Es war Samstagabend und für eine Band wie Cobra Spell nimmt man gerne die knapp hundertzwanzig Kilometer nach Siegen auf sich. Kaum von der A4 Richtung Siegen auf die A45 abgebogen, setzte schlagartig und zunehmend Schneeregen ein, der sich bis zum Ziel zu richtigen Flocken gemausert hatte. Also das richtige Sauwetter für heiße Rockmusik. Unter dem Motto "Siegener Metal-Geballer" hatten sich Cobra Spell, Snakebite & Pussy Sister angekündigt. Wobei Metal-Geballer etwas übertrieben ist, denn alle drei Bands sind eher im Hardrock-Bereich einzuordnen.
Snakebite fielen krankheitsbedingt aus und so spielten Pussy Sister ein paar Titel mehr als geplant. Die fröhlichen Poser Rocker hatte ich vor gut fünfzehn Jahren mal im Vorprogramm von D.A.D. gesehen. Der Achtziger-Rock geht gut nach vorne los. Die vierköpfige Badener Band um Frontman Alex „Sex“ Nad zeigte sich spielfreudig und stieg mit "Hold Us Down" voll sein. Weiter heizten sie dem Publikum mit Songs wie "Friday Night", "No Way Out" und "Monster" gehörig ein. Für eine Support- Band war das Programm, bedingt durch den Wegfall von Snakebite, mit vierzehn Stücken inkusive Zugabe recht reichhaltig. Die Fans zeigten sich sichtlich begeistert und so konnte der Gig auf jeden Fall auf der Habenseite für den Vierer gebucht werden.
Doch der Großteil der Anwesenden war wegen Cobra Spell gekommen. Bandleaderin und Leadgitarristin Sonia Anubis hatte die Band nach ihrem Ausstieg bei den Burning Witches 2019 zunächst als gemischte Band gegründet, aber dann 2023 den Schritt zur All-Girl Band vollzogen. Sie ist im Übrigen auch das einzig verbliebene Gründungsmitglied. Auffällig für eine Band mit einem doch schon gehobenen Status war, dass sie noch während des Umbaus, bereits voll gestylt, auf der Bühne diverse Roadie-Jobs selbst erledigten. Aber dann gings schließlich nach einem Intro los. Das heißt, es sollte losgehen. Jedoch ging das nicht, weil Sonias Gitarrensound von einem dermaßen penetranten, schrillen Nebengeräusch unterlegt war, dass schon kurz nach den ersten Takten wieder abgebrochen und versucht wurde den Fehler zu finden. Leider waren die anwesenden Techniker (zwei am Mischpult und einer am Bühnenrand als Monitormixer) nicht dazu in der Lage der Sache Herr zu werden. Ich möchte jetzt hier keinem die Schuld zuweisen. Dazu fehlen mir die Informationen. Die Formation konnte nichts dafür und der Gig war für die eigentliche Perfektionistin Sonia Anubis der reinste Horror. Da ich selbst als Gitarrist in zwei Bands spiele, konnte ich mich sehr gut in ihre Lage versetzen. Wie dem auch sei, falls es einen Schuldigen für die Misere gibt, gehört der beim nächsten Mal eher hinten den Bierstand. Das Nebengeräusch bekam man erst halbwegs in den Griff nachdem bereits zweidrittel des Gigs vorüber war. Aber Cobra Spell sind Profis und so ließen sie ihre Spielfreude und ihre Power davon nicht beeinträchtigen. Sonia Anubis ist eine absolute Ausnahme-Gitarristin. Bei ihr treffen Technik, Gefühl und Virtuosität aufeinander. Irre anzusehen wie ihre extrem dünnen langen Finger nur so über das Griffbrett fliegen. Das Set angefangen mit "The Devil Inside Of Me" war geprägt von positiven Vibes und geballter Power. Kristina Vega (Born In Exile) ist eine Sängerin die im Rockbereich schlicht konkurrenzlos ist. Dass klingt übertrieben, aber wer die Frau mal live gehört hat. muss eingestehen, dass ihr selbst Sängerinnen noch größerer und bekannterer Acts das Wasser nicht reichen können. Unglaublich mit welcher Energie diese Frau dazu auch noch performt. Etwas drollig, aber auch versiert, sei Drummerin Hale Naphta (Searching Out Solutions) zu erwähnen, die ihr Kit präzise aber lässig bedient. Zeitweise spielte die Dame sogar im Stehen. Auffällig war auch, dass sie die meisten Backing-Vocals über ihr Headset sang. Wer etwas weiter recherchiert, kommt dahinter, dass Hale nicht nur Drummerin sondern auch selbst Sängerin in einer Band ist. Die quirlige Noelle Dos Anjos (Nungara) ist eher für den Rhythmusgitarrenteil zuständig und hat stets ein Lächeln aufsitzen. Früher war sie als Leadgitarristin in einer Metallica-Coverband zugange. Bassistin Roxana Herrera (Endernity), mit ultralanger Haarpracht, spielt souverän und legt einen kernigen Tiefton-Teppich. Das Set besteht fast aus allen Songs der aktuellen Scheibe 666 und der davon erschienenen EPs. Für mich waren die absoluten Highlights der Smasher "S.E.X.“, "Love Crime" und ganz besonders "Love=Love". Letzterer leider ohne das Saxophon-Solo von der Platte, aber trotzdem super gespielt. Die Musik von Cobra Spell ist für Melodic-Rock Fans der Achtziger eine Offenbarung. Nach "High On Love" war das Set offiziell zu Ende. Die Mädels ließen sich gar nicht erst lange bitten, sondern schlossen diesen Wahnsinns-Auftritt mit "Addicted To The Night" amtlich ab. Anschließend war die komplette Band noch am Merchandising Stand anzutreffen. Fazit; Diese Frauen haben den Heavyrock definitiv für sich gepachtet. Sonia Anubis hat mit der Gründung und dem Ausbau der Band alles richtig gemacht. Mich hatte die erste komplette Scheibe "666" im letzten Jahr schon umgehauen, aber live ist es noch mal eine Schippe besser. Trotz Sonias Pech rund um die Technik-Probleme war es ein fantastischer Auftritt. Beim nächsten Mal auf jeden Fall wieder!