ARCH ENEMY, BEHEMOTH, CARCASS, UNTO OTHERS

Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle, 29.10.2022

Was für ein Paket", habe ich mir schon letztes Jahr gedacht, als die Termine für die European Siege"-Tour veröffentlicht wurden. Dank" der Pandemie mussten dann aber noch einmal 365 Tage ins Land gehen, bevor wir am Samstag vor Halloween endlich die angekündigten vier Bands in Düsseldorf erleben durften.

Unto Others - live - 2022Pünktlich um 17:30 Uhr öffneten sich die Pforten der Mitsubishi Electric Halle, und schnell strömte eine große Masse Besucher in die Lokalität und tat gut daran, denn schon um 18:10 Uhr ertönten die Klänge von Rush´s Subdivisions" als Intro für Unto Others. Die Jungs aus Portland gehören mit ihrem Gothic Metal meiner Meinung nach zu den besten Newcomern der letzten fünf Jahre und waren bis 2020 noch unter dem Namen Idle Hands aktiv, ehe sie aus markenschutzrechtlichen Gründen die Umbenennung vollziehen mussten. Das Quartett um Sänger und Gitarrist Gabriel Franco zeigte sich bei druckvollem Sound und düsterem Licht hoch motiviert. Man startete in das halbstündige Set mit dem Opener Heroin" von ihrem zweiten Studioalbum Strength". Danach folgte mit Give Me To The Night" einer der Übersongs vom Mana" Debütwerk (noch unter Idle Hands), der die Massen in Bewegung brachte und sie früh auf die Seite der Amerikaner zog. Die hatten nun leichtes Spiel und zockten neben weiteren Stücken ihrer beiden Veröffentlichungen auch noch das melancholische Epos Can You Hear The Rain" ihrer Mini-LP Don´t Waste Your Time" aus dem Jahr 2018, dem ersten musikalischen Lebenszeichen der Band. Und die Zuschauer hatten Spaß und zeigten dies mit viel Beifall, für den sich Frontmann Gabriel mehrfach herzlich bedankte. Man mag denken, dass Unto Others aufgrund des fehlenden Härtegrades nicht zum Package gepasst hätte, aber das Gegenteil war der Fall: Die Jungs aus Oregon waren der perfekte Anheizer des Abends und nach dreißig intensiven Minuten verließ die Band unter großzügigem Applaus die Bühne.

Carcass - live - 2022Nach fünfzehn kurzen Umbauminuten wurde es dann deutlich härter, da Carcass - Englands Grind-/Death Metal-Pioniere - die Bühne betraten. Und die vier Musiker um Bassist und Sänger Jeff Walker machten wie so oft keine Gefangenen. Bereits mit dem Opener Buried Dreams" vom 1993er Output Heartwork" zeigten sie, dass sie auch anno 2022 keinen Deut leiser oder gesetzter agieren würden. Im Gegenteil, das Four-Piece zeigte sich 45 Minuten lang von seiner besten Seite und feuerte Klassiker wie Incarnated Solvent Abuse" oder Corporal Jigsore Quandary" mit genauso heftiger Vehemenz ins Publikum wie aktuelle Songs á la Under The Scalpel Blade" oder Kelly´s Meat Emporium". Umrahmt wurde die Musik von passendem, farbig wechselndem Licht, brillantem Sound und einer Diashow auf mehreren auf der Bühne platzierten Bildschirmen, was die atmosphärische Dichte des Auftritts noch befeuerte. Mittendrin gab es leider dennoch betrübliches zu vermelden, denn just an diesem Morgen war Jeff Walkers Kater verstorben. Walker sandte von der Bühne einen letzten Gruß an sein geliebtes Tier und widmete ihm das nächste Stück This Mortal Coil", dass die vier Musiker brutal runterholzten. Die Überhymne Heartwork", deren Anfangspart in den 90er Jahren das Intro der beliebten Metalsendung Metalla" bei VIVA war, beendete einen bockstarken Auftritt der Briten, die mit höchst verdientem Applaus verabschiedet wurden.

Behemoth - live - 2022In der Pause vor Behemoth mussten mein Kollege und ich nach diesem starken Auftritt erstmal den Merchandise Stand besuchen, da planten, uns mit neuem Carcass Merch einzudecken. In der Vorhalle stand allerdings nur der opulente Behemoth-/Arch Enemy- Verkaufstresen, von anderem Merch war keine Spur. Doch wir gaben nicht auf und fanden den von Carcass und Unto Others dann in einem Nebenarm der Halle. Dort gab es Shirts ab 30 € (wie übrigens auch beim Behemoth-/Arch Enemy -Stand) sowie ein Tour Longsleeve von den Briten für ebenfalls 30 €. Als ich beim Merchandiser nachfragte, warum der Kurs derselbe wie fürs Shirt sei und anmerkte, dass das ja recht ungewöhnlich ist, sagte der nur We want to sell them". Für mich der perfekte Grund, diesem Wunsch Folge zu leisten.

