MAYA FADEEVA - Jazz und doch was völlig Anderes


Seit einiger Zeit merke ich wie sich mein Musikgeschmack ein weiteres Mal wandelt. Immer öfter finde ich mich im Jazz zu Hause. Vor zwanzig Jahren noch völlig undenkbar. Klar, basierten meine Kenntnisse bisher nur aus konfusem Geplänkel, genannt Fusion. Doch die Facetten sind, wie auch im Metal unzählbar. Maya Fadeeva landete mit ihrem aktuellen Longplayer „Chamëleon“ eher durch Zufall in meinem Player und seitdem bin ich besessen. Obschon ihre Version des Nu-Jazz und Lounge breit gefächert ist. Schnell zu einem kleinen privaten Konzert in Düsseldorf und nun ist ihre Musik für immer in meinem Blut. Und somit bekommt ihr nun das wohlverdiente Interview, eins das erst mit einer zweistündigen Kennenlern-Plauderei begann, ehe überhaupt die erste Frage gestellt wurde. Danke das man im L´Osteria in Langenfeld so geduldig mit uns war.

Maya: Das ist spanneeeeeeeeeeeeeeeend!

Steve: Hast du noch keine Interviews gemacht?

Maya: Doch aber das hier ist live.

Steve: Fadeeva…das ist doch kein russischer Name oder?

Maya: Doch, sogar ein ganz bekannter. Wir haben einen berühmten Produzenten und einen Bücherautor mit gleichem Namen. Meine Variante wird allerdings Englisch ausgesprochen, dabei klingen die zwei „e“, spricht man es wie in „Diva“.

Steve: Kann man ja schon fast als Vornamen nehmen. Erzählst du uns ein bisschen über deinen Werdegang?

Maya: Gesungen habe ich schon immer. Mit drei Jahren hat mein Papa mir gezeigt, wie ich meine eigene Stimme auf dem Cassettenrecorder aufnehmen kann. Das habe ich wochenlang gemacht, haha. Die Aufnahmen habe ich immer noch und bin verwundert, dass ich damals so singen konnte. Mit sieben Jahren habe ich die alten Tom und Jerry Folgen geguckt. Und zwar immer dieselben frühen Teile, denn da spielt die Musik der Bigband von Scott Bradley. Sein Stil war einzigartig denn er hat mit so vielen Elemente und Richtungen gearbeitet. Aber hauptsächlich war er im Swing zu Hause. Das Ganze gepaart mit Humor, man hört ständig Geräusche, Dinge fallen, Hunde bellen. Mein musikalischer Humor resultiert daraus. Dann sind wir als ich acht Jahre alt war nach New York City umgezogen. Brooklyn (Brighton Beach) um genau zu sein. Danach war ich ein Jahr in den Niederlanden. Später kam ich dann nach Deutschland. Mit sechzehn Jahren habe ich eine Ausbildung als Grafik Designerin angefangen aber die fand ich fürchterlich. Nur mit Mühe und Not habe ich die Lehre beendet. Zuvor hatte ich mal spontan bei Straßenmusikern ein Lied mitgesungen. Die fanden das ziemlich toll und nahmen mich ein halbes Jahr zu Auftritten mit. Da habe ich plötzlich mehr Geld verdient als mein BaföG. Das war für mich ein Zeichen. Ich hatte Spaß, Geld und somit fing alles an. Ich ging in Jazz-Clubs, habe Leute kennengelernt, manchmal die Falschen, habe Bands getroffen, Erfahrungen gesammelt…nicht nur Gute, haha. Es gab ein paar Auftrittsmöglichkeiten…es gab immer bessere Formation und dann habe ich erstmal studiert. Ich habe in Maastricht den Bachelor Of Music gemacht. Vor circa sechs Jahren inspirierte mich mein Bassist Emanuel Stanley dazu mein eigenes Album zu machen. Ich hatte eine Menge Ideen aber noch nie eigene Musik produziert. Ich habe erstmal ein paar Songs aufgenommen aber mir fehlten ein paar Electro-Sounds. Mit den Musikern die ich damals hatte klangen die Tracks aber nicht so wie ich sie mir vorgestellt habe. Ich musste erstmal gezielt Musiker suchen, die mehr auf meine Musikrichtung eingestellt waren. Und so kam ich auf die Truppe Club des Belugas.

