Thorsten: Da Euch wahrscheinlich viele unserer Leser noch nicht kennen, stellt Euch doch erst einmal kurz vor! Woher kommt Ihr? Wie habt Ihr zusammengefunden etc.?
Dominik: Moin, das machen wir doch gerne! Vor mittlerweile mehr als einem Jahrzehnt im beschaulichen Hamburg haben Marcel (Gesang und damals auch noch Gitarre), Julian (Leadgitarre) und Jonas (Bass) begonnen, zusammen Musik zu machen. Die Qualität war erstmal zweitrangig. So dümpelte das Ganze mit wechselnden Drummern und anfangs noch drei Gitarren etwas vor sich hin. 2021 übernahm dann Silvano die Drums und 2022 stieß Fabian dazu, um Dummer von der Qual der Doppelrolle Gitarre und Gesang zu erlösen. Achso, Sille und Fabian sind aus kleinen Dörfern in Schleswig-Holstein, und kennengelernt haben wir uns in old school Rock´n‘ Roll-Manier über die Vorschule (Marcel, Julian, Jonas) und Instagram.
Thorsten: Wer sind Eure musikalischen Vorbilder?
Dominik: Für unsere Musik haben wir keine direkten Vorbilder bzw. nicht mehr. Anfangs war die Musik ja noch deutlich punkiger und schrammeliger, da gab es schon Vorbilder im Deutschpunk und Deutschrock. Der neue Sound hat sich einfach so entwickelt. Bestimmt auch beeinflusst von der überwiegend englischsprachigen Rock- und Metal-Musik, die wir selber hören, aber ohne benennbare Vorbilder.
Thorsten: Zwischen Eurem Debüt und „Stiller Held“ liegen ja nun doch einige Jahre. Warum hat es so lange gedauert, bis es - von einer EP einmal abgesehen - etwas Neues von Euch gibt?
Dominik: Das fragen wir uns auch… Diverse Gründe wie der Abschluss des Studiums, Jobeinstieg, längere Auslandsaufenthalte und Besetzungswechsel haben uns auf jeden Fall nicht gerade mega produktiv sein lassen. Wäre mit der richtigen Struktur aber bestimmt alles machbar gewesen - die hatten wir aber leider nicht. Jetzt haben wir zum Glück seit der EP „Kartenhaus“ 2021 mehr und mehr Struktur, sodass das nächste Album nicht so lange brauchen wird.
Thorsten: Zu Eurer neuen Scheibe: Bezieht sich der Titel „Stiller Held“ auf eine bestimmte Person und, wenn ja, auf wen?
Dominik: Es bezieht sich einerseits auf bestimmte Personen aus dem Umfeld jedes einzelnen von uns, die für uns Helden sind, auch wenn andere das möglicherweise nicht so sehen, aber vor allem auch die vielen Menschen, die mit ihrem wenig beachteten Einsatz dafür sorgen, dass es in unserer Gesellschaft so einigermaßen läuft. Unserer Wahrnehmung nach verbittern viele Menschen aufgrund schlechter Arbeits-/oder Lebensbedingungen und fehlender Anerkennung und sind zunehmend desillusioniert. Junge Menschen schreckt das ab, selbst Einsatz zu zeigen. Der Titel soll dieser Verbitterung entgegen wirken und motivieren, sich trotzdem einzubringen.
Thorsten: Auch der Titel „A&R (SCH)“ lässt natürlich die Frage aufkommen, ob es sich dabei um eine bestimmte Person oder eigene Erfahrungen handelt. Ist das so?
Dominik: Ja, hier geht es tatsächlich um eine konkrete Person, die wir an dieser Stelle aus juristischen Gründen lieber nicht nennen wollen. Mit „Arsch" ist die Person aber noch ganz gut weggekommen - bei „Hurensohn" wäre der Chorus leider sehr lang geworden, und das Wortspiel mit dem Beruf des A&R hätte nicht mehr funktioniert.
Thorsten: Ansonsten sind Eure Texte ja eher gesellschaftskritisch aufgestellt. Seht Ihr Euch als politische Band?
