JANE, EPITAPH, FARGO

Lünen, Heinz-Hilpert-Theater, 10.02.2023

Jane - Flyer - live - 2023Heute sollte alles anders sein als sonst. Dies ist mein erstes Krautrock-Konzert überhaupt, obwohl ich diese Musik schon viele Jahre höre. Es ist mein erstes Konzert in einem komplett bestuhlten Theater. Es laufen fast nur Leute dort rum, denen man sonst nirgendwo begegnet. Und der Getränkestand macht bereits kurz nach 22 Uhr zu, als der Headliner gerade zehn Minuten auf der Bühne steht. Der Saal ist heute vielleicht nur zu einem Drittel gefüllt, und einige fänden es besser, wenn das Konzert gegenüber im Lükaz mit Stehplätzen stattfinden würde. Dafür ist der klare Sound aber gut, und dieses Konzert wird ein unbeschreibliches Erlebnis!

Fargo - live - 2023

 

 

 

Pünktlich um 20 Uhr kommen die Hannoveraner Fargo auf die Bühne, bei denen auch mal Matthias Jabs von den Scorpions gespielt hat und aus der Mitte der Achtziger Victory hervorgegangen waren. Seit 2016 existieren nun beide Bands parallel. Fargo sehen ungewohnt metallisch aus. Kein Wunder, denn an der zweiten Gitarre ist Henni Wolter (ex-Sinner, ex-Primal Fear, ex-Thunderhead) am Start und hinterm Schlagzeug sitzt Nikolas Fritz von Mob Rules, der so viel Zeit zwischen den Anschlägen hat, dass er wie wild headbangt, Arme kreuzt und Stöcker dreht. Von früher sind noch Bassist Peter Knorn, der damals noch Sänger war, und Gitarrist und Sänger Peter Ladwig dabei, der zwar kein Gründungsmitglied ist, aber dennoch auf allen Alben zu hören ist. Der Einstieg mit drei neuen Songs ist angenehm rockig. Mit „I´m A Loser“ vom zweiten, 1980 erschienenen Album „No Limit“, das mich mit seinen Twinleads an Wishbone Ash erinnert, sowie „Arrows In The Wind“ und die Halbballade „Little Miss Mystery“ vom dritten Album „Frontpage Lover“ (1981) wühlt man aber auch in der Vergangenheit. „Der nächste Song ist von unserem vierten Album aus dem Jahr… 1982?“, fragt Frontmann Peter Ladwig. „1932, wir haben beide Weltkriege und sogar den Urknall überlebt“, witzelt Bassmann Peter Knorn. Dazu wird Schlagzeuger Nikolas als „ältestes Mitglied der Band“ vorgestellt. Zum Abschluss gibt es das treibende Instrumental „Hard Attack“ von vierten Album „F“. Nach nur einer halben Stunde ist leider schon Schluss. Jemand aus dem Publikum meinte später zu mir, er habe Fargo bislang dreimal live gesehen, und es sei immer nur so kurz gewesen. Schade eigentlich, denn für einen Opener ist hier schon sehr viel Spielfreude drin.

Epitaph - live - 2023Als zweite Band treten heute Epitaph aus Holzwickede bei Dortmund auf. Bassist und Sänger Bernd Kolbe, mit seiner braunen Lockenmähne ein wahres Szene-Urgestein, glaubt sich daran erinnern zu können, zu Beginn seiner Karriere schon einmal hier aufgetreten zu sein. Schon die ersten Töne zeigen eindrucksvoll, wie progressiv sie im Gegensatz zum Opener zu Werke gehen. Die verzwickten Breaks und synchronen Betonungsschläge sitzen beeindruckend tight! Gitarrist Heinz Glass, der „extra aus Berlin angereist kam“ und nicht nur Rock ´n´ Roll, sondern auch Beethoven und Mozart in beeindruckendem Tempo spielen kann, halte ich fälschlicherweise für ein Gründungsmitglied. Epitaph sehen mit ergrauten, langen Haaren deutlich älter aus als Fargo. Dennoch rocken sie wie Sau, und jeder Schlag sitzt. Zudem beweisen alle Musiker, dass sie auch den Leadgesang beherrschen, und wechseln sich gekonnt ab. Bei Epitaph kommt auch erstmals Schwung ins sitzende Publikum. „Wir diskutieren gerade über die Setlist. Das passiert nicht sehr oft, kommt aber vor“, erklärt Bernd Kolbe, bevor es noch zwei Songs zu hören gibt. Im Set halten sich alte und neue Songs die Waage. „Looking For A Friend“,  „Bad Feeling",  „Return To Reality", das relativ neue „Lost In America“ aus der Corona-Zeit oder der Mega-Ohrwurm „Ride The Storm“ sorgen für gute Stimmung. Epitaph haben richtig Bock, überziehen dadurch allerdings und  machen erst nach 75 Minuten Schluss.

