METAL CITY FESTIVAL XVII

Lünen, Lükaz, 26.10.2012

HALLOWEEN, CUSTARD, STORMRIDER, FAIRYTALE

HALLOWEEN flyer LIVE 2012Schön kalt ist es geworden, sich langsam dem Gefrierpunkt nähernd schien es mit den wärmeren Temperaturen in Mitteleuropa jetzt doch vorbei zu sein. Das galt ab heute auch für das Wetter an der Lippe. Schon draussen am Eingang begrüsste mich Türmann und Aushilfsroadie Börni in fettem Winteroutfit, dass ein Schneeschieber in seiner Hand nicht aufgefallen wäre. Eines der sympathischsten Einlassrituale bei metallischen Veranstaltungen erwartet den Besucher hier im Lükaz zu Lünen, wo statt formalem Abtastgefummel und bierernsten Kartenkontrollen auch der Austausch von ein paar doofen Sprüchen zum berechtigten Einlass führen kann. Vorausgesetzt, man kam an Matze vorbei, der streng aber gerecht über Gästeliste und den Tickets residierte. Über den Preis von 12 Euronen an der Abendkasse gab es auch nix zu meckern. Für alle, die nicht ganz sicher mitgezählt haben, war es tatsächlich, wie auf den Flyern angekündigt, das siebzehnte Metal City Festival in Lünen. Und Ernsting und Konsorten konnten bekannte Gäste einladen. Zumindest vom Namen her bekannt waren den meisten Besuchern die vier Namen auf dem Billing, traten einige doch heute hier nicht zum ersten Mal auf. Die Metal City Gemeinde, heute wieder zahlreich angereist, versetzte das Lükaz schon sehr früh in einen gefüllten Zustand.

 

FAIRYTALE git LIVE 2012Die Kamener Kultmetaller Wytchscythe um Drummer Daniel Müller konnten die Fertigstellung ihres Debütalbums bis zum heutigen Tage nicht in trockene Tücher bringen, daher müssen die Fans noch mit ihrem Demo „Satanyk Heavy Metal“ Vorlieb nehmen, und der ersten Band des Abends, nämlich Fairytale aus Recklinghausen, die für die Kamener eingesprungen ist. Die Poserwelle machte auch vorm Lükaz nicht halt, kamen doch vor dem Eröffner die Poser von Poison aus den Boxen. Da konnte das Keyboardintro der fünf aus Recklinghausen die Audienz besser auf den folgenden Sound einstimmen. Zwar hatten sie selbst auch kein neues Album im Gepäck, konnten aber auf ihre noch aktuelle Scheibe „Rise Of The Twilight Lord“ zurück greifen, datiert diese doch aus 2011. Mit Sonnenbrille und kräftigen Vocals legte ihr Shouter los, wirkte aber zeitweise leicht schräg, doch seine anfängliche Nervosität war sicher nicht auf sein Shirt von Scanner zurück zu führen. Weiter ging es mit „Legend“ von ihrem 2011er Output, und „Battlestar Rising“ unter Triplehalsgepose, das riffmässig und solitechnisch alles konnte. Beide Gitarristen konnten auch Ansagen, und bewirken, dass die Audienz ihre Arme hoch bekam. Fairytale waren schlussendlich wesentlich besser als viele Vorbands, auch wenn sie „Witchng Hour“ und die zündende Hymne „Heavy Metal“ zum Ende ihrer 45 Minuten Spielzeit nicht mehr gespielt hätten.

 

STORMRIDER bass LIVE 2012Vorn im Foyer, wo die vermummten Eisheiligen die Türrahmen krumm standen, wehte ein eiskalter Wind. Und das lag sicher nicht an strengen Einlasskontrollen. Aber etwas gegen Frischluft hatte auch der stetig tourende Buchautor Christian Krumm nicht, der hier in den Umbaupausen aus seinem Buch „Kumpels In Kutten“ vorlas. Die bequemen Sofas, die zuletzt noch in der Halle seitlich der Bühne standen, wurden nun wieder hier platziert, und wurde von Zuhörern genutzt, den nicht ganz uninteressanten Ausführungen des Uni-Absolventen zu Lauschen. Als nächstes kamen die Herner Stormrider auf die Bretter, um mit dem gut gefüllten Lükaz den Release ihrer neuen CD „The Path Of Salvation“ zu feiern. Die Metaller waren heute an der Shirtfront auch ganz weit vorne. Da las man Namen von Pharaoh, Braindrill und Symphony X, allesamt Amicombos. Nicht weit her, denn der Sound der Herner gefällt auch so einigen Liebhabern des Amimetals, und diese Richtung hat auch ihr brandneues Album eingeschlagen. Eine muntere Show wurde gebracht, die alles andere als statisch beschrieben werden musste. Der Flitzefinger am Bass mit den sechs Saiten war ständig in Bewegung. Wenn man versuchte, ihn auf Foto zu bannen, fiel das besonders auf. Shouter Stefan Hebes sagte dann den Titeltrack ihres Albums an, dem der Abend gewidmet war. „Path Of Salvation“ wurde gezockt, und er zog seine Lederjacke aus. Sein weisses Shirt mit dem Schattenabdruck von Bud Spencer darunter kam ja so uncool nicht. Doch als der Sänger mit den epischen Gesangsparts zu „Castle Walls“ seine Streitaxt hoch hielt, die am Schluss noch einige Mal zum Einsatz kam, hätte er in metallischerem Outfit besser gewirkt, als mit dem lustigen Italo-Filmstar auf der Brust. Da war der beaxte Wächter Schlapf aus den alten Knax-Heften ähnlich authentisch. Zu „Walls Of Fire“ wurde die Axt erstmal gegen eine Bierflasche getauscht. Gut so. Zum alten Track „Vengeance“ fiel dann auf, dass weiter hinten in der Halle die Vocals lauter kamen, und die Gitarren leiser, wo es vorn an der Bühne anders herum war. Die Stimmung litt darunter nicht, denn Stormrider zockten sogar noch eine Zugabe, bevor sie nach fast 50 Minuten ihren Set beendeten.

