KAT & ROMAN KOSTRZEWSKI, PSYCHOTYPE, DEADPOINT, SICPHORM

Wrocław (Polen), A 2 Centrum Koncertowe, 12.04.2019

Kat - index - live - 2019Bei Kat (deutsch: „Henker“) aus, ähem, Katowice, handelt es sich unbestritten um eine der populärsten und einflussreichsten polnischen Metal-Bands der Achtziger Jahre und neben Turbo aus Poznań und TSA aus Opole um eine der „Wielka Trójka Polskiego Metalu“, der „Big 3“ des polnischen Metals. Welche Bedeutung die Band im eigenen Land hat, zeigt sich daran, dass zu dem 1998 erschienenen Tribute-Album „Czarne Zastępy“ auch die polnischen Schwergewichte Behemoth und Vader einen Beitrag beisteuerten. Im Jahr 2004 geriet das „Flaggschiff“ Kat jedoch in eine bedenkliche Schieflage, nachdem Gitarrist Piotr Luczyk zum großen Missfallen der Fans sowohl das Gründungsmitglied Ireneusz Loth (Schlagzeug) als auch den langjährigen und  stilprägenden Sänger Roman Kostrzewski (Gesang) feuerte. Gerade letztgenannter Roman Kostrzewski wird von den polnischen Fans als der Inbegriff von Kat angesehen, sodass die meisten Fans zu der daraufhin von Roman gemeinsam mit dem ebenfalls geschassten Ireneusz Loth ins Leben gerufenen Abspaltung Kat & Roman Kostrzewski abwanderten. Anfangs nur als reines Live-Projekt geplant, begannen Roman und seine Mitstreiter im Jahr 2011 auch neue Aufnahmen zu veröffentlichen, die von den Fans sehr positiv aufgenommen wurden (und den Stinker „Mind Cannibals“ der verbliebenen Kat-Inkarnation um Piotr Luczyk aus dem Jahr 2005 im Vorbeigehen pulverisierte). Nach einem Akustik-Album mit alten Kat-Songs („Buk – Akustycznie“ aus dem Jahr 2014) und einer Neuaufnahme des kultisch verehrten Kat-Debüt-Albums „666“ im Jahr 2015 kam es dann allerdings im Jahr 2018 zu einem Streit zwischen Roman Kostrzewski und Ireneusz Loth, in dessen Folge Letztgenannter seine Drumsticks nehmen musste (und als Rache auch gleich die von ihm betreute Facebook-Seite der Band mit fast 30.000 Followern mitnahm).

Kat - live - 2019-1So wurde das neue, Anfang März 2019 erschienene Studio-Album „Popiór“ bereits ohne den wohl markantesten Schnauzbart der Metal-Welt aufgenommen. Besagtes „Popiór“ promoten Kat & Roman Kostrzewski aktuell auf einer ausgedehnten zwei-monatigen Tour durch ganz Polen mit insgesamt 20 Konzerten. Ich habe mich an einem kalten Freitag nach Wrocław (deutsch: Breslau) aufgemacht, um mich einmal mehr von den Live-Qualitäten der Band zu überzeugen. Die Tatsache, dass die Band in sämtlichen großen Metal-Zeitschriften auf der Titelseite gelandet ist und überall mit mehrseitigen Artikeln gewürdigt wird, steigert meine Vorfreude noch weiter. Nach einer etwa zehnminütigen Straßenbahn-Fahrt komme ich an einer Kreuzung an, von der mir Google Maps sagt, dass es von hier aus nur noch wenige Minuten Fußweg bis zum A2 Centrum Koncertowe sind. Frisch gestärkt durch eine typisch polnische Kiełbasa von der nahegelegenen Tankstelle, erspähe ich zu meiner großen Freude sofort zahlreiche weitere Fans in traditioneller Metal-Kluft. Hier bin ich also richtig. Nach einem kurzen Spaziergang durch ein Gewerbegebiet komme ich auch schon am Veranstaltungsort an, einer von außen recht unspektakulären ehemaligen Fabrikhalle. Innen drin ist aber alles top-modern und die Bar hat sogar elektronische Anzeigentafeln. Alle Modernität nützt aber nichts, wenn der Zapfhahn nicht richtig funktioniert und der durstige Fan deshalb mit lauwarmem Bier aus der Plastikflasche vorlieb nehmen muss. Buuuuhhh! Eine lange Schlange bildet sich allerdings nicht nur an der Bar, sondern auch am Merchandise-Stand. Und während ich mich wundere, dass man bei Kat & Roman Kostrzewski auch mit Karte bezahlen kann, erfrieren meine Gesichtszüge beim Anblick der Preise. Während umgerechnet 15 Euro für die neue CD und die T-Shirts zwar gut 50% über dem üblichen polnischen Preisniveau liegen, sich für deutsche Verhältnisse aber noch im Rahmen halten, ist das neue Album auf Vinyl mit umgerechnet 29 Euro schon nach deutschen Maßstäben kostspielig, für polnische Verhältnisse allerdings astromisch teuer. Da verwundert es nicht, dass Roman Kostrzewski für die Preisgestaltung von polnischen Fans via Facebook erhebliche Kritik einstecken musste. Auch wenn die Band inzwischen (lobenswerter Weise!) alles selber macht und dementsprechend auch selber vorfinanzieren muss, sind solche Preise trotzdem alles andere als Fan-freundlich. Nur einmal zum Vergleich: Turbo nehmen auf ihrer aktuellen Tour für T-Shirts und CDs umgerechnet 10 Euro und für Vinyls umgerechnet 17 Euro.