Jane - live - 2023Ich bin zunächst etwas skeptisch, ob die eher ruhige und atmosphärische Musik von Jane heute zum Headliner-Status passen würde. Doch tatsächlich springt der Funken schnell über. Der Bandname Jane ist etwas irreführend, denn aufgrund von Rechtsstreitereien gibt es heute drei Formationen mit jeweils einem anderen Zusatz, die Jane heißen. Und auch Peter Pankas Jane ist irreführend, denn der Ex-Schlagzeuger lebt seit 20007 nicht mehr. Dienstältestes Mitglied ist seit 1988 Gitarrist Klaus Walz, der die „schicke Location“ zwar lobt, aber feststellt, dass sich das Publikum damals auf Decken gelegt und Tüten gedreht hat, anstatt bequem im Sessel Mineralwasser zu trinken“. Die Band sieht sehr zusammengewürfelt aus: Keyboarder Corvin Bahn sieht aus wie ein langhaariger Metalhead mit wilder Mähne und geflochtenem Bart, Bassist und Sänger Holli Coolyard trägt ein Bandana und der zweite Gitarrist Niklas Turmann ein Sakko. Schlagzeuger Achim Poret scheint der Älteste in der Band zu sein, ist aber kein Mitglied von früher. Spielerisch sind Jane aber eine kompakte Einheit. Besonders geil sind die endlosen, oft an Pink Floyd erinnernden Gitarrensoli und vor allem die coolen Duelle, die sich Keyboard und Gitarre in bester Deep Purple-Manier leisten. Sie stacheln sich gegenseitig an und bringen sich auf Hochtouren. Die Spielfreude in der Band ist immer spürbar, und es gibt viele Klassiker wie „All My Friends“, „Lady“ oder „Fire, Water, Earth & Air“ oder „Out In The Rain“ zu hören, aber auch neuere Songs wie „Tomorrow“ oder „Fly Away“. Aufgrund des derzeitigen schmuddeligen Wetters macht Bassist Holli eine Ansage, dass er sich mal wieder über etwas mehr Sonnenschein freuen würde. Die Band berichtigt ihn jedoch, dass er den falschen Song ansagt und eigentlich „Hangman“ dran ist. „An der Leadgitarre: Klaus Walz“, wird der Altmeister vorgestellt, bevor das fünfminütige Gitarrensolo vor der dritten Strophe eingeleitet wird. Dadurch, dass Epitaph jedoch deutlich überzogen haben, ist für Jane heute schon nach achtzig Minuten Schluss. Es hätte gerne noch etwas länger sein können, doch die Auflagen der Stadt Lünen lassen das leider nicht zu. Wie bereits erwähnt, ist der Getränkestand zu diesem Zeitpunkt schon längst (auf-) geräumt.

Nach dem Auftritt bleibt aber immerhin noch etwas Zeit für Smalltalk, Autogramme und Fotos mit allen Musikern der drei Bands, die alle - völlig bodenständig und komplett ohne Roadies - alles selbst auf- und abbauen und wegräumen. Ein toller Abend, der gegen Mitternacht harmonisch ausklingt!



Autor: Daniel Müller - Pics: Daniel Müller - Michael Böhm