Dominik: Ja, auf jeden Fall. Die Motivationen bei den einzelnen Bandmitgliedern sind da aber durchaus unterschiedlich. Auch wie politisch wir sein wollen, war und ist immer Mal wieder ein Diskussionspunkt bei uns. Dem einen ist es wichtig, seine eigenen politischen Ansichten in die Musik mit einzubringen. Da könnte die Musik noch politischer werden. Der andere hätte lieber wenig Politik in der Musik, hat aber natürlich erkannt, dass es im Bereich deutschsprachiger Rockmusik leider viele rechte Vollidioten gibt, die mal eine Ansage brauchen. Diese Leute wollen wir alle nicht auf unseren Konzerten haben und auch keine Musik für sie machen. Denen vergeht bei unseren Texten dann hoffentlich die Lust auf uns. Bei Veranstaltungen mit Bands, bei denen diese klare Distanzierung nicht gegeben ist, sieht man, dass es Leute ankotzt, wenn wir Flagge zeigen. Das freut uns dann, da wir diesen Menschen keinen Raum geben wollen.
Thorsten: Wie ist Eure Arbeitsweise? Gibt es einen Kreativkopf in der Band, der die musikalische und textliche Richtung vorgibt, oder arbeitet Ihr die Songs gemeinsam aus?
Dominik: Mal so, mal so. Wir sind keine Band, die im Proberaum einfach was ausprobiert, und da entsteht dann ein Song draus - gab es beim Debüt „Startschuss“ 2016 durchaus, ist aber nichts mehr für uns. Wir alle sammeln Ideen für Riffs oder Texte, die wir dann beim Songwriting zusammen ausarbeiten. Das Endresultat kann am Ende dann aber auch mal etwas komplett anderes sein als die Ursprungsidee. „Schrei“ und „Stimme“ sind zum Beispiel aus der gleichen Idee entstanden - obwohl die Songs ziemlich gegensätzlich sind. „Willkommen Im Untergang“ ist musikalisch zu 90 % wie die Grundidee - der Text und Thema aber, abgesehen vom Titel, was ganz anderes. Also einfach eine Songidee gut zu finden und dann wird das Ding auch so im Studio aufgenommen, gibt‘s nicht mehr bei uns.
Thorsten: Ich selbst bin vor einigen Jahren bei Eurem Auftritt auf dem Kärbholz Heimspiel Festival positiv auf Euch aufmerksam geworden. Daher stellt sich für mich natürlich die Frage: Wie ist es mit Live-Aktivitäten? Ist da irgendetwas geplant?
Dominik: Vielen Dank für die Blumen! Zunächst stehen unsere Release Shows am 08.06. in Hamburg und 09.06. in Berlin an. Am 10.06. sind wir dann beim Kärbholz-Heimspiel, und können da hoffentlich das eine oder andere kalte Getränk mit dir verspeisen. Dann spielen wir 12.08. bei Rock am Köterberg, am 19.08. beim Willkuer Heimspiel und am 01.09. beim Allgäu Rock. Im Frühjahr 2024 begleiten wir Willkuer bei ihrer „Keiner Von Euch“-Tour einmal durch die Republik.
Thorsten: Wie sehen Eure sonstigen Pläne für die nähere und weitere Zukunft aus?
Dominik: Viel live spielen - sieht so aus als würden wir das hinkriegen - und nach „Stiller Held“, das am 09.06.2023 erscheint, gerne möglichst zeitnah das nächste Album hinterher ballern.
Thorsten: Wie seht Ihr generell die Zukunft in der Musikindustrie? Physische Tonträger, Steaming, oder Downloads?
Dominik: Wir freuen uns natürlich, dass es noch Menschen gibt, die CDs kaufen. Wir selbst gehören aber nicht dazu. Wir selbst konsumieren Musik überwiegend per Streaming und wenn physisch, dann als Vinyl, und unsere Fans scheinen da sehr ähnlich zu ticken. Vinyl hat einen eigenen Sound, der eine andere Atmosphäre gibt, und Streaming ist quasi überall verfügbar und steht bei entsprechendem Datenvolumen in der Qualität einer CD nicht wirklich nach.
Thorsten: Auch die Konzertthematik ist ja zur Zeit ein großes Thema. Inwieweit seit Ihr von steigenden Preisen, Club-Schließungen oder sinkenden Besucherzahlen betroffen?
Dominik: Es betrifft uns insofern, als dass Clubs in einer guten Größe für uns geschlossen haben, unsere Kosten, um die Auftritte drumherum sehr stark gestiegen sind und wir das auf die Gage oder Ticketpreise drauf hauen müssen. Und da können viele Menschen nicht mitgehen, weil sie ja selbst steigende Lebenshaltungskosten haben. Ist sehr ärgerlich für uns; am Ende drauf zu zahlen, aber hoffentlich kein Dauerzustand.