Es ist mal wieder Zeit für ein Konzert im Lükaz. Heute fühlt es sich wie eine Rock Hard Festival Warm Up-Show an vom Zeitpunkt her, obwohl diese ja in diesem Jahr leider ausfällt. Aber Konzerte gelingen hier eigentlich immer. Und obwohl es wieder ein paar „Gegenveranstaltungen" gibt (Marduk spielen zum Beispiel heute Abend in Oberhausen), ist die Hütte mit knapp dreihundert Mann wieder gut gefüllt. Als besonderen Anreiz hat man sich heute eine Happy Hour direkt nach Einlass augedacht, bei der man zwei gleiche Getränke zum Preis von einem ordern kann. Dies wird auch freudig von den anwesenden Besuchern genutzt. Pünktlich um 19 Uhr geht es dann los. Vielen Dank an Kristina Rosenfeld und Carsten Freitag für die Bilder!
Haustontechniker Oliver Kohlmann ist heute nicht vor Ort. Das merkt man leider auch. Grave Intentions aus Datteln und Waltrop sind so leise abgemischt, das es einem nicht einmal wie Zimmerlautstärke vorkommt. Zudem ist der Gesang von Frontfrau Jana Gödeke in der ersten Hälfte des dreiviertelstündigen Sets noch weniger zu hören. Dies bessert sich jedoch im weiteren Verlauf. Die Melodic Death-/Thrash Metal-Band hat dennoch Bock heute Abend! Das liegt vor allem daran, dass die Halle schon jetzt ziemlich gut gefüllt ist und die Band auch trotz des Sounds positiv empfangen wird. Grave Intentions freut das, und so legen sie sich richtig ins Zeug. Zusammenspiel und Posing stimmen, und was man hört, klingt auch gut. Der zeitgemäße Melodic Death Metal mit Thrash-Anleihen und aggressivem Frauengesang erinnert mich etwas an Hiraes. Mit ihren schon fast schüchternen Ansagen („Das sieht schon ziemlich gut aus, aber hier vorne könnten ruhig noch mehr Leute stehen.") sorgt erntet Jana zusätzliche Sympathiepunkte. „Wir kommen nun zum letzten Song. Wenn Ihr also bei der ersten Band ausrasten wollt, dann jetzt!", heizt Jana das Publikum noch einmal ein. Eine Zugabe gibt es danach aber dennoch.
Ich habe schon häufig gehört, dass Fotografen sich bei Konzerten über rotes Bühnenlicht aufregen. Seit heute weiß ich auch warum. Sowohl meine als auch viele Fotos anderer Leute, die hier welche von Crypts gemacht haben, sehen sehr schwammig aus. Schwammig ist auch der Sound bei der Münsteraner Death Metal-Band heute Abend. Ich kenne ihre gut produzierte neue EP „Necropolis", störe mich am Sound aber heute nicht, weil die Musik dadurch tatsächlich atmosphärischer und böser klingt. Es passt zur Bühnendekoration mit dem Friedhofszaun und den aufgespießten Totenschädeln. Immerhin sind sie etwas lauter abgemischt als die erste Band. Die Musik von Crypts ist oft schleppend und erinnert nicht selten an Bolt Thrower. Schnelle, ruppige Passagen gibt es aber auch. Der rotzige, abgefuckte Gesang tendiert aber eher Richtung Autopsy und Unleashed. Ich find´s geil! Hier wird munter im coolen Neunziger Jahre-Stil drauflos gepoltert. Die Band klingt auch wie eine Band aus dieser Zeit und nicht wie eine Retro-Band von Jungspunden. Das sind sie auch nicht. Auch Crypts haben richtig Bock und legen einen energiegeladenen Gig hin, und auch für sie gibt es nach fünfundvierzig Minuten verdiente Standing Ovations.
