NEAL MORSE - JESUS CHRIST THE EXORCIST


Label:FRONTIERS
Jahr:2019
Running Time:110:18
Kategorie: Neuerscheinung
 

Ich schreibe nicht zufällig die ganzen Black Metal-Reviews bei CROSSFIRE. Mit dem Christentum konnte ich noch nie etwas anfangen. Dennoch habe ich als alter Progressive Rock-Fan Neal Morse als Musiker und Sänger immer sehr geschätzt. Was das miteinander zu tun hat? Nun ja, Neal Morse wurde auf einmal gläubiger Christ und hat deshalb seine Ex-Bands Spocks Beard und Transatlantic verlassen. Für den Grund hatte ich ihn damals milde belächelt. Seinen Gesangsstil mochte ich aber natürlich immer noch. Das war im Jahr 2002. Dass er als gläubiger Christ ein Konzept-Album mit dieser für die Religion durchaus wichtigen Thematik machen wollte, finde ich generell sogar gut, denn die Idee klingt authentisch, und man bekommt das Gefühl, dass er sich tatsächlich zu hundert Prozent mit seinem „neuen“ Leben identifiziert! Das Album dagegen haut mich leider nur bedingt um… Zumal hier ein paar seiner alten Weggefährten, mit denen er damals nicht mehr musizieren wollte, auf einmal wieder zu hören sind, was ich ebenfalls etwas merkwürdig finde. Seine beiden Spocks Beard-Nachfolger am Gesang, der vorherige Schlagzeuger Nick D´Virgilio und Enchant-Röhre Ted Leonard, übernehmen hier die Gesangsparts von Judas Iscariot und Jesus. Es gibt tonnenweise Gastsänger und Gastmusiker auf diesem Doppel-Album. Aber zünden will das leider nicht. Klar, für so ein Konzept hat man viele Ideen, und möglichst alle sollten natürlich bestenfalls auch verwurstet werden. Der viel zitierte rote Faden erschließt sich mir jedoch nur im textlichen Konzept. So gibt es natürlich sehr viele von Neal Morse gewohnte, Gentle Giant-mäßige Harmoniegesänge, viele verschiedene Piano-Sounds, angenehm rockige Songs wie „There´s A Highway“, gefühlvolle Balladen wie „Love Has Called My Name“, Songstrukturen, die sich langsam aufbauen und steigern und auch ein paar (jedoch vergleichsweise sehr wenige) Prog-Parts, wie die beiden Intros „Introduction“ und „Overture“ oder auch „The Madman Of The Gadarenes“. „Jesus´ Temptation“ ist der einzige Song auf CD 1, der mit zehn Minuten recht lang ist. Auf CD 2 ist dies „Jesus Before Pilate And The Crucifixion“ mit acht Minuten. Aber es gibt halt auch sehr komische Sachen, die man nicht so von ihm kennt, wie zum Beispiel Streicher, Gospelchöre, Blues („The Woman Of Seven Devils“) oder Balladen mit Frauengesang („Free At Last“). Vieles klingt irgendwie „unfertig“, wie liegengebliebene Demos, gesammelte und aneinandergereihte Songfragmente, die unbedingt irgendwo unterkommen mussten, wie Bonustracks oder eben einfach Lückenfüller. Womit wir gleich beim nächsten Problem wären, denn für eine solche konfuse Ansammlung ist dieses Doppel-Album mit fast zwei Stunden Spielzeit entschieden zu lang! Das Mitlesen der Texte finde ich bei dieser Thematik – auch als Nicht-Christ! – dagegen sehr spannend und interessant! Na ja, ich fand Spocks Beard nach dem dritten Album „The Kindness Of Strangers“ (1998) auch schon zu poppig und nicht mehr so mitreißend wie in ihren Anfangstagen. Insofern überrascht es mich natürlich nicht, dass mit diesem Doppel-Monster nicht gerade die Kehrtwende eintritt… Dieses Konzept-Album ist aber wohl nur etwas für die wenigen, die Neal Morse seit 2002 auf seinen Solopfaden noch weiter gefolgt sind, und nicht für alte Spocks Beard- und Transatlantic-Fans. Diese werden sich hier – bis auf wenige Ausnahmen - wohl eher vor den Kopf gestoßen fühlen… Die Musik ist sicherlich hochwertig und handwerklich gut gemacht, aber es klingt leider auch zu oft überladen und „unrund“, was ihm - trotz der musikalischen Vielfalt - bei seinen beiden alten Bands nicht passiert ist...

Note: 6 von 10 Punkten
Autor: Daniel Müller


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