 

CUSTARD vox LIVE 2012Danach verschafften sich wieder Gesellen aus Herne Gehör. Und wieder sollte es eine Releaseparty werden. Ihr taufrisches Album „Infested By Anger“ wurde in Lünen vorgestellt; über diesen Umstand waren sie publikumstechnisch sehr froh, denn die Jungs und das Mädel von Custard befanden sich nicht weit ihrer Heimat. Ein Mädel bei Custard? Ja klar, denn Gitarristin Anna Olejniczak ist der letzte Neuzugang der Ruhrpottformation. Gar nicht so neu waren die epischen Ausmasse der Ansagen von Oliver Strasser (Foto), die niemals sehr kurz oder prägnant ausfielen, jedoch den Bezug zum Song herstellten. Wenn es um antike Krieger ging, wurde das Publikum gefragt, ob der spartanische Kampfschrei geläufig war. Einen weiteren Anlass zum Feiern gab das Jubiläum, denn Custard gibt es nun schon 25 Jahre. Dazu wurde dann die Verleihung eines eingerahmten Plakates vollzogen, was noch einige gestellte Fotos auf der Bühne während des Sets nach sich zog. Irgendwann ging es dann doch weiter mit Musik, als „Charons Call“ vom 2000er Album “For My King” angesagt wurde, und Oliver mit einer Flasche an den Bühnenrand trat, und fragte, ob ihm jemand das Bier aufmachen könne. Gepunktet wurde aber eher mit Doppelsoli oder dem balladesken Anfang von „The Dragonslayer“. Da waren die geschlechtlich getrennten Chöre mit dem Publikum, wo zuerst die Frauen ein ‘Burn Burn Witches’ anstimmen sollten, für das Protokoll. Mit reichlich Protagonisten on Stage wurde die Stagetime im Finale noch einmal gedehnt, was die Veranstaltungsleitung wohl wegen der vielen Anlässe ihrer Feierlichkeiten gerne zugelassen hatte.

 

HALLOWEEN git LIVE 2012Wenn das mal nicht die Horrormetaller gruselte, danach weniger Spielzeit zu bekommen. Eigentlich hatten die ja auch was zu Feiern. Sie haben einen neuen Gitarristen, ein neues Album („Terrortory“) und 30jähriges Jubiläum. Na gut, Einunddreissigjähriges, das Album ist von Februar 2012 und der Neugitarrist nicht weiblich. Aber Halloween kurz vor Halloween ist doch eigentlich schon eine passende Angelegenheit. Und kein Name schreibt sich an zweiter Stelle mit ‚e’. Der Fünfer aus Detroit, der ganz damals noch unter dem Namen ‚Bitch’ agierte, legte aber los, als wäre die Unwelt in Ordnung. Shouter Brian Thomas, mit Gerippe auf seinem Shirt und toten Schädeln am Gürtel, groovrockte zwischen seinem Basser auf der einen, und der Gitarrenfraktion auf der anderen Seite. Ungewöhnliche Aufstellungen waren auch in Form von allerhand Firlefanz auf der Bühne zu Sehen. Das gab es grosse Leinwände, Kürbisse auf dem Drumpodest, Schrumpfköpfe am Schlagzeug, miteinander verkettete Kerzenständer, und anderes Equipment aus der Geisterbahn, das während der Show von Brian gerne mal malträtiert oder zerstört wurde. Und das war schon ihre abgespeckte Show, denn es fehlte im dafür zu kleinen Lükaz auch an einer hydraulischen Vorrichtung, einen Sarg empor steigen zu lassen. Wie bei allen Bands heute wurde viel Nebel auf die Bühne geschossen, der bei Halloween dadurch natürlich besonders passend wirkte. Dann wurde es Zeit, mal den neuen Mann an der Sechssaitigen vorzustellen: T.J. Richardson (Foto). Im folgenden Track „Nightmares“ konnte er auch gleich bemerkenswert frickelnd sein Können demonstrieren. Brian verschwand immer wieder hinter der Bühne, um sich umzuziehen. Song für Song kamen Shirts, Mäntel, Umhänge, Masken und andere Verkleidungen zum Einsatz. Ihre Show mit brummigem Sound kredenzte noch „Follow The Crypts” und „Trick Or Treat”, und fand nach gut siebzig Minuten ein Ende. Sehr geiler Abend, freuen wir uns also auf Ausgabe Nummer XVIII im Jahre MMXIII.



Autor: Joxe Schaefer - Pics: Joxe Schaefer