ATROCITY - Wir sind eine Art musikalisches Metal-Chamäleon!


Als seinerzeit „Okkult II" mein Album des Jahres 2018 in den CROSSFIRE-Redaktions-Charts wurde, hatte ich bereits ein Interview mit Atrocity geplant, welches aber - aus welchen Gründen auch immer - nie zustande kam. Erst kürzlich hatte ich dann über Bloodred wieder Kontakt zu Massacre Records, und ich habe beim Verschicken der Interview- und Review-Links gleich nochmal versucht. Dieses Mal hat es endlich geklappt! Ich telefonierte weit über eine Stunde mit Atrocity-Hüne Alex Krull, der auch bei Leaves´ Eyes aktiv ist und alles sehr unterhaltsam und ausführlich beantwortete! Einige Fragen, die ich noch chronologisch auf dem Zettel hatte, hat Alex im Redefluss auch gleich automatisch mit beantwortet, haha! Viel Spaß beim Lesen!

logoDaniel: Hi Alex! Lass uns mal ganz vorne anfangen: Wie kam der Stein für Atrocity 1989 ins Rollen? Und war Atrocity Deine erste Band?

Alex: Unsere erste Single „Blue Blood“ auf Nuclear Blast erschien 1989, aber Atrocity wurde schon im Jahre 1985 gegründet. Am Anfang waren wir befreundete Metal-Maniacs und vom Freundeskreis her eine klassische Schüler-Band, kann man sagen. Ich hatte tatsächlich noch eine andere Band vorher: Ripper. Und da waren auch zwei Freunde, Gernot, der Original-Drummer von Atrocity, und René, der Original-Bassist, schon mit dabei. Und aus dem ist Atrocity hervorgestiegen. Ich hatte mit zwei anderen Freunden Matze und Frank die Idee, dass wir Atrocity machen, und Gernot und René sind dann dabei geblieben. Wir waren noch sehr jung, und haben uns nicht erträumen lassen, was da noch alles passiert würde in den darauffolgenden Jahren, haha!

Daniel: Es gab - etwa zeitgleich – eine Band aus Bamberg und eine amerikanische Band namens Atrocity („Infected“, 1990). Kennst Du diese Bands?

Alex: Ja, die Band aus Bamberg und auch die Amerikaner kamen tatsächlich nach uns. Wir hießen ganz am Anfang auch noch nicht Atrocity, sondern Instigator. Ich will da jetzt nicht ganz so in die Details gehen. Also, erst gab es Ripper und dann Instigator und danach Atrocity. Ich meine, es gab noch eine Punk-Band mit dem Namen The Instigators, deshalb benannten wir uns eigentlich um in Atrocity. Mit den Amis war das so eine Sache. Das haben wir später mitbekommen, dass sie sich nach uns erst gegründet haben, genau wie die Band aus Bamberg, die sich dann in Atrocity Exhibition umbenannt hatten. Die Jungs hatten auch noch eine andere Band, Mega Mosh soweit ich das noch weiss, haha!

Daniel: Kam es da denn jemals zu Verwechslungen?

Alex: Ja, das mit den Amerikanern war schon etwas blöd. Das kann man nicht anders sagen. Als wir mit unseren ersten Platten rausgekommen sind, kamen die dann später hinterher. Es gab da bei einigen Fans schon ein paar Irritationen. Es hielt sich aber in Grenzen, die eingefleischten Fans wussten ganz klar, woher welche Band stammt und welche Art von Musik spielt. Selbst in Amerika waren wir als deutsche Atrocity weitaus bekannter und erfolgreicher. Die Leute haben schon gewusst, das sind die Deutschen, deshalb nannte man die andere Band auch immer Atrocity (US). Wir haben unser erstes Album, „Hallucinations“, mit Scott Burns ja in Amerika aufgenommen. Und da wir ja auch sehr umtriebig im Underground und in der Tape Trading-Szene verwurzelt waren, gab es mit den ganzen Bands aus der Anfangszeit schon einige Kontakte – Morbid Angel, Obituary, Cannibal Corpse, Nocturnus, Incubus, Immolation und wie sie alle heißen. Ich habe dann ja auch die ersten Death Metal- und Hardcore-Crossover Festivals veranstaltet hier in Deutschland. Da waren Pestilence mit dabei, aber auch zum Beispiel Spermbirds – also etwas ganz anderes -, weil ich immer schon so ein Faible dafür hatte, Sachen zu vermischen und hatte dann auch mit Atrocity Gitarrist Matze die erste Atrocity- und Carcass-Tour gemacht. Mit den beiden „Support The Underground“ Festivals haben wir einiges bewegt, wo auch zum ersten Mal Entombed in Deutschland gespielt hatten. Es waren noch Pungent Stench und Disharmonic Orchestra dabei. Richtig kultiges Line-Up! Insofern waren wir halt mit den ganzen Bands in Kontakt. Wir haben alle Tape Trading betrieben, und schon in Demozeiten haben wir uns gegenseitig Tapes zugeschickt. Als wir im Morrisound Studio in Florida waren, haben uns damals die amerikanischen Bands dort im Studio besucht, und sind mit uns um die Häuser gezogen. Das war ja etwas Besonderes, der ganze Nuclear Blast-Staff war auch mit dabei, und wir waren als Band aus Deutschland für die Amis auch so etwas wie Exoten, haha. Alex Webster von Cannibal Corpse war da, die Jungs von Obituary, Glenn Benton von Deicide, Mike Browning von Nocturnus, der uns in Tampa das Nachtleben gezeigt hat. Bei David Vincent waren wir auch zu Hause eingeladen. David hatte ich schon getroffen, als er in Europa war und den Earache-Deal für Morbid Angel an Land gezogen hatte. Morbid Angel waren in Europa auf Tour mit Napalm Death, und die waren auch Freunde von uns und oft bei mir zu Hause. Das war echt eine verrückte Zeit! Der Underground hat gelebt, und das ganz ohne Internet und Social Media! Es war echt ein Fest, als wir mit der kompletten Nuclear Blast-Crew nach Florida rüber geflogen sind und „Hallucinations“ aufgenommen haben. Das ist jetzt schon genau dreißig Jahre verdammt nochmal her, haha! Unfassbar, was da im Studio los war, weil die Florida-Bands da alle gekommen sind, und wir ja eigentlich ein Album aufnehmen sollten, haha. Der Glenn Benton hat sich den finalen Mix von unserem Tape mit mir noch in seinem Auto vorm Morrisound Studio angehört – als ich quasi schon auf dem Weg zum Flughafen war, haha! Also, wie gesagt: war eine coole Zeit, in der viele verrückte Dinge passiert sind. Wir hatten in Europa die „Support The Underground“ Festivals gespielt als Auftakt zu unserer Euro Tour mit Carcass, dann dazwischen die Platte eingespielt, und danach ging es direkt weiter auf Tour mit den Jungs. Ich war Sänger, Tour-Veranstalter und Festival-Veranstalter, alles in einem haha!

Daniel: Für das Artwork von „Hallucinations" habt Ihr den Schweizer H. R. Giger gewinnen können. Hat er dieses Motiv nur für Euch entworfen oder gab es das schon? Und wie jam dieser Kontakt überhaupt zustande? Habt Ihr Euch auch mal persönlich getroffen?

