JAMES CHRISTIAN - CRAVING


Label:FRONTIERS
Jahr:2018
Running Time:41:12
Kategorie: Neuerscheinung
 

James Christian gehört für mich, ähnlich wie Steve Overland (FM) immer zu den herausragenden Sängern im Melodic Rock. Eine unglaublich voluminöse Stimme, die man unter hunderten heraushört. Dazu ein ganz feines Gespür für eigenständige und trotzdem extrem eingängige Gesangslinien, ein ganz Großer halt. Ist seine Stammband House of Lords gefühlt in den letzten Jahren immer heavier geworden, legt der Meister hier ein lupenreines AOR Album vor, das einige Qualitäten für sich reklamieren kann. Der Einstieg ist so gelungen wie ungewöhnlich, startet „Heaven Is A Place In Hell“ mit einem fetten Piano Riff, dass sich dann, gestützt von viel Bomast und einer guten Portion Gitarren zu einem großartigen Einstieg aufschwingt. So kann es weiter gehen! Tut es (vorerst) auch. “Wild Boys“ legt noch eine Schippe drauf, marschiert und rockt, dass es dem geneigten AOR Fan ein Grinsen ins Gesicht zaubert. So muss das! Leider offenbart dieser Song auch die erste wirkliche Schwäche des kompletten Albums. Er will rocken, wird aber ausgebremst von einem dünnen, schwächlichen Schlagzeug Sound, der die Frage zulässt, ob dieses wohl wirklich analoger Natur war und ein Drummer aus Fleisch und Blut dahinter saß. Mit schwachem Sound und gutem Songwriting entwickelt sich auch der Titeltrack „Craving“, zu einer im Mid Tempo Bereich angesiedelten, melodischen Perle. Ruhig und trotzdem kraftvoll schöpft er Charakter aus dem für den Rock’n’Roll doch eher ungewöhnlichen ¾ Takt. „Jesus Wept“ ist ganz, ganz feiner 1980er Melodic Rock, mit fetten Chören und großem Refrain, klasse!

Danach gönnt sich das Album eine ausgedehnte Schwächeperiode. „World Of Possibility“ ist noch eine ganz nette Ballade, die die dicke Zuckerkruste mit ungewöhnlichen Jazz Harmonien wenigstens aufzubrechen versucht. „Sidewinder“ hat ein großartiges, schiebendes Riff, doch der Hörer wartet bis zum Schluss des Songs vergeblich auf etwas, das einem Refrain auch nur im Ansatz nahe kommt. Es folgen leider noch mehr Belanglosigkeiten, bis das Album mit „Love Is The Answer“, einem grandiosen Blues Rocker, der nach einer in den 1980ern geschlossenen Ehe von Whitesnake und Bad Company soundtechnisch nahe kommt und das garniert mit einem Refrain, den nur ein James Christian so zu Gehör bringt. Fast noch besser macht es „Black Wasn’t Black“, das vor dreißig Jahren in jedem Rock Schuppen rauf und runter gelaufen wäre. Ein wenig lassen frühe Virgin Steele und Saints And Sinners grüßen, sauber! Mehr davon! Aber? Nee, das Album läuft mit dem absoluten Tiefpunkt aus. „Amen“ ist an Kitsch und Belanglosigkeit nicht zu überbieten. Fazit? Das hätte eigentlich ein richtig tolles Album werden können. Zu viele uninteressante Tracks in der Mitte und am Ende, kratzen leider genauso am Lack wie der furchtbar klinisch-digitale Schlagzeug Sound. Die guten Songs hätten definitiv einen fetten Sound verdient! Auch wenn natürlich die Budgets für eine CD Produktion nicht mehr so astronomisch hoch sind, wie in den Glanzzeiten des AOR. Und bei etwas über einundvierzig Minuten Spielzeit, sind einfach zu viele schwache Lieder vertreten, um eindeutig in Jubel zu verfallen. Die guten Nummern sind allerdings zweifelsohne auch wirklich sehr, sehr stark.

Note: 7.5 von 10 Punkten
Autor: Tammo Krauß


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