WITHIN TEMPTATION - Ein Neuanfang, der fast keiner geworden wäre


Irgendwann Mitte 2000 hatte ich das Vergnügen, Within Temptation mit einer aufregenden Show und Sängerin Sharon den Adel, in einem umwerfenden Kleid, auf dem Sweden Rock Festival live zu fotografieren und zu erleben. Wahnsinn! Doch dann verlor ich die niederländische Formation aus den Augen und vor allem Ohren, obschon noch drei Alben folgten: „The Heart Of Everything“ (2007), „The Unforgiving“ (2011) und „Hydra” (2014). Ja, die Bemusterung war damals nur suboptimal. Wie dem auch sei, heuer gilt es, das aktuelle Werk „Resist“ zu pushen, und live klappte das bereits ganz gut. Endlich mal Zeit für einen Plausch mit Sharon herself!

logoSteve: Hallo Sharon, ich hoffe es geht dir gut.

Sharon: Danke der Nachfrage.

Steve: Ich habe mitbekommen, dass der Release des aktuellen Album verschoben wurde. Was ist passiert?

Sharon: Ja, es gab Schwierigkeiten mit der physischen Produktion, da plötzlich alles auf einmal geschehen musste, und man brauchte einfach mehr Zeit. Aber es handelte sich nur um sechs Wochen. Das war in Ordnung.

Steve: Ich habe gelesen, dass Du gesagt hast, „Wenn es „Resist“ nicht geben würde, würde die Band nicht mehr existieren." Wie ist das gemeint?

Sharon: Wir waren eine Zeitlang etwas verloren und ohne Fokussierung. Wir suchten neue Wege, und vor allem waren wir uns nicht sicher, in welche Richtung es weiter gehen sollte. Man versucht ja ständig, sich weiter zu entwickeln und Inspiration von anderen Acts mitzunehmen, aber bei uns war irgendwie Stillstand angesagt. Schließlich entschieden wir uns für ein neues Opus. Aber das dauerte seine Zeit; drei Jahre, um genau zu sein. Was geholfen hat war, dass ich in anderen Projekten aktiv war und somit andere Blickwinkel in Sachen Musik aufnahm. Ich lernte sehr viel, da ich mich ständig aus meiner Wohlfühlzone bewegen musste, um neue Dinge zu verarbeiten und wahrzunehmen. So ist die Musik meines Soloprojektes etwas völlig anderes als man von Within Temptation gewohnt ist. Dadurch kann man viel lernen. Solo entwickelte ich eine Affinität für urbane Musik, und das floss ebenso in „Resist“ mit ein.

Steve: Was genau meinst Du mit „urbaner“ Musik? Hast Du da ein Beispiel?

Sharon: „Resist“ hat viel mehr Groove als die alten Scheiben von uns. Die Musik wirkt entspannter, da wir Wert auf anderes Timing und eine andere Herangehensweise an den Gesang gelegt haben. Da kommen ganz andere Vibes auf, und wir waren niemals eine groovende Band, haha.

Steve: Das beantwortet gleich meine nächste Frage, inwieweit das neue Album anders ist als die Vorgänger, haha. Jetzt habt Ihr satte vier Jahre benötigt, um den neuen Rundling auf den Markt zu werfen. Das hat Def Leppard-Dimension, haha. Gibt es richtig wichtige Dinge, die in dieser Zeit stattgefunden haben?

Sharon: Es war einfach schwierig, wieder neue Musik machen zu wollen. Es fehlte wirklich die Lust und Inspiration. Es dauerte einfach sehr lange, bis wir den ersten Schritt…den ersten Song in der Tasche hatten. Erst wenn du die ersten Teile des Puzzles zusammen hast, gibt es einen roten Faden, und von da an ist alles leichter. Aber der erste Satz vom Buch ist der wichtigste. Der Schritt von der Frustration zum Flow war wirklich immens. Als wir den Anfang hatten, brauchten wir für den Rest der Produktion nur ein Jahr. Und das ist ziemlich schnell. Wir überlegten uns auch dieses Mal wesentlich eher, an ein neues Album heranzugehen, da noch so viel Gutes Material über ist. Also irgendwie zwischen den Konzerten eine Produktion anfangen und auch so dem sterile Album-/Tour-Stress zu entfleuchen. Das haben wir noch nie so gemacht. Das wäre für die Truppe was völlig Neues.

within temptationSteve: Reflektieren sich die neuen musikalischen Einflüsse auch in Deinen Lyrics?

