Vor einem Jahr gab es den Kick Off einer Tour mit unter anderem Moonspell, Insomnium und Borknagar unter dem Banner Ultima Ratio Fest, und diese begeisterte damals tausende Besucher mit düsterer Musik. Anno 2023 war nun Zeit für die zweite Auflage mit vier komplett anderen Bands, und für mich führte der Weg in den Schlachthof nach Wiesbaden. Die Halle dort ist mir wohl bekannt, hatte ich doch erst im Februar das Vergnügen dort Kreator, Lamb Of God und Municipal Waste zu sehen. Das bereits um 17:45 Uhr eingelassen wurde, schien niemanden wirklich an diesem Sonntag zu stören, denn schon früh tummelten sich viele Besucher in der Halle, um keinen Ton der auftretenden Bands zu verpassen. Ein Blick zum Merchandise verriet, dass auch hier schon einiges über den Ladentisch ging, trotz T-Shirt Preisen ab 30 €, was leider mittlerweile wohl leider zum Standard wird. (Den Vogel diesbezüglich schossen Paradise Lost mit einem Zip-Hoodie für 80 !! Euro ab.)
Um kurz vor 18:15 Uhr wurde es in der Halle dunkel und Österreichs Finest in Sachen atmosphärischem Post Black Metal - Harakiri for the Sky - eröffneten den Abend. Die hypnotische, sehr melancholische und trotzdem oft auch sehr melodische Musik der fünf Bandmitglieder erinnert mich in vielen Momenten an die Finnen von Insomnium, einem der Headliner des letztjährigen Ultima Ratio Fest Lediglich der düstere Black Metal-Gesang von Frontmann J. J. hat etwas kauziges, urtümliches, und ich würde ihn wegen der Attitüde der Vocals am ehesten mit Varg Vikernes vergleichen. Eine sehr düstere Farbauswahl beim Licht unterstrich die dunkle Atmosphäre, die die Band auf der Bühne, die übrigens sehr stilvoll mit vier Säulen und darauf prangenden orange-gelb leuchtenden Buchstaben H, F, T und S dekoriert war, heraufbeschwor. Dem Publikum gefiel es auf jeden Fall, und so sah man auch in den ersten Reihen viele Fans mit Harakiri For The Sky-Shirts, die die Musik der Österreicher feiern. Nach sechs überlangen Stücken und ohne Ansagen oder weiteren Kontakt zum Publikum wurde der Auftritt von Harakiri For The Sky um 19:10 Uhr mit viel Applaus beendet. Da hatte die Band die Messlatte des Abends früh sehr hoch gelegt. Überrascht war ich tatsächlich über die mit 55 Minuten sehr lange Spielzeit schon bei der ersten Band, aber es stellte sich im Laufe des Abends raus, dass dies tatsächlich die Grundspielzeit jeder Band dieses Abends sein wird. Ein spannendes Konzept, das man so nicht erwarten musste.
Nach einer wirklich kurzen Umbaupause von nur von 15 Minuten, die viele zur Getränkeaufnahme nutzten, starteten dann die Finnen von Omnium Gatherum in ihr Set. Die Melodic Death Metal-Band ist bereits seit 1996 aktiv, aber in Wiesbaden offensichtlich doch noch eher unbekannt, denn anfangs zeigt sich das Publikum der Band gegenüber eher zögerlich mit Applaus. Doch die sechs Musiker gaben auf der Bühne Vollgas und punkteten mit zugänglicherem Material als beim Opener. Tatsächlich hatten die Finnen auch Refrains, deutlich eingängigere Songstrukturen und Frontmann Jukka Pelkonen kommunizierte sogar mit den Zuschauern, was ihm einen Sympathie Bonus einbrachte. Musikalisch bekamen die Zuschauer keyboardlastigen, stark mit Doublebass untermalten, melodischen Death Metal mit leider oft ähnlichen Riffs geboten, der wie schon bei Harakiri For The Sky mit dunklen Farben der Lightshow untermalt wurde. Am Ende der 55 Minuten ihres laut Pelkonen "ersten Auftritts im Schlachthof" wartete dann guter Applaus auf die Jungs und für uns die Erkenntnis, dass man beide Opener in Wiesbaden besser in gedrehter Reihenfolge auf die Bühne geschickt hätte.
