CRYSTAL VIPER - Düsterer, härter, mysteriöser und brutaler


Crystal Viper aus Polen haben mit "Crimen Excepta" ein neues Album am Start, das von vorne bis hinten knallt. Es handelt sich um ein Konzeptalbum über die Inquisition. Die Musik ist sehr viel schneller und Marta Gabriels Gesang viel aggressiver ausgefallen; definitiv eine der absoluten Highlights in diesem Jahr! Grund genug also, um die Sängerin, mal wieder persönlich anzuschreiben und sie aus dem Nähkästchen plaudern zu lassen.

CRYSTAL VIPER logo INTI 2012Daniel: Hallo Marta! Lass uns mal mit dem neuen Album "Crimen Excepta" loslegen, OK? Es ist viel härter und schneller ausgefallen als alle seine Vorgänger. War das von Anfang an so geplant?

Marta:  Unser neues Album ist anders als unsere Vorgänger. Es ist definitiv düsterer, härter und mysteriöser. "Crimen Excepta" ist auch brutaler aufgrund der textlichen Ausrichtung. Denn es geht um die Heilige Inquisition. Zum ersten Mal haben wir die Texte vor der Musik geschrieben, was mich als Songwriterin auch beeinflusst hat. Deswegen klingt die Musik dieses Mal anders. Da stecken viele, echte Emotionen und Dramatik drin. Als ich die Songs geschrieben habe, wollten ich meine wirklichen Gefühle ausdrücken, um eine Geschichte mit Noten und Melodien drum herum zu bauen. "Crimen Excepta" zeigt ein neues Gesicht von Crystal Viper. Wir werden zwar immer eine Band mit klassischen Metaleinflüssen bleiben. Aber wir wollen uns auch nicht ständig wiederholen und immer wieder dasselbe Album aufnehmen.

Daniel: Ist es eigentlich schwierig für Dich, so viel aggressiver zu singen? Und sind die Schreie in den ganzen Intros von Dir eingesungen oder von irgendwoher gesampelt?

Marta: Als wir die neuen Songs geschrieben haben, habe ich viel dazu gelernt. Ich will immer mehr mit meiner Stimme ausprobieren, um neue Techniken zu erlernen usw. Es gibt Momente auf dem Album, die echt schwierig zu singen sind. Aber bevor wir ins Studio gingen, musste ich noch viel lernen. Ich habe sehr viel geübt und sehr viel Zeit im Proberaum verbracht. Wir machen auch immer erst eine Vorproduktion, bevor wir ins Studio gehen, damit wir sehen, was auf uns zukommt, was gut klingt und was nicht. Alles, was auf dem Album zu hören ist, wurde tatsächlich auch so eingesungen. Wir haben keine Tricks verwendet und keine Korrekturen vorgenommen. Das würde auch keinen Sinn machen, wenn alle später hören, dass ich das live gar nicht singen kann. Und nein: Die Schreie stammen nicht von mir, das sind Effekte.

Daniel: Haben sich Eure musikalischen Einflüsse denn in den letzten Jahren geändert? Ich meine, Euer älteres Zeug war ja viel epischer. Welche Bands haben Euch den überhaupt so damals wie heute inspiriert?

Marta: Ich denke, dass unsere Haupteinflüsse immer noch dieselben sind. Das Hauptaugenmerk kommt natürlich aus dem Metalbereich. Ich liebe Bands wie Virgin Steele, Judas Priest, Immortal, Mercyful Fate, Venom, Bathory, Iron Maiden, Black Sabbath, Dio, Dissection, Nifelheim usw. Ich mag aber auch gute Soundtracks, klassische Musik und Opern und besitze auch sehr viele Mike Oldfield-Alben. Ich liebe aber z. B. auch alte Horrorfilme von Hammer Films, die eine sehr große Inspiration waren!

Daniel: Das neue Album ist ein Konzeptalbum über die Inquisition, soweit ich weiß. Was bedeutet der Titel überhaupt? Wovon handeln die Texte genau? Und was hat Dich auf dieses Thema gebracht? Gibt es irgendwelche Bücher oder Filme darüber, die Dich besonders beeinflusst haben?