Alex: Ich war schon lange ein Giger-Fan und dessen morbider Kunst. Als es darum ging, wie unser Cover für das Debüt-Album aussehen konnte, kam mir das in einem Gespräch mit Markus Staiger, dem Chef von Nuclear Blast, in den Sinn. Unser damaliges Label hatte ursprünglich ein anderes Cover vorgeschlagen, was aber in der Band nicht so gut angekommen ist. Damals glaubte allerdings keiner, dass ich es hinbekommen würde, ein echtes H.R. Giger-Cover zu beschaffen; und das noch innerhalb einer Woche. Das war nämlich die Frist dafür. Ich hing mich also mächtig rein, beschaffte mir nach vielen Gesprächen über ein Schweizer Museum den Kontakt und hatte irgendwann tatsächlich Herrn Giger an der Strippe. Das war ein super Gespräch. Als ich ihm unser Album geschickt hatte, und H.R. Giger die Musik sehr mochte, fragte ich ihn um eins seiner Ölgemäde an. Das Gemälde „Hommage an S. Beckett“ fand ich absolut passend für unser „Hallucinations“-Album. Das war für beide Seiten ein Volltreffer. Alle in der Band waren begeistert, und Markus von Nuclear Blast war total aus dem Häuschen, als es tatsächlich geklappt hat, und konnte es erst gar nicht glauben. Ein Traum wurde wahr, oder soll man sagen, ein „Albtraum“, haha. Giger war ja bekannt dafür, seine Albträume künstlerisch umzusetzen. Und tatsächlich habe ich Giger dann auch mal bei ihm zu Hause besucht. Das war fantastisch. Matze, meine Schwester Yasmin und meine damalige Freundin waren auch dabei. Er zeigte uns einige seiner Kunstwerke im Haus und gab mir sogar zwei signierte Kunstdrucke als Geschenk mit. Absolut der Hammer!

atrocityDaniel: Welche Bands haben Atrocity hauptsächlich beeinflusst? Und inwieweit haben sich diese Einflüsse bis heute geändert bzw. erweitert?

Alex: Ich habe natürlich unglaublich viel Heavy Metal und Hard Rock gehört. Ich war gerade sechs Jahre alt, da hatten sich Deep Purple, glaube ich, gerade aufgelöst. In dieser Zeit habe ich die Art von Musik für mich entdeckt und zum ersten Mal bewusst Hard Rock und härtere Musik gehört. Ich habe als ganz junger Bursche quasi die gesamte Entwicklung von der Picke an mitgemacht. Von Hard Rock bis in die Zeit als die New Wave Of British Heavy Metal entstanden ist. Heavy Metal war mein Ding, und man hat einfach alles in sich aufgesogen. Und es wurde halt immer extremer. Als junger Teenager habe ich dann wie gesagt meine erste eigene Band gegründet. Mit Atrocity haben wir immer versucht, unser eigenes Ding zu machen. Das ist bei Atrocity ja auch ganz offensichtlich etwas anders als man es sonst kennt, dass sich die Band nicht auf eine Schiene allein festgefahren hat. Wir haben als junge Band viele Extreme ausgelotet, bei unseren Songs Blastbeats mit drin gehabt, als das noch nicht so üblich war. Wir wollten einfach eine extreme Band sein! Brutal, härter als Speed- oder Thrash Metal! Wir wollten einfach die extremste Band werden! Das war immer unser Ziel. Auch in den verschiedenen Facetten – das hat man ja später auch gesehen – nicht alles auf einen Stil zu beschränken. Aber natürlich sind bestimmte Einflüsse ganz sicher vorhanden: Slayer, Possessed, Celtic Frost, Death, Morbid Angel, aber auch andere Sachen, die nicht aus der ganz harten Ecken waren, wie Watchtower oder progressivere Sachen wie Fates Warning oder die großartigen Pink Floyd; keine Ahnung. Da gibt es bestimmt eine Melange aus allem. Wir haben uns als Musiker ein eigenes Ding erschaffen. Und bei Roadrunner Records war es auch so, dass wir die einzige deutsche Band waren, die zudem noch so einen krassen Sound gemacht hat, als wir dann bei ihnen weltweit unterschrieben haben. Nachdem wir ja bei Nuclear Blast die erste Scheibe „Hallucinations“ und die „Blue Blood“-Single rausgebracht hatten. In den USA waren wir bei Roadrunner schon mit dem Debüt-Album in Lizenz. Dann kam die zweite Scheibe „Todessehnsucht“ weltweit bei Roadrunner Records raus, dem größten Metal-Label der Welt in dieser Zeit. Auf „Todessehnsucht“ hatten wir schon Opernsänger und klassische Sachen drin, und Themen von Wagner verarbeitet. Beim ersten Album, bei „Hallucinations“, war ein Teil von Mozart mit dabei, nur eben auf Gitarre gespielt. Irgendwie wollten wir uns nie nur auf eine Sache allein beschränken. Und ich glaube, das ist bis heute das beste Rezept, um mit der Band so lange am Start zu sein.

Daniel: Ihr habt schon Grindcore, Death Metal, Gothic Metal, aber auch Musik gemacht, die nichts mit Metal zu tun hat, wie Folk, klassische Elemente, EBM, 80er Pop-Cover gemacht. Gab es bei Euren Veröffentlichungen auch mal Experimente mit Musik, die Du sonst gar nicht hörst, sondern nur als Musiker spannend fandest, um Dich mit der Materie auseinanderzusetzen?

Alex: Ja, mit Sicherheit! Ich denke, wenn man es als ernsthafte künstlerische Herausforderung betrachtet, Grenzen wirklich aufzureißen, gilt natürlich das Motto: „Breaking The Law“! Metal ist für mich nicht, wie vielleicht viele Leuten es verstehen, immer nur ein und dieselbe Richtung mit der Band zu gehen, sondern auch mal über Genre-Grenzen hinaus etwas zu wagen, wenn es musikalisch reizvoll ist. Wir konnten somit für die Band neue Horizonte erschließen und Neuland entdecken. Etwas völlig Neues musikalisch und künstlerisch gut umzusetzen, damit begeistern zu können, ist zugleich Herausforderung, Ansporn und Nervenkitzel. Wenn Du alle Extreme ausgelotet hast, wie wir damals im Death Metal Bereich, wo Du weißt, noch schneller und noch härter oder noch komplizierter ist alleinig kein musikalischer Anreiz mehr. Wir waren ja auch eine der ersten Techno Death Metal-Bands, wie man es ja damals noch bezeichnet hat. Weil man eben nicht so klingen wollte wie die hundertste andere Band oder so und sich von vornherein schon unterscheiden wollte. Wir hatten dann viele andere Ideen im Kopf. Wir machten ein Akustikstück „Calling The Rain“ mit meiner Schwester Yasmin, die ja schon lange vor mir Musik gemacht hatte. Yasmin war übrigens auch Video-Produzentin und hat bei Videoclips von Bands wie Hammerfall, Lacrimosa, Amorphis und ganz vielen verschiedenen Bands mitgewirkt. Mit Atrocity und Yasmin wollten wir musikalisch mal etwas zusammen machen, obwohl meine Schwester unsere ganz harten Sachen nicht so ansprechend fand, haha! Beim dritten Album, „Blut“ – eine sehr wichtige Platte für uns – haben wir ja eine Art von „Crossover-Note“. Wir waren eine brutale Death Metal-Band, und hatten dann mit „Calling The Rain“ oder „Land Beyond The Forest“ das komplette Kontrastprogramm, mit Frauengesang dabei, atmosphärisch, folkig… undenkbar eigentlich für eine Death Metal-Band zu der Zeit! Das haben wahrscheinlich ganz viele Leute aus der Metal-Szene erstmal gar nicht auf Anhieb verstanden und waren etwas verwirrt, haha. Andererseits waren wirklich sehr viele Fans sehr begeistert davon. Das war das Positive dabei, so wie wir es auch gut gefunden haben, derartige Extreme auszuloten, sind die Fans auch darauf abgefahren. Diese Kombination aus Ethno und Metal oder in der Richtung mit Weltmusik ein bisschen zu experimentieren, nicht nur mit Klassik, was wir ja auch schon gemacht hatten, den Horizont zu erweitern, war für uns schon eine ziemlich geile Sache! Das gesamte Vampir-Konzept zu „Blut“ hat auch prima zu uns gepasst. Yasmin und ich haben auch Vorfahren in Transsilvanien. Dazu noch die krassen deutschen Titel und Texte! Ich saß mal vor ein paar Jahren mit meinem Kumpel Christoph Schneider von Rammstein in Berlin beim Frühstück, und der sagte tatsächlich zu mir, ´Atrocity waren doch die mit den krassen deutschen Texten´, haha! Klar, solche Pionierarbeit, wie zum Beispiel unsere Kooperation mit Das Ich, hat tatsächlich einiges bewegt. Bei unserem gemeinsamen Album „Die Liebe“ sind de facto zwei Welten komplett aufeinander geprallt, Gothic und Metal. Und dann hat man gesehen, dass auch in der Club-Landschaft in Deutschland und überall anders sehr viel passiert ist; und auf einmal allerorts „Darkwave-/Metal/Crossover Nights“ entstanden sind. Wir haben auch mit Lacrimosa und Silke Bischoff Songs aufgenommen. Es gibt sehr viele Leute, die auch große Fans von Leaves´ Eyes geworden sind und denen die Sachen gefallen, die wir mit Atrocity featuring Yasmin oder featuring Das Ich gemacht haben.