Zurück in der komplett verdunkelten Halle hatte man die Bühne durch eine gigantische, weiße Leinwand verdeckt. In die Dunkelheit erklangen die ersten Töne des Intros der aktuellen Behemoth-Scheibe Opvs Contra Natvram" namens Post-God Nirvana", während nun auf die Leinwand ein Video mit übergroßem Nergal (Sänger und Gitarrist der Band) projiziert wurde. Dazu drückten dann alle Bandmitglieder abwechselnd ihre Gesichter von hinten gegen die Leinwand, was die unheimliche Atmosphäre des Moments noch verstärkte. Als das Video endete, fiel der weiße Vorhang und enthüllte die in blutrotes Licht getauchte Bühne, ehe die Polen mit Ora Pro Nobis Lucifer" vom Album The Satanist" in ihr Set starteten. Schon beim ersten Song wurde es richtig heiß vor der Bühne, denn mehrere Feuersäulen bahnten sich den Weg Richtung Hallendecke. Drei Reiter als Backdrop sowie das beleuchtete Contra Sigil" Symbol bildeten im Hintergrund ein episches Bühnenbild für die Death-/Black Metal-Heroen, die mit The Deathless Sun" vom aktuellen Album und dem Überhit Ov Fire And The Void" von Evangelion" fortfuhren, um die Halle in Schutt und Asche zu legen. Und die Menge fraß den vier Musikern aus der Hand und ließ sich ein auf die atemberaubende Show, die dank perfektem Licht und Sound Ihresgleichen suchte. Eine höchst emotionale Ansprache Nergals vor Off To War!" bezüglich Ukraine Krieg und Geschehnissen um die Frauenrechte im Iran zeigt, dass sich der sympathische Frontmann abseits vom Inferno auf der Bühne als mahnende und gesellschaftskritische Stimme den Problemen der Welt stellt, was ihm auch in Düsseldorf extra Credibility einbringt. Mit dem Dreierpack Blow Your Trumpets Gabriel", Versvs Christvs" und Chant For Eschaton 2000" und noch viel mehr Feuer auf der Bühne beendet das Quartett den siebzigminütigen Ritt und seine Darbietung unter frenetischem Jubel und Zugabe Rufen. Was ein Triumphzug, es ist offensichtlich, dass die Band aktuell auf absolutem Toplevel ist.

Arch Enemy - live - 2022Da werden die Headliner von Arch Enemy es sicher schwer haben, noch einen draufzusetzen, sollte man meinen. Mal abwarten, nach knappen dreißig Minuten Umbau und erneuter Leinwandverhüllung der Bühne - auf dieser der Satz Pure Fucking Metal" und blutrote Flecken zu sehen sind - starten die fünf Melodic Death Metaller erst einmal mit Deceiver, Deceiver" in ihr Liveset. War die Bühne bei Behemoth eher düster und in viele Rot- und Blautöne getaucht, so regierten nun helle Farbspiele; oranges, gelbes, weißes und grünes Licht untermalten die Darbietungen der Band. Fixpunkt der Bühnenpräsenz ist Sängerin Alissa White-Gluz, die zwischen heißer Barbiepuppe, wild bangender Metalbraut und growlender Death Metal Röhre alle Symbiosen beherrscht. Umrahmt wird die Frontfrau von dem Gitarrenduo Jeff Loomis (ex-Nevermore) und Michael Amott, der die Band 1996 gegründet hat. Beide verleihen den Songs mit ihrem Spiel höchste technische Perfektion und sind dank ihrer beeindruckenden Charismen neben Alissa die Aushängeschilder auf der Bühne. Die Setlist des heutigen Abends richtet sich leider eher an die Fans der neueren Alben, trotzdem darf ein Klassiker wie My Apocalypse" nicht fehlen und wurde auch gespielt. Obwohl viele Zuschauer offensichtlich den Weg in die Mitsubishi Electric Halle wegen Arch Enemy gefunden haben - darauf wiesen zumindest die vielen Arch Enemy Shirts hin - haben die fünf Musiker nach den mächtigen Behemoth phasenweise leichte Schwierigkeiten die Stimmung hoch zu halten. Dies mag vielleicht auch daran liegen, dass einige Bewegungsabläufe etwas zu routiniert und auch ein bisschen vorhersehbar sind, was irgendwie uninspiriert wirkt. Eigentlich lebt Death Metal live doch von puren Emotionen und nicht von taktischem Kalkül. Aber dies ist Meckern auf hohem Niveau, Arch Enemy liefern starke ab, beenden einen wirklich starken Abend nach rund siebzig Minuten und schicken einige Tausend glückliche Besucher der European Siege Tour" in die Nacht.

 



Autor: Dirk Schneider - Pics: Dirk Schneider