UNLEASHED - Das umgedrehte Kreuz war für uns immer ein Symbol für Freiheit!


Die schwedischen Todesmetaller von Unleashed sind eine rastlose Natur. Seit 1989 treiben sie nun schon ihr Unwesen und hauen dieser Tage ihr neues, bereits vierzehntes Studio-Album „No Sign Of Life” raus, das wie immer den ureigenen Sound der Band fährt. Dank meines holländischen Kumpels Marco van Empel aus Tilburg bekam ich die Gelegenheit, ein Telefon-Interview mit Gründer, Bassist und Sänger Johnny Hedlund zu führen.

logoDaniel: Hi Johnny! Wie geht´s Dir? Lass uns doch bitte einmal ganz von vorne anfangen: Stimmt es, dass Du Unleashed gegründet hast, nachdem Du bei Nihilist rausgeflogen bist?   

Johnny: Oh, ja. Kann man so sagen. Das ist aber auch schon gefühlt vierhundert Jahre her, haha!   

Daniel: Warst Du damals sauer auf sie, als Du erfahren hast, dass sie ohne Dich Entombed gegründet hatten? Und gab es deshalb jemals böses Blut zwischen Euch? 

Johnny: Nein, nicht wirklich. Ich meine, wir waren ja erst Teenager, weißt Du? Na gut, den ersten Tag war ich natürlich noch sauer, vielleicht auch noch einen zweiten, haha! Aber dann dachte ich mir, ich gründe einfach eine neue Band und nenne sie Unleashed. So war das damals. Es war gar nicht so schlimm. Aber einige Leute haben da ein großes Ding raus gemacht.    

Daniel: Ihr Sänger Lars-Göran Petrov ist neulich gestorben. Hattest Du bis zum Schluss noch Kontakt zu ihm? Und wie hast Du von seinem Ableben erfahren?   

Johnny: Nein, wir hatten tatsächlich schon einige Jahre nicht mehr miteinander gesprochen. Ich habe natürlich, wie alle anderen auch, davon erfahren. Wir hatten ja viele gemeinsame Freunde. Natürlich war ich sehr traurig darüber. Wir  kamen immer gut miteinander aus. Wir kannten uns ja schon als Teenager, haben uns aber auf gemeinsamen Tourneen und Festivals natürlich immer wieder getroffen. Er war ein sehr guter Freund, und sein Tod natürlich tragisch.    

Daniel: Na gut, dann lass uns jetzt auch endlich mal über Unleashed reden, haha!

Johnny: Okay, haha!

Daniel: Ich finde, dass Ihr immer schon einen anderen Sound hattet als alle anderen schwedischen Death Metal-Bands, die sich doch alle sehr ähneln. Worin liegt Euer Geheimrezept?  

Johnny: Ich denke, dass wir vom ersten Tag an, als wir die Band gegründet hatten, etwas anderes machen wollten als alle anderen. Wir waren mit vielen Bands befreundet, mit denen wir am Wochenende abhingen und Bier tranken, und sie alle hatten mehrere Bands gleichzeitig am Start. Wir wollten nicht auf der Stelle treten, sondern aus der Masse hervorstechen. Dafür mussten wir aber unseren eigenen Sound fahren und Texte über Dinge schreiben, über die sonst niemand geschrieben hatte. Also haben wir unser eigenes Ding gemacht. So fing alles an.    

Daniel: Welche Bands hatten damals einen Einfluss auf Unleashed? Und inwieweit haben sich diese Einflüsse im Laufe der Jahrzehnte verändert?   

Johnny: Oh, sehr viele Bands, würde ich sagen. Natürlich waren die Einflüsse in unserer Jugend andere als heute. Das ist schwierig zu beantworten. Früher habe ich Bands wie Venom, Celtic Frost, Necrophagia und Morbid Angel gehört. Aber wir haben uns in den letzten dreißig Jahren auch immer weiter entwickelt. Das ist der Unterschied.   

Daniel: Eure Texte änderten sich von satanischen und düsteren Texten hin zu Themen der Nordischen Mythologie. Was waren die Gründe dafür? 

Johnny: Oh, ich würde nicht sagen, dass sich die Texte grundlegend verändert haben. Wir haben das alles eigentlich schon von Anfang an so gemacht, seit unserem ersten Album. Natürlich greifen wir heute viel mehr die traditionelle Wikinger-Thematik an. Da habe ich einfach viel mehr Inspiration, in die ich eintauchen kann. Vielleicht wird es in Zukunft auch mal ganz andere Themen geben, vielleicht kehren wir aber auch mal wieder zu alten Thematiken zurück. Aber wir haben das jetzt schon seit fünf Alben so gemacht, und sind im Moment sind wir damit auch noch ganz zufrieden.    

