Daniel: Hi Teemu! Bitte erzähl uns doch zunächst, wann und wie es genau zur Gründung von Welkins Boreal kam!
Teemu: Servus Daniel! Probieren wir es mal auf Deutsch – so brauchst Du nicht Englisch ins Deutsche zu übersetzen, sondern bloß mein Deutsch zu korrigieren, hehe! Also, ich hatte eine recht lange Pause mit Musik – mehr als fünfzehn Jahre. Studium abgeschlossen, danach gearbeitet, Frau und Kinder, und so verging die Zeit. Aber ich wollte ja immer weitermachen, und vor ein paar Jahren gab es eine gute Gelegenheit, als die Dinge auf der Arbeit etwas ruhiger wurden und ich geistige Energie wieder mal auch für Hobbys hatte. Ich wollte ja schon seit vielen Jahren einige neue Nattvindens Gråt-Lieder schreiben. Vor allem auf dem Album „Chaos Without Theory“ gab es viele gute Melodien und Riffs, aber die Umsetzung war – sehr nett ausgedrückt – nicht ganz optimal. Also habe ich mit ein paar Songs aus Spaß gestartet, aber der Hunger ist schnell gewachsen, und ich habe insgesamt neun Songs von vorne neu gemacht: neue Arrangements und komplett revidierte Texte. Ich hatte mir auch überlegt, als Nattvindens Gråt weiterzumachen, aber habe mich doch dagegen entschieden, weil der schwedische Bandname doch „Schnee von gestern“ (finnisches Sprichwort) war und ich einen frischen Start haben wollte. Die Idee ja vom Anfang an, auch ganz neue Musik zu machen, sobald ich die Gespenster der Vergangenheit mit den neuen Versionen der alten Nattvindens Gråt-Songs losgeworden bin. Die alten Nattvindens Gråt-Songs wurden im September 2019 als „Phantoms Of Yesteryear“ veröffentlicht. Sobald die Scheibe veröffentlicht war, habe ich begonnen, neue Musik zu bearbeiten. Jetzt ist es so weit: Auf der EP „Ashes“ findet man die ersten drei ganz neuen Songs, die ich seit 2001 geschrieben habe.
Daniel: Welche Bands zählen zu Deinen Haupteinflüssen?
Teemu: Ach, davon gibt es viele – und die meisten kommen aus den Achtzigern. Klassische Bands wie Iron Maiden, King Diamond/Mercyful Fate, Candlemass, Bathory gehören sicher zu den wichtigsten Einflüssen, auch wenn keine dieser Bands direkt in der Musik von Welkins Boreal zu erkennen ist (glaube ich). Eventuell hört man den Einfluss von Bands wie Tiamat und Paradise Lost (vor allem die eher „pop-artigen“ Alben) klarer. Tiamat war eine meiner absoluten Lieblingsbands, als ich das Material für die ersten beiden Nattvindens Gråt-Alben schrieb. Wenn ich Freunde gefragt habe, mit welcher Band ich Welkins Boreal vergleichen könnte, kommt von jedem eine sehr unterschiedliche Liste. Nur Sentenced ist öfters auf diesen Listen zu befinden. Das finde ich lustig, denn ich kenne ihre Musik nicht besonders gut und habe nie ein Album von Sentenced gekauft. Die Jungs und ich haben vermutlich ähnliche Einflüsse!
Daniel: Worum geht es in Deinen Texten? Gibt es eine Art „Kernaussage“?
Teemu: Die Texte der aktuellen EP variieren zwischen modernen und geschichtlichen Themen. „Triumph Of Steel“ (Der Hinweis auf Manowar ist Absicht!) ist eine Narrative über die Schlacht um Cajamarca im Jahr 1532 aus der Perspektive eines spanischen Soldaten. Die Idee ist, dass die Stimmung des Textes und die Stimmung der Musik gut zusammenspielen. Die restlichen Texte handeln – auf einer abstrakten und nicht sehr politisch geladenen Ebene – von der aktuellen gesellschaftlichen Polarisierung, wo Leute sich immer stärkere Meinungen bilden und keinerlei Bereitschaft zeigen, diese kritisch zu analysieren oder die Meinungen anderer zu respektieren. Aber es gibt mehr als nur eine Perspektive, und wenn man die Bereitschaft und Fähigkeit zu vielseitigen Analysen verliert, kommt das Desaster.