Marta: Bevor ich anfing, die Texte zu schreiben, wusste ich schon eine Menge, über die Heilige Inquisition, weil ich in der Vergangenheit schon sehr viel darüber gelesen hatte. Und ich kaufe mir auch heute noch ein gute Buch, wenn ich es sehe, um noch mehr zu diesem Thema zu erfahren. Die meisten Informationen, historischen Fakten und die Hexenprozesse habe ich tatsächlich aus meinem eigenen Bücherregal. Und letztendlich haben sich meine Fantasie und reale Fakten zu in meinem Kopf zusammengebraut und sind auf "Crimen Excepta" gelandet. Ich bin sehr an Geschichte interessiert; und dazu gehörte auch immer die Heilige Inquisition. Bücher, die mich besonders inspiriert haben, sind "Der Name der Rose" von Umberto Eco, "Malleus Maleficarum" ("Der Hexenhammer") und viele andere. Ich habe mich entschieden, Fakten und Fiktion etwas zu vermischen, um ein Konzeptalbum zu schreiben. Es ist ein ernstes Thema. Die Texte sind sehr emotional, brutal und grausam, so wie die gesamte Geschichte der Menschheit. Ich denke, dass die Leute, die die Texte hören und lesen, ergriffen sein werden und mehr über dieses Thema erfahren wollen. Auf den ersten Blick scheint "Crimen Excepta" eine Geschichte über Hexen zu sein. Aber es geht eher um die Aspekte der Heiligen Inquisition, die als Geschichte über Toleranz und menschliche Grausamkeit interpretiert werden können. Aber es ist auch etwas hinter den Kulissen versteckt: Intoleranz. Heute existiert die Heilige Inquisition nur noch in den Geschichtsbüchern. Aber Intoleranz ist zeitlos. Wir werden fast jeden Tag damit direkt konfrontiert. Es geht es auch um sinnloses Töten und das Morden im Namen Gottes, weil viele Menschen ungebildet sind: Leute wie Wissenschaftler oder Forscher, die etwas Wichtiges zu sagen hatten, wurden auch zum Tode verurteilt oder ins Gefängnis geworfen, nur weil sie etwas behaupteten, was so nicht in der Bibel stand, z. B. dass die Erde rund ist und sich um die Sonne dreht. Das galt damals als Ketzerei. Das ganze Konzept basiert auf einer ernsten Angelegenheit. Ich will einfach, dass die Leute mehr darüber wissen. "Crimen Excepta" war in der Vergangenheit die Bezeichnung für ein Verbrechen der Hexerei, der am besten mit dem "ultimativen Verbrechen" übersetzt werden kann. Der Begriff steht so in dem Buch "Malleus Maleficarum" ("Hexenhammer").          

CRYSTAL VIPER band1 INTI 2012Daniel: Früher war Dein Synonym in der Band The Leather Witch. Gibt es da auch einen Zusammenhang zum neuen Album? Oder war das eher Zufall?

Marta: Nein, da gibt es keinen Zusammenhang. Leather Witch war eine Hauptfigur auf dem "The Curse Of Crystal Viper"-Album, und dieses Synonym habe ich auch nur zu der Zeit damals verwendet.

Daniel: Das neue Album gibt es auch, wie all Eure Vorgänger, auf Vinyl. Wie wichtig ist es für Euch, dieses alte Kultformat am Leben zu erhalten? Was denkst Du persönlich überhaupt über MP3s? Ist es nicht viel schöner, einen richtigen, physischen Tonträger in den Händen zu halten?

Marta: Ich kann nur sagen, dass es für diese Musik einfach kein besseres Format als Vinyl gibt! Ich liebe den warmen Sound; ich denke, Sammler werden wissen, was ich damit meine! MP3s sind Scheiße und sind für mich nur Dateien; mehr nicht. Es ist ungerecht, MP3-Dateien zu vermarkten, weil es viel Mühe und Geld kostet, Songs zu schreiben und ein Album aufzunehmen. Es geht also nicht nur um Geld, sondern vor allem auch um viel Energie und Zeit, die dabei investiert wird. Manchmal musst Du alles links liegen lassen, um Dich voll und ganz der Musik zu widmen. Du machst ein komplettes Album als Gesamtwerk fertig: Musik, Texte, ein Booklet mit Bildern und schönen Zeichnungen usw. Und es gibt immer noch welche, die das dann als Scheiß MP3-Datei runterladen. Es tut weh, wenn Du monatelang von morgens bis abends an einem Album arbeitest und Dein Herz und Deine Seele in reinsteckst, und jemand anderes es dann in nur zwei Minuten runterlädt.

Daniel: Mir ist beim neuen Album etwas sehr Cooles aufgefallen: Auf der CD-Version gibt es einen Coversong der Death Metaller Vader ("Tyrani Piekiel" = "Tyrants Of Hell"). Für mich klingt Eure Version eigentlich wie ein alter Helloween-Song vom "Walls Of Jericho"-Album; nur mit weiblichem Gesang. Wie kommt es, dass Ihr Euch ausgerechnet für diesen Song entschieden habt? Liegt das daran, dass Vader auch aus Polen sind? Oder magst Du ihre Musik auch?

