TOMBSTONED FEST OPEN AIR 2023

Dortmund, JunkYard, 08.07.2023

Tombstoned Open Air Flyer Vorwort - live - 2023Bei sonnigem Wetter findet das Tombstoned Fest Open Air im gut gefüllten Innenhof des JunkYard in Dortmund statt. Im Vorfeld hatten die Berliner Space Chaser bereits abgesagt und wurden durch Nocturnal aus Mainz ersetzt. Durch den Soundcheck kommt es während des Einlasses zunächst zu leichten Verzögerungen. Dennoch ist die Veranstaltung um Punkt 22 Uhr zu Ende. Es ist wie ein Klassentreffen. Man trifft viele bekannte Gesichter, es gibt viele Kaltgetränke zu fairen Preisen, die Stimmung ist bestens, und wirklich alle Bands haben einen fetten, druckvollen Sound.

Ancst - live - 2023Als erste Band betreten Ancst die Bühne. „Der erste Song ist gegen Bullen", begrüßt uns Sänger Tom Schmidt, der die Band eigentlich im Alleingang betreibt und sich eine Besetzung für Live-Auftritte gesucht hat. Ihre obskure Mischung aus Black Metal, Crust und Drone klingt eigenwillig, macht live aber Laune. Normalerweise ist solche Musik nicht gerade mein Ding, live macht es aber total Bock, weil es überraschend viele Blastbeats gibt. Die Band hat sichtlich Spaß auf der Bühne, und ein paar Nasen haben sich trotz Affenhitze dennoch schon in den ersten Reihen eingefunden und sich ausgetobt. Ein angenehmer Opener!

Harlott - live - 2023Als zweite Combo heute spielen Harlott, die aus Australien kommen und den weitesten Anreiseweg heute haben. Ich kenne die Band bisher nur vom Namen und bin gespannt, was da abgeht. Und live funktionieren sie richtig gut! Auch Harlott haben heute richtig Bock, hier zu spielen. Sie spielen Old School Thrash Metal amerikanischer Schule. Ich muss oft an Slayer im Midtempo denken, aber auch ganz frühe Metallica oder Exodus kommen mir in den Sinn. Die Musik ist jedenfalls schön Headbanger-tauglich, und das merkt man sowohl auf als auch vor der Bühne. Noch ein Lied?", fragt Gitarrist und Sänger Andrew Hudson auf Deutsch, bevor nach einer Zugabe und knapp vierzig Minuten Schluss ist. 

Nocturnal - live - 2023Danach sind Nocturnal an der Reihe, die erst kürzlich für Space Chaser eingesprungen waren. Ich hatte sie irgendwie als Destruction-Klon in Erinnerung. Ihre Musik erinnert mich heute aber eher an Desaster, Cruel Force oder Witchburner. Apropos Witchburner: Ihr Sänger Invoker singt seit 2016 bei Nocturnal und erinnert mich häufig an Martin van Drunen. Die Black-/Thrasher klingen schön räudig und rotzig und bieten eine coole Abwechslung an diesem Nachmittag. Dass alles etwas rumpelig daherkommt, stört mich nicht im geringsten. Ich finde es angenehm und vor allem authentisch. Auch sie haben richtig Bock und bangen, was das Zeug hält. Ein unterhaltsamer Auftritt, der Bock auf mehr macht!

Tribulation - live - 2023Dann die erste Ernüchterung des Tages! Von den Schweden Tribulation mag ich persönlich nur das Debüt „The Horror". Danach hatten sie sich stilistisch umorientiert, allerdings auch, was das Outfit der Musiker angeht. Geht es musikalisch immer mehr Richtung Gothic, betreten alle Musiker (außer Bassist und Sänger Johannes Andersson) mit Corpsepaint und Sonnenbrillen die Bühne. Das wirkt sehr skurril, und die düstere Gothic-Atmosphäre passt auch überhaupt nicht zum heißen Wetter heute. Direkt beim Opener fällt die  rechte Gitarre komplett aus. Dennoch ziehen Tribulation ihr Set durch, und ich muss gestehen, dass mir die neuen Songs live sehr viel besser gefallen als auf ihren Alben. Musikalisch und optisch wirken sie heute aber etwas wie ein Fremdkörper, bezogen auf das gesamte Line-Up. 

Grave - live - 2023Die nächste Band kommt ebenfalls aus Schweden. Grave kenne ich schon seit den Neunzigern. Das erste Mal live gesehen habe ich sie 2007 auf dem Party.San, wo sie sehr kurz und auch nur neue Sachen gespielt hatten. Leider ist der Gig auch heute sehr kurz. Dafür kann die Setlist aber (fast) alles! Die Schweden legen einen energiegeladenen Gig hin und grooven wie Sau. Hating Life" wird aus Liebe zu Century Media-Mitarbeiter Leif Jensen nicht gespielt (cooles Wortspiel, hehe!), dafür aber „In Love", welches ebenfalls vom Debüt stammt. Apropos Setlist: Die ist heute sehr Old School! Es gibt nur einen neueren Song („Annihilated God's" vom „Back From The Grave"-Album, 2002) und sonst nur Zeug von den ersten beiden Alben. Die kurze Spielzeit ist vermutlich der Grund dafür, dass die Veranstaltung trotz Verspätung trotzdem pünktlich zu Ende geht. Dafür bleiben heute aber kaum Wünsche offen. Lediglich „Soulless" hätten einige noch gerne gehört.