Daniel: Wie kam überhaupt der Kontakt zu Das Ich zustande damals, die ja ein ganz anderes Fan-Lager ansprachen? Das war ja schon ziemlich obskur damals…

Alex: Ja, das stimmt allerdings, haha! Ja, wie kam das zustande? Zum einen war ich bei unserem Label Massacre Records selbst am Start, und wir hatten da einige musikalische Freiheiten mit der Band. Das war wirklich positiv. Massacre Records wollten uns damals unbedingt unter Vertrag nehmen, und wir hatten immer viele verschiedene Ideen in der Musik drin. Und das fand das Label sehr spannend, und deshalb haben sie mich und Atrocity dabei wahnsinnig unterstützt. Und der Thomas von Massacre Records war ein Riesen-Das Ich-Fan. Und ich hatte ebenfalls die eine oder andere Verbindung zu Leuten, die aus der Gothic-Szene stammten. Damit kam irgendwie der Gedanke, Das Ich haben so krasse deutsche Texte wie Atrocity, und das würde doch irgendwie zusammen passen. Tja, und so kam der Kontakt zustande. Das war schon irgendwie lustig, weil Das Ich mit E-Gitarren und Metal-Sounds ja überhaupt nichts am Hut hatten! Eventuelle anfängliche Skepsis hatte sich allerdings sehr schnell in Wohlgefallen aufgelöst. Das war echt klasse. Wir haben sehr viele Gemeinsamkeiten entdeckt, wie der Hang zu Expressionismus in unseren Texten usw. Vieles war bei Das Ich sehr ähnlich, nur musikalisch hat man das anders verarbeitet. Wir haben gegenseitig die Songs unserer Bands neu verarbeitet, und komplett neue Sachen zusammen geschrieben. Natürlich war das alles sehr jungfräulich, wie ein ungeschliffener Diamant, weil wir ja am Anfang auch noch nicht wussten, was da am Ende dabei rauskommen würde. Es war eine abenteuerliche musikalische Reise, die wir zusammen angefangen haben und die sehr geil geendet ist, mit einer gemeinsamen Tour. Aus dieser Zusammenarbeit mit Atrocity und Das Ich ist viel entstanden; auch in der Musik-Szene. Ich kann mich noch erinnern: Als wir zusammen aufgetreten sind, haben sich die Leute im Publikum bei den Shows anfangs kritisch beäugelt und teilweise sogar angefeindet. Auf der einen Seite waren die Metal-Leute und auf der anderen Seite standen die Gruftis und Gothics. Und irgendwie war man sich anfangs nicht ganz grün. Glücklicherweise sah das nach den gemeinsamen Shows etwas anders aus! Irgendwann waren Atrocity dann als erste Metal-Band Headliner beim Wave Gothic Treffen – DIE Veranstaltung der schwarzen Szene – und dann war das Eis komplett gebrochen. Wir hatten für uns eine ganz neue Szene erschlossen. Yasmin war als Gastsängerin dabei, und Liv Kristine, meine Ex-Frau; damals noch bei Theatre Of Tragedy Sängerin und später ja auch bei Leaves´ Eyes. Zudem waren Silke Bischoff als Gäste auf der Bühne und Peavy von Rage war auch dabei, schon tags zuvor, als wir auf dem Dynamo in Holland als Headliner gespielt hatten. Wir haben uns damals wirklich einiges einfallen lassen, das muss man sagen.

atrocityDaniel: Auf dem Dynamo war ich sogar und habe Euch gesehen!

Alex: Ja geil! Das war für mich auch immer so ein Traum, dort spielen zu dürfen! Rob Trommelen, einer der Veranstalter, hatte mich damals im Massacre Records-Office angerufen. „Alex, sitzt Du schon? Ihr könnt Headliner auf dem Dynamo sein am Freitag!“ Und ich meinte, „Okay, ich setze mich doch mal hin“, haha! Das war schon mega cool! Andererseits hatten wir vor Ort auch ein paar Probleme mit der Technik. Aber am Ende des Tages stehst Du auf der Bühne und genießt es natürlich, mal dort zu spielen! Wir haben ja mittlerweile auch einen holländischen Schlagzeuger, den Joris! Ich hatte bei der Dynamo-Show ein Hakenkreuz auf der Bühne zerschlagen bei „Der Mussolini“, um ein klares Statement zu setzen. Da mussten einige in der Crew tief durchatmen, haha! Viele Leute wurden da quasi auch eingeweiht mit den verschiedenen Spielarten von Atrocity. Die Setlist war ein kunterbunter Strauß an Atrocity-Musik. Das war schon ziemlich geil!

Daniel: Ihr habt schon alle möglichen verschiedenen Stilrichtungen gespielt und seid sogar schon mit einem Orchester aufgetreten! Gibt es für Dich als Musiker überhaupt noch ein gänzliches anderes Gebiet, das Ihr noch nicht angepackt habt?

