BARCLAY JAMES HARVEST

Hagen, Stadthalle, 13.05.2023

Barclay James Harvest - Vorwort - live - 2023Zum Jahreswechsel gab John Lees den Abschied von den großen Bühnen und den langen Tourneen bekannt. Der mittlerweile 76-Jährige will aber weiterhin neue Musik schreiben und aufnehmen, heißt es. Seit 1998 existieren zwei Bands mit dem Namen Barclay James Harvest: Barclay James Harvest Featuring Les Holroyd, die ihren Schwerpunkt auf die spätere, eher poppige Phase der Band legen, und John Lees´ Barclay James Harvest, der hauptsächlich die frühen, progressiven Sachen aus den Siebzigern spielen. Die Trennung scheint also aufgrund musikalischer Differenzen passiert zu sein. Die Siebziger -Sachen von Barclay James Harvest mag ich auch viel lieber, und so wollte ich es mir nicht nehmen lassen, sie an einem Samstag in meiner Geburtsstadt Hagen live anzusehen, zumal ich die Band auch schon ewig mag und noch nie zuvor gesehen habe. Das erste und einzige Mal war ich 1998 in dieser Halle. Damals fand hier am 09.08. das Rock Hard Festival statt. Heute gibt es aber nur – genau wie neulich bei Jane, Epitaph und Fargo in Lünen – nur Sitzplätze. Ich werde alt, haha!

Barclay James Harvest - live1 - 2023Aber kommen wir zum Konzert! Es beginnt pünktlich um 20 Uhr. Eine Vorband gibt es nicht. Die Setlist von Barclay James Harvest ist wahrlich toll! Die Klassiker der 1970er Jahre werden gut abgedeckt. Den Anfang macht jedoch überraschenderweise mit „Fifties Child“ vom 1983er Album „Ring Of Changes“ der einzige Song aus den Achtzigern heute Abend. Gitarrist John Lees steht den gesamten Gig über recht hüftsteif da und hält sich eher bedeckt im Hintergrund, und Bassist Craig Fletcher übernimmt fast alle Ansagen, häufig auch auf Deutsch, und singt den meisten Teil. „Danke schön, dass Ihr heute hier seid und nicht zu Hause geblieben seid, um den Eurovision Song Contest zu gucken“, werden wir humorvoll begrüßt. Es folgt „Child Of The Universe“ von ihrem 1974er Album „Everone Is Everybody Else“, das von vielen als ihr bestes Album angesehen wird. Von diesem Meilenstein gibt es später noch „Crazy City“. „Poor Man´s Moody Blues“ stammt - genau wie die letzte Zugabe „Hymn“ - vom 1977 erschienenen Album „Gone To Earth“. Bei „She Said“ stellt Fletcher fest: „Das war vor 52 Jahren. Weißt Du noch, wie alt Du da warst, John?“. Darauf antwortete er nur, „Ich wünschte, ich wüsste es“ und sorgte für viel Gelächter im Publikum. Es folgen das von John Lees selbst gesungene „Galadriel“ vom zweiten Album „Once Again“ (1971) und „One Night“ von „Time Honoured Ghosts“ (1975). „Poor Man´s Moody Blues“ wird angeblich gerne in Griechenland auf Hochzeiten gespielt. „Wenn sie sich nach zwei Jahren scheiden lassen, spielen sie dann „Suicide?“ von uns“, gibt sich Fletcher wie immer mit viel sympathischem Humor. „´Galadriel´ wurde geschrieben, lange bevor all die ´Herr Der Ringe´-Filme und Serien gedreht wurden“, erklärt Fletcher, um zu zeigen, wie lange die Band nun schon aktiv ist. Dann gibt es sogar zwei relativ „neue“ Songs hintereinander, nämlich „If Love Is King“, der – laut Keyboarder Jez Smith - völlig überraschend bei einer Facebook-Unfrage der Band unter den Top 3-Wünschen landete („Beschwert Euch bei den Fans! Sie haben ihn gewählt!“) und heute erst zum dritten Mal überhaupt gespielt wird, und das sehr rockige „Cheap The Bullet“ vom etwas in Vergessenheit geratenen 1990er Werk „Welcome To The Show“, danach „Suicide?“ von „Octoberon“ (1976), dass die Franzosen angeblich nicht richtig aussprechen können („Keine Ahnung warum“) sowie „Medicine Man“, das auf dem Roman „Something Wicked This Way Comes“ von Ray Bradbury basiert, als John Lees „als junger Mann noch viel Science Fiction gelesen hat“ und „The Poet / After The Day“ vom dritten Album „Barclay James Harvest And Other Stories“ aus dem Jahr 1971.

Barclay James Harvest - live2 - 2023Bei „Medicine Man“ steht Keyboarder Jez Smith einmalig auf und spielt sein Synthesizer-Solo im Stehen. „After The Day“ wird dabei unter schallendem Gelächter Putin gewidmet. Der einzige Song, der tatsächlich unter dem Bandnamen John Lees´ Barclay James Harvest erschienen ist, ist „North“ aus dem Jahr 2013 in der Mitte des Sets. „Der Song handelt von dem Leben in Brexit-Land und davon, dass nur an einem Tag im Jahr dort die Sonne scheint und wir diesen Tag dann den Sommer nennen.“ Ja, es gab praktisch bei jeder Ansage etwas zu lachen. Nach „Medicine Man“ ist erst einmal offiziell Schluss. „Ja, Álles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei.´ Ich liebe diesen deutschen Joke. Aber wenn ihr laut ´Zugabe´ruft, kommen wir nochmal wieder.“ So ist es auch. „Oh, Ihr habt Euch das gemerkt“ witzelt Fletcher, und es folgen noch zwei Zugaben. Mit dem fast schon psychedelischen, unvermeidlichen „Mocking Bird“, inklusive progressiver Snare-Figur im Mittelteil, und dem Mega-Hit „Hymn“ aus dem Jahr 1977, dem einzigen rein akustischen Song heute Abend (vor dem John Lees noch eine längere Dankesrede hält) als Zugabe, wird das Publikum, das bei den beiden Zugaben nur noch steht, nach zwei Stunden glücklich entlassen. Die Spielfreude ist der Band zu jedem Zeitpunkt anzumerken. Das Zusammenspiel ist präzise, John Lees und Craig Fletcher gut bei Stimme und der Sound glasklar. Da kommt man schon mal ins Träumen.

Setlist: Fifties Child, Child Of The Universe, Poor Man´s Moody Blues, She Said, One Night, Crazy City, Galadriel, North, If Love Is King, Cheap The Bullet, Suicide?, Medicine Man, The Poet / After The Day, Mocking Bird, Hymn 

Anschließend kommt die Band noch an den Merchandise-Stand, um Alben zu signieren und Fotos mit ihren Fans zu machen. Im Zuge dessen habe ich mit John Lees auch noch ein kurzes Interview geführt. Ein rundum gelungener Abend!



Autor: Daniel Müller - Pics: John Lees´Barclay James Harvest Facebook Page (Vorwort) - Daniel Müller