Daniel: Du hast Welkins Boreal ursprünglich als Soloprojekt gestartet. Nun seid Ihr aber zu dritt. Was waren die Gründe dafür, dass daraus doch eine richtige Band wurde?
Teemu: Wir sind im Moment ein Duo, denn Toni Paananen spielt Schlagzeug nur als Session-Drummer. Der Grund für die Gründung einer richtigen Band war, dass ich mal eine Old School-Aufnahmesession ausprobieren wollte; so wie wir es in den Neunzigern gemacht hatten, ohne Computer-Bearbeitung. Auf der EP sind wir dieser Idee zu 100 % gefolgt. Das Schlagzeugt wurde ohne Click eingespielt, Gitarren und Bass durch altmodische Verstärker und alles komplett analog aufgenommen. Das Ergebnis ist roh und wird nicht allen gefallen, vor allem wenn man an die modernen robotisch-präzisen Produktionen gewöhnt ist.
Daniel: Eure neue EP „Ashes" ist nur ein Jahr nach dem Debüt-Album „Phantoms Of Yesteryear” (2019) erschienen. Waren die Songs von derselben Aufnahme-Session und hatten nur nicht mehr auf das Album gepasst? Oder sind sie komplett neu?
Teemu: Anders herum: Die Songs auf „Phantoms Of Yesteryear“ sind alle alte Nattvindens Gråt-Songs aus 1996 und 2000. Die Songs auf der EP habe ich erst nach dem Abschluss der Aufnahmen von „Phantoms Of Yesteryear“ geschrieben.
Daniel: Wie lange haben die Aufnahmen den insgesamt gedauert?
Teemu: „Phantoms Of Yesteryear“ habe ich in meinem Home Studio aufgenommen. Der große Vorteil war, dass ich mir so viel Zeit nehmen konnte wie nötig, damit alles so gut ist, wie es mit meinen Fähigkeiten überhaupt möglich ist. Die Aufnahmen habe ich über sechs Monate gemacht. Die EP haben wir in zwei Sessions von jeweils drei Tagen aufgenommen.
Daniel: Wo habt Ihr aufgenommen, und wer hat produziert?
Teemu: Bei „Phantoms Of Yesteryear“ habe ich alles in meinem Home Studio aufgenommen; mit mir und meiner Wenigkeit als Co-Produzenten. Die EP haben wir im legendären Astia Studio in Lappenranta im Osten Finnlands aufgenommen mit dem Produzenten Anssi Kippo, den man wohl am besten als Produzent der ersten Children Of Bodom-Alben kennt.
Daniel: Ich finde das Cover toll! Von wem stammt es? Und wie seid Ihr mit dem Künstler in Kontakt gekommen?
Teemu: Da stimme ich Dir voll zu! Das Artwork von unseren beiden Werken hat Pavel Kurbanov gemacht. Er gehört zu einer Gruppe von Künstlern unter dem Namen All4Band.com. Auf diese bin ich ganz zufällig im Internet aufmerksam geworden. Sowohl die Qualität ihrer Arbeit als auch die Interaktion mit den Jungs ist wirklich super gewesen. Sie haben auch alle unsere Videos, Logos etc. gemacht.
Daniel: Ich finde, das Artwork eignet sich perfekt für eine Vinyl-Version! Ist in dieser Hinsicht irgendetwas geplant?
Teemu: Wir haben es uns überlegt, aber fanden die Pressung von Vinyl zu teuer. Wenn wir etwas bekannter werden (die Daumen sind gedrückt) und der Verkauf von 300 bis 500 Stück realistisch wird, würde ich unsere Musik sehr gern im Vinylformat sehen.