Steve: Aber hallo! Jetzt beantwortest du schon die vierte Frage innerhalb deiner Geschichte. Da brauche ich die Fragen ja nur zwischen deinen Text klemmen, haha. Ok, dann stell den Club mal vor. Hört sich auch sehr russisch an.

Maya 2Maya: Ja, eine relativ bekannte Band, vor allem in Russland. Ich kannte die Jungs schon länger. Ich habe immer gesagt, dass sie genau den Sound drauf haben, den ich mir für meine Songs wünsche. Den perfekten Mix aus Vintage und Moderne. Electro-Swing ist nicht so mein Ding. Das ist mir nicht Vintage genug…meist nur zehn Prozent im Mix. Bei Club des Belugas ist das echt anders. Sechzig bis siebzig Prozent Vintage und dann echt coole moderne Sounds dabei. Easy Beats oder etwas Rap. Ein transparenter Klang.

Steve: Homogene Symbiose!

Maya: Eine sehr gute Bezeichnung.

Steve: Das sind aber nicht die Musiker auf deinem Album?

Maya: Nein. Das ist ein Projekt von dem Kopf Maxim Illion (Keyboard, Bass, Percussions). Er hat die Songs geschrieben und produziert und reiht dann Mitmusiker um sich. Ich habe ihn auf Facebook angeschrieben und gefragt ob wir was zusammen machen können. Er hat zugesagt. Ich hatte genug Material in Form von Videos auf Facebook, jede Menge Follower und das konnte er sich zu Gemüte führen. Er mochte meine dunkle, rauchige Frauenstimme. Tja, somit kam es dazu, das er mein Album produziert hat.

Steve: Und wer hat dich bei den Lyrics inspiriert?

Maya: Das ist eine sehr gute Frage. Meine Texte haben zwei Kategorien.
Nummer Eins ist die Selbstfindung. Ich bin ein Mensch der sehr viel nachdenkt und ich gehe quasi einen Weg der Befreiung. Ich versuche mich stets von Altlasten zu befreien und meine wahre Persönlichkeit zu entfalten.
Ich bin der Meinung, das jeder Mensch eine wunderschöne Persönlichkeit in sich trägt. Wer sie nicht zeigen kann beweist nur, dass er belastet ist. Man hat die Verletzungen, die einem zugetragen wurden nicht überwunden und wirkt somit verbittert. Da gibt es natürlich verschiedene Phasen und verschiedene Themen die hochkommen und bearbeitet werden müssen. Ich schreibe dann darüber. Zum Beispiel der Song „Fire“. Das Leben besteht aus einem Kommen und einem Gehen. Jedes Ende ist auch ein neuer Anfang. Ich sehe es gar nicht als Schlechtes wenn etwas endet, da auch wieder etwas Neues beginnt. Das kann besser und intensiver sein, wenn man denn konstruktiver mit den Dingen umgeht. Diese Idee kam mir mitten in der Nacht. Kernaussage ist, dass alles gut ist wie es ist und man die Sachen einfach akzeptieren soll. Das ist ein Fluss des Lebens.

Steve: Ich freue mich schon auf den Song, wenn die Sache nicht mehr funktioniert. Wenn der Schicksalsschlag so schwer ist, das man denkt daraus kann nicht Gutes entstehen. Ein Kind stirbt! Du wirst Krebskrank! Was soll da schönes Neues raus entstehen?

Maya: Solche Extremsituationen meine ich nicht.

Steve: Aber das sind die Zustände die Menschen verbittern lassen. Es ist ja nicht unbedingt der Grund weil der Freund oder die Freundin geht oder der Nachbar einen ständig nervt.

Maya 1Maya: Aber auch wenn Partnerschaften brechen gibt es das. Ich meinte es aber eher im Sinne des kleinen Rahmens den wir beeinflussen können. Zum Beispiel eine Blume. Sie kann wachsen oder du kannst auf sie drauftreten. Dann stirbt sie. Aber wenn sie wächst, dann braucht sie Wasser und Sonne, sowie jede Menge Pflege. Und wenn man ihr das gibt wird sie schön und erfreut uns.
Genauso ist es auch mit den Menschen. Wenn man ihnen den Rücken kehrt sterben sie…im geistigen Sinne. Genau darüber schreibe ich.