Daniel: Es gibt Leute, die behaupten, dass Unleashed die allererste Death Metal-Band war, die die Wikinger-Thematik aufgegriffen hat. Heute ist  das ganz normal, und Bands wie zum Beispiel Amon Amarth machen das auch. Würdest Du Unleashed als eine Art „Vorreiter“ der Szene sehen, was das angeht? Und wie denkst Du über die ganzen jüngeren Bands, die thematisch in Eure Fußstapfen treten?   

Johnny: Ähm, ich würde es eigentlich gar nicht als „Szene” an sich bezeichnen. Ja, wir haben die Wikinger-Thematik 1989 in den Death Metal eingeführt, aber wir waren ja nicht die erste Metal-Band überhaupt, die das gemacht hat. Wenn Du Dir den Black Metal anguckst, dann haben Bathory das schon lange vor uns gemacht; genau wie Heavy Load, die aber klassischen Heavy Metal spielen. Wir sehen uns aber nicht als Begründer der Szene, auch wenn wir vielleicht die erste Death Metal-Band waren, die das gemacht hat. Ich finde es übrigens gut, dass andere Bands diesen Weg auch eingeschlagen haben! So etwas erhofft man sich als Musiker ja eigentlich immer, wenn man jünger ist. Nur hätte ich nie gedacht, dass das tatsächlich auch passieren würde, haha!      

Daniel: Trotz der Wikinger-Texte habt Ihr aber bis heute immer Euer Logo mit dem umgedrehten Kreuz behalten. Würdest Du Unleashed denn heute überhaupt noch als satanische Death Metal bezeichnen?  

Johnny: Ja, eigentlich schon. Aber eigentlich spielt es auch keine Rolle. Wenn Du Dir unsere Texte genauer ansiehst, dann wirst Du feststellen, dass das umgedrehte Kreuz für uns immer schon ein Symbol für Freiheit war. Es ist genau das Gegenteil des Christlichen Kreuzes, welches bedeutet, dass Du Dich einem starken Führer beugen musst, der Dir befiehlt, was Du zu tun hast. Darum geht es ja auch in unserem Bandnamen. „Unleashed“ bedeutet ja so viel wie „sich von den Ketten lösen“. Das bedeutet in unserem Fall das umgedrehte Kreuz, und ich finde unser Logo auch immer noch gut und stellvertretend für die Band. Es gab natürlich auch viele Leute, die uns gefragt haben, ob wir das umgedrehte Kreuz nicht lieber gegen einen Thor´s Hammer austauschen wollten, aber das wollten wir auf gar keinen Fall. Dafür gab es nie einen Grund.   

Daniel: Auf dem Album „Victory” habt Ihr Thor´s Hammer zum ersten Mal auf einem Frontcover verwendet. Vielen Leuten stieß dies negativ auf, und Euch wurde vorgeworfen, eine politische Band zu sein. Wart Ihr Euch dessen bewusst, als Ihr Euch damals dafür entschieden hattet?   

Johnny: Hehe! Witzig, dass Du das gerade ansprichst, denn es gab tatsächlich ein paar Probleme deswegen! Aber ich denke, dass das in den Neunzigern noch etwas anders war als heute. Es ist allerdings keinesfalls ein politisches Symbol! Wir haben Thor´s Hammer auch nie in einem politischen Zusammenhang verwendet. Niemals! Für uns ist er ein Lebensstil. Ich verstehe nicht, wie Leute ihn als politisches Symbol werten können. Das ist seltsam. Ich verstehe das echt nicht.   

Daniel: Es gab allerdings 2018 ein Album namens „The Hunt For The White Christ” mit der Textzeile, „Through The Vest Germania…”. Ist das nicht genau der falsche Weg, um sich von politischen Vorwürfen zu distanzieren? Oder war das eine Art provokanter Arschtritt an die Szene-Polizei?  

Johnny: Nein, nicht wirklich. Es ist einfach eine Zeile aus einem Buch, das ich mal gelesen habe. Viele meiner Texte wurden von diesem Buch inspiriert. Und bei dem Song geht es einfach nur um diese Geschichte. Sie handelt von einem Ereignis, das in der Zukunft durchaus geschehen könnte, aber offensichtlich mit einer großen Portion Fantasy verpackt. 

unleashedDaniel: Viele Fans sagen heute, dass „Warrior” aus dem Jahr1997 Euer bislang schwächstes Album war. War das auch der Grund für die anschließende fünfjährige Pause bis  zu Eurem nächsten Album „Hell´s Unleashed“ von 2002? So lange haben Eure Fans nämlich weder vorher noch nachher jemals auf ein neues Album warten müssen.   

