MARIANNE FAITHFULL - NEGATIVE CAPABILITY


Label:BMG RIGHTS MANAGEMENT
Jahr:2018
Running Time:42:36
Kategorie: Neuerscheinung
 

Ach du lieber Heilend! Oma singt! Jetzt mal ganz ehrlich, keine Ahnung, wer sich da Gedanken gemacht hat, das Marianne mit diesem Gekrächtze, noch mal ein Lebenszeichen von sich geben soll. Wie schon der Albumtitel, „Negative Capability“, eine Phrase erfunden vom Dichter John Keats, der die Meinung vertrat, man sollte die Fähigkeit haben, zu akzeptieren, dass nicht jeder komplexe Sachverhalt aufgeklärt werden kann, ziehe ich hier die Parallele zur Protagonisten des Albums. Ich kann mir nicht erklären wie das Zeug an den Mann/Frau oder Fan gebracht werden soll, wo wir doch stets von Leistung reden. Das hier ist keine. Aber es wird genug Käufer und gute Kritiken, wahrscheinlich schon aufgrund des Namens geben. Wenn Yoko Ono ihre verbale Onanie loslässt, klatschen auch immer ein paar Spackos, haha. Im Gegensatz zu Yoko, singt Marianne wenigstens noch und auch früher war ihre Stimme bereits kratzig und zerbrechlich („broken“) aber sie hatte Charakter und Elan. Hier hört sich jeder Beitrag, der insgesamt zehn Songs an, als wäre Madame kurz vorm Einschlummern. Bar jeglicher Kraft und beim kleinsten Abverlangen einer Anstrengung ist Ende Gelände. Ja, sie ist einundsiebzig Jahre alt aber das sind genug andere auch. Natürlich hat Frau Faithfull eine schwierige Karriere hinter sich, mit drogenabhängigen Höhen und Tiefen und hat sicherlich im Leben viel gesehen, sie aber nun in der gleichen Lebensphase zu sehen wie großartigen Sänger wie Frank Sinatra, Leonard Cohen, Nina Simone oder gar Johnny Cash, wie der Infoblattschreiber uns suggerieren möchte, halte ich für vermessen. Marianne Faithfull war zu keiner Zeit auf einem derartigen Erfolgstrip, wie die eben genannten Kollegen.

Nun, nach vier Jahren Wartezeit ein neues Album, mit allen Songs im balladesk-melancholischen Stil, davon allerdings zwei Außer der Reihe-Tracks: „As Tears Go By“ (The Rolling Stones ), das von ihrem ex-Lover Mick Jagger und seinem Partner in Crime, Keith Richards, sowie Andrew Loog Oldham, für sie höchstpersönlich geschrieben wurde (von ihr 1964 selbst als Single veröffentlicht und nun neu interpretiert) und „It´s All Over Now, Baby Blue“ (im Original von Bob Dylan und nicht zu verwechseln mit dem Durchbruch Song für The Rolling Stones in Europa), finde ich schon etwas mager. Dies soll ein ehrliches Album sein, was sicherlich in Sachen Lyrics der Fall ist. Es gab Schützenhilfe von Nick Cave, Ed Harcourt, Barry Reynolds und Rob McVey, sowie Mark Lanegan, was alles zusammen die Songs jedoch nicht sehr viel spannender macht. „Negative Capability“ ist schwermütig und hat musikalisch einiges an Piano und Violinen-Momenten zu bieten. Die Atmosphäre kann durchaus berauschend wirken und ist zumindest passend für den nostalgischen Schritt, in die Lebensgeschichte von Marianne Faithfull aber gesanglich werde ich hier kein Lob los. Da die Lady jedoch eh nicht auf Komplimente steht, wird dieses Review wohl in Ordnung gehen. Ganz so „ehrlich“ wollte man mit dem Cover-Foto aber nicht sein. Absolut überschminkt und total überbelichtet ist Marianne in Szene gesetzt. Hier hätte ein schwarz/weiß Charakter-Shot besser funktioniert. „Negative Capability“…nur für Fans unverzichtbar.

Note: 5 von 10 Punkten
Autor: Steve Burdelak


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