Daniel: Lass uns bitte auch einmal kurz über Deine musikalische Vergangenheit reden, okay? Ich bin nämlich auch ein großer Fan Deiner beiden Ex-Bands Nattvindens Gråt und Darkwoods My Betrothed und habe alles von ihnen in meiner Privatsammlung. Warum hast Du die Zusammenarbeit mit beiden Bands so um 1996/´97 beendet? Was ist damals schiefgelaufen?
Teemu: Nattvindens Gråt habe ich eigentlich bis zum Jahr 2000 weitergeführt, allerdings unter dem kürzeren Namen Nattvind. Bei Darkwoods My Betrothed bin ich ausgestiegen, weil wir die Entscheidung getroffen hatten, die Band in zwei „Branchen“ zu teilen: Darkwoods My Betrothed fokussierte auf „Witch-Hunts“ voll auf Black Metal, während Pasi (der Sänger) und ich die epischen Songs unter dem Namen Furthest Shore veröffentlichten. Jetzt denken wir alle, dass es eine dumme Entscheidung war. Wir hätten die besten Black Metal- und epischen Songs weiterhin kombinieren und als Darkwoods My Betrothed veröffentlichen sollen. Im Moment versuchen wir diesen Fehler zu korrigieren: Wir schreiben Material für ein neues Album, das im Februar aufgenommen wird. Zwei epische Nummer habe ich schon fertig, und Jouni und Pasi basteln an mehr Black Metal-orientiertem Material.
Daniel: Hast Du denn überhaupt noch Kontakt zu all Deinen Ex-Mitgliedern?
Teemu: Siehe oben, hehe! Jahrelang hatte ich weniger Kontakt zu ihnen, aber nicht weil es Streit oder so etwas gab. Wir wohnten einfach weit voneinander entfernt (ich auch einige Jahre in Deutschland und England) und hatten daher weniger Chancen auf persönlichen Kontakt.
Daniel: Ist es wichtig für Dich, dass sich alle drei Bands, Welkins Boreal, Darkwoods My Betrothed und Nattvindens Gråt, drastisch voneinander unterscheiden? Oder hat sich das eher zufällig ergeben?
Teemu: Absolut! Sonst macht es kaum Sinn, mehrere Bands zu haben. Ich muss allerdings zugeben, dass der Song „Triumph Of Steel“ auch zu Darkwoods My Betrothed ganz gut hätte passen können (mit einem leicht anderen Arrangement), aber als dieser Song geschrieben und aufgenommen wurde, hatten wir noch keine Pläne für die Rückkehr von Darkwoods My Betrothed.
Daniel: Jetzt wo Ihr zu einem Trio angewachsen seid: Gibt es auch Pläne für Live-Aktivitäten? Oder wird Welkins Boreal weitgehend ein reines Studio-Projekt bleiben?
Teemu: Welkins Boreal bleibt vorerst ein Studio-Projekt. Wir schließen Auftritte nicht aus, aber um es unserer Mühe wert zu sein, müssen wir eine wirklich gute Chance angeboten bekommen (etwa auf Wacken spielen oder ähnliches). Sowohl Aki als auch ich haben Familien und Karrieren, die viel Zeit in Anspruch nehmen. Außerdem wohnen wir fast 200 km voneinander entfernt. Unter den Umständen genug proben zu können, um live spielen zu können, ist nicht ganz einfach zu organisieren.
Daniel: Wie sehen Eure Zukunftspläne mit Welkins Boreal aus?
Teemu: Sobald das Darkwoods My Betrothed-Projekt so weit ist, dass das Material steht, mache ich mit neuem Welkins Boreal-Material weiter. Aki bastelt schon an Songideen. Wir hoffen, dass wir etwa 2022 neues Material aufnehmen können.
Daniel: Na gut, Teemu! Die letzten Worte gehören Dir!
Teemu: Vielen Dank, Daniel, für Deinen Support und die Gelegenheit, Euren Lesern etwas über Welkins Boreal zu erzählen!
https://www.welkinsboreal.com/
https://www.facebook.com/welkinsboreal/
https://welkinsboreal.bandcamp.com/album/phantoms-of-yesteryear