Die zweite Umbaupause wird umrahmt von keltischer Musik, was mich ein wenig an die Choräle in den Pausen vor den Ghost-Shows erinnerte und dies bedeutete, dass als nächstes die Iren von Primordial auf der Running Order stehen. Mit ihrem neuen Album "How It Ends" haben die fünf Musiker um Charakter-Kopf Alan Averill ein ganz heißes Eisen am Start und prompt begann man den Abend mit dem Titelstück dieses Albums, was die Menge begeistert feierte. "As Rome Burns" ist danach bereits das erste Highlight der Band, die einen druckvollen Headlinersound auf den Leib geschnitten bekommen hat. Bei "To Hell And The Hangman", dem vierten Stück des Sets, klatschte die Menge bereits intensiv mit und fraß Frontmann Averill schon aus der Hand. Ein Abend zum Genießen für alle Pagan Metal Anhänger dank einer bestens aufeinander eingespielten, höchst tighten Band. Da störte es auch niemand, dass im fünften Track "Pilgrimage To The World´s End" kurzzeitig das Mikro von Averill ausfiel, der lächelte das Ganze einfach weg und stimmte die nächste Zeile an. Nach dem Überhit "The Coffin Ships" beendeten die fünf Musiker mit "Empire Falls" einen sehr starkes Auftritt, der dem zugedachten Headlinerstatus mehr als gerecht wurde. Einzig "Where Greater Man Have Fallen" hätte ich mir noch gewünscht, aber das ist jetzt meckern auf hohem Niveau. Chapeau meine Herren, das hat Spaß gemacht.
Nach diesem Highlight warf ich die Frage auf, wie die Engländer von Paradise Lost diesen Auftritt toppen wollen, doch anstatt mir darauf zu antworten, starteten sie einfach mit "Enchantment" vom "Draconian Times" Album um 22:55 Uhr in ihr Set. Paradise Lost stehen offensichtlich mehr auf visuelle Primitivität, so wurde die vorher teilweise gut mit Deko vollgestellte Bühne komplett entschlackt und dazu wurde auch noch auf ein Backdrop verzichtet. Alles auf die Musik reduziert, könnte man sagen und diese Trostlosigkeit passte zur düsteren Atmosphäre der Briten, die auch auf allzu viel Bewegung im Frontbereich der Bühne verzichteten. Lediglich die beiden Gitarristen Gregor Mackintosh (mit coolem Dreadlock-Zopf) und Aeron Aedy waren in Action, während sich Sänger Nick Holmes eher von der schüchternen Art zeigte und nach seinen teilweise dünnen, fast verletzlichen Vocals gern im immer wieder auf die Bühne geblasenen Nebel verschwand. Das Set der Briten bestand aus lediglich zwei Songs vom aktuellen Album "Obsidian" ("Forsaken" und "Ghosts"), alle weiteren Songs waren Minimum neun ("No Hope In Sight") bis hin zu 31 Jahren ("As I Die") alt und wurden stärker je älter der Song war abgefeiert. Einen besonderen Platz im Set nimmt immer "Embers Fire" vom "Icon" Album, dass in diesem Jahr 30 Jahre alt wurde, ein. Der Song ist einer der Hits einer Zeit, als die Band ihre wohl kommerziell erfolgreichste Phase feierte. Ohne diesen Song ist ein Gig der Briten nur die Hälfte wert und an diesem Abend gab es eine besonders doomige, fast 20% langsamere Version des Songs geboten, die allerdings irgendwie das Gefühl vermittelte, dass aus den Jungs langsam alte Männer werden, was mich etwas melancholisch stimmte. Nach 55 Minuten Set gab die Band auf Drängen des Publikums mit "Say Just Words" und "Ghosts" noch knappe zehn Minuten Zugaben, dann war der Abend musikalisch zu Ende.
Verglichen mit der letztjährigen Tour war die Bandauswahl etwas runder und mehr aufeinander abgestimmt, doch für meinen Geschmack war die Vielfalt der ersten Ultima Ratio Fest Tour der Pluspunkt, den ich dieses Mal ein bisschen vermisst habe. Nichtsdestotrotz war es ein schöner Abend in einem mit geschätzt 500-600 Zuschauern sehr gut gefüllten Schlachthof, und gern soll es daher 2024 eine Fortsetzung des Tourkonzepts mit neuen Bands geben.