SLIME - ZWEI


Label:SLIME TONTRÄGER / HULK RÄCKORZ
Jahr:2022
Running Time:60:04
Kategorie: Neuerscheinung
 

Manchmal ist es gut, wenn man eine Scheibe etwas später zum Besprechen zugesteckt bekommt, denn selten ist eine Veröffentlichung im Punkbereich (und darüber hinaus) so kontrovers diskutiert worden. Grund für den ganzen Sermon ist weniger das Album an sich, sondern der Fakt, dass dies der erste Longplayer der Punklegende Slime mit dem neuen Sänger Tex Brasket, nach der Trennung von Slime Urgestein Dirk „Diggen“ Jura ist. Die dazu abgelaufene Schlammschlacht der verletzten Eitelkeiten von beiden Seiten ist ebenso hoch peinlich, wie die meisten Statements aus der Punkszene, die meist dem aller untersten Niveau der deutschen Empörungskultur entsprechen. Von daher ist mir das Ganze Hin und Her, ob das noch Punkrock ist, oder ob Slime noch Slime sind und noch so heißen, erstmal völlig Latte.

Lassen wir einfach mal den ganzen Rotz beiseite, und sprechen wir einfach mal über das Album. „Zwei“ ist ein klasse modernes Punkalbum und wer meint hier alten rumpeligen Deutschpunk zu erwarten, darf gerne weiter an den alten Klassikern festhalten. Slime im Jahr 2022 hat sich deutlich weiterentwickelt und der Longplayer gefällt bei Weitem besser, als die beiden letzten Veröffentlichungen der Band. Schon erstaunlich, wie frisch das nach zweiundvierzig Jahren Bandgeschichte klingt. Die sechzehn Tracks (ja, die CD hat einen Bonussong mehr als das Vinyl) sind abwechslungsreich, richtig eingängig, und bleiben direkt im Ohr hängen. Die Produktion ist auch schön fett und alles geht sauber nach vorne ab. Themen, Texte und vor allem die Stimme von Tex sind voll auf den Punkt. Hier bleiben sich Slime dankenswerterweise weiterhin selbst treu.

Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, wird hier ein ums andere Mal (fast) jede Facette der Deutschen Scheinheiligkeit auseinandergenommen. Egal ob die mehr als berechtigte Staatskritik, oder das Zerlegen von gesellschaftlichen Diskrepanzen, die gerne und oft unter den Teppich gekehrt werden (auch in der Subkultur). Es ist wütend, aggressiv, verzweifelt, angepisst, nachdenklich, manchmal traurig – aber immer verdammt treffend und zu 150 Prozent Punk! Die Authentizität ist mit Sicherheit auch im Leben von Tex begründet, der durch seine Erfahrung als Obdachloser sehr genau weiß wovon er spricht. Vieles macht ebenso wütend wie betroffen, ist aber immer weit weg von plakativen hohlen Phrasengedresche. Inhaltlich und musikalisch ist „Zwei“ eine richtig geile Punk Scheibe, die auf jeden Fall prima zu Slime passt, auch wenn das Fehlen von Diggen´s Stimme erstmal ungewohnt ist.

Aber das macht Tex ganz schnell vergessen. Allerdings muss ich dazu erwähnen, dass sich dies für mich persönlich tatsächlich vorerst nur auf die neuen Songs beschränkt. Live habe ich doch erhebliche Probleme damit, wenn Tex die alten Slime Songs singt, da kommt bei mir vieles nicht an. Vielleicht tu ich mir auch nur schwer nach über dreißig Jahren die alten Hits nicht von Diggen zu hören. Einen kleinen Seitenhieb kann ich mir allerdings nicht verkneifen. Bei soviel Anti Gesellschaftlichkeit und propagierten „Anderssein“ passt die Werbung auf dem Tonträger welches Bandmitglied welche Instrumenten Marke spielt, als auch die Veröffentlichung in einunddrölfzig limitierten Vinylfarben nicht so wirklich ins kolportierte Punkrock Bild, da man sich hierbei den gleichen Marktmechanismen bedient, die man ansonsten an den Pranger stellt. Just saying…

Note: 8.5 von 10 Punkten
Autor: Frank Billek


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