Alex: Man muss das so sehen: Diese Pionierarbeiten und musikalischen Experimente sind künstlerische Ideen und Visionen. Die Herausforderungen dabei sind Ansprüche an einen selbst. Es sind musikalische Träume, die man sich als Künstler gerne erfüllen möchte und deswegen mit Herzblut angeht. Natürlich ist es für die Fans dabei auch immer abenteuerlich, weil keine Platte klingt wie die andere. Das macht auch den Reiz dieser Band aus. Das nehmen wir gerne in Kauf. Wir sind eine Art „musikalisches Metal-Chamäleon“, wenn man so will. Andererseits sagen uns die Fans, dass man die Band bei aller Vielfalt immer erkennen und raushören kann. Das ist ein großes Kompliment! Man hat schon seine eigene Handschrift. Das ist auch ganz wichtig! Es gibt jedenfalls keine Checkliste, wo draufsteht, was wir schon alles gemacht haben und was nicht. Du hattest die Sache mit Orchester angesprochen. Mit Orchester haben wir im Studio aufgenommen, aber tatsächlich noch nicht live on stage mit Orchester performt. Das waren ja Peavy mit Rage und Orchester. Atrocity waren zusammen mit Rage auf deren Orchester Tour. Vielleicht hast Du das dadurch noch dunkel abgespeichert. Ist nicht tragisch. Wir hatten Angebote dafür, Konzerte mit Orchester zu machen, sogar für beide Bands Atrocity und Leaves' Eyes. Aber dafür muss wirklich alles passen, und mit all dem organisatorischem Aufwand Hand und Fuß haben. Und da wir ja immer mit zwei Bands unterwegs sind, ist der passende Zeitpunkt dafür natürlich eine entscheidende Frage. Wie gesagt, es muss schon alles passen, damit es top umgesetzt wird. Es ist da noch nicht das letzte Wort gesprochen! Mit dieser Band ist ja nichts unmöglich. Wer weiß? Vielleicht machen wir irgendwann mal so etwas in der Art. Im Moment machen wir die „Okkult“-Trilogie. Da hängt sehr viel Herzblut von mir drin. Da ist Atrocity natürlich von der sehr harten Seite zu hören und unsere Death Metal-Roots, die wir ja immer beibehalten haben. Das ist eine Herzensangelegenheit für mich! Und auch diese Verantwortung zu tragen, da wir schon immer international die Fahne für Deutschland im extremen Sektor hochgehalten haben. Viele internationale Bands wiederum – das weiß man auch – wären nicht so erfolgreich, wenn sie ihre deutschen Fans nicht hätten. Die deutsche Metal-Szene ist für diese Musik sehr wichtig. Das ist definitiv so! Es gibt viele deutsche Bands, die wichtige Vorarbeit geleistet haben. Und damit meine ich jetzt nicht nur Atrocity oder so! Das Ganze muss ja auch bewahrt werden! Ich werde jetzt nichts machen wollen, wo wir dann sagen, ´Okay, das hätten wir uns jetzt irgendwie schenken können´, oder wie auch immer. Auch wenn bestimmt nicht jedem jede Platte von uns gefällt, was völlig in Ordnung ist! Geschmäcker sind verschieden, und unsere Fans haben oftmals ganz unterschiedliche Meinungen oder Favoriten, was sehr spannend ist. Normalerweise sagt man ja meistens über eine Band, ´Die Scheibe ist der Klassiker!´, oder ´Das ist der beste Song, den die jemals geschrieben haben!´ Du weißt schon, was ich meine, oder? Dieses „Problem“ haben wir mit Atrocity – zum Glück! – nicht. Wahrscheinlich, weil wir uns auf die Fahne geschrieben haben, stets musikalisch etwas Frisches zu bringen und etwas Neues zu machen. Auch wenn es auch mal etwas länger dauern kann zwischen den Alben, haha. Wir sind ja normalerweise auch viel live in der Weltgeschichte unterwegs. Das ist zwar momentan wegen Corona nicht möglich, dafür haben wir mit Leaves´ Eyes die neue Platte „The Last Viking“ während des ersten Lockdowns abgeschlossen und veröffentlicht. Nun werden wir mit Atrocity genauso weiter machen! Das hat in dieser verrückten Situation wenigstens etwas Positives für sich. Und um es auf den Punkt zu bringen: Ich denke, es fällt uns immer wieder etwas ein. Da ist gewiss kein Ende der Fahnenstange erreicht haha. Das ist auch nichts Erzwungenes, sondern das ist ein innerer kreativer Antrieb. Ich kann das gar nicht anders beschreiben! Für mich macht es jetzt auch keinen Unterschied, wie lange es die Band gibt oder was man schon gemacht hat. Wichtig ist für mich immer wieder, dass man Bock hat, etwas Neues zu schreiben! Viele haben uns gefragt, ob wir mal wieder etwas wie „Werk 80“ machen werden, einen dritten Teil. Wenn wir Bock drauf haben, dann werden wir das tun. Dann hat es halt wieder zehn Jahre gedauert oder was weiß ich, wie lange, haha! Ich will mich da nicht einengen lassen. Das gleiche gilt übrigens, wenn wir an der dritten „Okkult“ arbeiten. Das ist ja definitiv das nächste, was von uns kommen wird! Da nehmen wir uns auch alle Freiheiten. Da kann es dann auch mal einen Song geben, der 350 BPM hat, haha! Am Schönsten sind natürlich die Dinge, die gleichzeitig Spaß machen und die Band musikalisch weiter nach vorne bringen! Verrückte Ideen sind cool, wenn der Song am Ende geil ist. Ich halte nichts davon, wenn man ausschliesslich technische Musik macht, wo alles nur noch Trockenübung ist und keine Songs mehr. Interessanterweise sagen uns z.B. viele der US- Bands, dass wir mit Atrocity einmalig sind, und sie einen Höllenrespekt vor unserer Arbeit haben. Und was wir von Beginn an geleistet haben. Viele Bands, mit denen wir damals in den 90'ern schon unterwegs waren, Obituary, Deicide oder wer auch immer, die haben das nicht vergessen! Wenn man sich über den Weg läuft, werden die alten Stories ausgepackt haha. Das war eine tolle Zeit. Das hat uns alle gleichermaßen geprägt. Das ist gut so und wird auch niemals von uns abfallen! Das ist wie ein heiliger Gral in einem drin. Das ist definitiv etwas, was wir uns nicht wegnehmen lassen wollen. Und es macht uns auch weiterhin Spaß, diese Art von Musik zu spielen. Also, ein geiles Death Metal-Album zu machen, da sind die Ansprüche für mich selbst extrem hoch!

Daniel: Für mich war „Okkult II“ das Album des Jahres 2018! Es war eine Rückbesinnung zum alten Sound, stand aber dennoch mit beiden Beinen in der Gegenwart und enthielt sogar Chöre, wie man sie von Leaves´ Eyes her kennt. War es ein bewusster Schritt, mal ein Atrocity-Album zu machen, das alle möglichen Fan-Lager anspricht? Oder hat sich das eher zufällig ergeben?

Alex: Ja super, haha! Also, ich freue mich tierisch, dass es Dein Album des Jahres wurde! Aber ein Kompromiss-Album wäre für mich – schon von der Herangehensweise – ohnehin ganz schlimm, haha! Wenn ich etwas machen möchte, muss es Hand und Fuß haben, und nicht aus irgendeinem anderem Grund passieren… Wir wollten auf „Okkult II“ eine morbide Horror-Movie-Stimmung erzeugen. Beim ersten „Okkult“-Album war es auch schon ein wenig so. Und wenn man jetzt in der Kiste kramt, bei „Todessehnsucht“ waren ja auch schon ein paar Chöre drin. Da gab es Leaves´ Eyes noch lange nicht, haha! Ohne die Atrocity-History hätte es Leaves´ Eyes niemals gegeben! Die ganze Vorgeschichte war eigentlich der Wegbereiter dafür, dass es diese Band überhaupt gibt. Und ich kann mich sehr wohl erinnern, Anfang der Neunziger Jahre hatte ich ja noch Corpus Christi, also eine andere Band, wo ich Schlagzeug gespielt hatte und Sänger war. Wir hatten sogar einen Videoclip gemacht, und Century Media wollten uns damals unter Vertrag nehmen! Damals habe ich noch gemeint, ´Oh, zwei Bands! Ich weiß gar nicht, ob ich so etwas machen möchte - mit zwei Bands unterwegs zu sein!´, und hatte dies quasi ausgeschlagen. Die Zeit zeigt es dann doch ein bisschen anders, weil ich mir damals auch irgendwie gedacht hatte, wenn man zweigleisig fährt, nimmt man sich dabei etwas. Dem ist aber gar nicht so.

atrocity leaves eyesDaniel: Wenn Du Songs schreibst, wovon machst Du abhängig, was Du gerade für Atrocity und was für Leaves´ Eyes schreibst? 

