ULTIMA RATIO FEST

Geiselwind, Music Hall, 07.10.2022

Das letzte Mal, dass ich in der Music Hall in Geiselwind war, ist schon über vier Jahre her. Damals zockten Iced Earth dort und bescherten uns einen bockstarken Abend. Auf ein ähnlich starkes Event hoffe ich, als wir kurz vor 18.00 Uhr per E-Auto auf dem gegenüberliegenden Parkplatz ankommen. (Für alle E-Auto Fahrer: Dort gibt es vier Ladesäulen für Euren Stromer.) Auto kurz an die Ladesäule angeschlossen und dann über die Straße pünktlich zum Doors open bereit für Live-Musik. Am T-Shirt-Stand im Eingangsbereich liegen die Kurse bei 25 € pro Shirt; auch ein Ultima Ratio Fest-Shirt wird feilgeboten. Vinyl wird reichlich von fast allen Bands angeboten; dazu auch die eine oder andere CD sowie Jutebeutel, Patches etc. - alles also da fürs kaufwütige Publikum.

Hinayana - live - 2022Als wir die Halle betreten, ist diese noch überschaubar gefüllt, also noch Zeit genug für ein Getränk am Bierstand, ehe Hinayana das Spektakel eröffnen. Die fünf Musiker kommen "all the way from Texas" und geben der Menge doomig angehauchten, leicht epischen Death Metal mit ausladenden Soundlandschaften, der von harten Drums untermalt wird. Sänger Casey Hurd growlt dabei sehr leidenschaftlich und erinnert mich sehr oft an Peter Tätgren von Hypocrisy. Spätestens ab dem zweiten Song "Cold Deception" hat mich die Band, die sich das Mitfahren auf der Tour absolut verdient hat. Alle Musiker sind ständig mit am Bangen und ergeben so ein stimmiges Bühnenbild. Nach rund 30 Minuten gibt es dann auch den mehr als verdienten Applaus für Hinayana, die ein kurzweiliger Start in den Abend sin.

Wolfheart - live - 2022Nach nur 15 (!) Minuten Umbauzeit ist die Bühne für die zweite Band Wolfheart bereitet, die sich nun auf die Unterstützung der mittlerweile halb gefüllten Halle stützen kann. Es wird offensichtlich, dass viele der Besucher auch wegen den Finnen gekommen sind, denn schon während der ersten Songs kommt ordentlich Bewegung in die Massen. Der melodische Death-/Black Metal der vier Mucker, der sich vor allem durch die hohe Abwechslung zwischen getragenen und schnellen Teilen auszeichnet, fordert das anwesende Klientel intensiver. Für Wolfheart sind die Konzerte der Tour ihre ersten seit 2019, wie Sänger und Gitarrist Tuomas Saukkonen dem Publikum anvertraut. So gehen die vierzig Minuten Spielzeit nicht nur für die Band, sondern auch für ihre Fans viel zu schnell rum. Den Beifall zum Schluss nimmt man gern mit nach Hause ins Land der tausend Seen.

Borknagar - live - 2022Band Nummer drei des Abends kommt aus Norwegen und hört auf den mystischen Namen Borknagar. Musikalisch verbirgt sich dahinter eine leicht progressive Death-/Black Metal-Band mit starkem nordischen Folk-Anteil und epischem Klargesang, was eine einzigartige Mischung ergibt. Mit dieser gelingt es den fünf Musikern, auch dank dem Über-Opener „The Fire That Burns", bei dem sich Sänger Simen aka ICS Vortex und Keyboarder Lars die Gänsehaut erzeugenden, cleanen Vocals teilen, bereits früh, das Publikum in ihren Bann zu ziehen. Mit dem Trio „Rhymes Of The Mountain", „Up North" und „Voices" erhöht sich der Mitsinganteil von Seiten der Besucher massiv, so dass sich die Band in einen wahren Rausch spielt. Man sieht on stage eine echte Einheit, die auch viel Spaß hat und bestens aufgelegt ist, was sich auch aufs Publikum überträgt. Für alle Old School-Fans der Band gibt es mit „Colossus" und „The Ruins Of Future" noch zwei Perlen des 2000er Albums „Quintessence", ehe Borknagar mit dem Titelsong des 2016er Albums „Winter Thrice" ihren Triumphzug beenden. Ihr Applaus nach fünfundvierzig Minuten ist das Zeugnis einer Top Performance der Norweger.

