show. Ein Foto-Pit ist natürlich Fehlanzeige und vernünftiges Frontlicht auf die Akteure ebenso. Dafür wieder einmal die beliebte Beleuchtung in Rot, mit viel Nebel natürlich. In der Umbaupause bläst dann eiskalte Luft über einen abgewrackten Schlauch von der Decke ins Publikum. So mancher zieht frierend seine Jacke an, zumindest diejenigen, die sie nicht an der Garderobe abgegeben haben. Hier könnte mal so einiges renoviert und modernisiert werden. Dafür sind die anstehenden Besucher umso bunter. Wer die Kölner Christopher Street Day Parade schon mal besucht hat, weiß was ich meine.
Punkt halb acht geht es dann auch los mit dem Support Halflives,die ursprünglich aus Modena in Italien stammt, aber heute in der Hauptstadt Frankreichs, in Paris ihre Basis hat. Die Truppe hat schon mehrfach in Köln gespielt, aber bislang war es mir nicht gelungen einen der Auftritte wahrzunehmen. Das Trio, bestehend aus Linda Battilani, Gloria Simonini und Tour Bassist Marco Montipó, legt auch gleich los, da man nur eine halbe Stunde Spielzeit hat. Frischer Alternativ Rock mit viel Spielfreude vorgetragen und von den Fans begeistert gefeiert, lässt die Zeit verfliegen. Front Lady Linda ist sehr aktiv und die Interaktion mit dem Publikum klappt hervorragend. Weniger ist mehr und so sind auch außer einem Backdrop keine weiteren Dekorationselemente auf der Bühne zu sehen. Einfach nur Rockmusik, die ins Ohr geht und zum Mitwippen animiert. Und dann kommt auch schon der obligatorische Hinweis auf den Merchandise Stand im Vorraum und schon ist die Show vorbei. Schade, das hätte ruhig noch ein paar Songs so weiter gehen können.
Setlist: Everybody Knows It, Valkyrie, Vibe, Everything Sucks!, Snake, Rockstar Everyday, Dynamite, Victim
Nach kurzem Umbau des Schlagzeugsets, mehr ist auch kaum auf der Bühne, stürmen nun Delilah Bon und ihre Mitstreiter die Bühne. Wobei sich die Zahl der Musiker lediglich auf den Schlagzeuger und eine Bassistin limitiert. Dazu noch eine weitere Tänzerin. Delilah Bon ist das Pseudonym von Lauren Tate, die als Sängerin und Gitarristin der englischen Grunge Band Hands Off Gretel bekannt ist. Heute gibt es aber einen Elemente-Mix aus Hip-Hop, Nu-Metal und Riot Girl Rock, den sie liebevoll Brat Punk nennt. Textlich geht es in der Hauptsache um marginalisierte Gemeinschaften, insbesondere für Frauen, Nicht-Binäre und die LGBTQ+ Community und welche sexualisierte Gewalt und soziale Ungerechtigkeiten diese Klientel im Alltag erlebt. Vom ersten Takt an ist auch mächtig Bewegung auf der Bühne, außer dem Schlagzeuger, sind die drei Ladies ständig in Bewegung und es wird optisch einiges geboten. Da vieles gesampelt ist, kann Bassistin Ruena öfter mal das Instrument zur Seite legen und bei den akrobatischen Einlagen mit der Tänzerin aktiv werden. Oder als Lolly verteilendes Girl in der rotweiß karierten Kittelschürze. Ebenfalls ein Einsatz in Polizei-Lack-Kleidchen, wo „Strafzettel“ an das Publikum verteilt werden steht im Programm. Dann öffen sich die Polizeijacken und darunter ist eine Vielzahl an Gummipenissen getackert. Es ist also ordentlich etwas los auf der kargen Bühne. Dann kommt auf einmal die Frage „Are You Strong Enough?“ und mit einem beherzten Satz springen die beiden Mädels ins Publikum und lassen sich tragen. Natürlich weiter Bass spielend, während die andere mit einer Seifenblasenpistole bewaffnet ist und die bunten Blubberbläschen in die Halle schießt. Später in der Show spielt man dann plötzlich mit einem riesigen, aufblasbaren Penis, der dann irgendwann ins Publikum fliegt und nach der Show von der neuen Besitzerin mitgenommen wird. Es gibt reichlich fürs Auge und die Menge tobt regelrecht. Etwas beklemmend finde ich persönlich, als bei dem Stück „Death Man Don’t Rape“ eine Stimmung entsteht, die ich am ehesten mit Tonaufnahmen aus dem Reichsparteitag vergleichen würde. Extrem lautes und frenetisches Kreischen des Refrains, der wie in Hypnose die Meute aufpeitsche. Aber gut, das ist die Message, die sie unters Volk bringen möchte. Aber man sollte sich seiner Verantwortung schon bewusst sein. Jeder dürfte mitbekommen haben, wie das Aufstacheln von Massen enden kann.
Ansonsten läuft der Familienbetrieb Tate auf Hochtouren. Mutter Helen-Louise und Schwester Olivia filmen die ganze Show mit und sind auch für den Merchandise zuständig. So geht die energiegeladene Show weiter und die Fans feiern ihr Idol. Sprüche wie „Ich will die Sängerin heiraten“, aus dem Mund von vielen anderen Ladies im Publikum dringen in mein Ohr. Okay, jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden, hat schon Friederich der Zweite gesagt und in Köln ist das sowieso kein Thema.
Nach guten neunzig Minuten, inklusive zwei Zugaben, ist der Auftritt dann auch vorbei und die Menge wird in den kalten Abend entlassen. Am Merchandise Stand warten etliche Fans vergeblich, aber anscheinend hat Lady Delilah keine Lust auf zu viel Fan Nähe.
Setlist: Grown Ass Men!, Harry Dick/Brat, I Don’t Listen To You, Chiquitta, Bad Attitude, I Am The Best, Drop Dead Delilah, Finally See Me, Volatile, Freak Alert, My Girlz, The Internet, Epsteik, War On Women, I Wish A Bitch Would, Dead Men Don’t Rape, Evil Hate Filled Female, Maverick