Sharon. Ja, ich denke schon. Ich bin durchaus direkter geworden, was die Aussagen betrifft und verwende nicht so viele Metaphern wie früher. Die Texte sind nicht mehr so blumig. Ich denke, unsere Fans können die Aussagen auch deutlich besser nachvollziehen. Früher konnte jeder in unseren Lyrics sehen, was er darunter verstand. Heute bekommt man auf „Resist“ deutliche Ansagen. Wir sind auch politisch geworden, was es früher bei uns nicht gab. Es ist so viel falsch in der Welt, dass ich die Wut darüber rauslassen musste. Wir haben zwar historische Momente in unseren alten Texten aufgegriffen, aber jetzt sind wir aktueller zu Gange. Es gibt so viel Firmen und Reiche, die uns über die Medien und anderen Möglichkeiten gängeln wollen.

Steve: Also der rote Faden des Albums ist Widerstand gegen das Kontroll-System von Geldherrschaft?

Sharon: Ja sicher!

Steve: Ist das möglich?

Sharon: Klar, es geht ja nicht um Regierungen, sondern große Firmen, wie Amazon, die sich um die Steuern drücken, müssen besser in den Griff zu bekommen sein. Solche Companies haben manchmal zu viel Einfluss auf die Regierungen.

Steve: Ja klar…immer!

Sharon: Immer würde ich nicht sagen, aber oftmals ist es ein schmaler Grat, und wir müssen die Auswirkungen tragen und ertragen. Darüber will ich mit der Musik zum Nachdenken animieren. Den Bürgern muss es bewusster werden. Den Menschen muss klar werden, dass wir über die Social Media-Zugänge und deren Information kontrolliert werden, und man sollte sorgfältiger an die Dinge rangehen. Man müsste mehr Abwegen, was man glauben kann, von dem was wir an News im Internet lesen können. Man dürfte sich ruhig mit den Kontexten mehr auseinandersetzen. Ich hoffe immer, dass der Journalismus objektiv sein sollte, aber man kann nie sicher sein.

Steve: Möchtest Du ein paar Worte über das neue Video „In Vain“ verlieren?

Sharon: Äääääh…eigentlich ist es kein „wirklich“ offizielles Video, und es geht irgendwie darum, dass die Geschichte sich ständig wiederholt, ganz egal in welchem Land man lebt. Aber es ist die aktuelle erste Single des siebten Albums.

Steve: Also wenn ich richtig gerechnet habe, hattet ihr sieben Drummer in zwanzig Jahren Bandgeschichte, haha; erinnert mich irgendwie an Spinal Tap. Aber bei Euch explodieren die nicht, oder?

Sharon: Haha, jetzt wo Du es sagst! Drummer sind schwierige Menschen, haha!

Steve: Sängerin hasst Schlagzeuger… Darf ich das schreiben, haha?

Sharon: Hilfee! Haha!

Steve: Ich habe gelesen, dass Ihr jetzt 125.000 Tickets für die Tour verkauft habt. Damit seid Ihr die erste Band in der Heimat, die das geschafft hat. Richtig oder falsch?

Sharon: Echt jetzt? Das war mir noch nicht bekannt, aber ich bin trotzdem soooooooooo stolz, haha.

Steve: Was habt Ihr in den nächsten Monaten geplant?

Sharon: Nun, wir gehen erstmal im Februar nach Nordamerika. Wir haben zwar bereits vierzig Konzert abgerissen, bevor das Album rauskam, aber wir haben noch Russland und einiges von Europa vor der Brust.

within temptationSteve: Ach ja, bevor ich es vergesse: Du hast mit dem Leadsänger von Papa Roach, Jacoby Shaddix, den Song „The Reckoning“ aufgenommen; eine ungewöhnliche Wahl als Gast, wie ich finde.

Sharon: Unsere Bands haben schon oft zusammen gespielt…auf vielen Festivals und so. Unsere Wege kreuzen sich ständig. Wir trafen uns in Belgien wieder, und unter der Prämisse, mit „The Reckoning“ etwas Besonderes in die Wege zu leiten, haben wir ihn gefragt, ob er singen möchte. Ihm gefiel der Track recht gut. Alle waren sehr ambitioniert, und das Ergebnis kann sich hören lassen.

Steve: Von Papa Roach muss ich noch das neue Review schreiben. Eigentlich haben wir gerade so ein Ding am Laufen, wo Musiker-Promis Gastreviews schreiben, aber Du scheinst kein Deutsch zu können, haha.

Sharon: Nicht wirklich…

Steve: Genau, die einzige Niederländerin, die kein Deutsch…röchtööööch, haha.

Sharon: Nein ernsthaft: Ich kann einer Konversation folgen und rede leidlich, aber Schreiben ist ein völlig anderer Hut, haha.

Steve: Danke trotzdem.

Sharon: Danke für das Interview.

https://www.resist-temptation.com/

https://www.facebook.com/wtofficial



Autor: Steve Burdelak