Insomnium - live - 2022Ursprünglich sind als vierte Band der Tour My Dying Bride angesetzt, doch diese wurden - wohl aus terminlichen Gründen - schon vor einigen Wochen durch die Finnen Insomnium ersetzt. Ein gelungener Schachzug, wenn man die Shirts der anwesenden Zuschauer betrachtet. Viele haben sich in deren Leibchen gewandet. Die Band weiß dies auch zu nutzen, um die gute Stimmung nach Borknagar noch weiter anzufachen. Nach dem Opener „Karelia" bringt „Ephemeral" das Publikum ordentlich in Wallung. Der fette Sound und das Weltklasse Licht - ein Lob an den Lichttechniker der Band - tun ihr übriges dazu, dass die Soundlandschaften, die die Finnen erschaffen, perfekt untermalt und so eine höchst unterhaltsame Live Performance umrahmt werden. Man kann die Melancholie eines finnischen Sees mit allen Sinnen erfühlen, so packend ist die Show. Kurz vor Ende ihres Auftritts bedankt sich Sänger und Bassist Niilo Sevänen noch bei allen Bands der Tour, was noch zusätzliche Sympathiepunkte einbringt. Es fühlt sich an, als hätten die heimlichen Headliner nun schon vor dem eigentlichen Headliner gespielt. Entsprechend verabschiedet das treue Publikum Insomnium mit ausgiebigem Applaus nach rund sechzig Minuten.

Moonspell - live - 2022Nach diesem Brocken darf man gespannt sein, ob die Portugiesen von Moonspell da noch einen draufsetzen würden und ja, tatsächlich gelingt das den sympathischen fünf Muckern; doch der Reihe nach. Der Start kurz nach 22.30 Uhr gelingt mit „The Greater Good" vom aktuellen Album „Hermitage" trotz leichter Soundprobleme. Besonders Sänger und Frontmann Fernando Ribeiro, der durch seine theatralischen Gesten als Fixpunkt der Band aktiv ist, zeigt sich als Charmeur, und schnell frisst ihm das Publikum aus der Hand. Mit „Extinct" schließt sich ein richtig starker Song der neueren Bandgeschichte an, ehe man mit „Finisterra" schon beachtliche sechzehn Jahre in die eigene Historie zurückgeht. Spätestens ab dem Klassiker „Opium" von „Irreligious" aus dem Jahr 1996 haben sich die Portugiesen mit ihrer Präsenz den Headliner-Slot verdient. Gut, solche Perlen im eigenen Repertoire zu haben. Besonders werden die Momente, wenn Keyboarder (und ehemals zweiter Gitarrist) Pedro Paixão sich die wieder die Gitarre umschnallt, um die Frontreihe zu unterstützen. Pedro hat sich nie primär als Gitarrist gesehen und will live den Sound durch Keyboards lieber stärker verdichten. Doch ab und zu zieht es ihn auch nach vorn. Zum Song „Mephisto" (auch von „Irreligious") gibt es dann eine bewegende Ansage von Fernando zu dreißig Jahren Moonspell, ehe man zu „Alma Mater", der Hymne des Debütalbums „Wolfheart", die Bühne lichttechnisch in portugiesischen Farben tränkt. Dass dieser Track hohen Kultstaus hat, zeigt, dass die Zuschauer ihn nach dem Ende noch minutenlang weitersingen. Mit „Full Moon Madness" beendet die Band ihr sechzigminütiges Programm und schickt die Zuschauer glücklich heim. So machen wir uns nach mehr als fünf Stunden Live-Musik und einem wirklich tollen Abend auf dem Ultima Ratio Fest wieder auf den Heimweg nach Kassel; dies natürlich nicht ohne ein Moonspell-Shirt und ein Borknagar-Vinyl sowie ein Festival-Shirt. Besucht die Tour! Sie wird Euch Spaß machen! Da sind wir sicher!



Autor: Dirk Schneider - Pics: Dirk Schneider