Alex: Für mich ist ganz klar, wenn wir Songs für Atrocity schreiben, dann ist das auch nur für Atrocity. Das kann gar nicht anders funktionieren. Und bei Leaves´ Eyes ist es exakt dasselbe. Die Bands sind so wie Ying und Yang. Das gleicht sich ganz gut aus. Da ist tatsächlich die Stimmung entscheidend. Das Gute ist, dass wir das Songwriting abwechselnd machen. Nur ganz am Anfang von Leaves´ Eyes hatten wir parallel auch von Atrocity „Atlantis“ geschrieben, aber trotzdem waren es dann zwei Paar Schuhe. Es ist schwer zu erklären, aber es ist vielleicht, wie wenn man eine bestimmte Sportart betreibt. So kann man sich das in etwa vorstellen. Hast Du Bock auf Fußball, spielst Du Fußball. Spielst Du Handball, dann weißt Du, Du musst etwas anderes machen. Es ist vielleicht ein etwas hinkender Vergleich mit Musik und Sport, haha. Man kann so versuchen, es damit ein bisschen zu veranschaulichen. Apropos, ich bin ja noch als ein leidenschaftlicher Schwertkämpfer in der Wikinger-Szene unterwegs. Und das geht schon einher mit Leaves´ Eyes und der Nordischen Mythologie und Geschichte. Auf der neuen „Viking Spirit“-Filmdokumentation kann man sich das anschauen. Bei Atrocity ist es dann schon eher die dunkle Seite, die da zum Vorschein kommt, haha!

Daniel: Deine Texte sind meistens Englisch, manchmal aber auch auf Deutsch verfasst. Wovon machst Du die Sprachauswahl abhängig?

Alex: Das ist für mich tatsächlich eine Gefühlssache. Als wir zum Beispiel an „Menschenschlachthaus“ gearbeitet haben, war für mich ganz klar, dass der Song genauso werden wird, wie er letztendlich geworden ist. Das passt wie Faust aufs Auge. Ich denke, für manche musikalischen Ideen sind deutsche Texte einfach geil und passen besser! Es ist wirklich stimmungsabhängig. Für uns ist das unglaublich cool, dass wir diese Möglichkeit haben, uns in mehreren Sprachen auszudrücken, während englische und amerikanische Bands vielleicht nur mit einer Sprache arbeiten, weil es halt auch so Gang und Gäbe ist. Englisch ist natürlich international. Und wir hatten leider auch Schwierigkeiten am Anfang – ohne Rammstein – mit deutschen Texten zu hantieren. Uns wurden da zum Teil echt dumme Fragen in der Presse gestellt. Es wurde teilweise versucht, uns als „teutonisch“ abzustempeln, und es gab mancherorts einfach Unverständnis zu Texten in deutscher Sprache. Heutzutage gibt es das so extrem nicht mehr, vor allem, weil z. B. ja auch viele skandinavische Bands in ihrer Landessprache singen oder auch andere Bands auf dem Erdball, wo spanische und südamerikanische Bands auf Spanisch singen und da eine ganz eigene Nische haben. Oder in Japan, wo viele Metal-Bands auf Japanisch singen, und das dort ganz normal ist. Ja, mit dem Deutschen war das am Anfang nicht ganz so einfach, haha! Man weiß ja bekanntlich, warum. Ich sage ganz ehrlich: Ich finde, dass die deutsche Sprache ein sehr geiles Potenzial hat mit seinem harten Ton und auch von der Lyrik her sehr gut zu harter Musik passt. Deutsch ist an sich eine wunderschöne Sprache. Leider gab es in der Vergangenheit mal jemanden, der damit Schindluder getrieben hat, so dass einige Leute das dann schnell falsch verstehen können. Das ist leider manchmal ein zweischneidiges Schwert. Wenn wir aber in Mexiko spielen oder in Russland, kommen die Leute zu mir und erzählen mir dann, dass sie wegen der Texte Deutsch lernen möchten oder die Sprache schon erlernt haben! Anfangs um unsere Texte zu verstehen, und dann finden sie dabei Gefallen, die Sprache richtig zu lernen. Also, das ist schon geil! Das finde ich super! Das bestätigt einen dann auch, dass Leute von ganz woanders her – quasi am anderen Ende der Welt - sich wirklich damit beschäftigen, was man als Künstler macht. Das ist schon cool!

Daniel: Kommen wir auch mal zu Leaves´ Eyes, die Du ja seit 2003 mit Atrocity als komplette Backing Band betreibst. Wie kam es damals zu der Gründung?

Alex: Ja, da spielt wie gesagt Atrocity mit Sicherheit eine ganz wichtige Rolle. Wir hatten zu der Zeit die „Werk 80“-Sachen noch gespielt und viele Sachen gemacht, wo Liv als Gastsängerin mit auf der Bühne dabei war. Und irgendwann haben wir dann gesagt, wir würden gerne eine Band machen mit Nordischer Mythologie und Frauenstimme, also wo sie nicht nur als Gast bei uns fungiert, oder so wie z. B. bei Atrocity featuring Yasmin als Projekt, sondern wirklich eine neue Band zu gründen. Und so ist es quasi entstanden, tatsächlich bei einem Waldspaziergang, wo ich Liv dann gefragt habe, ´Studium fertig, Band in Norwegen… Es wäre doch cool, wenn wir eine Band zusammen machen würden.´ Wir hatten dann die anderen Atrocity-Jungs gefragt. Das war in der Zeit, als wir das Mastersound Studio vergrößert und neu aufgebaut hatten. Damit gab es auch mehr kreativen Freiraum. Mit der Band-Idee rannten wir offene Türen ein, denn alle anderen waren sofort mit dabei.

Daniel: Und ist für Dich aus diesem Projekt im Laufe der Jahre eine richtige Band geworden? Oder ist Atrocity immer noch Deine Haupt-Band?

Alex: Ja genau! Das ist tatsächlich so eine Sache, wo ich noch genau weiß, dass wir da am Anfang noch ein bisschen mit zu kämpfen hatten, weil viele halt gedacht haben, das ist jetzt ein weiteres Atrocity-Projekt mit Liv Kristine. Und dann mussten wir dies wirklich immer wieder in den Interviews klarstellen, dass Leaves' Eyes eine Band ist und nicht als Projekt gemeint ist. Wir sind zwar die gleichen Mitglieder, bloß mit weiblicher Stimme dazu, aber wir sehen es als eine eigenständige Band an. Wir haben das auch immer so gehandhabt; getrennt von Atrocity. Du kannst es ein zweites Standbein nennen. Es ist einfach eine zweite Band, so sehe ich das. Ich werde tatsächlich oft gefragt, welches meine favorisierte Band sei und so weiter. Das ist immer ganz schwierig zu beantworten. Wenn man selbst Kinder hat, dann weiß man das wahrscheinlich, hehe! Du magst weder das eine oder andere Kind lieber als das andere – sondern Du magst all Deine Kinder gleichermaßen. Bei Leaves´ Eyes stecke ich wie bei Atrocity auch immer alles rein, was geht: Produktion, Texte, die ganzen Gesangsmelodien usw. Es ist für uns Musiker eine sehr gute Möglichkeit, durch beide Bands in einem ganz breit gefächertem Spektrum zu arbeiten, mit verschiedenen Ansätzen der Musik. Man spürt genau, was wo hingehört und macht ehrliche, authentische Musik in zwei verschiedenen Welten. Das ist ein großer Gewinn für einen Künstler. Und wenn man bei so etwas wie „Werk 80“ von einem Projekt-Album spricht, ist das im Übrigen nicht im negativen Sinne gemeint, sondern einfach deswegen, weil man sagt, wir machen da mal etwas anderes mit Atrocity. Allerdings für etwa eine gecastete, künstliche Rock- oder Metal-Band könnte ich mich überhaupt nicht begeistern. Wenn mich jemand als Musikproduzent im Mastersound Studio fragt, ob ich bei einem interessanten Studioprojekt mitwirken und etwas aufnehmen möchte, ist das zum Beispiel etwas völlig anderes. Dann höre ich mir das natürlich an, und man kann etwas Tolles zusammen kreieren. Musik aus Leidenschaft mit Freunden oder kreativem Antrieb als Künstler zu machen, steht da für mich auf einem ganz anderen Blatt als ein Casting Act.

atrocity leaves eyesDaniel: Womit hängt es zusammen, dass beide Bands quasi identisch von der Besetzung her sind? Ist das Bequemlichkeit, um besser organisieren und alles unter einen Hut bringen zu können?

