JETHRO TULL - SONGS FROM THE WOOD
Label: | CHRYSALIS |
Jahr: | 1977 |
Running Time: | 42:25 |
Kategorie: |
Classics |
Genau heute vor 45 Jahren, am 11.02.1977, erschien „Songs From The Wood“, das zehnte Studio-Album von Jethro Tull, welches als erstes Album der Folkrock-Phase der Band (Darauf folgten „Heavy Horses“, 1978, und „Stormwatch“, 1979, die ebenfalls dazugezählt werden) in die Musikgeschichte einging. So ganz richtig ist das aus heutiger Sicht aber nicht, denn zum einen gab es bei den Engländern immer schon folkige Elemente in Form von Querflöten, und zum anderen gibt es auch auf „Songs From The Wood“ sowohl verzerrte Gitarren, die ordentlich rocken als auch die gewohnten, verrückten, progressiven Spielereien. Wer hier also ein ruhiges, verträumtes Akustik-Album erwartet, wird beim Hören überrascht sein. Das Album beginnt mit dem Titeltrack, der ungewohnt A Capella-artig anfängt. Flöten, Händeklatschen und Klavier setzen ein. Die Musik wird zunehmend konfuser, denn immer wieder unterbrechen Jethro Tull den Spielfluss mit verzwickten Breaks auf allerhöchstem spielerischem Niveau. In den langen Instrumental-Passagen wird viel gefrickelt und gefudelt. „Jack-In-The-Green“ ist eine Folk-Nummer, die von Akustikgitarren und Flöten getragen wird und schnell Lagerfeuer-Atmosphäre verbreitet. „Cup Of Wonder“ beginnt mit einer wirren Flöten-Melodien, wird dann durch den Gesang schnell wieder geradlinig. Ein Mega Ohrwurm! Bei „Hunting Girl“ gibt es erstmals verzerrte Gitarren, aber auch eine progressive Snare-Figur. Im Mittelteil ertönt sogar einmalig Doublebass! Das ist echt abgefahren! „Ring Out, Solstice Bells“ überrascht mit rhythmischem Klatschen, was schon fast tanzbar rüberkommt, aber für Jethro Tull völlig untypisch ist.
„Velvet Green“ eröffnet den Reigen mit einem verträumten Spinett und den obligatorischen Flöten. Sobald die Toms einsetzen, wird es wieder progressiv. „The Whistler“ klingt mittelalterlich und erinnert etwas an Minnegesang. „Pibroch (Cap In Hand)“ ist mit über acht Minuten Spielzeit der längste Track des Albums. Er beginnt zwar eher ruhig und melancholisch, steigert sich dann aber im weiteren Verlauf. Bemerkenswert ist, dass hier sogar eine Sackpfeife in Erscheinung tritt. Zudem punkten die Engländer mit spannendem Songaufbau. Ständig wird etwas angedeutet, aber nicht ausgeführt beziehungsweise immer weiter hinausgezögert. Es dauert eine Weile, bis es richtig losgeht. Auch der Mittelteil zieht sich sehr in die Länge, ohne jedoch dabei träge und zähflüssig zu werden. Jethro Tull schafften es immer wieder, sich neu zu erfinden und dennoch ihren Wiedererkennungswert beizubehalten. Mit „Fire At Midnight“ folgt nochmal eine reine, ruhige Folk-Nummer zum Runterfahren. Textlich geht es um alte englische Volkslieder und vorchristliche keltische Traditionen, was im Prinzip stilprägend für den erst viel später entstandenen Folk- und Pagan Metal werden sollte. Das Artwork ist auch total kultig: Frontmann Ian Anderson sitzt mit einem verbeulten Topf am Lagerfeuer im Wald. Auf der Rückseite sieht man einen abgehackten Baumstumpf, der zu einem Plattenspieler umfunktioniert wurde. Die Nadel liegt auf den Jahresringen des Baumes und sieht wie eine hölzerne Schallplatte aus. Das Artwork ist also genauso kauzig wie die Musik der Band. Wer sich eine anspruchsvolle Mischung aus Folk und Progressive Rock vorstellen kann, der sich kaum mit anderen Bands vergleichen lassen kann (bis heute nicht!), der sollte „Songs From The Wood“ auf jeden Fall mal antesten!
Note: 9 von 10 Punkten
Autor: Daniel Müller