Setlist: Deformed, In Love, Eroded, Day Of Mourning, Morbid Way To Die, Extremely Rotten Flesh, Into The Grave, Annihilated Gods,  You'll Never See, Christ(ns)sanity 

Midnight - live - 2023Den Hype um die Black-/Speed Metaller Midnight werde ich wohl nie begreifen. Von keiner Band werden heute im Publikum mehr Shirts getragen, und auch vor der Bühne ist es auf einmal brechend voll. Die vermummten, in Patronengurte gepackten Amis legen aber gut los. Sie rennen hin und her, und es ist eine ganze Menge Bewegung drin. An sich von der Optik her total geil. Was aber auf Dauer echt nervt, ist die Musik. Manchmal erinnern sie mich an das Bathory-Debüt, mal an Venom in ganz stumpfsinnig, aber vor allem passiert in den Songs einfach nichts. Alles wird punkig runtergerotzt, alles klingt gleich, der hysterische Kreischgesang ist auf Dauer total monoton. Scheißegal, die Leute feiern es, und die Stimmung kommt auf den Siedepunkt. Nach einer geschlagenen Stunde ist dann Schluss, viele Leute gehen, und für den Headliner ist vor der Bühne auf einmal wieder richtig Platz!

Unleashed - live - 2023Und noch einmal Schweden: Unleashed betreten als letzte Band heute für siebzig Minuten die Bühne. Und mit To Asgaard We Fly" legen sie gleich mit einem unsterblichen Klassiker los. Sie haben bereits vierzehn Alben veröffentlicht, und - ähnlich wie bei Saxon - reichen einige Titelsongs, um den Großteil all ihrer Alben abzudecken (No Sign Of Life", Midvinterblot", Hammer Battalion", The Hunt For White Christ"). Die Band ist gut drauf, bangt synchron, und Bassist und Sänger Johnny Hedlund macht viele unterhaltsame Ansagen. Alles top also? Leider nicht, denn dadurch bleiben viele alte Klassiker auf der Strecke, und das, obwohl einige zwischen den Songs auch kurz angespielt werden. Wer will etwas Altes hören? Zehn Leute? Für zehn Leute machen wir das nicht. Dann kommt jetzt etwas anderes.", gibt Johnny dem Publikum zu wissen. Das ist nicht nur arrogant, sondern auch ziemlich frech, vor allem, wenn man bedenkt, dass ihre alten Alben bei Century Media rauskamen, die ihren Sitz hier in Dortmund haben! The One Insane" oder Victims Of War" hätten sicherlich alle noch Anwesenden gerne gehört. Der Auftritt an sich ist aber gut! Unleashed headbangen viel und machen ordentlich Druck. Original-Schlagzeuger Anders Schultz, der vor einem Jahr einen Motorradunfall gehabt hatte, ist immer noch nicht spielfähig und wird durch Jonas Tyskhagen gebührend ersetzt. Wenn man es nicht weiß, fällt es gar nicht auf. Ihm wird zudem der Song The Immortals" gewidmet. Johnny erzählt außerdem noch, dass der nächste Song „Midvinterblot", bei dem es um den für Schweden wichtigsten Tag des Jahres geht, gar nicht zum heutigen Wetter passt, und dass er in den Achtzigern mit Freunden in einen Plattenladen gegangen war und ein Corpse-Demo gekauft hatte. Wisst Ihr, welche Band daraus geworden ist? Da kommt auch unser Einfluss her.", und widmet diesen Song den Kollegen von Grave. Grave-Gitarrist Mika Lagrén kommt daraufhin auf die Bühne und überreicht ihm dafür ein langes Methorn, dass Johnny fast auf Ex leer macht. Zum Schluss wird das Publikum bei Death Metal Victory" noch zum Mitsingen aufgefordert, und als letzte Zugabe gibt es mit „Before The Creation Of Time" doch noch einen alten, ersehnten Klassiker vor den Latz geknallt. Insgesamt ein sehr guter Gig eines würdigen Headliners. 

Setlist: To Asgaard We Fly, The King Lost His Crown, The Longships Are Coming, No Sign Of Life, Midvinterblot, Hammer Battalion, Lead Us Into War, The Immortals, You Are The Warrior!, The Hunt For White Christ, Into Glory Ride, Death Metal Victory, Before The Creation Of Time 

 

 



Autor: Daniel Müller - Pics: Daniel Müller