Schleppende Bands scheinen leichter abzumischen zu sein als schnelle Knüppel-Bands. Dies fällt direkt bei den ersten Klängen der nächsten Band auf. Besvärjelsen trudeln verspätet im Lükaz ein, wodurch es zu der ersten Verzögerung an diesem Abend kommt. Live entschädigen sie das Publikum aber. Die Schweden um Djefvul-Sängerin Lea Amling Alazam spielen psychedelischen Stoner-/Doom Metal mit Black Sabbath-mäßigen, trägen Lavariffs und ganz viel Siebziger Jahre-Hippie-Flair. Trotz des schwedischen Bandnamens, den ich mir übrigens immer noch nicht merken kann, haben sie aber englische Texte. Der Sound ist jetzt warm und druckvoll. Auch wenn die Band optisch keine Einheit bildet (Bassist Johan Rockner trägt eine Wollmütze und eine Sonnenbrille, Sängerin Lea sieht - tättowiert und mit einer Lederweste bekleidet - eher aus wie eine Bikerin), geht der lässige Flow der Band sofort auf das Publikum über. Die Musik lullt die Hörer ein und wirkt fast hypnotisch. Die Band ist in Schwung und hat richtig Spaß vor so vielen Leuten. „This is our last song, but definitely not my last beer tonight", sagt Lea den letzten Song an, bevor die Schweden ihren fast einstündigen Set beenden.
Die Verzögerung baut sich weiter aus. Die ebenfalls aus Schweden stammenden Sorcerer betreten erst kurz vor 23 Uhr die Bühne und verlassen sie erst gegen 0:30 Uhr, also eine halbe Stunde, nachdem offiziell Schluss sein sollte. Das stört heute Abend aber niemanden. Ganz im Gegenteil: Lünen ist in Feierlaune. Ich hatte Sorcerer 2022 auf dem Rock Hard Festival um 16 Uhr nachmittags gesehen. So ein Club Gig zu später Stunde macht da aber schon mehr Bock! Die Band scheint das auch so zu sehen und legt sich richtig ins Zeug. Wer denkt, das Doom Metal live träge, langweilig und monoton ist, muss sich schnell eines Besseren belehren lassen. Ihre Musik erinnert mich an ihre Landsleute von Candlemass und Memory Garden. Ihre Herkunft lässt sich nicht leugnen. Allerdings muss man dazu sagen, dass all diese Bands auch ähnlich alt sind. Die Band versteht es glänzend, von zähflüssigen Riffs zu richtigen Headbangern zu wechseln. Und hier ist ständig Bewegung drin. Vor allem Bassist Justin Biggs bleibt praktisch nie auf der Stelle stehen und sorgt für Stimmung. Hauptaugenmerk gilt jedoch Sänger Anders Engberg, der in der Mitte des Sets als „the only surviving founding member of the band" vorgestellt wird, und ein richtig guter Frontmann ist. Von Ansagen über alte Demokassetten, die sie selbst überspielen und sich dabei anhören mussten bis hin zum Animieren des Publikums ist alles dabei. Dabei ist er sehr gut bei Stimme und trifft sogar US Metal-mäßig hohe Töne zwischendurch. Beeindruckend! Aber auch die Fans grölen die hymnischen Refrains mit. Hier ist heute richtig viel los. Höhepunkt ist für mich das vom 2020er Album „Lamenting Of The Innocent" stammende „The Hammer Of Witches" mit den geilen „Burn! Witch! Burn!"-Chören. Da gröle sogar ich angetrunken voller Inbrunst mit, haha! „Ja, ich weiß, es ist schon spät, aber ein paar Songs haben wir noch", kündigt kündigt Anders Engbert an, bevor man nach zwei Zugaben, unter anderem der Bandhymne „The Sorcerer" am Schluss, und völlig im Arsch in die Nacht entlassen wird.
Setlist: Morning Star, Siens, Unveiling Blasphemy, Abandoned By The Gods, Curse Of Medusa, Crimson Cross, Reign Of The Reaper, The Dark Tower Of The Sorcerer, Ship Of Doom, The Hammer Of Witches, Lamenting Of The Innocent, The Sorcerer