Steve: Eine Musiker der nicht stolz auf sich ist, taugt nichts, haha. Man muss schon von sich überzeugt sein. Deshalb sind ja viele immer beleidigt wenn es eine negative Kritik gibt. Ich meine die Bands kennen sich selbst und eine Handvoll andere Musiker. Ich selber habe bereits tausende Bands gehört Und mit denen muss ich vergleichen. Wenn sich einer als besten Gitarristen der Welt sieht ist das gut für sein Ego und gibt ihm Mut. Aber ich habe heute die neue Joe Satriani gehört und gerade die Doppel-CD von Joe Bonamassa besprochen. Da hängt der Hammer.
Ich bin ja mindestens so oft umgezogen wie du, in verschiedene Länder und fühlte mich später total entwurzelt. Aufgrund meiner Recherche in Sachen Maya Fadeeva dacht ich es könnte dir ähnlich ergangen sein. Das kompensierst du doch bestimmt in deinen Songs. Was bedeutet für dich Heimat?

Maya: Meine Mentalität ist definitiv russisch. 100%!!! Aber ich würde nicht in Russland leben wollen. Ich fühle mich sehr wohl hier in Deutschland. Ich bin aber ein Mensch der verschiedene Länder und Kulturen mag und das versuche ich in meinen Liedern zu verbinden. Es gibt somit viele Stilrichtungen und Farben in meiner Musik. Da hatte meine Rumreiserei und die Dinge die ich gesehen und erlebt habe, einen guten Einfluss auf mich gehabt. Aber ich erinnere mich gerade daran dass ich nur eine Kategorie Texte erwähnt habe.
Ich muss dir noch von der anderen erzählen.

Steve: Da bitte ich drum!

Maya: Die Zweite ist einfach nur Witz, Spaß und Humor. Das betrifft Lieder wie „My Coconutnut Song“ oder „Finger Snap“.

Steve: Soll ich dir mal ein Geständnis ablegen? Ich hasse Humor in Musik!
Bei dir ist es das erstemal das es für mich funktioniert hat. So krass!

Maya: Echt jetzt?

Steve: Humor ist für mich eine ganz intensive Sache und ich mag keinen Humor im Heavy Metal oder in Horror-Filmen oder Persiflagen auf Dinge, die ich ernst nehme. Und ich nehme Musik total ernst und deshalb hat dort Humor nichts zu suchen, haha. Bei Max Raabe, mit seinen Grimassen passt es, wie damals bei den Comedian Harmonists. Aber mehr brauche ich nicht. Da kommst du mit „My Coconutnut Song“ und drehst meine musikalische Welt auf den Kopf. Keine Ahnung wie oft ich zu Hause dein Album jetzt gehört habe aber meine Nachbarin hasst mich schon.

Maya. Aahh…wie schön! Das ist mein wichtigster Song…mein Baby. Ich habe den Produzenten gezwungen die Form des Komponierens so zu übernehmen. Etwas gegen die Regel.

Maya 3Steve: Dann hast du aber noch eine andere Einstellung von mir auf links gedreht. Ich hasse Cover-Versionen. Und erst recht hasse ich dieses Lied „Supergirl“ (im Original von Reamonn). Und dann bringst du es live in Düsseldorf auf der Bühne und ich denke so: Damn…das ist doch ihr Lied…das vor ihr niemand wirklich gesungen. Schließlich zauberst du anschließend „Prelude To A Kiss“ von Duke Ellington an die Sonne. Das war der Hammer. Also irgendwann überrede ich dich dazu Etta James („I´d Rather Go Blind“) zu singen. Ich habe im Review eh eine stimmliche Verbindung zu Lady James und auch Amy Winehouse deklariert.

Maya: Ja mit Amy Winehouse werde ich schon seit Jahren verglichen. Bereits bevor ich von ihr gehört hatte, haha.