Alex: Ja, vom Gedankengang her ist das natürlich ein praktikabler Ansatz. Am Anfang hatten wir uns darüber aber keine Gedanken gemacht, muss ich sagen. Wenn nicht alle Atrocty-Jungs mitgemacht hätten, dann wären wahrscheinlich andere befreundete Musiker an Bord gekommen. Zwischenzeitlich war es mal so, dass wir mit unterschiedlichen Schlagzeugern oder verschiedenen Bassisten gearbeitet hatten, um das ein wenig mehr zu trennen, vor allem aus zeittechnischen Gründen. Mittlerweile hat es sich jedoch wieder so ergeben, dass es quasi dasselbe Line-Up ist. Wir besprechen alles gemeinsam, alle können mitmachen, und das geschieht auf ganz natürliche Weise. Es war also nie ein Muss, dass man unbedingt bei beiden Bands mitspielt. In der Zeit als wir mal zwei verschiedene Schlagzeuger in den Bands hatten, meinte unser Atrocity-Drummer Joris damals, er würde eigentlich gerne in beiden Bands spielen. Und falls es aus organisatorischen Gründen nötig wäre, dass jemand mal bei Leaves' Eyes einspringen müsste, dann würde er das sofort machen. Joris hat sich alle Sachen draufgeschafft, und irgendwann war es tatsächlich soweit! Da waren wir richtig froh, vor allem, weil Joris auch noch die Leaves' Eyes-Songs mega gespielt hat! Joris ist seitdem ein fester Bestandteil bei beiden Bands. Und man muss wirklich sagen, es ist gar nicht mal so einfach, gerade für einen Drummer. Für beide Bands wird grundlegend etwas Unterschiedliches abverlangt. Wenn wir mal spezifisch über das Schlagzeug sprechen: Der Schlagzeuger muss bei Leaves' Eyes richtig grooven, und eben auch die ganz extrem schnellen Sachen bei Atrocity spielen können! Und wer sich damit ein wenig auskennt, der weiß, es ist nicht unbedingt selbstverständlich, dass ein Schlagzeuger beides gleichermaßen gut beherrscht. Unser Joris ist top!

Daniel: Ich dachte früher immer, dass Leaves´ Eyes das Soloprojekt von Liv Kristine Espenæs war. Ich hatte „Leaves´“ und „Liv´s“ immer für ein Wortspiel gehalten. War es für Dich von Anfang an klar, dass es nach der Trennung von ihr im Jahr 2016 trotzdem mit der Band irgendwie weitergehen würde?

Alex: Auf alle Fälle! Wir haben das nie so gesehen. Liv hatte ja schon ihr Soloprojekt Liv Kristine lange vor Leaves´ Eyes gehabt. Das hätte doch überhaupt keinen Sinn gemacht. Klar, wir hatten natürlich eine Frontfrau, die im Vordergrund steht und die Interviews gibt, aber mir war das eigentlich auch ganz recht so, weil ich ja als Atrocity-Frontmann mit der Pressearbeit auch schon betucht war und alle Hände voll zu tun habe mit allerlei anderen Angelegenheiten beider Bands. Und nochmals: Leaves´ Eyes war nie nur ein Projekt und auch kein Soloprojekt von Liv Kristine oder sonst irgendwem.

Daniel: Wie seid Ihr auf Elina Siirala von Angel Nation gekommen, die ja in Finnland lebt? Kommt es da überhaupt zu regelmäßigen Proben? Oder schickt Ihr Euch nur Dateien hin und her?

Alex: Elina hat damals in London gewohnt und hatte insgesamt zehn Jahre in England gelebt. Mittlerweile wohnt Elina in Regensburg und lebt seit über zwei Jahren in Deutschland. Jetzt ist sie auch schon fast fünf Jahre in der Band. Regensburg ist von uns zwar schon ein Stückchen weg, aber Elina kommt dann wie auch Joris, sobald etwas ansteht, in unser Mastersound Headquarter bei Ludwigsburg. Wir anderen wohnen ja um die Ecke vom Mastersound Studio. Elina hat ihre musikalischen Wurzeln im klassischen Bereich, hat aber in England weitere Musikstilen studiert, und ist eine professionell ausgebildete Sängerin. In London hat sie auch ihre Metal-Band Angel Nation gegründet und diese schon einige Jahre am Start. Und so haben wir sie eigentlich auch kennengelernt. Wir hatten auf dem Dames Of Darkness Festival in England gespielt, und Elina war mit Angel Nation auch dabei. Außerdem waren Angel Nation Support-Band bei einer Show von Leaves´ Eyes in London, als wir in England getourt hatten. Als es Anfang 2016 zum Split mit Liv und Leaves' Eyes gekommen ist, und wir eine neue Sängerin für die Band gesucht haben, dann war das sozusagen der erste Blitzgedanke, Elina zu fragen. Wir hatten in Erinnerung, dass Elina bei den Shows sehr gut gesungen und eine tolle Performance geliefert hatte usw. Also fragten wir sie einfach mal, ob sie Lust dazu hätte, bei uns mit zu machen, und wir schauen, ob es funktionieren kann. Und da Elina eine absolute Vollblutmusikerin ist, hatte ihr diese neue Herausforderung gleich gefallen, und sie hat gesagt, sie würde es gerne machen. Das war alles sehr kurzfristig und für uns allesamt ein großer Glücksfall, dass es mit Elina sowohl musikalisch als auch menschlich so wunderbar geklappt hat! Elina hat sogleich die Herzen der Fans auf unseren Touren im Sturm erobert. Mittlerweile haben wir zusammen mit Elina tolle Alben, EPs, Singles und Videos aufgenommen. Für viele Fans ist das neue Album „The Last Viking“ sogar das beste Werk von Leaves' Eyes überhaupt! Die Zusammenarbeit ist wirklich exzellent!

Daniel: Atrocity haben an sich nie „zweimal das gleiche Album gemacht“. Wenn Du auf Deine komplette Diskographie zurückblickst, gibt es dann ein Album, auf das Du besonders stolz bist oder vielleicht auch eins, das Du heute gar nicht mehr magst?