Sicphorm - live - 2019Aber kommen wir zum wichtigsten Teil des Abends, den musikalischen Darbietungen. Den Opener heute machen die Lokalmatadoren von Sicphorm, deren groovigem Thrash Metal man anhört, dass die Bandmitglieder mit Sicherheit mehr als nur eine Sepultura-/Soulfly-Scheibe im Plattenschrank stehen haben.

 

Deadpoint - live - 2019

Etwas Hardcore-lastiger geht danach mit Deadpoint weiter. Obwohl ebenfalls aus Wrocław, überrascht die Band mit englischsprachigen Ansagen, was sich aber nach einem Blick auf die Facebook-Seite der Band dadurch erklärt, dass Sänger Cristian „Gato" Segura aus Chile stammt.

 

Psychotype - live - 2019

 

Als dritte Vorband kommen anschließend PsychoType auf die Bühne, die als Gewinner des polnischen „Metal To The Masses“-Awards 2018 auf dem letztjährigen Bloodstock-Festival in England auftreten durften. Ich habe ja ein Faible für maskierte Bands und auch der moderne Sound, der Einflüsse von Meshuggah bis The Prodigy verarbeitet, gefällt mir durchaus. Trotz ordentlicher Performance wird aber auch PsychoType, wie schon den beiden Bands                                                                                                               zuvor, nicht mehr als Höflichkeitsapplaus zuteil.

Kat - live - 2019-2Denn die etwa 400 Zuschauer wollen ganz offensichtlich nur einen Mann sehen und hören: Kat & Roman Kostrzewski. Als der Meister dann um kurz vor 22:00 Uhr die Bühne betritt, kennt der Jubel keine Grenzen mehr. Und weil zur Eröffnung mit „Porwany Obłędem“ (vom 1988er-Album „Oddech Wymarłych Światów“), „Diabelski Dom cz. I“ und „Czas Zemsty“ (beide vom 1986er Debüt-Album „666“) auch gleich noch drei alte Kat-Klassiker zum Besten gegeben werden, geht das Publikum sofort steil und es bildet sich der erste (von noch vielen) Moshpit des Abends. Sowohl Roman Kostrzewski mit seinem gewohnt hutzeligen Erscheinungsbild und dem etwas wirren Stag-Acting als auch die Instrumental-Fraktion um Krzysztof „Pistolet“ Pistelok (Gitarre, unter anderem ex-Horroscope), Jacek Hiro (Gitarre, unter anderem Sceptic, ex-Virgin Snatch, ex-Dies Irae), Michał Laksa (Bass) und Neu-Drummer Jacek Nowak (unter anderem ex-Virgin Snatch) zeigen sich in bester Verfassung und kredenzen ein Feuerwerk aus Heavy-, Speed-, Black- und Thrash Metal, das alle Phasen des Schaffens von Roman Kostrzewski umfasst. Nach dem ersten Teil der „Henkers-Mahlzeit“ gibt es dann noch zwei Songs vom ersten eigenen Studio-Album „Biało-Czarna“ aus dem Jahr 2011 auf die Ohren, bevor das neue Album „Popiór“ in den Mittelpunkt rückt und fast vollständig gespielt wird. Man merkt zwar, dass noch nicht alle Fans die neue Scheibe kennen, aber abgefeiert werden die Songs trotzdem. Besonders die vom inzwischen 59-jährigen Roman Kostrzewski allein auf der Bühne vorgetragene Gänsehaut-Ballade „Łossod“ (leider nur mit musikalischer Untermalung vom Band), die unmittelbar in den Smasher „Ośle“ übergeht, sorgt für Begeisterung. Aber so sehr dem Publikum die neuen Songs auch gefallen, gegiert wird natürlich nach den Kat-Klassikern. Und die folgen natürlich auch noch. Schon „Śpisz Jak Kamień“ (vom „Oddech Wymarłych Światów“-Album) und „Szydercze Zwierciadło“ (vom gleichnamigen 1997er-Album, dem letzten Kat-Album mit Roman am Mikro) bringen die begierige Meute erneut zum Ausrasten und bei „Diabelski Dom Cz. II“ (ebenfalls von „Oddech Wymarłych Światów“) bildet sich der gewaltigste Moshpit des ganzen Abends. Als die Band nach zwei weiteren Kat-Klassikern dann um 23:45 Uhr die Bühne verlässt, ist allen klar: Das kann noch nicht alles gewesen sein. Und tatsächlich raffen sich Roman und Konsorten noch einmal auf und entlassen mit „Bastard“ (vom gleichnamigen 1992er-Album) und „Wyrocznia“ (von „666“) nach fast zwei Stunden Spielzeit die restlos begeisterten Zuschauer in die kühle Breslauer Nacht. Wahnsinn!

 

 



Autor: Sebastian Thiel - Pics: Sebastian Thiel