Marta: Na ja, Coversongs von Bands, die wir lieben aufzunehmen, ist eine Tradition von uns. Unser Ziel ist es, unseren jüngeren Fans zu zeigen, wo unsere Wurzeln liegen, und wo wir unsere Einflüsse her haben. Als wir über Coversongs für unser neues Album nachdachten, hatten wir die Idee, etwas Originelles, völlig Unerwartetes aufzunehmen und haben uns schließlich für "Tyrani Pikiel", einen unserer Lieblingssongs von Vader entschieden. Es ist von ihrem ersten Demotape, ein Underground-Klassiker. Es scheint so, dass wir tatsächlich die erste klassische Metalband sind, die einen Song von einer Death Metalband gecovert hat! Es hat tierisch Spaß gemacht und es war eine Ehre für uns, als Peter uns im Studio besucht hat, um den Song mit uns aufzunehmen. Und weißt Du was? Speziell für mich war das genial, weil auch sehr gerne Black- und Death Metalbands wie Nifelheim, Immortal, Cannibal Corpse, Marduk, Watain, Dissection, Destroyer 666, Bathory, Sabbat usw. höre. Ich habe Immortal letztes Jahr auch endlich mal live gesehen und fand sie richtig geil! Ich hoffe auch, dass ich bald mal Watain live sehen kann. Ihre DVD tritt echt gehörig Arsch!

Daniel: Das Vader-Cover ist leider nur auf der CD-Version enthalten, während auf der Vinylversion mit "Night Of The Demon" ein Demon-Cover am Start ist. Wäre es nicht besser gewesen, beide Songs auf das Album zu packen? Man könnte Euch ja Riff Off vorwerfen, da jetzt Fans quasi dazu gezwungen werden, beide Versionen zu kaufen.

Marta: Ich glaube, dass genau das Gegenteil der Fall sein wird. Wir wissen, dass unsere Fans eh beides, die CD und die LP, kaufen werden. Von daher wäre es wohl eher Ripp Off, beide Formate mit derselben Tracklist zu versehen. Jetzt haben sie etwas Spezielles, wo auf beiden Versionen etwas anderes zu hören ist.

Daniel: Da ich auch ein großer Demo-Sammler bin, weiß ich, dass "Tyrats Of Hell" ein Song vom ersten Vader-Demo "Live In Decay" war, den es auf keinem ihrer Studioalben gab. Bei Metal Archives sind da aber nur englische Titel aufgelistet. Gab es überhaupt jemals eine polnische Version davon?

Marta: Der Song wurde tatsächlich auf Polnisch aufgenommen. Auch wenn der Titel bei Metal Archives auf Englisch angegeben ist, gibt es von dem Song, soweit ich weiß, keine englische Version.

Daniel: Das bringt mich automatisch zur nächsten Frage: Wie Du ja weißt, bin ein großer Ostblock Metal-Sammler und besitze auch Alben von polnischen Bands wie Turbo, Kat, Wilczy Pająk, Dragon, Stos, Open Fire usw. Wäre es für Euch denn auch eine Option, einmal ein komplettes Album nur mit polnischen Texten aufzunehmen? Oder war "Tyrani Pikiel" ein einmaliges Experiment?

Marta: "Tyrani Piekiel" ist der zweite polnisch-sprachige Song, den wir aufgenommen haben. Vor ein paar Jahren gab es eine polnische Version von "The Last Axeman" auf der gleichnamigen, limitierten Compilation. Wir haben es auch auf den Re-Release von "The Curse Of Crystal Viper" gepackt, der diesen Monat über AFM Records rauskommt. Ich glaube aber nicht, dass wir eines Tages ein komplettes Album mit polnischen Texten aufnehmen werden.

Daniel: Oh, wo ich vorhin Dragon erwähnt habe: Euer Bassist Tom Woryna spielt ja auch bei Dragon, wie ich gelesen habe. Ich kenne aber nur ihre ersten drei Alben bis "Scream Of Death" von 1991. Ich weiß zwar, dass sie in den 90ern noch zwei weitere Alben gemacht haben ("Sacrifice", 1994 und "Twarze", 1999), aber ich habe sie leider nie gehört. Gibt es Pläne, dass Dragon bald wieder etwas machen? Weißt Du das? Laut Metal Archives sind sie nämlich tatsächlich noch aktiv.

Marta: Ja, das stimmt. Tom hat mal bei Dragon gespielt. Und es war tatsächlich so, dass unser Schlagzeuger Golem dort in den 90ern gespielt hat. Ich habe aber keine Ahnung, ob Dragon noch einmal etwas machen werden.

