ROB HALFORD - ICH BEKENNE - Die Autobiografie des Sängers von Judas Priest


Label:HEYNE
Jahr:2021
Running Time:524 Seiten
Kategorie: Neuerscheinung
 

Ich Bekenne“? Da haut er aber echt auf den Putz, habe ich gedacht. In allen anderen Rockstar Biografien, werden ja auch die Tiefschläge dokumentiert und trotzdem entsteigt der Protagonist hinterher als wahrer Held in strahlender Rockstar Rüstung, den alles verschlingenden Flammen. Wie sollte ich auch vor der Lektüre wissen, wie mutig Herr Halford wirklich ist? Sehr mutig, um es vorweg zu nehmen. Also keine Exzesse, keine Drogen, keine Groupies, kein vom Bulli zum Bentley? Doch, nur durch einen komplett anderen Filter und dieser Filter ist Rob Halford´s Brille. Da die per se immer verspiegelt ist, ist auch seine Wahrnehmung durch ebendiese sehr reflektiert. Und selbstkritisch. Und ehrlich. Und verdammt bewundernswert. All der ganze Rockstar Rummel passiert in diesem Fall im Leben eines homosexuellen Briten, der mit ganz anderen Kräften ringt als nur mit den Drogen, dem Alkohol und der Entfremdung von der Realität. Jahrzehnte lang muss sich ein von Selbstzweifeln ob seiner sexuellen Orientierung geplagter junger Mann auch mit dem teils selbst auferlegten und teils durch Gesellschaft, Kirche und ja, so ehrlich muss man sein, auch dem Mikrokosmos der Heavy Metal Szene aufgezwungenen Schweigegelübdes leben und kämpfen. Immer von dem Gedanken getrieben, dass er mit einem Coming Out seine Band und eventuell auch sich zerstören würde.

Das alles ist doch heute kein Problem mehr? In Zeiten von schwulen Politikern, Showmastern und sonstigen Personen des öffentlichen Lebens vielleicht nicht mehr, aber in den 1970er und 1980er Jahren? Ganz andere Baustelle, wie Herr Halford eindrücklich beschreibt. Selbstverständlichkeiten wie körperliche Nähe, sich verlieben, mit sich und dem Partner in Eintracht sein bleiben ihm über Dekaden verwehrt. Und hier kommen die Drogen und der Alkohol ins Spiel. Als Betäubungsmittel im wahrsten Sinne des Wortes. Um das Versteckspiel auszuhalten, die schnellen, heimlichen Fluchten in die Schmuddelecken des Schwulseins und die ewige Selbstverleugnung. All das erzählt Rob beeindruckend offen und selbstkritisch, ohne auch nur ein einziges Mal weinerlich in Selbstmitleid zu zerfließen. Es ist eher so, als säße Onkel Metal God in Deinem Wohnzimmer und erzählte Dir als seinem Vertrauten aus seinem Leben. Das geht nahe, ist berückend ehrlich und bewegt.

Und es macht noch etwas: Mut, sich mit den eigenen Schwächen oder Dingen, die man verdrängt endlich auseinander zu setzen. In dieser Offenheit habe ich das noch in keiner Biographie gelesen, und es nötigt mir tiefsten Respekt ab. Das ist wahre Stärke, die einem Metal God sehr gut zu Gesicht steht, Hut ab! Natürlich ist Sexualität nicht das einzige Thema dieses Buches, sie ist eher wie ein Backdrop hinter der großen Bühne, auf der sich Halfords Leben als Musiker und Künstler abspielt. Das heißt, dass auch alle wichtigen Stationen von ihm mit Judas Priest und als Solo Künstler ihren Platz finden und ihre Wertschätzung erfahren. Der schwachsinnstriefende Gerichtsprozess in den USA in den 1990ern, der Split mit der Band, die Platinalben und auch die Fuck-Ups. Nur eben nicht im Duktus eines peinlichen Heldenepos erzählt, sondern aus der Sicht eines bodenständigen, lebenserfahrenen Sympathen, dem man seinen Rochstarstatus zur keiner Sekunde anhört (anliest?).

Dieses Buch wird einen Ehrenplatz in den vielen Metern von Künstlerbiographien in meinem Regal bekommen, ist es doch eins der ehrlichsten, beeindruckendsten und menschlichsten. Ach ja, großartig geschrieben ist es auch noch. Plauderton, wie ich oben schon beschrieben habe. Ohne flach zu sein oder sprachlich ungelenk. Es liest sich quasi wie von selbst. Keine Punkte aber eine 100%ige Empfehlung!

 

ISBN 978-3-453-27343-6

 

Note: Keine Wertung
Autor: Tammo Krauß


zurück zur Übersicht