GRAHAM BONNET BAND, HIGH TIDE

Osnabrück, Bastard Club, 24.03.2019

Am Sonntag, direkt nach Kaffee und Kuchen, zum Konzert? Im Bastard Club in Osnabrück ist das möglich, denn die Betreiber öffnen an diesem Wochentag des Öfteren um 16 Uhr ihre Pforten. Eine absolut nachahmenswerte Idee, wie ich finde! So startet man nicht gleich völlig übermüdet in die neue Arbeitswoche und lässt zudem das Wochenende mit amtlicher Beschallung ausklingen. An diesem Tag gibt es obendrein noch einen äußerst delikaten Hochkaräter zu bewundern. Graham Bonnet hat zusammen mit Rainbow, der Michael Schenker Group und Alcatrazz so manchen Hardrock Klassiker erschaffen. Aber auch die Alben mit Impelliterri, Blackthorne, sowie die Werke, die er unter seinem eigenen Namen veröffentlichte, sollen hier nicht unerwähnt bleiben. Man durfte also gespannt sein, mit welcher Songauswahl „Mister Las Vegas“ (wie ihn Richie Blackmore einst nannte), seine Fans beglücken würde.


High Tide - 2019 -1Doch zunächst einmal stand pünktlich um 17 Uhr die Heilbronner Combo High Tide auf der Bühne. Warum man sich im Zeitalter der Internetrecherche noch einen Bandnamen verpasst, der bereits vor fünfzig Jahren von einer britischen Progressive-Rock-Band benutzt wurde, ist mir wirklich schleierhaft. Zumal diese mit Simon House eine Musiker-Ikone in ihren Reihen hatte, welche später noch erfolgreich mit Hawkwind in Erscheinung getreten ist. Doch hier soll es nun in erster Linie um den Gig der Formation aus Baden-Württemberg gehen und dieser war durchaus respektabel. Als Classic-Rock mit dezenten Blues Anleihen könnte man den Sound der fünf Jungs grob beschreiben. Recht ambitioniert wurden Songs des ersten Albums „Against The Current“ vorgetragen. Eine Vorband soll das anwesende Publikum in erster Linie „anheizen“ und das wurde erfolgreich umgesetzt. Mir ist zwar kein Lied nachhaltig in Erinnerung geblieben, aber man wusste in der dreiviertelstündigen Playtime durchaus zu unterhalten. Auch von der restlichen Zuhörerschaft im Club gab es deswegen verdientermaßen einen wohlwollenden Applaus.


Graham Bonnet - 2Nach einer angenehm kurzen Pause von fünfzehn Minuten, betrat dann die Graham Bonnet Band die Bühne. Oder sollte man lieber sagen, dass Alcatrazz auf die Bretter stiegen? Aber dazu später mehr. Im gewohnt lässigen Outfit, mit Sonnenbrille, Hemd, Schlips und Sportschuhen betrat der Meister mit der unverkennbaren Röhre den Schauplatz. Mein erster Gedanke war, dass er für einen einundsiebzigjährigen Mann verdammt frisch und agil wirkte. Nicht allzu viele Rockstars kommen in dem Alter noch so dermaßen jung rüber. Stimmlich absolut auf der Höhe startete man sogleich mit drei (!) Alcatrazz Klassikern vom Meisterwerk „No Parole From Rock'n Roll“. Die Stücke „Too Young To Die, Too Drunk To Live“, „Hiroshima Mon Amour“ und „Jet To Jet“, wurden nacheinander zelebriert. Mit der bluesigen Rainbow Halbballade „Love´s No Friend“, die der Frontmann absolut ehrfürchtig darlegte, wurde auch dem letzten Zweifler klar, dass er hier für seine schmalen fünfundzwanzig Euro Eintritt wirklich ein großartiges Event geboten bekommt. Es folgte Sternstunde auf Sternstunde, eben eine aufregende, musikalische Reise durch das Universum von Graham Bonnet. Der neue Gitarrist Joe Stump, der mir bislang völlig unbekannt war, entpuppte sich zudem als absoluter Glücksgriff. Er sah voll nach dem Supergitarrist der 80er Jahre aus und genau so spielte er auch! Sehr selbstbewusst, aber nie arrogant, bearbeitete er seine Axt auf vorzügliche Art und Weise und es machte wirklich großen Spaß ihm beim Spielen zuzusehen. Vergleiche mit Yngwie Malmsteen, welcher zum ersten Alcatrazz Line Up gehörte, können nicht von der Hand gewiesen werden.Graham Bonnet - 3 Auch Joe Stump spielte ein wenig in seiner eigenen Welt. Trotz aller spielerischen Finessen war er punktgenau am Start, wenn es darum ging wieder songdienlich zu agieren. Ein weiterer Blickfang war ganz sicher die Bassistin Beth-Ami Heavenstone, die direkt neben Alcatrazz Gründungsmitglied und Keyboarder Jimmy Waldo agierte. Mit Mark Benquechea hatte man zudem einen sehr versierten und routinierten Mann hinter der Schießbude, der die Band mit einem ordentlichen Punch versorgte. Exakt dieses Line Up stellt dann auch die derzeitige Alcatrazz Besetzung da. Man hätte das Konzert also auch unter diesen Namen aufziehen können. Dass insgesamt acht von zehn Lieder aus der „No Parole From Rock'n Roll“ Platte zelebriert wurden, passt da absolut ins Bild. Zudem wird man im kommenden Mai mit diesem Line Up, eben unter dem Namen "Alcatrazz", in Japan, wo die Band bekanntermaßen den größten Erfolg hatte, eine handvoll Gigs absolvieren. Graham Bonnet - 4Aber zurück zur Setlist, in der noch zahlreiche andere Glanztaten ihren Platz fanden. Insgesamt gab es vier Stücke von Rainbow zu hören, bei denen sich einmal mehr bestätigte, dass man die Band keinesfalls nur auf die Phase mit Ronnie James Dio limitieren sollte. Den Klassiker „Since You´ve Been Gone“, konnte dann auch wirklich jeder in der recht gut gefüllten Halle mitsingen. Von der Scheibe "Assault Attack", der Michael Schenker Group, wurden drei Songs performt und vom Impelliterri Longplayer „Stand In Line“, immerhin noch weitere zwei Lieder. Ebenfalls zwei Evergreens gab es aus Graham Bonnet`s Soloprogramm zu hören und mit dem genialen Groover „Rock You To The Ground“, zockte man sogar einen Blackthorne Track. So brachte man es insgesamt auf stolze zwanzig Stücke und einhundert Minuten Spielzeit, die man mit dem majestätischen „Assault Attack“ und „Lost In Hollywood“ beendete. Bei einem Musiker mit einem derart großen Repertoire wird man immer auf den ein oder anderen Gassenhauer im Set verzichten müssen. Ich selbst habe an diesem Abend beispielsweise das epische „Eyes Of The World“ (Rainbow) und die Hammerballade „Suffer Me“ (Alcatrazz) schmerzlich vermisst. Nichtsdestotrotz hat die Band ein wahrhaftes Feuerwerk entfacht und so begab ich mich zufrieden, mit meinem neu erworbenen Alcatrazz Shirt, noch deutlich vor der Tagesschau wieder auf die Heimreise. Ein wirklich in allen Belangen rundum gelungenes Konzert, an welches ich noch lange zurückdenken werde!

 



Autor: Dirk Determann - Pics: Dirk Determann