Alex: Haha, knifflige Frage! Aber so ähnlich hatte ich es ja vorher schon gesagt, der Vergleich mit den eigenen Kindern. Stolz ist vielleicht nicht das 100% richtige Wort, obwohl man natürlich sehr stolz auf das ist, was man erreicht hat. So eine Art von innerer Zufriedenheit und Erfüllung, wenn man diesen Metal-Lifestyle komplett lebt und dann etwas gemacht hat für die Ewigkeit, umschreibt es ganz gut. Das hätten wir uns nie erträumen lassen, dass wir in so vielen anderen Ländern und Kontinenten spielen würden und Fans auf der ganzen Welt haben. Das ist natürlich schon irre; vor allem als deutsche Band. Das muss man ganz klar sagen! Nicht jeder deutschen Band ist es vergönnt, dass man weltweit touren kann und sich in der Szene in seiner Nische etabliert hat. Und damit meine ich jetzt nicht, dass wir auf dem Niveau sind, Fotostars zu sein oder so etwas! Das ist überhaupt nicht so! Einfach, dass man seine Duftmarke hinterlassen hat. Bei dem Feedback der Fans geht es nicht nur um ein bestimmtes Album, sondern einfach um dieses Gesamtding. Wir haben zum Beispiel in Guatemala und in El Salvador gespielt. Da kamen Leute, die wirklich von Anfang an Fans sind, die Tränen in den Augen haben und es nicht für möglich gehalten hätten, dass wir mal bei ihnen in ihrem Land spielen und sie uns treffen würden! Auch in Japan war das so, als wir mit Leaves´ Eyes dort zuletzt gespielt haben; das waren zum Teil auch Death Metal-Fans, die dorthin gekommen sind. Und die Veranstalter meinten sogleich: ´Aber mit Atrocity müsst Ihr auch so schnell wie möglich wieder zurückkommen!´ Überhaupt die vielen Fans in ganz Asien, Nord- und Südamerika und in fernen Ländern, das bedeutet mir als Musiker schon viel, muss ich sagen. Die Gesten und die Wertschätzungen, die man dann erfährt, sind etwas ganz Besonderes. Da muss man sich nichts darauf einbilden oder denken, man ist ein toller Held oder so etwas, sondern es ist einfach schön zu sehen, dass es Leute gibt, die die Musik und die Emotionen, die Du freisetzt, für sich auch so empfinden. Das ist sehr cool! Und mit den Platten: Ja natürlich! Mit dem Debüt-Album „Hallucinations“ und einem Giger-Cover, das war natürlich geil! Wir hatten ja 2019 als Single auch „Blue Blood“ von 1989 noch einmal neu aufgenommen – zum zweiten Mal haha! 1996 hatten wir das auch schon einmal gemacht. Die Single finde ich richtig geil, weil sie die Anfangstage sehr schön widerspiegelt, und weil die Songs immer noch richtig cool sind, auch nach so langer Zeit. Das sind immer noch geile Death Metal-Songs! Das spricht auch irgendwie für sich! Auch wenn Du Musiker-Kollegen hörst! Wir haben mal Slipknot Backstage getroffen. Der Mick hat mir dann Riffs von der „Todessehnsucht“ um die Ohren gehauen. Und er sagte auch, der Text von „Necropolis“ wäre genial. Da hätte er sich viele Gedanken drüber gemacht. Oder der Joey, der damals noch Slipknot-Drummer war, hatte wohl ein Tape gehabt mit den ersten beiden Platten, also „Hallucinations“ und „Todessehnsucht“, und hat die Songs immer mitgespielt, bis die Tapes ausgeleiert waren, haha! Solche Sachen sind natürlich Dinge, die bleiben im Gedächtnis hängen! Und schön ist natürlich auch, dass man Massen bewegen konnte, etwas anstoßen konnte, gerade so Pionierwerke oder das „Blut“-Album und die vielen außergewöhnlichen Sachen wie „Werk 80“, die wir in unserer Karriere gemacht haben. Die „Okkult II“, finde ich, ist eine richtig geile Scheibe! Die würde ich ebenso ganz nach oben stellen bei uns. Ich bin ja selber sozusagen auch ein Fan unserer Musik, logischerweise - aber genauso mein eigener größter Kritiker. Das bedeutet, man muss sich ja selbst immer wieder zufrieden stellen, haha! Es muss erstmal uns als Band gefallen, bevor wir was rausbringen. Und da muss ich sagen, strengt man sich besonders an, dass man nach all den Jahren diese hohen Ansprüche erfüllt. Also, es macht uns jedenfalls tierisch Spaß. Und etwas alleinig hervorzuheben, fällt mir extrem schwer. Und wie Du sagtest, „eine Platte, die man nicht so mag“, mein Gott, es gibt bestimmt bei jeder Band auch mal so Sachen, wo man hinterher sagt, hier und da hätte man etwas besser machen können, oder was weiß ich… Na klar ist das so. Wir geben aber immer unser Bestes. Da gibt es genügend Dinge, auch Geschehnisse aus dem Studio oder irgendwas, die uns eben passiert sind oder anders gelaufen sind als geplant. Also, eine der schwierigsten Sessions, die wir jemals hatten, war mit Sicherheit die „Blut“-Platte, weil vor dem Mix des Albums der Termin für das Studio ausgefallen ist. Der Typ, dem das Studio gehört hatte, war einfach weg - auf Tour mit den Fantastischen Vier verschollen. Und so mussten wir woanders hin. Wir haben dann in zwei verschiedenen Studios das „Blut“- Album gemischt, nicht gerade optimal. Anfang der Neunziger hatten wir noch kein eigenes Studio, haha. Aber am Ende interessiert es keine Sau mehr, haha! Wir hatten die Situation so angenommen, und hier und da haben wir dann etwas anders gemacht als geplant und das Beste daraus gemacht! Die Platte wurde jedenfalls ein großer Erfolg. Das „Calling The Rain“ Mini-Album ist auch so eine Geschichte! Das weiß ich noch ganz genau! Da hatte am Anfang keiner so richtig daran geglaubt, dass es gut laufen würde, wenn wir ein Mini-Album mit akustischen Sachen herausbringen würden. Da waren ja kaum Stromgitarren dabei, sondern es war alles eher akustisch und atmosphärisch usw. Im Prinzip hatten wir dafür kaum Budget bekommen. Also haben wir mit dem Studio einen Special Deal ausgehandelt, dass ich nachts kommen darf, wenn keiner mehr dort im Studio arbeitet, und ich dann meinen Kram aufnehmen und mischen kann usw. Und morgens, wenn die Studioleute wieder kamen, bin ich zum Label gefahren und habe dort weiter gearbeitet. Das machte ich drei Tage, und dann hatte ich meinen ersten Hörsturz oder so. Das sind verrückte Sachen, die bleiben einem in Erinnerung. Und unfassbarer Weise hat sich das Album dann zwanzig-, dreißig-, vierzigfach mehr verkauft, als man vorher erwartet hatte. Dann hätte ich das Album auch anders machen können; also vom Budget her, haha! Aber da war uns Geld echt scheißegal! Wir hatten immer den Antrieb, das durchzuziehen, was uns in den Sinn kommt. Wir glauben dran! Wir machen das!

atrocityDaniel: Du bist das einzige noch verbliebene Urmitglied von Atrocity! Warum handelt es sich – trotz der vielen Stil- und Besetzungswechsel – für Dich bei Atrocity immer noch um dieselbe Band?

Alex: Haha! Ja, das ist schon echt eine gute Frage! Ja, ganz einfach: Weil ich glaube, dass die Seele, der Spirit in der Band und der Antrieb, das Kreative immer noch dasselbe sind, nur in der heutigen Zeit. Und dass das Erbe der Band immer mitgetragen wird. Letztes Jahr traf ich viele Leute und alte Weggefährten in der Rockfabrik Ludwigsburg, bevor sie leider geschlossen wurde. Da waren dort zum Abschied der Rofa auch der Matze oder Migge, unsere früheren Mitmusiker. Die Jungs sind irgendwie immer noch die alten Atrocity-Boys und alten Mitstreiter. Das ist schwierig zu beschreiben. Auch wenn sie eigentlich seit Jahren nicht mehr dabei sind. Oder René war auch da, er war vom Start der Band bis zu der „Blue Blood“ Single fünf Jahre bei Atrocity, aber beim ersten Album „Hallucinations“ nicht mehr. Er fiebert genauso noch mit und ist ganz stolz auf unsere Shows und findet das geil, wie wir das noch weiter gemacht und konsequent durchgezogen haben. Das bedeutet einem selbst natürlich auch sehr viel! Das ist einfach langjährige Freundschaft und Verbundenheit.

Daniel: Nochmal kurz zu Dir: Du arbeitest ja auch als Produzent. Du hast zum Beispiel „Lucifer Incestus“ von Belphegor, „New Morning“ von Rostok Vampires und die beiden Bloodred-Alben produziert und Alben von Sinister, Catamenia, Solitude Aeturnus, Doro oder Heavenwood gemastert. Wie bist Du dazu gekommen? Hast Du Dir Studiotechnik selbst angeeignet oder das richtig gelernt?