CRYSTAL VIPER band2 INTI 2012Daniel: Lass uns mal kurz bei der polnischen Szene bleiben, OK? Welche polnischen Bands der 80er und 90er magst Du am liebsten? Und gibt es auch neuere Bands aus Eurem Land, die Du uns empfehlen kannst (außer Crystal Viper natürlich, hehe)?

Marta: Ich mag die alten Alben von Kat, Turbo, Stos sehr, aber auch ein paar TSA-Sachen.

Daniel: Ihr spielt mit Crystal Viper ziemlich oft live. Wie wichtig ist es für Euch, neben den Albumaufnahmen auch Konzerte zu spielen und mit Euren Fans in Kontakt zu kommen?

Marta: Für mich ist es viel wichtiger, live zu spielen, als Platten aufzunehmen. Wir verbreiten unsere Musik in die Welt hinaus und teilen unsere Energien mit anderen Menschen. Und alles, was uns alle dabei zusammenschweißt, ist die gemeinsame Liebe zur Musik. Live spielen halt die Musik am Leben, den so lange Metalfans Dich auf der Bühne hören und sehen wollen, macht alles noch Sinn. Es gibt keine Band ohne ihre Fans. Das ist das Wichtigste für uns und gibt uns die Kraft, immer weiter zu machen.

Daniel: Habt Ihr schon wieder Pläne für Konzerte in Deutschland; vielleicht auch zum ersten Mal eine richtige Tour oder so?

Marta: Wir planen gerade eine Tour. Aber da ist noch nichts in trockenen Tüchern. Aber wir werden definitiv am 29. September in Lauda-Königshofen spielen.

Daniel: Crystal Viper haben tonnenweise Coversongs für Tributalben eingespielt. Werden wir jemals die Chance bekommen, sie alle vereint auf ein oder zwei Compilations zu haben? Weißt Du, es ist echt teuer, sich 666 verschiedene Tributalben zu kaufen; vor allem, wenn man nur Euren einen Song haben will, hehe.

Marta: Im Moment haben wir keine Pläne dafür. Aber wir werden mit Sicherheit auch nicht aufhören, weiterhin Coversongs unser Lieblingsbands aufzunehmen. Es gibt immer noch zu viele gute Songs, die einfach in Vergessenheit geraten sind! Ich finde es großartig, unseren Lieblingsbands und Musikern Tribut zu zollen und so die Flamme des Metal am Leben  zu erhalten; abgesehen davon, dass es uns auch tierisch Spaß macht!

Daniel: Ich wollte Dich noch zu einem Nebenprojekt von Dir befragen; und zwar Börn Again. Das ist ein polnisch-deutsches Projekt, bei dem Du und Euer Schlagzeuger Tomasz Dańczak sowie Alex Guth von Storm Warrior und Björn Daigger von Majesty dabei sind. Welche Idee stand hinter diesem Projekt? Wie seid Ihr mit den deutschen Mitmusikern in Kontakt gekommen? Und wo liegen, Deiner Meinung nach, die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Börn Again und Crystal Viper; musikalisch wie textlich?

Marta: Börn Again liegen zurzeit auf Eis. Alles war gut, bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir alle gemerkt haben, dass wir zurzeit andere Verpflichtungen haben. Und so war es uns nicht möglich weiterzumachen. Wir stehen alle noch in Kontakt. Vielleicht machen wir ja eines Tages weiter. Wer weiß

Daniel: Von Börn Again gab es 2010 nur eine 7" EP mit dem Titel "Neverending Fire". Habt Ihr denn noch Pläne für ein komplettes Album oder ein paar Gigs? Soweit ich von Gitarrist Björn Daigger weiß, sollte da noch etwas kommen. Das ist aber schon eine Weile her.

Marta: Ja, das stimmt. Wie gesagt: Wir haben bereits an unserem Debütalbum gearbeitet. Aber die Zeit war einfach noch nicht reif, um uns richtig auf Börn Again zu konzentrieren.

Daniel: Ihr scheint sehr auf Deutschland zu stehen. Ihr spielt hier sehr oft und Du bist auch mit einigen deutschen Musikern in Kontakt. Welche deutschen Bands (alte wie neue) hörst Du denn am liebsten?

Marta: Es gibt einfach zu viele Bands aus Deutschland, die ich geil finde! Eine Auflistung würde hier den Rahmen sprengen, haha!

Daniel: Wie sehen Eure Zukunftspläne mit Crystal Viper aus? 

Marta: So viele Liveshows wie möglich spielen, Länder besuchen, in denen wir noch nicht waren und Songs für das nächste Album schreiben.

CRYSTAL VIPER band3 INTI 2012Daniel: OK, Marta! Die letzten Worte gehören Dir!

Marta: Danke für das Interview! Schwermetallische Grüße an alle deutschen Metal-Maniacs!

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Autor: Daniel Müller