Johnny: Oh nein! Wenn man heute auf die Zeit um 1997/´98 zurückdenkt, dann haben wir sieben Jahre lang, ohne Pause, immer nur Alben veröffentlicht und sind auf Tour gewesen. Danach waren wir wie ausgebrannt. Wir sind getourt, haben das Kapitel abgeschlossen und uns gefragt, wo das alles hinführen soll. Wir hatten nämlich trotzdem kein Geld, während sich die Plattenfirmenleute und die Promoter dank uns die Taschen vollgestopft haben. Sie kauften sich Häuser und Autos, und wir hatten noch nicht einmal Geld, um uns eine neue Gitarre oder einen neuen Verstärker zu kaufen. Wir hatten wirklich nichts! Wir haben also eine zwei- bis dreijährige Pause eingelegt, um unseren Akku wieder aufzuladen und wieder Spaß an der Musik zu haben. Und das hat der Band wirklich gut getan. Im Endeffekt haben wir, wie immer, etwa zwei oder drei Jahre an dem Album gearbeitet, so wie sonst auch. Es war eine gute Sache für uns!     

Daniel: Wo Du das gerade sagst: Unleashed haben – außer eben zwischen 1997 und 2002 – nie länger als drei Jahre für ein neues Album gebraucht.  Woher nehmt Ihr diese Energie, immer weiter zu machen? 

Johnny: Oh ja, das stimmt, haha! Keine Ahnung. Wir machen das ja jetzt schon seit 32 Jahren so. Das war schon immer so. Ich kann mich auch schon gar nicht mehr daran erinnern, wie es vorher war. Wir haben es bislang immer so gemacht und fahren auch ganz gut damit. Und ich finde es heute so auch angenehmer als früher. 

Daniel: Ich finde, Euer neues Album „No Sign Of Life” klingt wie ein typisches Unleashed-Album, nur mit moderner Produktion. Ist das Euer Kompromiss, um alte und neue Schule zu verbinden?   

Johnny: Oh, danke, dass Du das sagst! Denn wir haben immer versucht, unseren ursprünglichen Sound beizubehalten und trotzdem soundtechnisch mit der Zeit zu gehen. Wir wollten uns nie zu sehr von unserem ureigenen Sound entfernen. Aber man entwickelt sich trotzdem irgendwie weiter. Die Produktionen wurden mit den Jahren immer besser. Es wäre auch verrückt, wenn das nicht so wäre! Aber auch wenn man seinen Sound behalten will, will man sich trotzdem immer weiter verbessern. Im Laufe der Jahre hat sich der Gitarrensound häufig verändert; das Schlagzeug nicht so sehr, denn das würde dann unseren Sound verfremden. Und ich hoffe, dass wir in dieser Hinsicht nicht stagnieren. Wir wollen, dass die Leute, egal, ob sie ein Album von 1995 oder von 2021 in den Händen halten, sagen, „Hey, das ist Unleashed!“ Darum geht es uns hauptsächlich. Und ich denke, dass wir  da auf einem ganz guten Weg sind. 

Daniel: Ich habe im Internet gelesen, dass die GEMA Euch angeschrieben hatte, mit der Erlaubnis, tausende von Euros von Euren Konten einzuziehen. Weißt Du, warum? Was ist passiert?   

Johnny: Oh ja, das stimmt. Ich weiß aber nicht genau, worum es da ging oder wie es dazu kam. Das ist schon sehr lange her. Heute ist das Thema jedenfalls vom Tisch.

Daniel: Ihr spielt schon seit 1995 in ein- und derselben Besetzung! Gitarrist Fredrik Folkare ist immer noch „der Neue“ in der Band, haha! Alle anderen sind seit 1989 bzw. 1990 dabei. Das ist der Wahnsinn! Ist es Dir wichtig, dass Unleashed ein verschworener Haufen Freunde sind und keine wild zusammen gewürfelte Band, die Musik rein geschäftlich macht?   