Alex: Tatsächlich beides, mehr oder weniger! Natürlich hatten wir ganz am Anfang das Problem, dass es kaum jemanden gab, der so einen Sound gemacht hat, wie wir uns ihn vorgestellt hatten. Wir haben das Debüt-Album deswegen in Florida im Morrissound Studio gemacht. Das Atrocity-Demo zur „Todessehnsucht“ und die erste Sinister-Platte, „Cross The Styx“, hatte ich dann schon produziert. Da wir mit Atrocity seit Mitte der Achtziger unterwegs waren, hatten wir schon einige Studio-Erfahrungen gesammelt. Wir haben dann auch die „Todessehnsucht“ (1992) in Eigenregie produziert. Das war schon ein ganz schöner Brocken, muss ich sagen. Wir hatten nicht die technischen Hilfsmittel, die man heute alle so hat. Das war schon eine Herausforderung! Aber es war dafür etwas ganz eigenes, schwer mit anderen Produktionen zu vergleichen. Das klang nicht wie das Morrissound oder so. Da hat man dann auch gesehen, das ist jetzt diese deutsche Atrocity-Produktion, dunkel und düster. Und das hatten mir auch die Slipknot-Jungs erzählt, dass sie das richtig cool fanden! Die haben uns auch gefragt, welchen Gitarren-Amp wir benutzt hätten, haha! Ich habe zu dieser Zeit auch einige Demo-Bands produziert. Und es gab zum Beispiel ein Benefiz-Projekt mit dem Sampler „Thrash The Wall“ von Roadrunner Records, wo Bands aus Ostdeutschland nach dem Mauerfall unterstützt wurden. Ich habe dann die vier Gewinner in Berlin im Vielklang Studio produziert. Ich hatte also in dieser Richtung schon viel gemacht, und gleichzeitig bei der S.A.E. in München Tontechnik studiert. Als ich dann bei Massacre Records als Promoter, Marketing Head Of und A&R angefangen habe, gab es da einen schönen Kompromiss wegen des Tontechnik-Studiums. Ich konnte dort ein kleines Mastering Studio aufbauen, was ich dann bei mir zu Hause im Laufe der Jahre ausgebaut hatte. Dann haben sie damals gesagt, ich soll aufhören mit dieser Studiererei und lieber beim Label Geld verdienen, haha! Und mit Atrocity war ich bei allen folgenden Produktionen voll involviert, und wir haben tatsächlich einen eigenständigen Sound kreiert. Und so konnte ich dabei wahrscheinlich meinen Stempel hinterlassen, und wurde immer wieder von anderen Bands angesprochen, ob ich ihre Truppe auch produzieren könnte. In meiner Zeit bei Massacre Records, habe ich auch einige Bands im Studio begleitet, war in New York, Helsinki oder in den Sunlight Studios in Stockholm und weiß der Geier wo und habe mit vielen anderen Künstlern gearbeitet und viele tolle Erfahrungen machen können. Ein reines Studium hätte das allein nicht hergegeben. Es hat sich letztendlich vieles sehr gut zusammengefügt. Zu der Produzententätigkeit habe ich mich, wie gesagt, auch ein wenig auf Masterings spezialisiert, weil so ein Feinschliff bei einer Platte doch einiges bewirken kann. Schlussendlich habe ich mich dann selbstständig gemacht. Das war Ende der Neunziger/Anfang der Zweitausender. Da bin ich das Mastersound Studio seriös angegangen.

Daniel: Wie kann man mit Dir Kontakt aufnehmen, wenn man bei Dir aufnehmen will?

Alex: Ganz normal über die Homepage www.mastersoundstudio.de . Am besten per E-Mail einfach anschreiben und mich kontakten. Was ganz wichtig ist: Ich plane halt immer sehr weit im Voraus. Ich habe neulich eine amerikanische Band im Studio gehabt, Catalyst Crime. Da ist neben der talentierten Sängerin Zoe aus Arizona, auch Gerrit Lamm, der Drummer von Xandria dabei, kanadische Leute und Amerikaner. Ich bin offen für alles: Album-Produktionen, Studioprojekte, die anstehen oder musikalische Ideen, die jemand umsetzen möchte. Ich arbeite mittlerweile auch als Video-Produzent und mache Videoclips oder Dokus. Das ist nochmal eine ganz andere Nummer.

Daniel: Was steht in Zukunft bei Atrocity und Leaves´ Eyes an? Was kommt da noch alles auf uns zu?

Alex: Ja, alles, was uns an Verrücktheiten so einfällt, haha! Nein, mal im Ernst: Also, die „Okkult III“ wird der nächste Schritt sein. Ich denke mal, dass wir eine Single vorne wegschicken werden, wie wir es auch bei der „Okkult II“ gemacht haben. So etwas in der Richtung könnte ich mir vorstellen. Und dann mal sehen. So ein paar coole Ideen haben wir da noch auf Lager.

Daniel: Wo Du das gerade sagst mit der Single, die vorab kam: Die gab es ja auch auf Vinyl, hatte aber zwei Songs weniger als die CD-Version, was für Sammler natürlich sehr ärgerlich ist…

Alex: Ach ja! Das wurde aber später wieder korrigiert, soweit ich weiß…

Daniel: Nein, auf der 7“ waren nur „Masters Of Darkness“ und „Menschenschlachthaus“. Auf der CD waren noch „Gates To Oblivion“ und „Devil´s Covenant“ mit drauf.

Alex: Stimmt, sorry! Das war bei der Vier-Track-EP, da gab es so eine „Mauritius“-Edition mit zwei Tracks, und das wurde dann korrigiert, und die 7“ Vinyl hatte ohnehin nur zwei Tracks. Ich weiß selbst auch nicht immer alles auswendig, haha!

atrocityDaniel: Na gut, Alex! Dann gebührt Dir noch das Schlusswort!

Alex: Ja, sehr gerne. Weil ja im Moment jeder davon spricht und es natürlich auch uns alle betrifft: Ich hoffe, wir werden allesamt möglichst unbeschadet durch diese verrückten Covid-19 Zeiten kommen! Es hat sich ja leider herausgestellt, dass ganz viele abstruse Geschichten entstanden sind. Es gibt eine Pandemie, es gibt einen Virus. Und dann dreht die ganze Welt durch. Ich denke, die Metal-Fans und wir alle sind natürlich ganz stark davon betroffen, weil uns in dieser Situation die Hände gebunden sind; egal, wie man das alles einschätzen möchte. Und jeder hat seine eigene Meinung. Für uns ist es natürlich wichtig, dass sich die ganze Club- und Live-Situation bald wieder normalisieren kann, dass die Leute trotz der schwierigen Situation bis dahin zusammenhalten in dieser Zeit und sich jetzt nicht die Köpfe einschlagen wegen unterschiedlicher Meinungen. Es ist kein Platz für Populismus, politische Verrücktheiten oder Faschismus. Es ist wichtig für unsere Gesellschaft, dass wir uns das erhalten, was wir sind – eine tolerante Gesellschaft zu sein! Ein Virus sollte uns nicht ins Negative verändern. Das wird den Verstorbenen überhaupt nicht gerecht! Und doch wird es irgendwie weitergehen! Man hat schon manches in dieser Welt erlebt. Ich hoffe, dass die Clubs und die Festivals und alles, was uns Spaß macht und uns Freude bereitet, bald weitergehen können. Ich hoffe, dass da bald irgendwas passiert, dass wir alle bald wieder zusammenkommen! Und hoffentlich, habe ich Dir Deine Fragen zu Deiner vollsten Zufriedenheit beantwortet, Danke für das Interview!

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https://www.leaveseyes.de/

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Autor: Daniel Müller