Steve: Fast jeder Musiker/Inn und Sänger/Inn ist der Meinung eine neue Nische gefunden zu haben. Das will ich von dir jetzt nicht behaupten aber hast du selber etwas, nach deiner Meinung, dass dich von den anderen musikalisch abgrenzt oder besonders macht? Gibt es Elemente in deiner Musik die typisch „Du“ sind?

Maya: Auf jeden Fall! Aber wie erkläre ich das vernünftig? Nun, zum einen ist es die Stimmfarbe.

Steve: In Deutschland einzigartig!

Maya: Ich hätte niemals eine Karriere angefangen, wenn ich nicht der Überzeugung gewesen wäre eine außergewöhnliche Stimmfarbe, den besonderen Klang zu haben. Ich denke das ist das Wichtigste und ich bin sehr dankbar, denn ich kann rein gar nichts dafür. Das habe ich so mitbekommen…natürlich spielt die Anatomie eine wichtige Rolle aber es kommen unzählige Faktoren zusammen.

Steve: Das war für mich auch Initialzündung.

Maya: Dazu gesellt sich der Stilmix. Wie ein Chamäleon.Es hat die Eigenschaft sich überall anzupassen aber es bleibt immer das gleiche Tier. Das Chamäleon zusammen mit meiner Stimme kann gerne zu meinem Markenzeichen werden.

Steve: Meine Freundin sagt schon seit Tagen, das ich alles an dir toll finde, ob es nichts Negatives gäbe, weil ich doch dafür bekannt wäre, immer was Negatives zu finden. Ich sagte, dass ich ja nicht wisse, wie weit die Sängerin kommen will.

Maya: Ist das die nächste Frage?

Steve: Nein, ich weiß ja dass du bis Ultimo Karriere machen willst aber…bei dir passt alles perfekt zusammen. Nur dein Outfit würde ich ändern. Mit dem Outfit machst du keine Weltkarriere, weil das einfach zu brav ist. Du singst lasziv und hast deine Bewegungen drauf. Jetzt muss das Kleid her wo die Jungs durchdrehen. Latenter Pfeffer. Etwas wo alle Jungs denken, die will ich als Freundin und alle Frauen denken, so will ich auch sein.

Maya: Ich brauche einen Modeberater.

Steve: Hier!

Maya: Ich nehme dich beim Wort aber nochmal zur Karriere. Ich hätte nichts gegen die größte Karriere der Welt, mit großer Bühne und tausenden von Zuschauern, könnte aber nicht sagen ob ich dann wirklich glücklicher wäre als jetzt.

Steve: Wenn ich dich mal unterbrechen darf. Ich habe dich jetzt in einer kleinen Clubatmosphäre, sehr intim (du weißt wie ich das meine) kennengelernt. Ich weiß gar nicht wie man das auf einer großen Bühne umsetzen kann. Gerade die Clubatmosphäre ist ein Teil dessen was du präsentierst.

Maya 4Maya: Da magst du recht haben. Auf jeden Fall ist es für mich wichtig jeden Schritt bewusst zu erleben. Ich möchte mit meinen Aufgaben wachsen. Ich bin so froh, dass ich mit Menschen arbeiten kann, denen ich vertraue. Das ist in diesem Business sehr schwierig. Das allerwichtigste ist auch das ich Musik machen kann hinter der ich hundertprozentig stehe. Ich möchte mit meinem Weg erfolgreich sein. Ich möchte Menschen inspirieren an sich selbst und ihre eigenen Träume zu glauben. Ich habe auch mit nichts angefangen aber man kann viel erreichen wenn man an sich glaubt und das möchte ich weitergeben.
Ich möchte natürlich, dass viele Menschen meine Musik mögen aber ich will Licht in die Sache bringen.

Steve: Warum setzt du dich so offensichtlich zwischen den Stühlen, wenn es um deine Musik geht?

Maya: Ich mag keine Schubladen. So einfach ist das.

Steve: Ein Blick in die Zukunft?

Maya: Ich arbeite bereits an meinem nächsten Album. Einige Sachen habe ich bereits komponiert. Ich möchte mich übrigens bei meinen Fans, Zuhörern, bei euren Lesern und vielen mehr bedanken, die ich mit meiner Musik inspiriert habe. Das ist genau mein Ziel.

http://www.maya-fadeeva.com/

 

 



Autor: Steve Burdelak