Johnny: Oh ja, auf jeden Fall! Wenn Du es ohne Freunde, nur wegen des Geldes machst, dann wird die Band vermutlich nicht lange halten. Wenn Du aber mit Freunden in einer Band spielst, dann hilft man sich gegenseitig, und jeder weiß, wie der andere tickt. Wenn Du nur einen in der Band hast, der alles alleine macht, Musik und Texte schreibt und so weiter, dann wird es schwierig, die Band in dieser Form zusammen zu halten. Ich denke, das ist auch einer der Gründe, warum wir schon so lange dabei sind.   

Daniel: Als ich Euch ein paar Male live gesehen hatte, war ich darüber erstaunt, wie gut Du Deutsch sprichst! Wo hast Du das gelernt? 

Johnny: Haha, ja! Ich hatte fünf Jahre Deutsch in der Schule, aber das ist schon sehr lange her.   

Daniel: Du hast also keine deutschen Verwandten oder so? 

Johnny: Oh nein! Ich habe aber viele Freunde in Deutschland, die ich häufig auf Konzerten und Festivals treffe. So bleibe ich etwas in Übung, haha!     

Daniel: Wenn Du heute auf Eure komplette Diskografie zurückblickst, gibt es dann ein Album, welches Du besonders oder vielleicht auch gar nicht mehr magst?   

Johnny: Diese Antwort wird Dich vermutlich langweilen, aber ich mag immer da neueste Album am liebsten, haha! Wir haben schließlich immer zwei oder drei Jahre lang hart daran gearbeitet. Es wäre schon komisch, wenn wir dann sagen würden, dass wir ein altes Album aber besser fänden, haha!    

Daniel: Aber viele Leute sagen ja zum Beispiel, dass sie „Warrior” am schwächsten finden…

Johnny: Ja, vielleicht. Das ist für mich auch in Ordnung. Aber wenn Du mich 1997 danach gefragt hättest, hätte ich Dir natürlich gesagt, dass es unser bislang bestes Album ist, haha! So ist das nun einmal. Im Januar oder Februar werden wir vermutlich mit den Arbeiten am nächsten Album beginnen. Und unser Ziel ist es erneut, das jetzige Album wieder zu toppen. Wir wollen immer alles besser machen als zuvor. Ansonsten würde es auch keinen Sinn machen. Und so war es nach  „Victory” damals auch: „Warrior“ sollte besser werden. Aber das sieht auch jeder anders. Der eine mag dieses Album lieber, und der andere jenes. Das ist ganz normal. Wenn die Leute das Album gut finden, ist es okay, und wenn nicht, dann muss das nächste eben wieder besser werden!     

Daniel: Du bist jetzt 53. Was denkst Du, wie lange kannst Du noch Death Metal auf diesem hohen Niveau spielen und regelmäßig Alben veröffentlichen können?  

Johnny: Oh, ich habe keine Ahnung. Und ich weiß auch gar nicht, ob ich das überhaupt wissen will, haha! Man weiß nie, was die Zukunft bringt! Wir machen einfach so weiter wie bisher. Ich sehe zurzeit keinen Grund, in den Ruhestand zu gehen. Wenn mich meine Musik nicht mehr erfüllen würde, wäre das natürlich schlecht. Aber so lange ich kann, werde ich weitermachen!   

unleashedDaniel: Wie sehen den Eure Zukunftspläne mit Unleashed aus?

Johnny: Nun ja, erstmal freuen wir auf die Veröffentlichung des neuen Albums und natürlich auf die anstehenden Konzerte, sofern sie denn wieder stattfinden können, denn wir haben jetzt fast zwei Jahre nicht mehr live gespielt. Ich hoffe also, dass die ganzen Festivals, für die wir gebucht wurden, auch alle stattfinden werden. Es macht keinen Sinn, jetzt schon für 2022 oder 2023 zu planen, weißt Du? Haha! Wir hoffen einfach, dass endlich alles wieder klappt und wir zu unserem normalen Leben zurückkehren können, Festivals spielen, Leute treffen und so weiter. Da freuen wir uns wirklich sehr drauf. Da freut sich vermutlich gerade die ganze Welt drauf, dass es endlich wieder weitergeht!     

Daniel: Na gut, Johnny! Dann gebührt Dir noch das Schlusswort!

Johnny: Gut, ich möchte Euch sagen, dass wir uns sehr darauf freuen, bald weder unterwegs zu sein. Das wollen wir alle! Schaut einfach auf unserer Internetseite nach aktuellen Neuigkeiten, wenn es um Live-Auftritte geht. Ich hoffe, dass alles bald wieder seinen gewohnten Lauf nimmt!   

http://www.unleashed.se/web/index.php

https://www.facebook.com/unleashed

https://unleashed.bandcamp.com/



Autor: Daniel Müller