SACRED REICH, AFTER ALL, DEGRADEAD

Bochum, Zeche, 13.06.2012

An einem Mittwochabend fand in der Bochumer Zeche das Sacred Reich-Konzert statt. Das wäre im Prinzip gar nicht so schlimm gewesen, wenn an diesem Abend nicht ausgerechnet das Prestigeduell zwischen Deutschland und Holland während der Fußball-EM stattgefunden hätte. Dementsprechend leer war es anfangs in der Halle. Das Spiel konnte schließlich in der Bar der Konzerthalle am TV verfolgt werden; und das genau in der Zeit, als die ersten beiden Bands auf der Bühne standen.

 

DEGRADEAD voc LIVE 2012Den Anfang machten Degradead aus Schweden, von denen ich bislang noch nie etwas gehört hatte. Dabei haben sie es bereits auf drei Studioalben geschafft. Sie spielen Melodic Death Metal, wie ihn ihre Landsleute von In Flames und Dark Tranquillity einst gespielt haben. Schnell und rhythmisch wummerten sie ihre Songs runter, und das mit einer beängstigenden Präzision. Sänger Mikael Sehlin beherrschte den Wechsel aus aggressiven Growls und kraftvollen, melodischen Passagen fließend und konnte durchweg überzeugen. Schade, dass das kaum Leute gesehen haben. Nebenan lief schließlich Fußball.

 

AFTER ALL voc LIVE 2012Weiter ging es mit einer Band, die ebenfalls total unbekannt ist, bei der ich es aber, ehrlich gesagt, überhaupt nicht nachvollziehen kann: After All aus Belgien. Die Band besteht bereits seit 20 Jahren und hat zahlreiche Veröffentlichungen draußen. Sie spielten schon im Vorprogramm von Vicious Rumors, Agent Steel, letztes Jahr auf der „Killfest“-Tour mit Overkill, Destruction und Heathen, eine Woche vor dieser Tour sogar einen Gig im Vorprogramm von Judas Priest und Saxon im heimischen Belgien. Das Cover des neuen Albums hat Ed Repka (u. a. Megadeth, Death usw.) entworfen. Die LP-Version ist sogar bei Roadrunner erschienen. Und trotzdem kennt sie hier kaum jemand. Verdient haben sie diese Ignoranz nicht! Zwar waren ihre letzten Veröffentlichungen recht modern ausgeprägt. Jetzt besitzen sie aber mit Sammy Peleman einen Sänger, der auch die höchsten Stimmlagen gekonnt meistert. Erinnerungen an Flotsam And Jetsam, neue Agent Steel oder auch alte Steel Prophet (durch die gelegentlichen Blastpassagen!) fallen mir spontan ein, um Euch den Sound der Band etwas näher zu beschreiben. Man merkt aber, dass sie sehr viel live unterwegs sind. Denn das Zusammenspiel ist sehr tight und druckvoll. Das alte Material mit dem alten Sänger hat man komplett außen vor gelassen. Es wurden ausschließlich Songs vom neuen Meisterwerk „Dawn Of The Enforcer“ gespielt, das zur Hälfte auch aus der letztjährigen EP „Becoming The Martyr“ besteht. Der druckvolle Sound schmetterte alles an die Wand und der glasklare Gesang war wirklich sensationell. Aber leider hat es kaum jemand mitbekommen, da Deutschland zeitgleich immer noch gegen Holland spielte. Schade!

 

SACRED REICH voc LIVE 2012Ich war echt überrascht, dass die Halle beim Beginn von Sacred Reich tatsächlich sehr gut gefüllt war. Wo kamen auf einmal die ganzen Leute her? Egal! Nun konnte es richtig losgehen! Die vier mittlerweile sehr beleibten, alten Herren, die seit 2006 nur noch als Liveband ohne Pläne für ein neues Album unterwegs sind, haben allerdings nichts von der alten Klasse eingebüßt. Im Gegenteil: Sie sprühten nur so vor Spielfreude und gaben gehörig Gas. Sänger und Bassist Phil Rind war gut aufgelegt und super bei Stimme. Seine Ansagen waren mehr Smalltalks mit Fans, als richtige Ansagen, was dem Gig eine schöne, familiäre Clubatmosphäre gab. Letztes Jahr wäre mehr los gewesen, mit Stagediven und so, ja, er muss auch normal arbeiten und findet es Scheiße, nein, er mag Kiss eigentlich nicht besonders. Der sympathische Frontmann plauderte fröhlich aus dem Nähkästchen. Die Setlist beschränkte sich natürlich ausschließlich auf die ersten drei Alben „Ignorance“, „The American Way“ und „Independent“. Auch „Surf Nicaragua“ und das tolle Black Sabbath-Cover „War Pigs“, bei dem Phil Rind kurz in der ersten Strophe den Text vergessen hatte, und sich mit einem Lächeln bei den Fans fürs Mitsingen bedankte, sorgten für beste Partystimmung im Publikum. Nach der letzten Zugabe „Surf Nicaragua“ gab Phil noch nach der Show fast allen anwesenden Fans die Hand und erfüllte fleißig Foto- und Autogrammwünsche. Abgehoben sind sie keineswegs. Sacred Reich sind ein gut eingespielter, sympathischer Haufen und werden uns hoffentlich noch lange erhalten bleiben.



Autor: Daniel Müller - Pics: Daniel Müller